Tag Schaden

Wann kann wegen Beschädigung seines PKWs bei einem Verkehrsunfall der Fahrzeugeigentümer

…. vom Schädiger (ausnahmsweise) die Kosten für die Beschaffung eines gleichwertigen Neufahrzeugs,

  • d.h. Abrechnung des ihm entstandenen Sachschadens auf Neuwagenbasis 

verlangen und nicht nur 

  • die (in der Regel geringeren evtl. auch auf Privatgutachterbasis fiktiven) Kosten für den Reparaturaufwand bzw. ausnahmsweise den diesen um bis zu 30% übersteigenden Betrag, sofern der Geschädigte den Zustand seines Fahrzeugs wie vor dem Unfall wiederherstellt, um es nach der Reparatur weiter zu nutzen, 
    • zuzüglich einer etwaigen Ausgleichsleistung für den merkantilen Minderwert
  • oder die Mittel zur Beschaffung eines mit dem beschädigten Fahrzeug vergleichbaren unfallfreien Fahrzeugs, d.h. die Differenz zwischen dem Netto-Wiederbeschaffungswert zum Zeitpunkt des Unfalls und dem Netto-Restwert (vgl. Oberlandesgericht (OLG) Hamm, Beschluss vom 10.04.2018 – 9 U 5/18 –).

Eine Abrechnung des ihm entstandenen Sachschadens auf Neuwagenbasis kann ein Fahrzeugeigentümer,

  • dessen Fahrzeug bei einem Verkehrsunfall beschädigt worden ist, 

von dem für den Schaden haftenden Schädiger (nur dann) verlangen, wenn folgende drei (Anspruchs)Voraussetzungen vorliegen:

Das Fahrzeug muss erstens zum Zeitpunkt des Unfalls noch als fabrikneu anzusehen gewesen sein, was angenommen werden kann, 

  • bei einer Laufleistung von noch nicht mehr als 1.000 km, 
  • in Ausnahmefällen bei Vorliegen besonderer Umstände auch 
    • bis zu einer Fahrleistung von 3.000 km oder 
    • einer Gebrauchsdauer von etwa einem Monat (vgl. dazu Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 03.11.1981 – VI ZR 234/80 –), 

zweitens muss das Fahrzeug bei dem Unfall erheblich beschädigt worden sein, 

  • was dann nicht der Fall ist, wenn
    • der Unfall lediglich Fahrzeugteile betroffen hat, die im Rahmen einer fachgerecht durchgeführten Reparatur spurenlos ausgewechselt werden können, und die Funktionstüchtigkeit und die Sicherheitseigenschaften des Fahrzeugs, insbesondere die Karosseriesteifigkeit und das Deformationsverhalten nicht beeinträchtigt sind (wie beispielsweise bei der Beschädigung von Anbauteilen wie Türen, Scheiben, Stoßstangen, etc.) oder
    • sich die Beschädigungen mit Hilfe der heutigen Reparatur- und Lackiertechnik in einer Weise beseitigen lassen, die die Neuwertigkeit des Fahrzeugs uneingeschränkt wiederherstellt,
  • sondern in aller Regel erst dann anzunehmen sein wird, wenn 
    • bei dem Unfall tragende oder sicherheitsrelevante Teile, insbesondere das Fahrzeugchassis, beschädigt worden sind und 

und drittens muss der Geschädigte sich tatsächlich ein fabrikneues Ersatzfahrzeug gekauft haben, weil nur bei Nachweis eines Neuwagenkaufs 

  • die Zuerkennung einer den Reparaturaufwand (zuzüglich des merkantilen Minderwerts) übersteigenden und damit an sich unwirtschaftlichen Neupreisentschädigung mit dem Wirtschaftlichkeitsgebot und dem Bereicherungsverbot zu vereinbaren ist (BGH, Urteil vom 29.09.2020 – VI ZR 271/19 –). 

