Tag Fahrgast

Wichtig zu wissen für Fahrgäste, die ein Schienenfahrzeug, wie einen Zug, eine Straßen- oder U-Bahn benutzen

Wird

  • bei dem Betrieb einer Schienenbahn 

ein Fahrgast verletzt, ist 

  • der Bahnbetreiber 

dem Fahrgast gegenüber zum Schadensersatz sowie zur Zahlung von Schmerzensgeld verpflichtet,

  • aus – verschuldensunabhängiger – Gefährdungshaftung nach §§ 1 Abs. 1, 6 Haftpflichtgesetz (HaftpflichtG), 
    • sofern der Unfall nicht durch höhere Gewalt verursacht worden ist (vgl. § 1 Abs. 2 HaftpflichtG) 

sowie

  • aus §§ 823, 831, 249 ff. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) bzw. §§ 611 ff., 280, 278, 249 ff. BGB, wenn 
    • eine schuldhafte Verkehrssicherungsverletzung des Bahnbetreibers oder 
    • eine schuldhafte Pflichtwidrigkeit des Bahnführers vorgelegen hat,

wobei dem Betrieb auch Unfälle zuzuordnen sind, die sich ereignen, 

  • beim mit dem Erfassen der Haltestange, des Türgriffs bzw. mit dem Betreten der ersten Trittstufe beginnenden Einsteigevorgang oder
  • beim Aussteigen. 

Allerdings kann, 

  • auch wenn danach eine Haftung des Bahnbetreibers dem Grunde nach gegeben ist, 

den Fahrgast ein bei der Entstehung des Schadens mitwirkendes anspruchsminderndes Mitverschulden (§§ 4 HaftPflichtG, 254 Abs. 1 BGB) treffen und 

  • bei einem ganz überwiegendem Eigenverschulden ein Anspruch (auch) aus – verschuldensunabhängiger – Gefährdungshaftung sogar ganz ausgeschlossen sein.

Darauf hat das Landgericht (LG) München I mit Urteil vom 27.08.2020 – 31 O 1712/20 – hingewiesen und in einem Fall, in dem auf einem Bahnhof ein Fahrgast sich beim Einsteigen in einen Zug,   

  • dadurch, dass er mit dem linken Bein in den 28 cm breiten Spalt zwischen Trittbrett des Schienenfahrzeugs und der Bahnsteigkante geraten war, 

eine Unterschenkelfraktur zugezogen hatte, die Klage des Fahrgastes 

  • auf Schadensersatz und Zahlung von Schmerzensgeld  

gegen den Betreiber des Zuges abgewiesen.

Dass der Fahrgast keine Ansprüche aus seinem vorliegenden Unfall hat, 

  • weder aus §§ 1, 6 Haftpflichtgesetz, 
  • noch aus § 823 Abs. 1 BGB wegen schuldhafter Verletzung von Verkehrssicherungspflichten,

hat das LG damit begründet, dass 

  • bei der Nutzung von Schienenfahrzeugen mit einem Abstand von bis zu 33 cm zwischen Bahnsteigkante und Trittbrett des Schienenfahrzeugs gerechnet werden müsse, somit es 

sich bei dem 28 cm breiten Zwischenraum um keinen verkehrswidrigen, d.h. sicherungsbedürftigen Zustand gehandelt sowie dass der Umstand, dass der Fahrgast beim Einsteigen nicht die erforderliche gesteigerte Aufmerksamkeit habe walten lassen, 

  • auf die auch der Betreiber des Schienenfahrzeugs vertrauen darf,

ein überwiegendes,

  • eine Haftung nach dem HaftpflichtG ausschließendes,

Eigenverschulden des Fahrgastes begründe.

OLG Köln verurteilt Fahrgast eines Taxis, der beim Öffnen der Fahrzeugtür zum Aussteigen einen Unfall verursacht hat, zum

…. Schadensersatz in vollem Umfang.

Mit Urteil vom 07.11.2019 – 15 U 113/19 – hat das Oberlandesgericht (OLG) Köln in einem Fall, in dem von einem Fahrgast eines Taxis, 

  • nach dem Halt des Taxifahrers am linken Fahrbahnrand in einer Einbahnstraße, 

die rechte hintere Fahrzeugtür zum Aussteigen geöffnet und es dadurch zur Kollision mit einem anderen Fahrzeug 

  • sowie einem Schaden in Höhe von 10.128,96 Euro 

gekommen war, entschieden, dass der Taxifahrgast für den Schaden 

  • in vollem Umfang 

haftet.  

Begründet hat das OLG dies damit, dass, wer ein- oder aussteigt,

  • sich nach § 14 Abs. 1 Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) so verhalten muss, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist,
  • diese Sorgfaltsanforderung für die gesamte Dauer eines Ein- oder Aussteigevorgangs gilt, also für alle Vorgänge, die in einem unmittelbaren zeitlichen und örtlichen Zusammenhang damit stehen, wobei 
    • der Vorgang des Einsteigens erst mit dem Schließen der Fahrzeugtüre, 
    • der Vorgang des Aussteigens erst mit dem Schließen der Fahrzeugtüre und dem Verlassen der Fahrbahn beendet ist.

und gegenüber der von dem Fahrgast 

  • im Hinblick auf das Verkehrsgeschehen 

an den Tag gelegten schwerwiegenden Unaufmerksamkeit beim Aussteigen, 

  • ohne zunächst die Fahrzeugtür vorsichtig nur einen Spalt zu öffnen und einen Blick nach hinten auf den rückwärtigen Verkehr zu werfen, 

ein zu berücksichtigendes schuldhaftes Verhalten des Taxifahrers nicht ersichtlich ist,

  • zumal § 12 Abs. 4 S. 4 StVO in Einbahnstraßen das Halten am linken Straßenrand erlaubt. 

