Tag gesetzliche Unfallversicherung

Sturz beim Skifahren kann unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung stehender Arbeitsunfall sein, wenn er sich

…. auf vom Arbeitgeber organisierten Reise ereignet, die als betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung zu werten ist. 

Das hat das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg mit Urteil vom 28.05.2020 – L 10 U 289/18 – in einem Fall entschieden, in dem ein 

  • – kraft Gesetzes nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) unfallversicherter – 

angestellter Entwicklungsingenieur, als er, 

  • gemeinsam mit über der Hälfte der betrieblichen Belegschaft, 

an einer von seinem Arbeitgeber traditionell im März – ausschließlich für Betriebsangehörige – initiierten fünftägigen Reise nach Österreich teilnahm, 

  • bei der gemeinsame Aktivitäten in drei Gruppen (Wandern, Rodeln, Skifahren) mit jeweils mindestens einer Führungskraft aus der erweiterten Geschäftsführung, eingeteilt nach Können und Ausdauer, unternommen wurden und 
  • sich nach den Gruppenaktivitäten täglich alle Teilnehmer durchmischt zum gemeinsamen Austausch trafen, 

am dritten Tag der Reise beim Skifahren gestürzt war und sich hierbei den rechten Unterschenkel sowie das Steißbein gebrochen hatte.

Nach der Entscheidung des LSG hat es sich,

  • auch wenn von dem beim Skifahren Verunfallten mit seiner freiwilligen Teilnahme an der Reise und damit auch am Skifahren keine Pflicht aus seinem Beschäftigungsverhältnis als Entwicklungsingenieur erfüllt worden ist,

deswegen um einen Arbeitsunfall nach § 8 Abs. 1 SGB VII gehandelt, weil 

  • bei der von dem Arbeitgeber initiierten Reise nicht die privaten Interessen der Teilnehmer bzw. deren individuelles sportliches Erleben im Vordergrund standen, sondern vielmehr 

die mehrtägige Reise mit den während der Reise durchgeführten Aktivitäten der Erreichung betrieblicher Zwecke diente,

  • nämlich der Förderung des Gemeinschaftsgedankens und 
  • der Stärkung des Wir-Gefühls innerhalb der Belegschaft sowie auch Gruppenintern in den verschiedenen Gruppen bei den gemeinsam durchgeführten Aktivitäten,

die Reise,

  • nachdem sie zur Erreichung dieser betrieblichen Zwecke auch geeignet war,

somit auch bei natürlicher Betrachtungsweise insgesamt als einheitliche betriebliche 

Gemeinschaftsveranstaltung zu werten ist und aufgrund dessen die vorgesehenen Aktivitäten während der Reise, 

  • wie das Skifahren, 

gesetzlich unfallversichert waren (Quelle: Pressemitteilung des LSG Stuttgart).

Was Arbeitnehmer, die (auch auf der Arbeit) ein E-Zigaretten-Gerät nutzen, wissen sollten

Mit Urteil vom 15.10.2019 – S 6 U 491/16 – hat die 6. Kammer des Sozialgerichts (SG) Düsseldorf in einem Fall, in dem

  • eine nach § 2 Abs. 1 Ziff. 1 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII) kraft Gesetzes unfallversicherte Arbeiterin

bei der Verrichtung ihrer beruflichen Tätigkeit auf dem Betriebsgelände ihres Arbeitgebers deswegen

  • Verbrennungen an einem Bein erlitten hatte,

weil

  • sie einen metallischen Arbeitsschlüssel in ihre Hosentasche, in der sie (auch) einen Ersatzakku für ihr E-Zigaretten-Gerät mitführte, gesteckt,

der Kontakt

  • zwischen dem Akku und dem metallischen Arbeitsschlüssel

zu einem Kurzschluss geführt hatte, es

  • zu einer starken Erhitzung sowie

zur Explosion des Akkus und dadurch zur Inbrandsetzung der Hose gekommen war, entschieden, dass

  • es sich bei dem Ereignis um keinen Arbeitsunfall nach §§ 7 Abs. 1, 8 Abs. 1 SGB VII gehandelt hat,

so dass

  • die Arbeiterin für die erlittenen Verletzungen keine Entschädigungsleistungen von der gesetzlichen Unfallversicherung verlangen kann.

Dass es sich bei dem Ereignis um keinen Arbeitsunfall gehandelt hat, hat die Kammer damit begründet, dass

  • das Mitführen des Arbeitsschlüssels zwar mitursächlich für den Brand gewesen,
  • von dem Arbeitssschlüssel jedoch, da dieser sich nicht habe entzünden können, keine Gefahr ausgegangen, vielmehr

entscheidend für die Brandgefahr allein der E-Zigaretten-Akku gewesen und

  • das Mitführen eines E-Zigaretten-Geräts und eines Ersatzakkus nicht betrieblich veranlasst gewesen,
  • sondern dem persönlichen Verantwortungsbereich der Arbeiterin zuzuordnen sei (Quelle: Pressemitteilung des SG Düsseldorf).

