Tag Geschwindigkeitsmessung

VerfGH Rheinland-Pfalz entscheidet – im Gegensatz zum VerfGH des Saarlandes -, dass eine Verurteilung wegen Geschwindigkeitsüberschreitung

…. auch dann auf das Messergebnis eines Messgeräts gestützt werden kann, wenn das Gerät die Rohmessdaten nicht dauerhaft abspeichert.  

Mit Beschluss vom 22.07.2022 hat der Verfassungsgerichtshof (VerfGH) Rheinland-Pfalz die Verfassungsbeschwerde eines Betroffenen zurückgewiesen, die er gegen ein Urteil erhoben hatte, mit dem er 

  • wegen Überschreitung der Höchstgeschwindigkeit außerhalb einer geschlossenen Ortschaft um 70 km/h, 
  • gemessen mit dem von der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) zugelassenen mobilen Messgerät des Typs PoliScan Speed M1,

verurteilt worden war und mit der er gerügt hatte, dass bei seiner Verurteilung sein Recht

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OLG Düsseldorf entscheidet: Ergebnis einer Geschwindigkeitsmessung mit einem Laserhandmessgerät ist auch dann verwertbar, wenn 

…. dem Betroffenen Einsicht in das Display mit dem Messergebnis nicht ermöglicht werden konnte. 

Mit Beschluss vom 25.04.2022 – 2 RBs 51/22 – hat der 2. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts (OLG) Düsseldorf in einem Fall, in dem auf der Bundesautobahn (BAB) 59 eine Geschwindigkeitsmessung mit dem 

  • nicht dokumentierenden Laserhandmessgerät Riegl FG 21-P („Laserpistole“) 

durchgeführt und bei dem Betroffenen eine

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OLG Celle entscheidet: Geschwindigkeitsmessungen mit Messgerät LEIVTEC XV3 sind nicht immer zuverlässig genug

Mit Urteil vom 18.06.2021 – 2 Ss (Owi) 69/21 – hat der 2. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts (OLG) Celle entschieden, dass mit dem 

  • Geschwindigkeitsmessgerät LEIVTEC XV3 

erzielte Messergebnisse 

  • in Bußgeldverfahren 

derzeit nicht mehr ohne Weiteres zugrunde gelegt werden können.

Begründet worden ist dies vom Senat damit worden, dass die für die Bauartprüfung dieses Messgeräts zuständige Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) zwischenzeitlich 

  • bei bestimmten Versuchsanordnungen seltene Messfehler 

reproduzieren konnte, die 

  • zulässige Toleranzen 

überschritten, (noch) nicht eindeutig feststeht ist, unter welchen Messbedingungen sich Messwertabweichungen 

  • zu Ungunsten bzw. 
  • ausschließlich zu Gunsten Betroffener 

auswirken können und dieses Messgerät damit derzeit keine hinreichende Gewähr (mehr) bietet 

  • für die Annahme eines standardisierten Messverfahrens und 
  • für die Zuverlässigkeit der erzielten Messergebnisse.

Das bedeutet, dass, wenn mit dem Messgerät LEIVTEC XV3 

  • die Geschwindigkeit kontrolliert und 

bei einem Kraftfahrzeugführer eine Geschwindigkeitsüberschreitung festgestellt worden ist, der erzielte Messwert in einem Ordnungswidrigkeitenverfahren gegen den Betroffenen nicht mehr, 

  • wie das bei einem standardisierten Messverfahren zulässig ist, 

ohne weitere Überprüfungen zugrunde gelegt werden darf, sondern das Amtsgericht  

  • mithilfe eines Sachverständigengutachtens 

genauer aufklären muss, ob die gemessene Geschwindigkeit 

  • sicher 

festzustellen ist bzw. Messfehler zu Lasten des Betroffenen ausgeschlossen sind.

Der Senat hat deshalb in dem der Entscheidung zugrunde liegendem Fall, in dem gegen einen Kraftfahrzeugführer vom Amtsgericht 

  • wegen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h um 37 km/h, 
  • gemessen mit dem Geschwindigkeitsmessgerät LEIVTEC XV3, 

eine Geldbuße von 140 € festgesetzt und ein Fahrverbot von einem Monat verhängt worden war, auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen 

  • dieses Urteil aufgehoben und 
  • das Verfahren zur genaueren Aufklärung, ob die dem Betroffenen vorgeworfene Geschwindigkeitsüberschreitung sicher festzustellen ist, an das Amtsgericht zurückverwiesen (Quelle: Pressemitteilung des OLG Celle). 

Autofahrer sollten wissen, dass ein Messergebnis zum Nachweis einer Geschwindigkeitsüberschreitung

…. nicht verwertbar ist, wenn die Messung von einem privaten Dienstleister durchgeführt worden ist.

