Tag Geschäftsraum

Wichtig zu wissen für Verbraucher, die an einem Messestand einen Kaufvertrag geschlossen haben

Schließt ein Verbraucher auf einer Messe an einem Stand eines Unternehmers einen Kaufvertrag über eine von dem Unternehmer dort vertriebene Sache ab, hängt die Antwort auf die Frage,

  • ob dem Verbraucher das Recht nach §§ 312g Abs. 1, 355 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zusteht, den geschlossenen Kaufvertrag zu widerrufen,

davon ab,

  • ob der Messestand als (beweglicher) Geschäftsraum des Unternehmers anzusehen ist oder nicht.

Denn ein Widerrufsrecht nach § 355 BGB steht Verbrauchern gemäß §§ 312g Abs. 1, 312b Nr. 1, Abs. 2 Satz 1 BGB bei Verträgen zu, die sie mit einem Unternehmer,

  • bei gleichzeitiger körperlicher Anwesenheit,
  • an einem Ort geschlossen haben, der kein Geschäftsraum des Unternehmers ist, d.h., bei dem es sich
    • weder um einen unbeweglichen Gewerberaum handelt, in dem der Unternehmer seine Tätigkeit dauerhaft ausübt,
    • noch um einen beweglichen Gewerberaum, in dem der Unternehmer seine Tätigkeit für gewöhnlich ausübt.

Wie der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Urteil vom 10.04.2019 – VIII ZR 82/17 – entschieden hat, handelt es sich bei einem Markt- und Messestand eines Unternehmers, an dem dieser seine Tätigkeiten an wenigen Tagen im Jahr ausübt, dann um einen

  • „beweglichen Gewerberaum, an dem der Unternehmer seine Geschäfte für gewöhnlich ausübt“,
  • mit der Folge, dass Verbrauchern kein Widerrufsrecht zusteht, weil der Kaufvertrag nicht außerhalb eines Geschäftsraums geschlossen wurde,

wenn ein normal informierter, angemessen aufmerksamer und verständiger Verbraucher vernünftigerweise damit rechnen konnte, dass

  • der betreffende Unternehmer dort seine Tätigkeiten, einschließlich saisonaler, für gewöhnlich ausübt und
  • Verbraucher zu kommerziellen Zwecken angesprochen werden,
    • dieser Umstand für einen Durchschnittsverbraucher also, wie beispielsweise auf einer klassischen Verkaufsmesse, bei der das interessierte Publikum mit unterschiedlichen Branchen und deren Kaufangeboten in Kontakt treten kann, kein Überraschungsmoment darstellt.

Andererseits kann es sich bei dem Messestand eines Unternehmers dann

  • um keinen beweglichen Gewerberaum handeln,
  • mit der Folge, dass den Verbrauchern ein Widerrufsrecht zusteht, weil der Kaufvertrag außerhalb eines Geschäftsraums geschlossen wurde,

wenn der Messestand

  • neben anderen Ständen, beispielsweise wie der Agentur für Arbeit, der AOK, des Arbeiter-Samariter-Bunds oder von Handwerkern,
  • die ihr Berufsbild vorstellen,

nach außen das Erscheinungsbild eines reinen Informations- oder Werbestands vermittelt, an dem, entgegen dem einen anderen Eindruck vermittelnden generellen Verkaufscharakter der Messe, Verkäufe nicht getätigt werden.

Was man wissen sollte, wenn man Mitarbeitern einer Firma, von denen man zuhause aufgesucht worden ist, einen Auftrag

…. zur Durchführung von Reparatur- oder Instandhaltungsarbeiten erteilt (hat).

Mit Urteil vom 09.08.2018 – 21 O 175/18 – hat das Landgericht (LG) Coburg darauf hingewiesen, dass, wenn

  • Mitarbeiter einer Firma bei Hauseigentümern erscheinen,
  • dem Hauseigentümer anbieten bestimmte Reparaturarbeiten am oder im Haus vorzunehmen und

vom Hauseigentümer ein entsprechender Auftrag dazu erteilt wird,

  • ein in einem solchen Fall zustande gekommener (Werk)Vertrag vom Hauseigentümer ohne Angabe von Gründen widerrufen werden kann.

