Tag Prothese

Gesetzlich Krankenversicherte mit Teilhandverlust sollten wissen, dass sie Anspruch auf eine teure maßgefertigte Prothese aus Silikon

…. auch dann haben, wenn dieses Hilfsmittel die Funktionsausfälle der Hand nur teilweise auszugleicht. 

Mit Urteil vom 23.09.2021 – L 8 KR 477/20 – hat der 8. Senat des Hessischen Landessozialgerichts (LSG) im Fall einer 34-jährigen als Arzthelferin tätigen gesetzlich Versicherten,

  • die Rechtshänderin war 

und bei der, seit Geburt eine Fehlbildung der linken Hand sowie aufgrund operativer Maßnahmen

  • der Mittelfinger der linken Hand komplett fehlte sowie 
  • Daumen, Zeige- und Ringfinger nur noch zur Hälfte vorhanden waren,

entschieden, dass die Krankenkasse die 34-Jährige mit einer 

  • maßgefertigten Prothese aus Silikon (Kosten rund 17.600 €) 

versorgen muss.

Danach ist von der Krankenkasse die Versorgung mit einer solchen Prothese dann zu gewähren, wenn diese eine 

  • erhebliche funktionelle Verbesserung 

bewirkt, also wenn beispielsweise 

  • aufgrund der erhaltenen Beweglichkeit in den Grundgelenken 

mit der Silikonprothese eine 

  • deutliche funktionelle Verbesserung der Greiffunktionen der Hand 

herbeigeführt werden kann, wie etwa durch die Elastizität des Silikons, das Ermöglichen 

  • des Greifens größerer, nicht allzu schwerer Gegenstände, durch die Elastizität,
  • des Haltens von Handy und Telefon, so dass mit der anderen Hand Notizen gemacht oder Daten leichter eingegeben 

und so, aber auch insgesamt 

  • das Arbeiten mit Computertastatur und Computermouse, Trackball und berührungsempfindlichen Bildschirmen verbessert werden kann (Quelle: Pressemitteilung des LSG Darmstadt).

LG Osnabrück entscheidet: Ohne Neuanfertigung einer Zahnprothese kein Anspruch auf Wertersatz

Mit Urteil vom 10.12.2018 – 7 O 1610/18 – hat die 7. Zivilkammer des Landgerichts (LG) Osnabrück in einem Fall, in dem

  • während des stationären Klinikaufenthalts die Zahnprothese eines in der Klinik verstorbenen Patienten verschwunden sowie nicht mehr auffindbar war und

die Erben des Verstorbenen von dem Träger des Klinikums

  • wegen Verletzung der dem Klinikum obliegenden Obhutspflicht, jedenfalls aber wegen eines Organisationsmangels,
  • für die verloren gegangene, schon in Gebrauch gewesene Zahnprothese, nach Abzug „neu für alt“,

als Schadensersatz einen Teil der ursprünglichen Prothesenherstellungskosten verlangt hatten, die Klage abgewiesen und das damit begründet,

  • dass eine Neuanfertigung der Zahnprothese nicht erfolgt sei und
  • ein Ersatzanspruch der Erben auf fiktiver Grundlage – ohne Neuanfertigung einer Prothese – nicht bestehe.

Nach Auffassung der Kammer wirkt sich der Verlust einer Zahnprothese,

  • da diese wesentlich der Herstellung von körperlichen Fähigkeiten wie der Nahrungsaufnahme und dem unbeeinträchtigten Sprechen diene und
  • es daher im Ergebnis um eine Kompensation für die fortdauernde Beeinträchtigung der Persönlichkeit gehe,

in erster Linie auf nicht materieller Ebene aus, so dass,

  • ebenso wie ein bei einem Unfall Verletzter nur dann Heilbehandlungskosten verlangen könne,
    • wenn er sich tatsächlich behandeln lasse,
    • nicht aber „fiktive“ Behandlungskosten geltend machen kann, wenn er eine Behandlung ablehnt,

auch ein Anspruch auf Wertersatz für eine Zahnprothese zweckgebunden ist und nur für den Fall einer tatsächlichen Neuanfertigung einer Prothese besteht (Quelle: Pressemitteilung des LG Osnabrück vom 12.12.2018).

Was Bezieher von Verletztenrente bei neuer prothetischer Versorgung wissen sollten

Hat ein durch einen Arbeitsunfall Verletzter eine neue mikroprozessorgesteuerte Beinprothese erhalten, rechtfertigt dies allein es nicht, die Verletztenrente der gesetzlichen Unfallversicherung herabzusetzen.

Das hat der 2. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) am 20.12.2016 – B 2 U 11/15 R – in einem Fall entschieden, in dem

  • ein Unfallverletzter nach der Amputation des linken Beines im Bereich des Oberschenkels von dem Unfallversicherungsträger mit einer Prothese versorgt und
  • ihm zunächst eine Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit in Höhe von 70 vom Hundert bewilligt,

dem Unfallverletzten aber,

  • nachdem er anstelle der bisherigen Prothese eine mikroprozessorgesteuerte Oberschenkelprothese (sogenanntes C‑Leg) erhalten hatte,
  • wegen dadurch bedingter deutlicher Funktionsverbesserung des linken Beines,

nur noch eine geringere Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 60 vom Hundert gewährt worden war.

Dass die Versorgung mit der neuen Prothese den Unfallversicherungsträger nicht zur Herabsetzung der bisher gewährten Verletztenrente berechtigte, hat der Senat damit begründet, dass

  • die Höhe der Verletztenrente der gesetzlichen Unfallversicherung, mit der u.a. die dauerhaften gesundheitlichen Beeinträchtigungen aufgrund eines anerkannten Arbeitsunfalls ausgeglichen werden, sich aus den Berechnungsfaktoren Jahresarbeitsverdienst und Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) ergibt,
  • die Minderung der Erwerbsfähigkeit in der Praxis von medizinischen Sachverständigen anhand sogenannter MdE‑Tabellen eingeschätzt wird und

die heranzuziehende MdE‑Tabelle keine Differenzierung nach der Qualität der jeweiligen Oberschenkelprothese vornimmt (Quelle: Pressemitteilung des BSG vom 20.12.2016 – Nr. 28/16 –).