Tag Gründe

Arbeitgeber dürfen unter Wahrung billigen Ermessens den Arbeitsort von Arbeitnehmern durch Weisung neu bestimmen und

…. demzufolge grundsätzlich auch die Rückkehr aus Homeoffice anordnen.

Darauf hat das Landesarbeitsgericht (LAG) München mit Urteil vom 26.08.2021 – 3 SaGa 13/21 – in einem Fall hingewiesen, in dem ein Arbeitgeber seinem 

  • sonst im Büro arbeitenden 

Mitarbeiter gestattet hatte, seine Tätigkeit als Grafiker von zuhause aus zu erbringen und später von dem Arbeitgeber gegenüber dem Mitarbeiter angeordnet worden war, dass dieser seine Tätigkeit als Grafiker 

  • wieder unter Anwesenheit im Büro 

zu erbringen habe. 

Arbeitgeber können danach gemäß § 106 Satz 1 GewO durch Weisung die Rückkehr aus Homeoffice dann anordnen, wenn

  • der Arbeitsort weder im Arbeitsvertrag noch kraft späterer ausdrücklicher oder stillschweigender Vereinbarung der Parteien auf die Wohnung des Arbeitsnehmers festgelegt wurde,
  • ein Recht des Arbeitnehmers die Arbeitsleistung von zuhause zu erbringen aufgrund einer (Corona-)Arbeitsschutzverordnung (ArbSchV) nicht (mehr) besteht und
  • betriebliche Gründe einer (weiteren) Erledigung von Arbeiten im Homeoffice entgegenstehen (Quelle: Pressemitteilung des LAG München).

ArbG Köln entscheidet: Weigerung eines Arbeitnehmers eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen, kann,

…. nach erfolgloser Abmahnung, eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen.

Mit Urteil vom 17.06.2021 – 12 Ca 450/21 – hat die 12. Kammer des Arbeitsgerichts (ArbG) Köln entschieden, dass ein Arbeitgeber, der

  • aufgrund der Pandemiesituation 

allen bei ihm im Außendienst beschäftigten Arbeitnehmern die Anweisung erteilt hat, bei der 

  • Arbeit bei Kunden 

eine 

  • Mund-Nasen-Bedeckung

zu tragen, das Arbeitsverhältnis mit einem Arbeitnehmer

  • fristlos

kündigen kann, der 

  • auch nach erfolgter Abmahnung 

nur dann bereit ist, den Serviceauftrag bei einem 

  • auf das Tragen einer Maske ausdrücklich bestehenden 

Kunden durchzuführen, wenn er 

  • keine Maske tragen muss. 

Übrigens:
Um eine Befreiung von der Maskenpflicht aus gesundheitlichen Gründen zu rechtfertigen, ist ein Attest 

  • ohne konkrete Diagnose eines Krankheitsbildes, 

das also beispielsweise lediglich lautet, dass es dem Arbeitnehmer 

  • „aus medizinischen Gründen unzumutbar ist, eine nicht-medizinische Alltagsmaske oder eine vergleichbare Mund-Nasen-Bedeckung im Sinne der SARS-COV-2 Eindämmungsmaßnahmenverordnung zu tragen“

nicht hinreichend aussagekräftig und muss deshalb auch von einem Arbeitgeber nicht anerkannt werden (Quelle: Pressemitteilung des ArbG Köln). 

Was Eltern schulpflichtiger Kinder über die Maskenpflicht an Schulen und die Befreiung hiervon wissen sollten

Mit Beschluss vom 26.10.2020 – 20 CE 20.2185 – hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (VGH) in einem Fall, in dem zwei in Bayern lebende Grundschülerinnen, 

  • bei der Schule 

ärztliche Atteste vorgelegt hatten, in denen 

  • ohne weitere Begründung 

bescheinigt worden war, dass sie aus gesundheitlichen Gründen keine Masken in der Schule tragen könnten und diese Atteste von der Grundschule 

  • als nicht hinreichend aussagekräftig 

zurückgewiesen worden waren, entschieden, dass die Atteste zur Glaubhaftmachung 

  • aus gesundheitlichen Gründen von der Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung befreit zu sein 

nicht ausreichen, vielmehr hierfür erforderlich ist, die Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung, die 

  • nachvollziehbare Befundtatsachen sowie 
  • eine Diagnose 

enthält.