Ein solches Widerrufsrecht nach §§ 355, 312b Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) besteht bei Verträgen – mit Ausnahme der unter § 312g Abs. 2 und Abs. 3 BGB aufgeführten – (vgl. hierzu auch Brandenburgisches Oberlandesgericht (OLG), Urteil vom 14.11.2017 – 6 U 12/16 –),

  • die bei gleichzeitiger körperlicher Anwesenheit eines Privatperson (Verbraucher) und des Unternehmers an einem Ort geschlossen werden, der kein Geschäftsraum des Unternehmens ist oder
  • für die unter diesen Umständen der Verbraucher ein Angebot angegeben hat.

Dabei kommt es nicht darauf an,

  • ob der Verbraucher die Firma zu sich bestellt hatte oder
  • ob er im Gespräch „überrumpelt“ wurde.

Die Widerrufsfrist beträgt 14 Tage und wenn der Verbraucher über sein Widerrufsrecht nicht ordnungsgemäß belehrt wurde, sogar 1 Jahr und 14 Tage.

Erklärt werden kann der Widerruf, sofern

  • es sich nicht um dringliche Reparatur- oder Instandhaltungsarbeiten gehandelt hat,
  • die auf ausdrücklichen Wunsch des Verbrauchers durchgeführt wurden,

auch noch nach bereits vom Unternehmer durchgeführten Arbeiten, weil

  • es dann dem Unternehmer zuzumuten ist, zunächst das Ende der Widerrufsfrist abzuwarten und erst dann mit seinen Arbeiten zu beginnen.

Ist ein Vertrag vom Verbraucher wirksam widerrufen worden, schuldet der Verbraucher

  • keinen Lohn und
  • für Arbeiten, die er nicht ausdrücklich vor Ablauf der Widerrufsfrist verlangt hatte, auch keinen Wertersatz.

Verbraucher sollten wissen wann ein Messestand als beweglicher Geschäftsraum anzusehen ist und wann nicht

…. weil sie dann wissen, ob auf einen von ihnen dort geschlossenen Vertrag die Regelungen zum Widerrufsrecht Anwendung finden oder nicht.

Ein Widerrufsrecht gemäß § 355 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) kann einem Verbraucher nach § 312g Abs. 1 BGB nämlich zustehen

  • bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen,

d.h. dann, wenn ein Vertrag

  • bei gleichzeitiger körperlicher Anwesenheit des Verbrauchers und
  • des Unternehmers oder gemäß § 312 b Abs. 1 Satz 2 BGB einer Person, die im Namen des Unternehmers oder in seinem Auftrag handelt,

an einem Ort geschlossen worden ist,

  • der kein Geschäftsraum des Unternehmers ist,

wobei nach § 312 b Abs. 2 Satz 1 HS 2 BGB ein Geschäftsraum auch

  • ein beweglicher (d.h. ein nur für eine vorübergehende Zeit betriebener) Geschäftsraum ist,
  • in dem der Unternehmer seine Tätigkeit für gewöhnlich ausübt.

Für die Beurteilung, ob ein Unternehmer in einem für eine vorübergehende Zeit betriebenen Geschäftsraum,

  • also einem Stand auf einer Messe oder einem Markt

seine Tätigkeit

  • für gewöhnlich ausübt oder
  • nicht für gewöhnlich ausübt,

ist maßgeblich,

  • ob der Verbraucher auf der Messe oder dem Markt mit entsprechenden Vertragsangeboten rechnen musste oder
  • ob von einer Überrumpelung des Verbrauchers ausgegangen werden kann.

Musste der Verbraucher mit entsprechenden Vertragsangeboten rechnen war

  • der Betrieb des beweglichen Geschäftsraums „gewöhnlich“ im Sinne von § 312b Abs. 2 BGB,
  • h. der Messe- bzw. Marktstand ein Geschäftsraum (so auch Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe, Urteil vom 10.06.2016 – 4 U 217/15 –),

wobei bei der Frage, ob der Verbraucher auf der Messe bzw. dem Markt mit entsprechenden Angeboten rechnen musste oder nicht, abzustellen ist

  • zum einen auf den Charakter der Messe bzw. des Marktes und
  • zum andern auf das konkrete Angebot des Unternehmers, das zum Abschluss des streitgegenständlichen Vertrages geführt hat.

Beispielsweise muss auf einer Reisemesse

  • nicht mit dem Verkauf von hochwertigen Dampfstaubsaugern gerechnet werden,

so dass in einem solchen Fall

Darauf hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) München mit Urteil vom 15.03.2017 – 3 U 3561/16 – hingewiesen.