Tag haftet

LG Nürnberg-Fürth entscheidet wozu Vermieter zum Schutz ihrer Mieter vor Schäden verpflichtet sind

…. und wozu nicht. 

Mit Beschluss vom 22.01.2020 – 7 S 693/19 – hat das Landgericht (LG) Nürnberg-Fürth darauf hingewiesen, dass ein Vermieter zum Schutz seiner Mieter, deren Angehörigen und Lebensgefährten vor Schäden diejenigen Sicherheitsvorkehrungen treffen muss, 

  • die ein verständiger und umsichtiger Vermieter für ausreichend halten darf und 
  • die ihm den Umständen nach zumutbar sind,

demzufolge eine vollständige Gefahrlosigkeit und Mängelfreiheit des Mietobjekts nicht verlangt werden kann, sondern ein Vermieter nur die Gefahren ausräumen muss, vor denen 

  • ein sorgfältiger Benutzer 

sich nicht selbst schützen kann, weil die Gefahrenlage 

  • entweder völlig überraschend eintritt 
  • oder nicht ohne weiteres erkennbar ist.

Danach haftet, wenn beispielsweise, wie in dem der Entscheidung zugrunde liegendem Fall, im Hofbereich des Anwesens eines Vermieters 

  • für einen aufmerksamen Benutzer nicht zu übersehen war, dass dort 

Bodenpflastersteine aufgesprungen sowie hochgedrückt sind, bei einem darauf zurückzuführenden Sturz

  • der minderjährigen Tochter von Wohnungsmietern mit ihrem Fahrrad 

der Vermieter deswegen nicht für die Folgen des Sturzes, 

Wer kann wann und warum (mit)haften, wenn es auf einem öffentlich zugänglichen Parkplatz zu einem Zusammenstoß

…. zwischen zwei (ein- oder ausparkenden) Autos kommt?

Auf öffentlich zugänglichen Parkplätzen ohne eindeutigen Straßencharakter ist das Gebot der allgemeinen Rücksichtnahme nach § 1 Abs. 2 Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) zu beachten.
Danach muss sich ein Verkehrsteilnehmer so verhalten, dass kein anderer geschädigt, gefährdet oder mehr als unvermeidbar behindert oder belästigt wird.

  • Da auf Parkplätzen stets mit ausparkenden und rückwärtsfahrenden Fahrzeugen zu rechnen sei, müssen Kraftfahrer hier so vorsichtig fahren, dass sie jederzeit anhalten können.

Das gilt in besonderem Maße für einen rückwärtsfahrenden Verkehrsteilnehmer.

Bei ihm ist die besondere Gefährlichkeit des Rückwärtsfahrens mit einzubeziehen, die wegen des eingeschränkten Sichtfeldes des Rückwärtsfahrenden für den rückwärtigen Verkehr besteht.

Entsprechend der Wertung des § 9 Abs. 5 StVO,

  • nach der sich Fahrzeugführer beim Rückwärtsfahren so verhalten müssen, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist und sich erforderlichenfalls einweisen lassen müssen und
  • die im Rahmen der Pflichtenkonkretisierung nach § 1 Abs. 2 StVO zu berücksichtigen ist,

müssen sich rückwärtsfahrende Verkehrsteilnehmer stets so verhalten bzw. so vorsichtig fahren, dass sie ihr Fahrzeug notfalls sofort anhalten können.

  • Kommt es in einem engen zeitlichen und räumlichen Zusammenhang mit einem rückwärtsfahrenden Verkehrsteilnehmer zu einem Zusammenstoß spricht der Anscheinsbeweis für ein Verschulden des Rückwärtsfahrenden,
  • wenn (beispielsweise aufgrund eines Sachverständigengutachtens) feststeht, dass der Rückwärtsfahrende zum Kollisionszeitpunkt noch nicht stand (Oberlandesgericht (OLG) München, Urteil vom 23.03.2018 – 10 U 2647/17 –).

Dagegen spricht,

  • was beachtet werden muss und von Gerichten mitunter verkannt wird,

der Anscheinsbeweis

  • dann nicht für ein (Mit-)Verschulden eines ursprünglich Rückwärtsfahrenden,
  • wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass
    • sein Fahrzeug im Kollisionszeitpunkt bereits stand,
    • also nicht mehr in Bewegung war.

Aber auch dann, wenn nicht auszuschließen ist,

  • dass das ursprünglich rückwärts fahrende Fahrzeug bzw. eines der beiden ursprünglich rückwärts fahrenden Fahrzeuge zum Zeitpunkt des Zusammenstoßes bereits gestanden ist und
  • der Beweis des ersten Anscheins somit nicht für ein Verschulden dieses Fahrzeugführers spricht,

können

  • die Betriebsgefahr seines Fahrzeugs und
  • weitere Umstände, aus denen auf ein Verschulden dieses ursprünglich Rückwärtsfahrenden geschlossen werden kann,

im Rahmen der gemäß § 17 Abs. 1, 2 Straßenverkehrsgesetz (StVG) vorzunehmenden Abwägung berücksichtigt werden (Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 15.12.2015 – VI ZR 6/15 –).

Andererseits führt auch allein das Eingreifen des Anscheinsbeweises zu Lasten eines der beiden Unfallbeteiligten

  • noch nicht dazu, dass dieser zu 100 % für den Schaden des Anderen haftet,

sondern können auch in einem solchen Fall die Betriebsgefahr der Fahrzeuge und weitere sie erhöhende Umstände im Rahmen der Abwägung nach § 17 Abs. 1, 2 StVG Berücksichtigung finden (BGH, Urteil vom 11.10.2016 – VI ZR 66/16 –).