Begründet hat der VGH dies damit, dass 

  • anders als etwa bei einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung oder einem Attest zur Befreiung vom Schulbesuch wegen Krankheit 

hier auch Grundrechtspositionen insbesondere von anderen Schülern sowie des Schulpersonals

  • – das Recht auf Leben und Gesundheit aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 Grundgesetz (GG) –

betroffen seien, für die die Schule eine herausgehobene Verantwortung trage, die Maskenpflicht diene dazu, 

  • andere vor einer Ansteckung mit dem neuartigen Coronavirus zu schützen sowie 
  • die Ausbreitungsgeschwindigkeit von Covid-19 in der Bevölkerung zu reduzieren 

und datenschutzrechtliche Bestimmungen dem grundsätzlich nicht entgegen stehen (Quelle: Pressemitteilung des VGH München).

ArbG Gießen entscheidet: Arbeitgeber die zur Entfernung unliebsamer Betriebsratsmitglieder Kündigungsgründe fingieren

…. machen sich entschädigungspflichtig.

Mit Urteil vom 10.05.2019 – 3 Ca 433/17 – hat die 3. Kammer des Arbeitsgerichts (ArbG) Gießen entschieden, dass Betriebsratsmitglieder,

  • wenn Arbeitgeber, um sie loszuwerden, Kündigungsgründe fingieren,

Anspruch auf Entschädigung haben und in einem Fall,

  • in dem ein Arbeitgeber gemeinsam mit seinem Rechtsvertreter ein Strategiekonzept zur Entfernung eines unliebsamen Betriebsratsmitglieds entwickelt hatte,
  • nach dem eingeschleuste Lockspitzel das Betriebsratsmitglied in Verruf bringen sowie Kündigungsgründe provozieren oder erfinden sollte,

den Arbeitgeber und seinen Rechtsvertreter

  • wegen schwerer Persönlichkeitsverletzung(§§ 823 Abs. 1, 830 Abs. 1, 840 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) i.V. m. Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz (GG))

gesamtschuldnerisch zur Zahlung von 20.000 Euro an das Betriebsratsmitglied verurteilt.

In dem der Entscheidung zugrunde liegendem Fall war dem Betriebsratsmitgliedzur Rechtfertigung einer fristlosen Kündigung

  • nicht nur ein Verstoß gegen das betriebliche Alkoholverbot,
  • sondern auch ein Tätlichkeit unterschoben werden, indem
    • das Betriebsratsmitglied von zwei als Lockspitzel eingeschleusten Detektiven durch Beschimpfen und Bespucken zu Tätlichkeiten provoziert werden sollte und
    • als das Betriebsratsmitglied nicht zuschlug, einer der Detektive den anderen verletzte und das Betriebsratsmitglied dieser Tat bezichtigte (Quelle: Pressemitteilung des ArbG Gießen).

ArbG Aachen entscheidet: Arbeitgeber können aus Hygienegründen das Tragen von künstlichen lackierten Finger- oder

…. Gelnägeln während der Arbeit untersagen.

Mit Urteil vom 21.02.2019 – 1 Ca 1909/18 – hat das Arbeitsgericht (ArbG) Aachen in einem Fall, in dem ein Betreiber eines Altenheims einer bei ihm angestellten Helferin im sozialen Dienst,

  • aus Gründen der Hygiene zum Schutz der Bewohner,

das Tragen von langen, künstlichen, lackierten Finger- oder Gelnägelnim Dienst untersagt hatte

  • und die Helferin, weil sie darin eine Verletzung ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts sah, damit nicht einverstanden war,

entschieden, dass das Verbot rechtmäßig ist (§ 106 S. 2 Gewerbeordnung (GewO), § 315 Abs. 3 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)).