Mit Urteil vom 06.11.2019 – 2 Ss-OWi 942/19 – hat das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main in einem Fall, in dem der Bürgermeister einer Gemeinde, als Ortspolizeibehörde, mit einer privaten GmbH einen Arbeitnehmerüberlassungsvertrag

  • zum Zweck der „Unterstützung bei der Durchführung von Geschwindigkeitsprotokollen, der allgemeinen Datenverarbeitung und Erstellung von Messberichten“ mit jeweiligen Stundenverrechnungssätzen

geschlossen hatte und nach Vornahme einer Geschwindigkeitsmessung durch einen Angestellten der privaten GmbH,

  • der der Gemeinde aufgrund des Arbeitnehmerüberlassungsvertrages von der privaten GmbH überlassen worden war,

mit Bußgeldbescheid eine Geldbuße wegen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit festgesetzt worden war,

  • nach Einspruch des Betroffenen gegen den Bußgeldbescheid,

entschieden, dass

  • Verkehrsüberwachungen durch private Dienstleister gesetzeswidrig sind und
  • auf der Grundlage solcher unzulässigen Verkehrsüberwachungen keine Bußgeldbescheide erlassen werden dürfen.

Begründet hat das OLG dies damit, dass,

  • da es an einer Rechtsgrundlage für eine im hoheitlichen Auftrag von einer privaten Person durchgeführten Geschwindigkeitsmessung fehlt,

Verkehrsüberwachungen nur durch eigene,

  • entsprechend qualifizierte

Bedienstete der jeweiligen Ortspolizeibehörde vorgenommen werden dürfen (Quelle: Pressemitteilung des OLG Frankfurt am Main).

Autofahrer sollten wissen, dass sich ein Blitzer auch in einem an der Straße abgestellten Anhänger befinden und

…. aus diesem heraus eine Geschwindigkeitsmessung erfolgen kann.

Mit Beschluss vom 12.03.2019 – 2 Ss OWi 67/19 – hat das Oberlandesgericht (OLG) Bamberg entschieden, dass die Nutzung eines Messgeräts in einem abgestellten Anhänger,

  • dem sogenannten „Enforcement Trailer“,

zulässig ist.

Danach kann die Geschwindigkeitsmessung somit auch mit Hilfe eines als „Enforcement Trailer“ bezeichneten,

  • gegen äußere Einflüsse gesicherten

mobilen, d. h. umsetzbaren Spezialanhängers,

  • in den ein anerkanntes Messgerät eingebaut ist,

erfolgen.

Nach der Entscheidung des OLG gilt dies auch dann, wenn

  • die Gebrauchsanweisung des Messgeräts noch nicht entsprechend angepasst bzw. ergänzt wurde, also

in der Gebrauchsanweisung noch nicht steht, dass der Betrieb des Messgeräts

  • neben dem Einsatz „aus einem Kfz, auf einem Stativ oder in einer Messkabine“

auch aus einem – damals noch nicht existierenden – Enforcement Trailer heraus erfolgen darf.

Denn, so das OLG,

  • entscheidend sei allein, ob der Einsatz des Messgeräts aus einem Enforcement Trailer heraus zu Verfälschungen der Messergebnisse führen könne

und

  • hierfür gebe es jedenfalls bei Messgeräten, deren Bauartzulassung die Verwendung aus einem Fahrzeug heraus vorsehen, keine Anhaltspunkte.

Autofahrer sollten wissen, dass, wenn sie mit einem Gerät des Typs TraffiStar S 350 geblitzt worden sind, die

…. Geschwindigkeitsmessung unverwertbar ist vor saarländischen Gerichten bzw. sein kann vor Gerichten anderer Bundesländer, mit der Folge,

  • dass eine Verurteilung wegen Geschwindigkeitsüberschreitung nicht gestützt werden kann lediglich
    • auf das dokumentierte Messergebnis und
    • das Lichtbild des aufgenommenen Kraftfahrzeugs sowie seines Fahrers.

Mit Urteil vom 05.07.2019 – Lv 7/17 – hat der Verfassungsgerichtshof (VerfGH) des Saarlandes in einem Fall, in dem ein Betroffener, nachdem ihm aufgrund einer  Geschwindigkeitsmessung,

  • durchgeführt mit einem durch die Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) zugelassenem Gerät des Typs TraffiStar S 350 der Firma Jenoptik, das
    • die Geschwindigkeit auf der Grundlage von Laserimpuls-Laufzeitmessungen misst, indem der Laserscanner für die sich im Erfassungsbereich der Laserimpulse befindenden Objekte genaue Entfernungs- und Winkelinformationen liefert, die die Berechnung der Entfernungsänderung des Objekts über die Zeit erlauben allerdings
  • die sog. Rohmessdaten – obwohl dies ohne größeren Aufwand technisch möglich wäre – nicht aufzeichnet,

eine Geschwindigkeitsüberschreitung vorgeworfen worden war, das Messergebnis nachträglich durch ein Sachverständigengutachten überprüfen lassen wollte, dies jedoch,

