Tag Nacherbe

Nacherben sollten wissen, dass und wann im Rahmen der Erbschaftsteuerfestsetzung die Erbfallkostenpauschale

…. nicht nur dem Vorerben, sondern auch ihnen gewährt werden muss.

Mit Urteil vom 24.10.2019 – 3 K 3549/17 – hat der 3. Senat des Finanzgerichts (FG) Münster entschieden, dass,

  • wenn ein Erblasser in seinem Testament als Erben einen Vor- und einen Nacherben eingesetzt hat,

der Pauschbetrag gemäß § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 2 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) i.H.v. 10.300 Euro (sog. Erbfallkostenpauschale) auch dem Nacherben dann zu gewähren ist, wenn dieser

  • zwar nicht die Kosten der Beerdigung des Erblassers, aber andere

(geringfügige) mit der Abwicklung des Erbfalls entstandene Aufwendungen getragen hat.

Dass einem Nacherben in einem solchen Fall im Rahmen der Erbschaftsteuerfestsetzung auf Antrag der Pauschbetrag nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 2 ErbStG i.H.v. 10.300 Euro (sog. Erbfallkostenpauschale) gewährt werden muss, hat das FG damit begründet, dass es sich erbschaftssteuerrechtlich bei der Vor- und Nacherbschaft um zwei Erwerbsvorgänge handelt,

  • um den Erwerb des Vorerben beim Tod des Erblassers und um den Erwerb des Nacherben beim Tod des Vorerben,
  • die beiden Erwerbsvorgänge jeweils einen Erbanfall nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG darstellen, mit der Folge, dass beide Erwerbsvorgänge in ihrer zeitlichen Abfolge getrennt der Besteuerung unterliegen,

wegen dieser zwei voneinander getrennt zu beurteilenden Erbfälle somit die Erbfallkostenpauschale für den Vorerbfall sowie den Nacherbfall je einmal in Anspruch genommen werden kann, § 10 Abs. 5 Nr. 3 Sätze 1 und 2 ErbStG

  • neben den Kosten der Bestattung des Erblassers, den Kosten für ein angemessenes Grabdenkmal und den Kosten für die übliche Grabpflege

auch die unmittelbar im Zusammenhang mit der Abwicklung und Regelung des Erwerbs entstandenen Kosten,

  • zu denen u. a. die Kosten für die Eröffnung der Verfügung von Todes wegen und die Kosten für die Erteilung des Erbscheins zählen,

umfasst und Voraussetzung, dass für diese Kosten insgesamt ein Betrag von 10.300 Euro ohne Nachweis abgezogen wird, lediglich ist, dass

  • dem Erwerber derartige Kosten entstanden sind und
  • nur die Höhe nicht nachgewiesen hat.

Danach liegen die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Pauschbetrags vor, wenn

  • ein Nacherbe beispielsweise durch Vorlage einer entsprechenden Rechnung nachweisen kann, dass ihm für die Eröffnung der Verfügung von Todes wegen, für die Beantragung und Erteilung des Erbscheins, Kosten entstanden sind,
  • selbst wenn es sich dabei im Verhältnis zum Pauschbetrag lediglich um geringe Kosten handelt

und scheidet ein Abzug des Pauschbetrags nur dann aus, wenn

  • Kosten im Sinne von § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 2 ErbStG nicht entstanden sind.

Was Vor- und Nacherben eines Erblassers wissen sollten, wenn der Erblasser (auch) eine über seinen Tod hinaus

…. wirkende Vollmacht erteilt hat(te).

Mit Beschluss vom 29.05.2019 – 8 W 160/19 – hat das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart entschieden, dass, wenn ein Erblasser

  • einem anderen eine über den Tod hinaus wirkende Vollmacht erteilt und
  • den Bevollmächtigten als nicht befreiten Vorerben eingesetzt hat,

der trans- oder postmortal bevollmächtigte Vorerbe,

  • bis zum Widerruf der Vollmacht durch den Nacherben,

auch den Nacherben wirksam vertreten,

  • also durch ein vor Eintritt der Nacherbfolge gleichzeitig im Namen des Vor- und des Nacherben vorgenommenes Rechtsgeschäft,

sämtliche Erben einschließlich der Nacherben,

  • soweit diese selbst vor Eintritt der Nacherbfolge in ihrer Eigenschaft als Nacherben handeln können,

berechtigen und verpflichten kann und dabei

  • nicht den Verfügungsbeschränkungen der §§ 2112, 2113 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) unterworfen ist,
  • sondern in seiner vom Erblasser abgeleiteten Verfügungsmacht nur den Beschränkungen unterliegt, die ihm vom Erblasser selbst direkt auferlegt wurden.