Ausdrücklich hingewiesen hat das OLG darauf, dass Taxifahrer,

  • sofern im Einzelfall keine besonderen Umstände vorliegen, 

grundsätzlich

  • nicht verpflichtet sind 

erwachsene Fahrgäste vor dem Aussteigen zur Vorsicht zu ermahnen, sondern 

  • Erwachsene in erster Linie allein für ihr Verhalten im Straßenverkehr verantwortlich sind.

Übrigens:
Hingewiesen wird auch auf unseren Blog

Wer beim Einsteigen in eine S-Bahn mit dem Fuß in den Spalt zwischen Bahnsteig und Zug gerät und sich dabei verletzt

…. hat jedenfalls dann keinen Anspruch auf Schadensersatz und Schmerzensgeld wenn

  • er regelmäßig die S-Bahn nutzt,
  • mit den örtlichen Gegebenheiten vertraut und
  • der Spalt zwischen Zug und S-Bahn lediglich ca. 14 cm breit ist.

Das hat das Amtsgericht (AG) München mit Urteil vom 25.04.2017 – 173 C 27106/16 – entschieden.

Danach soll in einem solchen Fall das Mitverschulden des Fahrgastes derart überwiegen, dass die Betriebsgefahr auf Seiten der Deutschen Bahn demgegenüber gänzlich zurücktritt.

Begründet hat das AG dies damit, dass ein Spalt von lediglich 14 cm Breite von Fahrgästen,

  • zumal dann, wenn ihnen, als regelmäßige S-Bahn-Nutzer, dessen Existenz bekannt sein muss,

bereits bei Beachtung geringer Sorgfaltsanforderungen mühelos überwunden werden kann (Quelle: Pressemitteilung des AG München vom 17.11.2017).

Was man wissen sollte, wenn man sich in der Straßenbahn bei einem Bremsmanöver des Straßenbahnführers verletzt hat

Verletzt sich ein Fahrgast bei einem Bremsmanöver der Straßenbahn haftet der Straßenbahnbetreiber dem Fahrgast gegenüber auf Schadensersatz sowie Schmerzensgeld

  • aus §§ 823, 831, 249 ff. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) bzw. §§ 611 ff., 280, 278, 249 ff. BGB, wenn
    • eine schuldhafte Pflichtwidrigkeit des Straßenbahnführers vorgelegen hat,
    • also das Bremsmanöver verkehrsbedingt nicht zwingend erforderlich war,
  • aber auch aus – verschuldensunabhängiger – Gefährdungshaftung nach §§ 1 Abs. 1 Haftpflichtgesetz (HaftpflichtG), 249 ff. BGB
    • für die bei dem Betrieb der Straßenbahn erlittenen Verletzungen,
    • sofern der Unfall nicht durch höherer Gewalt verursacht worden ist (vgl. § 1 Abs. 2 HaftpflichtG).

Allerdings kann,

  • auch wenn danach eine Haftung des Straßenbahnbetreibers dem Grunde nach gegeben ist,

den Fahrgast ein bei der Entstehung des Schadens mitwirkendes anspruchsminderndes Mitverschulden (§ 254 Abs. 1 BGB) treffen und

Welche Anforderungen an Passagiere einer Straßenbahn im Rahmen des zu prüfenden Mitverschuldens zu stellen sind, ist stets eine Einzelfallfrage und anhand der konkreten Umstände des jeweiligen Falles zu beurteilen.

Ein bei der Entstehung des Schadens mitwirkendes Verschulden liegt aber beispielsweise dann vor, wenn ein Fahrgast sich, entgegen der Verordnung über die Allgemeinen Beförderungsbedingungen, im Fahrzeug keinen festen Halt verschafft.

Ob stets ein Festhalten mit beiden Händen erforderlich ist, wird in der Rechtsprechung unterschiedlich gesehen.
Erforderlich ist jedoch zumindest, dass der Fahrgast verkehrsangepasste Sicherheitsvorkehrungen zur Verschaffung eines sicheren Halts und zur Vermeidung von Sturzereignissen ergreift.
Insbesondere im Stadtverkehr muss ein Fahrgast dabei auch mit plötzlichen Bremsmanövern jederzeit rechnen und diese bei der Wahl der Sicherheitsvorkehrungen in Rechnung stellen.

  • Kommt ein Fahrgast bei einem Bremsmanöver der Straßenbahn zu Fall, spricht bereits der erste Anschein dafür, dass er sich nicht ausreichend festgehalten hatte.

Berücksichtigung finden kann im Rahmen des Mitverschuldens aber auch, ob ein vorhandener Sitzplatz ohne zwingende Notwendigkeit frühzeitig verlassen wurde (so LG Köln, Urteil vom 14.02.2017 – 25 O 160/16 –).