Tag Rücksichtnahmegebot

Kraftfahrzeugführer sollten wissen, wer wann warum (mit)haften kann, wenn es auf dem Parkplatz eines Einkaufsmarktes

…. zu einem Verkehrsunfall kommt.

Mit Urteil vom 28.10.2020 – 3c C 101/19 – hat das Amtsgericht (AG) Frankenthal darauf hingewiesen, dass auf Parkplätzen von Einkaufsmärkten, 

  • aufgrund der ständig wechselnden Verkehrssituationen, 

das Rücksichtnahmegebot des § 1 Abs. 2 Straßenverkehrs-Ordnung (StVO),

  • das bestimmt, dass sich ein Verkehrsteilnehmer so zu verhalten hat, dass kein anderer 
    • geschädigt,
    • gefährdet oder 
    • mehr als nach den Umständen vermeidbar behindert oder belästigt wird,

in besonderem Maße zu beachten und daher grundsätzlich 

  • bei stetiger Bremsbereitschaft mit Schrittgeschwindigkeit, 
  • d.h. mit der sehr langsamen Geschwindigkeit eines normal gehenden Fußgängers (4-7 km/h) 

zu fahren ist.

Das bedeutet, verhält sich ein Führer eines Kraftfahrzeugs 

  • nicht entsprechend 

und kommt es 

  • aufgrund der von seinem Fahrzeug ausgehenden Gefahr 

zu einem Unfall, haftet er für den entstandenen Fremdschaden (zumindest mit). 

Wichtig zu wissen für Autofahrer, die auf eine Autobahn oder Kraftfahrstraße auffahren: Wer hat wann Vorfahrt?

Mit Beschluss vom 03.05.2018 – 4 RBs 117/18 – hat das Oberlandesgericht (OLG) Hamm darauf hingewiesen, dass die Vorfahrtsregel des § 18 Absatz 3 Straßenverkehrs-Ordnung (StVO),

  • nach der auf Autobahnen und Kraftfahrstraßen der Verkehr auf der durchgehenden Fahrbahn Vorfahrt vor Fahrzeugen hat, die auf die Fahrbahn auffahren wollen,

auch dann gilt, wenn sogenannter „Stop-and-Go-Verkehr“ herrscht.

Danach findet die Vorfahrtsregel des § 18 Absatz 3 StVO erst dann keine Anwendung mehr, wenn

  • der Verkehr auf der durchgehenden Fahrbahn in der Weise zum Stehen gekommen ist,
  • dass mit einer erneuten Fahrbewegung in kürzerer Frist nicht zu rechnen ist.

Allerdings müssen Fahrzeugführer, die in dieser Situation,

  • also bei Stau und schon längerer Standzeit auf dem rechten Fahrstreifen,

auf die Fahrbahn einer Autobahn aufgefahren, das Rücksichtnahmegebot des § 1 Abs. 2 StVO beachten (Quelle: Pressemitteilung des OLG Hamm vom 24.05.2018).

Was Kraftfahrer auch dann beachten müssen wenn die Ampel an einer Kreuzung Grünlicht zeigt

Ein Kraftfahrer, der

  • bei Grünlicht in eine Kreuzung einfährt,
  • obwohl er beim Einfahren aufgrund des stockenden Verkehrs erkennt, dass er den Kreuzungsbereich während seiner Grünphase nicht (mehr) räumen kann,

verstößt gegen § 11 Abs. 1 Straßen-Verkehrsordnung (StVO).

War dagegen für den Kraftfahrer beim Einfahren in die Kreuzung nicht erkennbar,

  • dass er – beispielsweise durch den Gegenverkehr – verkehrsbedingt im Kreuzungsbereich hinter der Fluchtlinie so lange aufgehalten werden wird,
  • dass er den Kreuzungsbereich nicht mehr während seiner Grünphase wird ungehindert passieren können,

liegt nicht nur kein Verstoß gegen § 11 Abs. 1 StVO vor, sondern darf der Kraftfahrer als „echten Nachzügler“ die Kreuzung auch vorrangig räumen.