Allerdings kann sich aus einer Verfügung des Bevollmächtigten,

  • sofern sich diese für den Nacherben als nachteilig erweist,

ein Anspruch des Nacherben gegen den Bevollmächtigten erwachsen,

  • ohne dass deswegen aber die Gültigkeit der Verfügung des Bevollmächtigten in Frage gestellt wird.

Was Ehegatten, die ein gemeinschaftliches Testament errichten möchten, wissen und gegebenenfalls beachten sollten

Setzen sich Ehegatten in einem von ihnen errichteten gemeinschaftlichen Testament lediglich gegenseitig als Alleinerben ein und

  • regeln sie die Erbfolge nach dem Ableben des überlebenden Ehegatten in dem gemeinschaftlichen Testament nicht, sondern lassen sie diese offen,

fällt dem Überlebenden der Nachlass des Erstversterbenden zu und dieser kann über das Gesamtvermögen – auch von Todes wegen – frei verfügen.
Errichtet der Überlebende nach dem Tod des Erstverstorbenen keine weitere letztwillige Verfügung,

  • tritt bei seinem Ableben gesetzliche Erbfolge ein,
  • d.h. in diesem Fall fließt das gesamte Vermögen beider Eheleute (nur) den gesetzlichen Erben des Überlebenden zu.

Wollen Ehegatten, die sich in einem gemeinschaftlichen Testament gegenseitig als Erben eingesetzt haben, zusätzlich,

  • mit Bindungswirkung für den Überlebenden,
  • d.h. mit der Folge, dass dieser dann in seiner Testierfreiheit eingeschränkt ist und jede seine anderweitigen Verfügungen von Todes wegen unwirksam ist,

bestimmen, dass

  • nach dem Tod des Überlebenden der beiderseitige Nachlass an einen Dritten bzw. mehrere Dritte fallen soll,
  • beispielsweise an ein Kind oder an bestimmte Kinder der Ehegatten oder eines Ehegatten,

haben Ehegatten zwei Möglichkeiten.

Die Ehegatten können entweder,

  • den Überlebenden als befreiten oder nicht befreiten Vorerben (vgl. § 2136 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)) des Erstversterbenden und
  • einen Dritten oder mehrere Dritte als Nacherben (vgl. § 2100 BGB) des Erstversterbenden einsetzen, wobei dann
    • mit dem Tod des erstversterbenden Ehegatten
      • der überlebende Ehegatte befreiter oder nicht befreiter Vorerbe (des Vermögens) des erstversterbenden Ehegatten und
      • der Dritte bzw. die Dritten Nacherbe(n) (des Vermögens) des erstversterbenden Ehegatten wird/werden sowie
    • mit dem Tod des längstlebenden Ehegatten
      • der Nacherbfall eintritt und der Dritte bzw. die Dritten Nacherbe(n) (des Vermögens) des Erstverstorbenen und
      • Erbe(n) (des Vermögens) des Längstlebenden wird/werden,

oder die Ehegatten können

  • den überlebenden Ehegatten als Vollerben und
  • einen Dritten oder mehrere Dritte wechselbezüglich im Sinne des § 2077 Abs. 1 BGB als Schlusserben einsetzen,
    • wobei in diesem Fall nach dem Tod des erstversterbenden Ehegatten, wenn es sich bei dem bzw. den Dritten um ein Kind bzw. Kinder des Erstverstorbenen handelt, dieses bzw. diese von der Erfolge ausgeschlossen ist/sind und
    • erst nach dem Tod des längstlebenden Ehegatten Erbe(n) des (noch) vorhandenen Vermögens wird/werden.