Das bedeutet, dass 

  • eine fiktive Abrechnung auf Neuwagenbasis nicht möglich und 

auch wenn die erste und zweite der obigen Anspruchsvoraussetzungen vorliegen, 

  • bis zum Kauf eines gleichwertigen Neufahrzeugs der Fahrzugeigentümer die Kosten hierfür nicht erstattet verlangen kann und 
  • demzufolge bis dahin auch eine entsprechede Kostenerstattungsklage unbegründet ist.    

Wer sein Auto vollkaskoversichert (hat) sollte wissen, wann ein Schaden am Fahrzeug durch Unfall versichert ist und wann

…. ein Schaden am Fahrzeug als nicht versicherter „Betriebsschaden“ anzusehen ist.

Ist in den dem Vollkaskoversicherungsvertrag zugrundeliegenden Versicherungsbedingungen bestimmt, dass 

  • „versichert sind 
    • Schäden am Fahrzeug durch Unfall und 
    • als Unfall ein unmittelbar von außen plötzlich mit mechanischer Gewalt auf das Fahrzeug einwirkendes Ereignis gilt“,

sowie 

  • „dass keine Unfallschäden deshalb insbesondere sind, 
    • Schäden am Fahrzeug, die ihre alleinige Ursache in einem Bremsvorgang haben, z. B. Schäden an der Bremsanlage oder an den Reifen,
    • Schäden am Fahrzeug, die ausschließlich aufgrund eines Betriebsvorgangs eintreten, z. B. durch falsches Bedienen, falsches Betanken oder verrutschende Ladung oder durch eine sich während der Fahrt öffnende Motorhaube,
    • Schäden am Fahrzeug, die ihre alleinige Ursache in einer Materialermüdung, Überbeanspruchung oder Abnutzung haben,
    • Schäden zwischen ziehendem und gezogenem Fahrzeug oder Anhänger ohne Einwirkung von außen, z. B. Rangierschäden am Zugfahrzeug durch den Anhänger,
    • Verwindungsschäden und
  • dass vorhersehbare Beschädigungen des Fahrzeugs, die üblicherweise im Rahmen der bestimmungsgemäßen Verwendung des Fahrzeugs entstehen, nicht als Unfallschaden gelten. Beispiel: Schäden an der Ladeoberfläche eines Lkw durch Beladen durch Kies,“

ist für das Vorliegen eines 

  • versicherten Schadens am Fahrzeug durch „Unfall“ 

notwendig, 

  • eine Einwirkung „von außen“, 
  • wobei der Gegenstand, von dem die auf das versicherte Fahrzeug „wirkende mechanische Gewalt“ ausgehen muss, nicht Teil des Fahrzeugs selbst sein darf,

während von einem 

  • vom Versicherungsschutz ausgeschlossen Betriebsschaden am Fahrzeug 

dann auszugehen ist, wenn der Schaden

  • durch Ereignisse und Umstände hervorgerufen worden ist, in denen sich Gefahren verwirklichen, denen das Fahrzeug im Rahmen seiner vorgesehenen konkreten Verwendung üblicherweise ausgesetzt ist, 
  • die also nur eine Auswirkung des normalen Betriebsrisikos sind, das in Kauf genommen wird.

Der Versicherungsnehmer, 

  • der für einen Fahrzeugschaden aus einer abgeschlossenen Vollkaskoversicherung Leistungen begehrt, 

trägt für das Vorliegen eines Unfallschadens im Sinne der Versicherungsbedingungen 

  • die Darlegungs- und 
  • im Streitfall die Beweislast.

Darauf hat der 7. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Stuttgart mit Urteil vom 30.07.2020 – 7 U 57/20 – hingewiesen und in einem Fall, in dem ein vollkaskoversicherter PKW beim Überfahren einer 

  • absichtlich an einem Ortsanfang, quer zu einer asphaltierten Straße, 

angelegten, 

  • für den Fahrzeugführer – nach seiner Behauptung – wetter- und dunkelheitsbedingt nicht erkennbaren,

Fahrbahnschwelle 

  • mit einer Geschwindigkeit von 30 bis 40 km/h, bei einer dort zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h, 

beschädigt worden war, entschieden, dass es sich um einen von der Vollkaskoversicherung 

  • nicht abgedeckten Betriebsschaden, 
    • mithin von einem Schaden, der durch normale Abnutzung, durch Material- oder Bedienungsfehler an dem Fahrzeug oder seinen Teilen entsteht, 

gehandelt hat.

