Tag Frist

Nochmals zu den Möglichkeiten die Käufer von vom Dieselgate betroffenen Fahrzeugen haben

Wer einen vom sogenannten Abgasskandal betroffenen Pkw gekauft hat,

  • in den vom Hersteller eine manipulierte Abgassoftware verbaut worden ist,
  • die Stickoxidwerte im Prüfstandlauf in gesetzlich unzulässiger Weise optimiert,

hat ein mit einem Sachmangel behaftetes Fahrzeug erworben (vgl. § 434 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB).

Der Käufer kann deshalb,

  • sofern seine diesbezüglichen Gewährleistungsansprüche noch nicht verjährt sind (vgl. hierzu §§ 438 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3 Satz 1, 195 BGB und die dem Kaufvertrag zugrunde liegenden AGBs), bzw.
  • sofern bereits Verjährung eingetreten ist, der Verkäufer die Einrede der Verjährung nicht erhebt oder vor Eintritt der Verjährung auf die Erhebung der Einrede der Verjährung verzichtet hat,

gemäß § 439 Abs. 1 BGB Nacherfüllung binnen einer angemessenen Frist verlangen.

Ein Rücktritt vom Kaufvertrag, ohne ein solches vorheriges erfolgloses Nacherfüllungsverlangen, setzt voraus,

  • dass der Mangel an der Abgassoftware beispielsweise mittels eines Software-Updates nicht folgenlos beseitigt werden kann,
  • sondern eine technische und/oder merkantile Wertminderung des Fahrzeugs zurückbleibt.

Ein sofortiges Rücktrittsbegehren ohne vorheriges erfolgloses Nacherfüllungsverlangen

  • hat demzufolge nur dann Aussicht auf Erfolg, wenn die Überprüfung durch einen Sachverständigen ergibt, dass eine Nachbesserung wegen des Verbleibs nachteiliger Folgen für das Fahrzeug objektiv unmöglich ist und
  • wird, falls der Mangel folgenlos behoben werden kann, erfolglos bleiben.

Darauf hat der 7. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Celle mit Beschluss im Verfahren 7 W 26/16 hingewiesen (Quelle: Pressemitteilung des OLG vom 08.08.2016).

Was Eltern bzw. Sorgeberechtigte über die Kündigungsmöglichkeiten von Kindergartenverträgen wissen sollten

Eine Klausel in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) eines Kindertagesstättenbetreibers, die vorsieht, dass der Kindergartenvertrag

  • mit einer Frist von 3 Monaten und zwar jeweils zum 31. März, 31. August, 31. Oktober sowie 31. Dezember gekündigt werden kann,

ist unwirksam,

  • weil damit unter Verstoß gegen § 309 Nr. 9c Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) faktisch eine Kündigungsfrist von mehr als drei Monaten festgelegt wird.

Die Unwirksamkeit der Kündigungsklausel in einem solchen Fall hat zur Folge,

  • dass sich die Kündigungsfrist nach den gesetzlichen Vorschriften bestimmt,

so dass in einem solchen Fall

  • der Kindergartenvertrag demzufolge spätestens am 15. des Monats zum Schluss des Kalendermonats gekündigt werden kann.

Das hat das Amtsgericht (AG) München mit Urteil vom 09.07.2015 – 213 C 13499/15 – entschieden.

Begründet hat das AG dies damit,

  • dass nach § 309 Nr. 9c BGB in Allgemeinen Geschäftsbedingungen bei einem Vertragsverhältnis, das die regelmäßige Erbringung von Dienstleistungen durch den Verwender zum Gegenstand hat, keine längeren Kündigungsfristen als drei Monate festgesetzt werden dürfen,
  • dass, wenn eine ordentliche Kündigung mit einer Frist von 3 Monaten nur jeweils zum 31. März, 31. August, 31. Oktober und 31. Dezember möglich ist, sich zum Beispiel bei einer Kündigungserklärung am 01.01. eines Jahres eine faktische Kündigungsfrist von nahezu acht Monaten ergibt und
  • die Vorschrift des § 309 Nr. 9c BGB solche überlange Bindungen, die Kunden unangemessen benachteiligen, verhindern will (Quelle: Pressemitteilung des AG München vom 29.07.2016 – Nr. 59/16 –).

Kann auch wegen älterer Mietrückstände ein Wohnraummietverhältnis noch fristlos gekündigt werden?

Der unter anderem für das Wohnraummietrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) hat dies bejaht und mit Urteil vom 13.07.2016 – VIII ZR 296/15 – in einem Fall,

  • in dem der Vermieter einer Wohnung das Mietverhältnis mit dem Mieter, weil dieser die Mieten für die Monate Februar und April 2013 schuldig geblieben war, nach einer erfolglosen Mahnung vom 14.08.2013 mit Schreiben vom 15.11.2013 wegen der weiterhin offenen Mietrückstände fristlos gekündigt hatte,

die bislang in Rechtsprechung und Literatur umstrittene Rechtsfrag dahingehend entschieden,

  • dass eine auf § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. b Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) gestützte fristlose Kündigung eines Wohnraummietverhältnisses nicht gemäß § 314 Abs. 3 BGB unwirksam ist, wenn sie aufgrund älterer Mietrückstände erfolgt.