Im erstgenannten Fall, in dem der überlebende Ehegatte befreiter oder nicht befreiter Vorerbe des Vermögens des erstverstorbenen Ehegatten wird,

  • unterliegt er gewissen Verfügungsbeschränkungen und
  • können als Nacherben eingesetzte Kinder des erstverstorbenen Ehegatten ihren Pflichtteilsanspruch nach dem Tod ihres erstverstobenen Elternteils gegen ihn nur geltend machen, wenn sie die Nacherbschaft ausschlagen (vgl. § 2306 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 Fall 1, Abs. 2 BGB),

während im zweitgenannten Fall, in dem der überlebende Ehegatte Vollerbe des Vermögens des erstverstorbenen Ehegatten wird,

  • er, abgesehen von, den eingesetzten Schlusserben beeinträchtigenden Schenkungen im Sinne des § 2287 Abs. 1 BGB, unter Lebenden völlig frei über den Nachlass verfügen kann,
  • von ihm als Schlusserben eingesetzte Kinder des erstverstorbenen Ehegatten in diesem Fall allerdings ihren Pflichtteil verlangen können und
    • die Ehegatten deshalb überlegen sollten, ob sie, um pflichtteilsberechtigte Kinder zu veranlassen, auf die Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs zu verzichten, in das gemeinschaftliches Testament eine sog. Pflichtteilsstrafklausel aufnehmen, d.h. bestimmen wollen,
    • dass, wenn ein als Schlusserbe eingesetztes Kind nach dem Tod des erstversterbenden Elternteils seinen Pflichtteilsanspruch geltend machen sollte, es auch nach dem Tod des Überlebenden nur den Pflichtteil erhalten soll.

Wollen Ehegatten,

  • die Kinder haben,

verhindern, dass,

  • wenn der überlebende Ehegatte wieder heiratet,

der neue Ehegatte mit in den Genuss des Teils des Nachlasses des erstverstorbenen Ehegatten kommt,

  • der bei gesetzlicher Erbfolge den Kindern zustehen würde,

können sie in dem gemeinschaftlichen Testament, wenn sie

  • den Überlebenden als befreiten oder nicht befreiten Vorerben (vgl. § 2136 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)) des Erstversterbenden und
  • ein Kind bzw. Kinder als Nacherben (vgl. § 2100 BGB) des Erstversterbenden eingesetzt haben,

zusätzlich bestimmen,

  • dass der Nacherbfall auch im Fall der Wiederheirat des überlebenden Ehegatten eintreten soll

oder wenn sie

  • den überlebenden Ehegatten als Vollerben und
  • ein Kind bzw. Kinder als Schlusserben eingesetzt haben,

beispielsweise zusätzlich verfügen, dass,

  • falls der überlebende Ehegatte wieder heiratet, er Vorerbe und das Kind bzw. die Kinder Nacherben sein sollen.

Ihr Rechtsanwalt berät Sie gern über die Einzelheiten der verschiedenen Möglichkeiten die Ehegatten haben, die jeweiligen Vor- und Nachteile der einzelnen Möglichkeiten sowie die damit für den überlebenden Ehegatten verbundenen Rechtsfolgen und die Formulierungen, die Sie verwenden sollten, damit das Testament auch Ihrem Willen entspricht.

Eltern eines behinderten Sozialleistungsbeziehers sollten wissen, dass sie ein sog. Behindertentestament errichten können

…. und damit das Erbe ihres behinderten Kindes nicht nur schützen, sondern auch dafür Sorge tragen können, dass ihr behindertes Kind auch nach dem Erbfall (weiterhin) Sozialleistungen erhält.

Ein Behindertentestament ist eine Verfügung von Todes wegen, in der Eltern eines behinderten Kindes,

  • das beispielsweise in einem Behindertenwohnheim lebt und im Rahmen der stationären Eingliederungshilfe staatliche Sozialleistungen erhält,

die Nachlassverteilung

  • durch eine kombinierte Anordnung von Vor- und Nacherbschaft sowie
  • einer – mit konkreten Verwaltungsanweisungen versehenen – Dauertestamentsvollstreckung so gestalten,

dass

Ein solches Behindertentestament ist grundsätzlich,

  • auch wenn die Eltern sehr vermögend sind,

nicht sittenwidrig, sondern vielmehr Ausdruck der sittlich anzuerkennenden Sorge für das Wohl des Kindes über den Tod der Eltern hinaus.