Allerdings darf auch ein „echter Nachzügler“ nicht blindlings auf seinen Status als bevorrechtigter „echter Nachzügler“ vertrauen, sondern muss sich,

  • wenn er zu einem Zeitpunkt die Kreuzung räumen will, in dem die von ihm zuvor passierte Ampel bereits Rotlicht und die Ampel für den Querverkehr bereits Grünlicht zeigt,

vergewissern, dass eine Kollision mit dem Querverkehr, der bei Grünlicht für seine Fahrtrichtung in die Kreuzung einfährt, ausgeschlossen ist.

Ansonsten verstößt er gegen das im Straßenverkehr geltende Rücksichtnahmegebot (§ 1 Abs. 2 StVO) und hat, wenn es zu einer Kollision kommt, den Unfall (mit)verschuldet.
Dabei ist davon auszugehen, dass Je länger sich ein „Nachzügler“ im Kreuzungsbereich aufhält, desto eher muss er mit einem Phasenwechsel und anfahrendem Querverkehr rechnen und dann davon ausgehen, dass der übrige Verkehr aus seinem Verhalten schließen könnte, dass er nicht weiterfahren wird.

Darauf hat der 7. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm mit Urteil vom 26.08.2016 – 7 U 22/16 – hingewiesen.

Wohnungseigentümergemeinschaft kann von einem Mitglied verlangen das Füttern von Tauben auf dem Grundstück zu unterlassen

Die Wohnungseigentümergemeinschaft kann von einem Eigentümer, der auf dem Balkon seiner Eigentumswohnung durch das Auslegen von Vogelfutter Tauben anlockt, die Hausdach und Balkon durch Taubenkot verschmutzen, verlangen, es zu unterlassen, auf dem Balkon oder aus der Wohnung heraus verwilderte Tauben zu füttern und Tauben durch das Auslegen von Futter und Lebensmitteln anzulocken.

Das hat das Amtsgericht (AG) München mit Urteil vom 23.09.2015 – 485 C 5977/15 WEG – entschieden.

Begründet hat das AG dies damit, dass die Mitglieder einer Wohnungseigentümergemeinschaft eine soziale Gemeinschaft bilden, innerhalb derer allgemein die Pflicht zur gegenseitigen Rücksichtnahme besteht und dieses Rücksichtnahmegebot des § 14 des Gesetzes über das Wohnungseigentum und das Dauerwohnrecht (WEG) verletzt,

  • wer durch Maßnahmen, wie das Auslegen von Vogelfutter, das Bereitstellen von Trinkwasserbehältern und das Aufstellen von Behältern, die sich zum Nisten und Brüten zumindest eignen,Tauben in letztlich nicht kontrollierbarer Zahl anlockt,

weil damit nach allgemeiner Lebenserfahrung nicht nur die konkrete Gefahr der vermehrten Beschmutzung auch des Gemeinschaftseigentums und des Sondereigentums anderer Wohnungseigentümer besteht, sondern auch eine konkrete Gesundheitsgefährdung etwa durch von Tauben verbreitete Parasiten wie Taubenzecken und -flöhen oder durch Taubenkot.

Ein solcher Unterlassungsanspruch steht der Wohnungseigentümergemeinschaft und/oder beeinträchtigten anderen Eigentümern dann zu, wenn

  • in der Hausordnung bestimmt ist, dass das Füttern von Tauben auf dem Grundstück oder von Wohnungen aus nicht gestattet ist oder
  • die Gemeinde, in der sich die Wohnanlage befindet, durch Verordnung ein Taubenfütterungsverbot erlassen hat (zur Berechtigung einer Gemeinde zum Erlass eines Taubenfütterungsverbots vgl. Verwaltungsgericht (VG) Ansbach, Urteil vom 14.07.2011 – AN 5 K –)

Das hat die Pressestelle des AG München vom 16.09.2016 – 72/16 – mitgeteilt.