Tag Empfehlungen

Wer darf und muss entscheiden, ob Zwölf- bis Fünfzehnjährige gegen Covid-19 mit dem jetzt für sie von der EMA zugelassenen

…. Impfstoff von BioNTech geimpft werden (sollen)?

Diese Entscheidung müssen die Elternteile, 

  • denen das Sorgerecht zusteht, 

treffen und zwar 

  • gemeinsam sorgeberechtigte 

Eltern im 

  • gegenseitigen Einvernehmen 

auch dann, wenn gemeinsam sorgeberechtigte Eltern 

  • getrennt

leben, da es sich bei einer Impfung um eine Angelegenheit 

  • von erheblicher Bedeutung i.S.v. § 1687 Abs. 1 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)

für das Kind handelt.  

Können sich gemeinsam sorgeberechtigte Eltern nicht einigen,

  • ob ihr Kind geimpft werden soll, 

kann 

  • jeder der Elternteile 

beim Familiengericht nach § 1628 Satz 1 BGB beantragen, ihm die 

  • (alleinige) Entscheidungsbefugnis bezüglich der Impfung 

zu übertragen. 

Das Familiengericht darf in einem solchen Fall nicht die 

  • Entscheidung anstelle der Eltern

treffen, sondern hat den im Rahmen der Sorgerechtsausübung aufgetretenen Konflikt 

  • der Eltern über die Impfung bzw. die Nichtimpfung 

zu lösen und zwar durch Übertragung der Entscheidungsbefugnis auf den Elternteil, der 

  • das für das Kindeswohl bessere Konzept verfolgt, also 

besser geeignet ist, die Impffrage kindeswohlkonform zu entscheiden.  

In den ober- und höchstrichterlich entschiedenen Fällen, in denen Eltern uneinig darüber waren, 

  • ob bei ihrem Kind eine sog. Standard- oder Routineschutzimpfung (gegen Tetanus, Diphtherie, Pertussis, Pneumokokken, Rotaviren, Meningokokken C, Masern, Mumps und Röteln) durchgeführt werden soll

und wechselseitig die Alleinübertragung der Entscheidungsbefugnis über die Impffrage beantragt hatten, ist die Entscheidungsbefugnis dem Elternteil übertragen worden, der 

  • Impfungen offen gegenüberstand und 
  • seine Haltung an den als medizinischen Standard anerkannten Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) orientieren wollte,

nachdem von dem anderen Elternteil einzelfallbezogene Aspekte, 

  • die zu weiteren Ermittlungen Veranlassung hätten geben können,
  • wie etwa besondere bestehende Impfrisiken bei dem Kind, 

weder vorgetragen, noch sonst ersichtlich waren (Beschlüsse des Oberlandesgerichts (OLG) Frankfurt vom 08.03.2021 – 6 UF 3/21 – und des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 03.95.2017 – XII ZB 157/16 –).

Hinweis:
Die Europäische Arzneimittelbehörde (EMA) ist zuständig für die 

  • Zulassung von Impfstoffen 

in der Europäischen Union. 

Für die 

  • Anwendungsempfehlung in Deutschland 

ist dagegen zuständig die beim Robert-Koch-Institut eingerichtete 

  • STIKO (vgl. dazu § 20 Abs. 2 und Abs. 2a Infektionsschutzgesetz (IFSG)), 

die prüfen wird, 

  • welchen Nutzen (welche) Kinder im Alter von zwölf bis fünfzehn Jahren (mit und ohne Vorerkrankungen) selber von der Impfung haben, also inwieweit (welche) dieser Kinder von einer Impfung profitieren sowie 
  • zu welchen, über das übliche Ausmaß einer Impfung hinausgehenden, Nebenwirkungen oder gesundheitlichen (Folge)Schädigungen es nach Datenlage bei (welchen) dieser Kinder im Fall einer Impfung kommen kann bzw. ob die derzeitige Datenlage schon zu einer solchen Beurteilung ausreicht

und anschließend unter Abwägung

  • des Nutzen-Risiko-Verhältnisses (auch für die Umgebung der Kinder und die Allgemeinheit)  

entscheiden wird, ob sie eine Empfehlung zur Durchführung der Impfung 

  • generell für alle Kinder im Alter von zwölf bis fünfzehn Jahren oder 
  • (nur) für bestimmte Kinder dieses Alters (unter bestimmten Voraussetzungen, wie etwa mit bestimmten Vorerkrankungen) 

gibt.

Wer entscheidet bei Uneinigkeit der gemeinsam sorgeberechtigten Eltern, ob ihr Kind geimpft wird?