Das hat der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm mit Urteil vom 27.10.2016 –10 U 13/16 – entschieden und

  • in einem Fall ein privatschriftliches gemeinschaftliches Testament für wirksam erachtet,

in dem von Eltern, deren Vermögen sich auf mehrere Millionen Euro belief, in Bezug auf ihr behindertes, Sozialleistungen beziehendes Kind bestimmt worden war, dass

  • dieses zu einem Anteil des 1,1 fachen seines Pflichtteils nach dem Tod eines Elternteils jeweils nicht befreiter Vorerbe werden soll,
  • für diese Erbteile des behinderten Kindes jeweils Dauertestamentsvollstreckung bis zum Eintritt des Nacherbfalls angeordnet wird,
    • der Testamentsvollstrecker dem behinderten Kind nur so viele Mittel – zur Finanzierung persönlicher Interessen und Bedürfnisse – zur Verfügung stellen soll, dass ihm andere Zuwendungen, insbesondere staatliche Leistungen nicht verloren gehen,
    • wenn Zuwendungen des Testamentsvollstreckers gegen dessen Willen insbesondere auf staatliche Leistungen angerechnet werden sollten, er seine Zuwendungen einzustellen und
    • das behinderte Kind keinen Anspruch auf Herausgabe des Nachlasses sowie von Nachlassgegenständen und Nachlasserträgen hat.

Zwar kann auch in einem solchen Fall

  • das behinderte Kind bzw. ein für Erbangelegenheiten des Kindes bestellter Pfleger durch Ausschlagung der durch die Testamentsvollstreckung und die Nacherbfolge beschränkten Erbschaft

den Pflichtteilsanspruch erhalten (vgl. § 2306 BGB) und dadurch dem Sozialhilfeträger den Zugriff auf den Pflichtteilsanspruch eröffnen.

  • Eine solche Ausschlagung muss jedoch nicht erfolgen und es besteht auch keine Verpflichtung hierzu.

Haben Sie Fragen hierzu, wird Ihnen diese der Rechtsanwalt Ihres Vertrauens gerne beantworten.

Was Ehegatten wissen müssen, wenn sie sich gegenseitig beerben wollen und nach ihrem Tod die Kinder erben sollen

Ehegatten die möchten, dass nach ihrem Tod

  • ihre Kinder Erben werden,
  • aber nach dem Tod des erstversterbenden Ehegatten zunächst Erbe der überlebende Ehegatte sein soll,

können ein gemeinschaftliches Testament nach § 2269 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) errichten und in diesem entweder,

  • sofern sie wollen, dass beim Tod des längerlebenden Ehegatten das Gesamtvermögen getrennt nach dem Vermögen des Vorverstorbenen und dem Eigenvermögen des Überlebenden vererbt werden und als je getrennte Vermögensmassen auf die (Nach-)Erben übergehen soll (sog. Trennungslösung),

bestimmen (Möglichkeit 1),

  • dass nach dem Tod des erstversterbenden Ehegatten der Längerlebende befreiter oder nicht befreiter Vorerbe (vgl. § 2136 BGB) des erstversterbenden Ehegatten und
  • nach dessen Tod die Kinder Nacherben (vgl. § 2100 BGB) des Erstversterbenden und Vollerben des Zweitversterbenden werden sollen,
    • wobei in diesem Fall die Kinder, weil sie als Nacherben des erstversterbenden Ehegatten eingesetzt und damit nicht nach § 2303 Abs. 1 Satz 1 BGB von der Erfolge nach diesem ausgeschlossen worden sind,
    • den ihnen nach dem Tod des erstverstorbenen Elternteils zustehenden Pflichtteilsanspruch gegen den anderen Elternteil als Vorerben des erstverstorbenen Elternteils nur geltend machen können, wenn sie die Nacherbschaft ausschlagen (vgl. § 2306 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 Fall 1, Abs. 2 BGB).

oder,

  • wenn sie ihr Vermögen, was im Zweifel anzunehmen ist, als Einheit ansehen, das (abgesehen von dem unten aufgeführten Fall der Wiederheirat des Überlebenden) durch den Tod des erstversterbenden Ehegatten nicht in zwei getrennte Vermögensmassen zerfallen soll (sog. Einheitsprinzip),

verfügen (Möglichkeit 2),

  • dass nach dem Tod des erstversterbenden Ehegatten der Überlebende Vollerbe des erstversterbenden Ehegatten und
  • nach dessen Tod die Kinder Schlusserben des gesamten Nachlasses der Ehegatten werden sollen,
    • wobei in diesem Fall die Kinder Erben erst nach dem Tod des längerlebenden Elternteils werden, sie also nach § 2303 Abs. 1 Satz 1 BGB von der Erbfolge nach dem erstverstorbenen Elternteil ausgeschlossen sind und
    • demzufolge den ihnen nach dem Tod des erstverstorbenen Elternteils zustehenden Pflichtteilsanspruch gegen den anderen Elternteil als Vollerben des erstverstorbenen Elternteils geltend machen können.