Bei Abwägung der widerstreitenden Interessen sowie unter Berücksichtigung, dass

  • Nagellack die Sichtbeurteilung der Nägel behindert,
  • auf künstlichen Nägeln die Bakteriendichte höher ist,
  • durch sie der Erfolg der Händehygiene beeinträchtigt sowie
  • die Perforationsgefahr für Einmalhandschuhe erhöht wird

und deswegen vom Robert Koch Institut aus Hygienegesichtspunkten empfohlen wird, dass

  • in Kliniken, Praxen, Pflegeeinrichtungen und anderen medizinischen Arbeitsbereichen ausschließlich natürliche und kurz geschnittene Fingernägel getragen werden sollten,

durfte der Arbeitgeber danach

  • dem Interesse des Arbeitgebers, die Gesundheit und das körperliche Wohlbefinden der ihm anvertrauten Bewohner bestmöglich zu schützen,

Vorrang einräumen

  • vor dem Interesse der beschäftigten Helferin an der freien Gestaltung ihres äußeren Erscheinungsbildes (Quelle: Pressemitteilung des ArbG Aachen vom 18.06.2019).

Was, wer Einsicht in das Grundbuch nehmen möchte, wissen muss

Die Einsicht in das Grundbuch ist nicht schlechthin jedem gestattet.

  • Vielmehr muss gemäß § 12 Abs. 1 Grundbuchordnung (GBO) die Person, die das Grundbuch und die zu ihm gehörenden Grundakten (§ 12 Abs. 3 GBO) einsehen will, ein berechtigtes Interesse an der Einsichtnahme darlegen.

Nur im Umfang des Einsichtsrechts besteht nach § 12 Abs. 2 GBO auch ein Anspruch auf Erteilung von Abschriften.

Ein berechtigtes Interesse im Sinne von § 12 Abs. 1 GBO setzt zwar nicht voraus, dass die Person Inhaberin eines Rechts oder Beteiligte eines konkreten Rechtsverhältnisses ist, aus dem das Interesse an der Einsichtnahme herzuleiten wäre.

  • Vielmehr genügt es, dass die Person ein verständiges, durch die Sachlage gerechtfertigtes Interesse verfolgt.
  • Auch ein rein tatsächliches, insbesondere wirtschaftliches Interesse dieser Person kann genügen.

Notwendig ist, dass die Person sachliche Gründe darlegt, nach denen die Kenntnis vom Grundbuchstand für ihr künftiges Handeln erheblich erscheint.
Dabei kann die Verfolgung unbefugter Zwecke ein Einsichtsrecht ebenso wenig begründen wie Neugier.
Deshalb kommt eine Einsicht auch dann nicht in Betracht, wenn sie von vornherein ungeeignet ist, das vorgetragene Informationsbedürfnis zu befriedigen, weil das Grundbuch schon nach seiner Art und Aufgabe die erwarteten Informationen nicht bereitstellt.

  • Dass die das Einsichtsverlangen stützenden Sachgründe darzulegen sind, bedeutet, dass diese Gründe zu erläutern sind.

Demzufolge genügt weder eine schlagwortartige Bezeichnung angeblicher Gründe noch reichen bloße Behauptungen.

  • Vielmehr ist es erforderlich, durch nachvollziehbares Tatsachenvorbringen einen Sachverhalt glaubhaft zu beschreiben, aus dem sich für das Grundbuchamt die Verfolgung eines berechtigten Interesses erschließt.
  • Aus den Ausführungen des Antragstellers muss sich in nachvollziehbarer Weise ergeben, dass die Beteiligte die Kenntnis vom Grundbuchinhalt zur Verfolgung eigener Interessen benötigt (Oberlandesgericht (OLG) München, Beschluss vom 16.03.2018 – 34 Wx 30/18 –).

Wichtig zu wissen für Wohnungseigentümer die eine Beschlussanfechtungsklage erheben möchten

Mit Urteil vom 26.05.2016 – 72 C 16/16 – hat das Amtsgericht (AG) Charlottenburg darauf hingewiesen, dass eine Klage mit der ein in der Wohnungseigentümerversammlung gefasster Beschluss angefochten wird, gemäß § 46 Abs. 1 Satz 2 Wohnungseigentumsgesetz (WEG)

  • innerhalb eines Monats nach der Beschlussfassung erhoben sowie
  • innerhalb zweier Monate nach der Beschlussfassung begründet

werden muss und

  • dass danach ein „Nachschieben“ von Anfechtungsgründen ausgeschlossen,
  • h. nicht mehr möglich ist.