Für einen Tierschutzverein ehrenamtlich tätige Personen sollten wissen, dass sie beim Füttern von streunenden Tieren

…. nicht gesetzlich unfallversichert sind.

Mit Urteil vom 06.06.2019 – S 18 U 452/18 – hat das Sozialgericht (SG) Dortmund entschieden, dass

  • als ehrenamtliches Mitglieder in einem gemeinnützigen Tierschutzverein arbeitende

Personen, die streunende Tiere,

  • wie beispielsweise Streunerkatzen,

füttern und die Kosten für das Futter erhalten,

  • im Falle eines Unfalls

keinen Anspruch auf Entschädigungsleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung haben.

Ehrenamtlich für einen Tierschutzverein Tätige üben danach bei der Fütterung von streunenden Tieren und den entsprechenden Wegen dazwischen

  • keine den gesetzlichen Unfallversicherungsschutz begründende abhängige Beschäftigung aus

und

  • erlangen in solchen Fällen auch keinen Versicherungsschutz als sog. „Wie-Beschäftigte“.

Deswegen sollten ehrenamtlich für einen Tierschutzverein Tätige,

  • wenn sich der Verein ihrer zur Fütterung von streunenden Tiere bedient,

darauf drängen, dass für sie

  • für die Ausübung dieser Tätigkeit

von dem Verein entsprechende Versicherungen abgeschlossen werden (Quelle: Pressemitteilung des SG Dortmund).

Wer als Treiber oder Hundeführer zu einer Gesellschaftsjagd eingeladen wird, sollte wissen, dass er dabei

…. nicht gemäß § 2 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII) Kraft Gesetzes unfallversichert ist.

Mit Urteil vom 05.11.2019 – L 3 U 45/17 – hat der 3. Senat des Hessischen Landessozialgerichts (LSG) in einem Fall, in dem ein Mann mit Jagderlaubnis auf Einladung der Forstverwaltung als Hundeführer/Treiber an einer Gesellschaftsjagd teilgenommen hatte,

  • mit welcher die Wildschweinproblematik gelöst werden sollte,

dabei beim Laufen

  • mit Jagdhund und unterladener Waffe durch ein Brombeerfeld, um in einer Linie mit den anderen Treibern das Wild herauszutreiben,

gestürzt war und sich verletzt hatte, entschieden, dass der Mann als Jagdgast während der Gesellschaftsjagd

  • nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung gestanden hat.

Begründet hat der Senat dies damit, dass der verunglückte Mann, da er zum Unfallzeitpunkt als Treiber mit Hund sowie als Teil einer Treibergruppe

  • eine jagdtypische Tätigkeit ausgeübt und
  • keine fremdbestimmte Arbeit verrichtet habe,

weder als Beschäftigter noch als Wie-Beschäftigter der Forstverwaltung oder des Jagdleiters tätig gewesen sei.

Wie der Senat ausführte, handle es sich bei den bestimmten Rollenanweisungen sowie Zeit- und Ortsvorgaben, die alle Teilnehmer einer Gesellschaftsjagd erhalten,

  • nicht um Weisungen in einem Arbeitsverhältnis,
  • sondern um Weisungen im Hinblick auf die Sicherheit und das Gelingen der privatnützigen Jagd als Ganze,

sei zudem

  • die Handlungstendenz des verunfallten Jagdteilnehmers auf das eigene private Interesse an dem besonderen Jagdgeschehen sowie auf die Arbeit seines Jagdhundes gerichtet gewesen

und habe den Verunglückten auch der Umstand, dass die Forstverwaltung mit der Gesellschaftsjagd

  • die Wildschweinproblematik in den Griff habe bekommen wollen und
  • er mit der Jagdausübung zugleich auch deren Interesse wahrgenommen habe,

nicht zum Beschäftigten oder Wie-Beschäftigten gemacht.

Hinweis:
Offengelassen hat der Senat, ob die Rechtslage bei

  • den (die Schützen einweisenden) Anstellern oder
  • den (jeweils eine der Treibergruppen durch das Gelände führenden) Revierleiterkollegen des Jagdleiters

anders zu beurteilen ist und diese gesetzlich unfallversichert sind (Quelle: Pressemitteilung des LSG Darmstadt).

Landessozialgericht Baden-Württemberg entscheidet, wann man während einer Reha unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung steht

…. und wann nicht.

Danach steht, wer auf Kosten eines Rehabilitations-Trägers Leistungen zur medizinischen Rehabilitation erhält, bei Tätigkeiten/Aktivitäten während einer Kur dann unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung, wenn

  • ein spezifischer sachlicher Zusammenhang gerade zu den durchgeführten Reha-Maßnahmen besteht,
  • also insbesondere bei Tätigkeiten/Aktivitäten die
    • speziell der stationären Behandlung dienen,
    • auf den Rehabilitationszweck ausgerichtet,
    • ärztlich angeordnet oder
    • therapeutisch überwacht und begleitet worden sind.