Begründet hat der Senat dies damit,

  • dass die fristlose Kündigung von Mietverhältnissen in §§ 543, 569 BGB abschließend geregelt ist,
  • diese Vorschriften, die im Einzelnen die Modalitäten der fristlosen Kündigung eines Mietverhältnisses regeln, keine Zeitspanne vorsehen, innerhalb derer die Kündigung auszusprechen ist und
  • neben diesen speziell geregelten Vorschriften zur fristlosen außerordentlichen Kündigung im Wohnraummietrecht § 314 Abs. 3 BGB, wonach der Berechtigte nur innerhalb einer angemessenen Frist kündigen kann, nachdem er vom Kündigungsgrund Kenntnis erlangt hat, keine Anwendung findet.

Da es eine zeitliche Schranke für den Ausspruch der fristlosen Kündigung somit nicht gibt, kann das Recht zur fristlosen Kündigung im Einzelfall allenfalls verwirkt sein, wobei jedoch die Voraussetzungen hierfür vorliegen müssen, nämlich ein berechtigtes Vertrauen des Mieters, dass der Vermieter von seinem Recht zur fristlosen Kündigung wegen Verzugs mit zwei Monatsmieten keinen Gebrauch machen werde (Quelle: Pressemitteilung des BGH Nr. 120/2016 vom 13.07.2016).

Wenn man ein Angebot auf Abschluss eines Vertrages erhält

Wie lange ist ein Anbietender an ein Angebot gebunden bzw. wann erlischt sein Angebot und kann demzufolge nicht mehr wirksam angenommen werden und wer muss, wenn die Annahme erklärt wird, aber die Rechtzeitigkeit der Annahme streitig ist, beweisen, dass die Annahme des Vertragsangebots rechtzeitig erfolgt ist?

§ 147 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) bestimmt dazu,

  • dass ein einem Anwesenden oder ein mittels Fernsprechers oder einer sonstigen technischen Einrichtung von Person zu Person gemachter Antrag nur sofort (= Abs. 1),
  • während ein einem Abwesenden gemachter Antrag (nur) bis zu dem Zeitpunkt angenommen werden kann, in welchem der Antragende den Eingang der Antwort unter regelmäßigen Umständen erwarten darf (= Abs. 2).

Zu der Frage, bis wann bei einem gegenüber einem Abwesenden abgegebenen Antrag auf Abschluss eines Vertrags der Antragende den Eingang der Antwort unter regelmäßigen Umständen erwarten darf,

  • hat der Bundesgerichtshof (BGH) mit Urteil vom 24.02.2016 – XII ZR 5/15 – darauf hingewiesen,

dass diese nach objektiven Maßstäben zu bestimmende Frist im Sinne des § 147 Abs. 2 BGB sich zusammen setzt aus

  • der Zeit für die Übermittlung des Antrages an den Empfänger,
  • dessen Bearbeitungs- und Überlegungszeit sowie
  • der Zeit der Übermittlung der Antwort an den Antragenden und

die Annahmefrist daher schon beginnt

  • mit der Abgabe der Erklärung und
  • nicht erst mit deren Zugang bei dem Empfänger (BGH, Urteile vom 27.09.2013 – V ZR 52/12 – und vom 11.06.2010 – V ZR 85/09 –).

Die Überlegungszeit bestimmt sich vor allem nach der Art des Angebots, wobei nach seinem Inhalt zu beurteilen ist, ob der Antragende die Behandlung des Angebots als eilbedürftig erwarten darf.

  • Zu den regelmäßigen Umständen gehören auch verzögernde Umstände, die der Antragende kannte oder kennen musste (BGH Urteile vom 11.06.2010 – V ZR 85/09 – und vom 19.12.2007 – XII ZR 13/06 –),
  • wobei als solche etwa in Betracht kommen,
    • die Organisationsstruktur großer Unternehmen,
    • die Erfordernisse der internen Willensbildung bei Gesellschaften oder juristischen Personen (BGH, Urteil vom 04.04.2000 – XI ZR 152/99 –) oder
    • auch absehbare Urlaubszeiten (vgl. BGH Urteil vom 04.04.2000 – XI ZR 152/99 –), sofern von einem verzögernden Einfluss auf die Bearbeitungsdauer auszugehen ist.

Geht es beispielsweise

  • um den Abschluss eines Mietvertrages wird der Antragende – selbst bei einem solchen über Gewerberaum mit hoher Miete – regelmäßig binnen zwei bis drei Wochen erwarten können, dass sein in Aussicht genommener Vertragspartner die Annahme des Angebots erklärt (vgl. etwa Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg Urteil vom 14.02.2008 – 8 U 165/07 –),
  • während bei anderen Vertragsarten und selbst bei finanzierten Bauträgerverträgen oder dem finanzierten Kauf einer Eigentumswohnung, dessen Abschluss eine Bonitätsprüfung vorausgeht, die Annahmefrist in der Regel vier Wochen betragen wird (BGH, Urteile vom 11.06.2010 – V ZR 85/09 – und vom 27.09.2013 – V ZR 52/12 –).