  • wegen der fehlenden Aufzeichnung der Rohmessdaten,

nicht möglich war, entschieden, dass, sofern

  • ein Betroffener, auch ohne einen auf der Hand liegenden Einwand – etwa sich aus dem Lichtbild offenkundig ergebende Unklarheiten – vortragen zu können, beantragt, ein Messergebnis zu überprüfen und
  • Rohmessdaten – mangels Speicherung – für eine solche zuverlässige nachträgliche Kontrolle des konkreten Messergebnisses aber nicht zur Verfügung stehen,
    • wie bei dem Gerät TraffiStar S 350,

eine mit einem solchen Gerät erfolgte Geschwindigkeitsmessung, auch dann, wenn es sich dabei um ein standartisiertes Messverfahren handelt,

  • wegen Verletzung des grundrechtlich geschützten Rechts auf effektive Verteidigung,
    • zu der auch gehört, eigenverantwortlich nachforschen zu können,
    • ob es bislang nicht bekannte Zweifel an der Tragfähigkeit eines Vorwurfes gibt,

unverwertbar ist.

Was beachtet werden muss:
Gebunden an diese Entscheidung des VerfGH Saarbrücken sind nur die Gerichte des Saarlandes im konkreten Fall, vorbehaltlich einer abweichenden späteren Entscheidung eines Bundesgerichts oder des Bundesverfassungsgerichts.
Hingewiesen hat der VerfGH Saarbrücken allerdings, dass er in gleich gelagerten Fällen abweichende Entscheidungen saarländischer Gerichte korrigieren wird.

Was Betroffene, denen eine mit einem standardisierten Messverfahren festgestellte Geschwindigkeitsüberschreitung vorgeworfen wird, wissen sollten

Wird eine Geschwindigkeitsmessung mit Geschwindigkeitsüberwachungsgeräten durchgeführt, die von der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) zugelassen worden sind, spricht man von einem standardisierten Messverfahren.

  • Mit der Zulassung durch die PTB erklärt diese zugleich im Wege eines Behördengutachtens (antizipiertes Sachverständigengutachten), dass bei dem zugelassenen Gerät ein durch Normen vereinheitlichtes (technisches) Verfahren vorliegt, bei dem die Bedingungen seiner Anwendbarkeit und sein Ablauf so festgelegt sind, dass unter gleichen Voraussetzungen gleiche Ergebnisse zu erwarten sind.

Eine Zulassung erfolgt nur, wenn das Messgerät umfangreiche Testreihen erfolgreich durchlaufen hat, bei denen die PTB das Messgerät auch unter atypischen Verkehrsszenarien auf seine Störungsresistenz prüft.
Die Art der Verwendung und der zulässige Verwendungsaufbau werden von der PTB bei der Zulassung vorgegeben.

  • Ist ein Messgerät von der PTB zugelassen und ist das Messgerät im Rahmen der Zulassungsvorgaben verwendet worden, ist der Bußgeldrichter grundsätzlich von weiteren technischen Prüfungen, insbesondere zur Funktionsweise des Messgeräts, enthoben.
  • Die Zulassung durch die PTB ersetzt diese Prüfung.

Damit soll erreicht werden, dass bei den Massenverfahren im Bußgeldbereich nicht jedes Amtsgericht bei jedem einzelnen Verfahren die technische Richtigkeit der Messung jeweils neu überprüfen muss.

  • Ist die Messung im Rahmen der Zulassung erfolgt, kann der Bußgeldrichter daher grundsätzlich von der Richtigkeit der Messung ausgehen.
  • Nur wenn im Einzelfall konkrete Tatsachen dem Gericht gegenüber vorgetragen werden, die geeignet sind, Zweifel an der Richtigkeit des zur Verhandlung stehenden konkreten Messergebnisses aufkommen lassen, kann der Bußgeldrichter sich veranlasst sehen, diese Zweifel durch die Bestellung eines Sachverständigen nach §§ 73 ff Strafprozessordnung (StPO) zu verifizieren, der dann die konkrete Messung zu überprüfen hat.

Die rechtliche Bedeutung der Zulassung durch die PTB muss von Betroffenen beachtet werden, die eine Geschwindigkeitsmessung beanstanden möchten, weil sie diese für fehlerhaft halten.

  • Will ein Betroffener nämlich behaupten, dass die möglichen Fehler in der Messtechnik, der Messsoftware oder der Auswertesoftware liegen und somit eine Vielzahl von Messvorgängen an unterschiedlichen Orten und Zeiten betreffen, muss er, um Zweifel an der Richtigkeit einer Messung beim Bußgeldrichter aufkommen zu lassen, darlegen, dass ein Phänomen vorliegt, das bei der Zulassung nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt worden ist, weil seinem Vorbringen ansonsten grundsätzlich die Zulassung durch die PTB als antizipiertes Sachverständigengutachten entgegensteht.
  • Dagegen kann, ohne dass dem die PTB Zulassung entgegensteht, die Fehlerhaft einer Messung mit Tatsachen begründet werden, die zur Folge hätten, dass die Messung nicht (mehr) im Rahmen der Zulassung erfolgt ist,