In der Freizeit des Rehabilitanden, ohne Unterstützungsmaßnahmen seitens der Reha-Klinik unternommene Aktivitäten, bei denen das „ob“, das „wann“, das „wie“ und das „wohin“ der Aktivität allein Sache der Eigeninitiative des Rehabilitanden ist, sind vom Versicherungsschutz der gesetzlichen Unfallversicherung nicht erfasst.

Darauf hat das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg mit Urteil vom 23.03.2018 – L 8 U 3286/17 – hingewiesen und in einem Fall, in dem eine 53-jährige Frau, die wegen einer psychischen Erkrankung (Anpassungsstörung) für drei Wochen zur Kur war,

  • in dieser Zeit an einem Samstagabend mit einigen Mitrehabilitanden zum Zweck der Entspannung sowie
  • um dort gemeinsam zu Essen und zu Trinken eine Gaststätte

außerhalb der Reha-Klinik aufgesucht und sich auf dem Rückweg zur Klinik bei einem Sturz verletzt hatte, entschieden, dass

Wird ein Landwirt durch ein von ihm aufgestelltes Wühlmaus-Selbstschussgerät verletzt, hat er Anspruch auf Leistungen

…. aus der gesetzlichen Unfallversicherung.

Das hat das Sozialgericht (SG) Münster mit Urteil vom 05.04.2018 – S 3 U 11/16 – entschieden.

Danach ist ein Landwirt beim Aufstellen einer Wühlmausfalle (hier: Wühlmaus-Selbstschussgerät) gesetzlich unfallversichert, so dass,

  • wenn sich beispielsweise bei Austellen ein Schuss löst und
  • der Landwirt ein Knalltrauma erleidet,

er Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung beanspruchen kann (Quelle: Pressemitteilung des Ministeriums der Justiz des Landes Nordrhein-Westfalen vom 18.04.2018).

Was Arbeitnehmer und Beamte beim Toilettengang während der Arbeitszeit unterscheidet

Ein Arbeitnehmer ist gesetzlich unfallversichert

Das heißt, der Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung eines Arbeitnehmers

  • endet mit dem Durchschreiten der Toilettentür und
  • lebt nach dem Verrichten der Notdurft erst erneut beim Verlassen der Toilette mit dem Durchschreiten der Toilettentür wieder auf.

Handelt es sich um eine provisorische Toilettenanlage lediglich mit Sichtschutzwänden und ohne Toilettentüren

  • setzt das Wiederaufleben des Versicherungsschutzes eine deutliche räumliche Entfernung von der Toilettenvorrichtung voraus,
  • das Ordnen der Kleider und das Abwenden von der Vorrichtung reicht hierfür nicht aus.

Darauf hat das LSG Niedersachsen-Bremen mit Urteil vom 25.10.2016 – L 16/3 U 186/13 – hingewiesen und entschieden,

  • dass, wenn ein nach §§ 2, 3 oder 6 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII) Unfallversicherter im Bereich einer provisorischen Toilettenanlage, einer sog. Pinkelrinne, die nur durch Gebüsch und Sichtschutzwände abgegrenzt ist, verunfallt,
  • es sich um keinen Arbeitsunfall gemäß § 8 Abs. 1 S. 1 SGB VII handelt und damit auch kein Versicherungsfall im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung vorliegt.

Ein Beamter steht dagegen grundsätzlich auch während eines Toilettenaufenthalts unter dem Schutz der beamtenrechtlichen Unfallfürsorge. Verunfallt er beim Verrichten der Notdurft handelt es sich in der Regel um einen vom Dienstunfallschutz erfassten Dienstunfall.

Das hat das Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) mit Urteil vom 17.11.2016 – 2 C 17.16 – entschieden.

Wer lediglich Zeuge einer tödlichen Schießerei ist steht nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung

Kraft Gesetzes sind nach § 2 Abs. 1 Nr. 13a Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) Personen versichert,

  • die bei Unglücksfällen oder gemeiner Gefahr oder Not
  • Hilfe leisten oder einen anderen aus erheblicher gegenwärtiger Gefahr für seine Gesundheit retten.

Da unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung somit nur eine Hilfeleistung steht, erhalten Personen,

  • die bei Vorfällen wie den obigen nur anwesend sind, ohne aktive Handlungen zugunsten anderer Personen zu entfalten,

auch dann keine Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung, wenn sie infolge der Beobachtung des Vorfalls einen Gesundheitsschaden erleiden.

Darauf hat der 3. Senat des Landessozialgerichts (LSG) Stuttgart mit Urteil vom 26.10.2016 – L 3 U 2102/14 – hingewiesen und in einem Fall, in dem der Kläger,

  • ohne selbst aktiv zugunsten anderer Personen tätig zu werden,

lediglich Zeuge war,

  • wie ein mit einem Messer bewaffneter Mann, der kurz zuvor zwei Frauen in einem Café angegriffen hatte, beim Versuch der Festnahme von der Polizei erschossen worden und
  • bei dem es aufgrund der Beobachtung dieses dramatischen Vorfalls zu einer posttraumatischen Belastungsstörung gekommen war,

entschieden,