Demzufolge können,

  • wenn die innerhalb der zweimonatigen materiell rechtlichen Ausschlussfrist des § 46 Abs. 1 Satz 2 HS 2 WEG vorgetragen Gründe nicht für eine Beschlussaufhebung ausreichen,

weitere Gründe vom Kläger nicht mehr „nachgeschoben“ werden.

Denn, so das AG, durch die Frist solle für die Wohnungseigentümer und auch den Verwalter schnell klar sein,

  • ob und in welchen Umfang und aufgrund welcher Grundlage die gefassten Beschlüsse einer gerichtlichen Überprüfung unterzogen werden,

weil nur so schnell Rechtssicherheit eintreten könne und die Handlungs- und Entscheidungsfähigkeit der Gemeinschaft weiterhin gegeben sei.

  • Da im Gegensatz zum „Nachschieben“ eine Ergänzung und weitere Darlegung schon angesprochener Anfechtungsgründe zulässig ist, ist es deshalb wichtig, innerhalb der zweimonatigen Begründungsfrist, alle erdenkbaren Gründe zumindest anzusprechen und dem Gericht den Lebenssachverhalt, auf den sich die Anfechtungsklage stütze, in seinem wesentlichen Kern vorzutragen (Quelle: Pressemitteilung des DAV MietR vom 02.11.2017 – Nr. 26/2017 –).

Was Vermieter und Mieter wissen sollten, wenn dem Mieter ordentlich gekündigt worden ist

Wird ein Wohnraummietverhältnis von dem Vermieter berechtigt ordentlich gekündigt, kann der Mieter nach § 574 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)

  • der Kündigung widersprechen und
  • die Fortsetzung des Mietverhältnisses verlangen,

wenn die Beendigung des Mietverhältnisses für ihn

  • eine Härte bedeuten würde,
  • die auch unter Würdigung der berechtigten Interessen des Vermieters nicht zu rechtfertigen ist,

wobei sich allerdings, um als tauglicher Härtegrund in Betracht zu kommen,

  • die Konsequenzen, die für den Mieter mit einem Umzug verbunden wären, deutlich von den mit einem Wohnungswechsel typischerweise verbundenen Unannehmlichkeiten abheben müssen.

Ist vom Mieter ein tauglicher Härtegrund vorgebracht worden,

  • darf das Gericht sich im Räumungsprozess nicht darauf beschränken, das Vorbringen des Mieters zu den Härtegründen formal als wahr zu unterstellen und anschließend zu dem Ergebnis zu gelangen, dass diese Härten keinesfalls Vorrang gegenüber den Interessen der Vermieterseite verdienen,

sondern muss sich das Gericht inhaltlich mit der in dem Mietervortrag zum Ausdruck kommenden existenziellen Bedeutung der Beibehaltung der bisherigen Wohnung in der gebotenen Weise auseinanderzusetzen,

  • weil erst dann das Gericht in der Lage ist, die Konsequenzen, die für den Mieter mit dem Umzug verbunden sind, im Rahmen der nach § 574 Abs. 1 BGB notwendigen Abwägung sachgerecht zu gew

Das bedeutet, macht ein Mieter für den Fall eines erzwungenen Wohnungswechsels schwerwiegende gesundheitliche Auswirkungen geltend, muss sich das Gericht

  • bei Fehlen eigener Sachkunde mittels sachverständiger Hilfe

ein genaues und nicht nur an der Oberfläche haftendes Bild davon verschaffen,

  • welche gesundheitlichen Folgen im Einzelnen für den Mieter mit einem Umzug verbunden sind,
  • insbesondere welchen Schweregrad zu erwartende Gesundheitsbeeinträchtigungen erreichen können und
  • mit welcher Wahrscheinlichkeit dies eintreten kann.

Darauf hat der unter anderem für das Wohnraummietrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Urteil vom 15.03.2017 – VIII ZR 270/15 – hingewiesen (Quelle: Pressemitteilung des BGH vom 15.03.2017 – Nr. 36/2017 –).