Um die Kinder im letztgenannten Fall, also bei der Möglichkeit 2,

  • in dem sie erst als Schlusserben nach dem längerlebenden Elternteil eingesetzt sind, zu veranlassen, auf die Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs gegen den als Vollerben des erstversterbenden Elternteils eingesetzten längerlebenden Elternteil zu verzichten,

kann in das gemeinschaftliches Testament eine sog. Pflichtteilsstrafklausel aufgenommen, d.h., festgelegt werden,

  • dass, wenn eines der Kinder nach dem Tod des erstversterbenden Elternteils den Pflichtteilsanspruch geltend machen sollte, es auch nach dem Tod des längerlebenden Elternteils nur den Pflichtteil erhalten soll.

Im erstgenannten obigen Fall, also der Möglichkeit 1, in dem die Kinder als Nacherben des erstversterbenden Elternteils eingesetzt sind, bedarf es einer solchen Pflichtteilsstrafklausel deshalb nicht, weil die Kinder, wenn sie den Pflichtteil erhalten wollen, den Nacherbteil ausschlagen müssten (§ 2306 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 Fall 1, Abs. 2 BGB).

Wollen die Ehegatten verhindern, dass, wenn der überlebende Ehegatte wieder heiratet, der neue Ehegatte mit in den Genuss des Teils des Nachlasses des erstverstorbenen Ehegatten kommt, der bei gesetzlicher Erbfolge den Kindern zustehen würde, können sie in dem gemeinschaftlichen Testament

  • wenn sie sich für die Möglichkeit 1 entschieden haben, in dem der längerlebende Ehegatte als Vorerbe des erstversterbenden Ehegatten und die Kinder als dessen Nacherben eingesetzt worden sind, zusätzlich bestimmen,
    • dass der Nacherbfall auch im Fall der Wiederheirat des überlebenden Ehegatten eintreten soll

oder

  • in dem sie, wenn sie die Möglichkeit 2 gewählt haben, in der der längerlebende Ehegatte nicht nur als Vorerbe des verstorbenen Ehegatten sondern als dessen alleiniger Vollerbe und die Kinder erst als Schlusserben des gesamten Nachlasses der Ehegatten nach dem Tod des letztversterbenden Elternteils eingesetzt sind, beispielsweise verfügen,
    • dass, falls der überlebende Ehegatte wieder heiratet gesetzliche Erbfolge eintreten soll,
    • was zur Folge hat, dass im Fall der Wiederheirat des überlebenden Ehegatten und nur in diesem Fall eine Trennung der Vermögen nach dem Vermögen des Vorverstorbenen und dem Eigenvermögen des Überlebenden erfolgt und der überlebende Ehegatte dann vom Nachlass des Erstverstorbenen ½ und die Kinder, angenommen es wären zwei, jeweils ¼ erhalten würden.

Der als Vollerbe des erstverstorbenen Ehegatten eingesetzte überlebende Ehegatte wird bei der Möglichkeit 2 damit zugleich für den Fall einer erneuten Heirat zum

  • auflösend bedingten Vollerben und
  • aufschiebend bedingten Vorerben

hinsichtlich der Hälfte des Nachlasses des erstverstorbenen Ehegatten (vgl. hierzu Bundesgerichtshof (BGH), Beschluss vom 06.11.1985 – IVa ZB 5/85 –).
Das heißt, er verliert seine Stellung als alleiniger Vollerbe des vorverstorbenen Ehegatten, wenn er heiratet, mit der Eheschließung.

Denn für den Fall der Wiederheirat des Überlebenden hat

  • die Hälfte des Nachlasses des erstverstorbenen Ehegatten, die mit der Eheschließung des überlebenden Ehegatten an die beiden Kinder als Nacherben geht,
  • der Überlebende vorher als Vorerbe erhalten.

Das bedeutet:

  • Stirbt der seinen Ehegatten Überlebende, ohne wieder geheiratet zu haben, so ist mit seinem Tod seine Stellung als Vollerbe des verstorbenen Ehegatten endgültig geworden.
    Die beiden Kinder werden in diesem Fall nach dem Tod des letztversterbenden Elternteils Schlussmiterben zu jeweils ½.
  • Heiratet der überlebende Ehegatte dagegen wieder, werden die beiden Kinder am Nachlass des verstorbenen Elternteils Nacherben zu je ¼.
    In diesem Fall erben die beiden Kinder zweimal nacheinander, nämlich bei Wiederheirat des überlebenden Elternteils als Nacherben des erstverstorbenen Elternteils und nach dem Tod des letztversterbenden Elternteils als Schlusserben (vgl. hierzu auch Oberlandesgericht (OLG) Celle, Beschluss vom 04.10.2012 – 6 W 180/12 – wonach der für den Fall erneuter Heirat zum auflösend bedingten Voll- und aufschiebend bedingten Vorerben eingesetzte Ehegatte in der Verfügung über das geerbte Vermögen nur im Falle dieser Heirat und auch nur von diesem Zeitpunkt an wie ein Vorerbe beschränkt ist).