Die Beweislast für die Rechtzeitigkeit der Annahme

  • hat grundsätzlich der, der den Vertragsschluss behauptet und daraus Rechtsfolgen ableitet.
    Er hat das Zustandekommen des Vertrags und damit auch die Rechtzeitigkeit der Annahme zu beweisen.
  • Den anderen Vertragspartner kann insoweit allenfalls eine sekundäre Darlegungslast treffen.
    Beruft sich der das Vertragsangebot Annehmende darauf, dass der Vertrag wirksam sei, hat er mithin darzulegen und zu beweisen, dass seine unter Abwesenden erfolgte Annahmeerklärung rechtzeitig im Sinne des § 147 Abs. 2 BGB zugegangen ist.

An dieser Verteilung der Darlegungs- und Beweislast ändert auch die Umkehr der prozessualen Parteirollen nichts, die mit einer negativen Feststellungsklage verbunden ist (BGH, Beschluss vom 22.01.2013 – XI ZR 471/11 –).

Etwas anderes gilt nur im Sonderfall der ungerechtfertigten Bereicherung. Da hat der Bereicherungsgläubiger die Anspruchsvoraussetzung des Fehlens eines rechtlichen Grundes und damit gegebenenfalls auch die Unwirksamkeit des Vertrags mangels rechtzeitiger Annahmeerklärung zu beweisen (BGH, Urteil vom 11.06.2010 – V ZR 85/09 –).

Übrigens:
Eine Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen die einen Kunden an sein Angebot wesentlich über den in § 147 Abs. 2 BGB bestimmten Zeitraum hinaus, also beispielsweise für sechs Wochen, binden, sind mit § 308 Nr. 1 BGB unvereinbar und demzufolge in der Regel unwirksam (vgl. BGH, Urteile vom 17.01.2014 – V ZR 5/12 – und vom 26.02.2016 – V ZR 208/14 –).
Nur dann, wenn der Klauselverwender für die längere Bindungswirkung ein schutzwürdiges Interesse geltend machen kann, hinter welchem das Interesse des Kunden an dem baldigen Wegfall seiner Bindung zurück stehen muss, ist eine solche Klausel nicht unangemessen (BGH, Urteile vom 11.06.2010 – V ZR 85/09 –; vom 27.09.2013 – V ZR 52/12 – und vom 17.01.2014 – V ZR 5/12 –).

Wenn man dem Gericht ein fristgebundenes Schriftstück per Fax übermittelt

Worauf muss der Übersender in einem solchen Fall achten und worauf kann er sich verlassen?

Bedient sich ein Verfahrensbeteiligter für die Übersendung eines fristgebundenen Schriftsatzes eines Telefaxgeräts, hat er das seinerseits Erforderliche getan, wenn er

  • bei Verwendung eines funktionsfähigen Sendegeräts und
  • korrekter Eingabe der Empfängernummer
    • so rechtzeitig mit der Übertragung beginnt, dass unter normalen Umständen mit dem Abschluss der Übertragung bei Fristende zu rechnen ist (st. Rspr.; vgl. Bundesgerichtshof (BGH), Beschlüsse vom 01.02.2011 – V ZB 33/00 –; vom 11.12.2013 – XII ZB 229/13 – und vom 08.04.2014 – VI ZB 1/13 –) und
    • ein vom Faxgerät des Absenders ausgedrucktes Sendeprotokoll die ordnungsgemäße Übermittlung an den Adressaten belegt.

Trägt der Sendebericht den Vermerk „OK“, kann es einem am Verfahren Beteiligten nicht als schuldhaftes Verhalten angelastet werden, wenn es bei dem elektronischen Übertragungsvorgang dennoch zu – nicht aus dem Sendeprotokoll ersichtlichen – Fehlern kommt (BGH, Beschlüsse vom 17.01.2006 – XI ZB 4/05 –; vom 11.12.2013 – XII ZB 229/13 – und vom 14.10.2010 – V ZB 112/10 –).

  • Denn die Wahrscheinlichkeit, dass ein Schriftstück trotz eines mit einem „OK“- Vermerk versehenen Sendeberichts den Empfänger nicht erreicht, ist so gering, dass man sich auf den „OK“-Vermerk verlassen darf (BGH, Beschlüsse vom 28.03.2001 – XII ZB 100/00 – und vom 11.12.2013 – XII ZB 229/13 –).

Bestätigt das Sendeprotokoll des verwendeten Telefaxgerätes durch den Vermerk „OK“, gibt es für den Absender regelmäßig keine tragfähigen Anhaltspunkte, dass die Übermittlung dennoch fehlgeschlagen sein könnte, noch hat er Anlass, sich beim Gericht über den Eingang des Telefaxes zu erkundigen (BGH, Beschluss vom 14.10.2010 – V ZB 112/10 –).

Darauf hat der VIII. Zivilsenat des BGH mit Beschluss vom 01.03.2016 – VIII ZB 57/15 – hingewiesen.