Mit Beschluss vom 08.03.2021 – 6 UF 3/21 – hat das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main in einem Fall, in dem Eltern eines 3-jährigen Kindes gemeinsam die elterliche Sorge ausübten und die Mutter das Kind 

  • gemäß den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) 

impfen lassen wollte, 

  • der Vater damit aber nicht einverstanden war und eine gerichtliche Prüfung der Impffähigkeit des Kindes verlangte,

der Mutter, 

  • auf ihren Antrag hin,

die alleinige Entscheidungsbefugnis über Standardimpfungen übertragen. 

Danach kann, wenn gemeinsam sorgeberechtigte Eltern uneinig darüber sind, 

  • ob bei ihrem Kind eine sog. Standard- oder Routineschutzimpfung durchgeführt werden soll,

nach § 1628 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB),

  • weil die Schutzimpfung eines Kindes auch dann eine Angelegenheit von erheblicher Bedeutung für das Kind ist, wenn es sich um eine sogenannte Standard- oder Routineimpfung handelt,

die (alleinige) Entscheidungsbefugnis, 

  • ohne dass es, sofern im Einzelfall nicht, wegen besonderer bestehender Impfrisiken, Anlass zu weiteren Ermittlungen besteht, der Einholung eines Sachverständigengutachtens über die Impffähigkeit des Kindes bedarf, 

grundsätzlich auf den Elternteil übertragen werden, der seine Haltung 

  • an den Empfehlungen der STIKO 

orientiert, nach denen  

Begründet hat das OLG dies damit, dass 

  • bei einer Angelegenheit der Gesundheitssorge 

der Elternteil das für das Kindeswohl bessere Konzept verfolgt, der Impfungen 

  • offen gegenübersteht 

und diesbezüglich den fachlichen Empfehlungen der STIKO folgen will,

  • die am Kindeswohl orientierte Vorgehensweisen mit im Einzelnen dargestellten Handlungsvorschlägen vorsehen und 
  • denen die Funktion eines antizipierten Sachverständigengutachtens zukommt (Quelle: Pressemitteilung des OLG Frankfurt am Main).

Wichtig zu wissen für gemeinsam sorgeberechtigte Eltern, die sich nicht einigen können, ob ihr Kind geimpft werden soll

…. oder nicht und die deshalb wechselseitig die Entscheidungsbefugnis hierüber übertragen haben möchten.

Mit Beschluss vom 03.05.2017 – XII ZB 157/16 – hat der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) entschieden, dass, wenn Eltern uneinig darüber sind,

  • ob bei ihrem Kind eine sog. Standard- oder Routineschutzimpfung (gegen Tetanus, Diphtherie, Pertussis, Pneumokokken, Rotaviren, Meningokokken C, Masern, Mumps und Röteln) durchgeführt werden soll,

das Familiengericht die Entscheidungsbefugnis jedenfalls dann dem Elternteil übertragen kann, der die Impfung des Kindes entsprechend den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission beim Robert-Koch-Institut (im Folgenden: STIKO) befürwortet,

  • wenn bei dem Kind keine besonderen Impfrisiken vorliegen.

Begründet hat der Senat dies damit, dass

  • nach § 1628 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), wenn sich die Eltern bei gemeinsamer elterlicher Sorge in einer einzelnen Angelegenheit oder in einer bestimmten Art von Angelegenheiten, deren Regelung für das Kind von erheblicher Bedeutung ist, nicht einigen können, das Familiengericht auf Antrag eines Elternteils die Entscheidung einem Elternteil übertragen kann,
  • die Schutzimpfung eines Kindes auch dann eine Angelegenheit von erheblicher Bedeutung für das Kind ist, wenn es sich um eine sogenannte Standard- oder Routineimpfung handelt,
  • die aufgrund § 1628 BGB zu treffende Entscheidung des Familiengerichts sich gemäß § 1697 a BGB nach dem Kindeswohl richtet,
  • demzufolge in Angelegenheiten der Gesundheitssorge die Entscheidungskompetenz dem Elternteil zu übertragen ist, der das für das Kindeswohl bessere Lösungskonzept verfolgt und

aufgrund der als medizinischer Standard anerkannten Empfehlungen der STIKO davon auszugehen ist, dass der Nutzen der Impfungen,

  • die dem Wohl des Einzelnen im Hinblick auf eine mögliche Erkrankung und in Bezug auf die Gefahr einer Weiterverbreitung dem Gemeinwohl dienen,

deren Risiken überwiegt.