Darüber, was Sie in Ihrem speziellen Einzelfall beachten müssen und wie Sie Ihren letzten Willen formulieren sollten, kann Sie ein Rechtsanwalt Ihres Vertrauens informieren.

Was Pflichtteilsberechtigte, die vom Erblasser mit Beschränkungen bzw. Beschwerungen als Erben eingesetzt sind, wissen sollten

Ein Pflichtteilsberechtigter des Erblassers der durch Verfügung von Todes wegen vom Erblasser

  • von der Erbfolge ausgeschlossen ist,

kann von dem Erben den Pflichtteil verlangen, der ein Geldanspruch ist und der Höhe nach in der Hälfte des Wertes des gesetzlichen Erbteils besteht (vgl. §§ 2303, 2309 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)).

Ist ein Pflichtteilsberechtigter

  • vom Erblasser nicht von der Erbfolge ausgeschlossen,
  • sondern als (Mit)Erbe eingesetzt worden und

schlägt er das Erbe aus, verliert er mit der Ausschlagung (vgl. §§ 1945, 1953 BGB),

  • weil er damit freiwillig auf sein Erbe verzichtet hat und nicht vom Erblasser von der Erfolge ausgeschlossen worden ist,

grundsätzlich auch sein Pflichtteilsrecht.

Ist ein nach §§ 2303, 2309 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) Pflichtteilsberechtigter,

  • der vom Erblasser als Erbe eingesetzt ist,

allerdings

  • durch die Einsetzung eines Nacherben (selbst oder eines anderen), die Ernennung eines Testamentsvollstreckers oder eine Teilungsanordnung beschränkt oder
  • mit einem Vermächtnis oder einer Auflage beschwert,

muss er,

  • wenn er statt Erbe mit Beschränkungen bzw. Beschwerungen zu werden,
  • lieber den Pflichtteil haben möchte,

den Erbteil ausschlagen (vgl. § 2306 BGB),

  • wobei die Ausschlagungsfrist in diesem Fall nach § 1944 BGB erst beginnt, wenn der Pflichtteilsberechtigte von der Beschränkung oder der Beschwerung Kenntnis erlangt.

Hat ein mit solchen Beschwerungen als Erbe eingesetzter Pflichtteilsberechtigter

  • die Erbschaft angenommen (vgl. hierzu § 1943 BGB),

weil

  • er irrig davon ausgegangen ist, die Erbschaft nicht ausschlagen zu dürfen, um seinen Anspruch auf den Pflichtteil nicht zu verlieren,
  • er also nicht wusste,
    • dass er die Erbschaft ausschlagen muss,
    • um seinen Pflichtteilsanspruch nicht zu verlieren,

kann bei ihm,

ein sich aus § 119 Abs. 1 BGB zur Anfechtung der Annahme der Erbschaft berechtigender Irrtum vorliegen.

Dabei spielt es keine Rolle, ob der als Erbe eingesetzte Pflichtteilsberechtigte

  • die Erbschaft ausdrücklich angenommen oder
  • lediglich die Ausschlagungsfrist hat verstreichen lassen.

Darlegungs- und beweispflichtig im Streitfall ist

  • für den Irrtum der Pflichtteilsberechtigte, der die Annahme der Erbschaft angefochten hat und
  • für den Verlust des Anfechtungsrechts infolge Fristablaufs derjenige, der sich darauf.

Hat der als Erbe eingesetzte Pflichtteilsberechtigte die Annahme rechtzeitig angefochten, so gilt gemäß § 1957 Abs. 1 BGB die Anfechtung der Annahme

  • als Ausschlagung

mit der Folge,

  • dass die Erbschaft an ihn, also den Pflichtteilsberechtigten, der die Annahme der Erbschaft angefochten hat, gemäß § 1953 Abs. 1 BGB nicht angefallen ist.

Darauf hat der IV. Zivilsenat des BGH mit Urteil vom 29.06.2016 – IV ZR 387/15 – hingewiesen.