Begründet ist dies vom Senat damit worden, dass es entscheidend von 

  • der konkreten Verwendung des Fahrzeugs 

abhängt, ob ein Ereignis, 

  • das die wesentlichen Merkmale eines Unfalls aufweist, 

als Betriebsschaden oder als Unfallschaden anzusehen ist und somit, wenn 

  • ein Fahrzeug bei einem Überfahren einer angelegten Fahrbahnschwelle einen Schaden erleidet und
  • ein Nachweis für das Vorliegen eines Unfalls nicht erbracht werden kann, 

davon auszugehen ist, dass sich lediglich ein Risiko verwirkt hat, dem das Fahrzeug nach seiner Verwendung im gewöhnlichen Fahrbetrieb ausgesetzt ist.

Da bei der versicherungsvertraglichen Abgrenzung zwischen 

  • versichertem „Unfallschaden“ und 
  • nicht versichertem „Betriebsschaden“ 

nach der Auffassung des Senats ein etwaiges Verschulden des Fahrzeugführers nicht zu berücksichtigen ist, war es somit auch ohne Relevanz, 

  • ob dieser wetter- und tageszeitenbedingt die Fahrbahnschwelle erkennen konnte oder
  • ob er zu schnell gefahren ist.

Hinweis:
Diesbezüglich anderer Ansicht ist das Landgericht (LG) München II, das mit Urteil vom 13.01.2017 – 10 O 3458/16 – entschieden hat, dass, sofern eine Bodenschwelle 

  • aufgrund ihrer mangelnden Erkennbarkeit 

mit einem Kraftfahrzeug zu schnell überfahren und dadurch ein Schaden am Fahrzeug entsteht, 

  • ein versicherter Unfallschaden vorliegt und 
  • nicht lediglich ein vom Vollkaskoversicherungsschutz nicht umfasster Betriebsschaden. 

LG Wuppertal entscheidet: Anscheinsbeweis gilt auch bei Verkehrsunfall ohne Berührung

Mit Urteil vom 14.05.2020 – 9 S 201/19 – hat das Landgericht (LG) Wuppertal entschieden, dass bei einem Unfall im Straßenverkehr

  • der Anscheinsbeweis 

auch dann gilt, wenn 

Muss beispielsweise, wie in dem der Entscheidung zugrunde liegendem Fall, ein Fahrzeugführer 

  • in unmittelbarem räumlichen und zeitlichen Zusammenhang 

mit dem 

  • Wendevorgang eines anderen Fahrzeugs, 

diesem, 

  • bevor es sich wieder endgültig in den fließenden Verkehr eingereiht hat oder 
  • verkehrsgerecht am Fahrbahnrand oder 
  • an anderer Stelle abgestellt worden ist,

zur Verhinderung einer Kollision ausweichen und 

  • vermeidet er dadurch die Kollision, 

erleidet er im Rahmen des Ausweichmanövers aber einen anderweitigen Schaden, soll nach Auffassung des LG Wuppertal der 

  • Anscheinsbeweis

für eine volle Schuld des Wendenden sprechen, 

  • d.h. für eine schuldhafte und schadensursächliche Verletzung der Verkehrspflichten des Wendenden aus § 9 Abs. 5 Straßenverkehrs-Ordnung (StVO), 

sofern 

  • dieser keine Umstände beweisen kann, die zur Erschütterung des Anscheinsbeweises geeignet sind.

OLG Köln verurteilt Fahrgast eines Taxis, der beim Öffnen der Fahrzeugtür zum Aussteigen einen Unfall verursacht hat, zum

…. Schadensersatz in vollem Umfang.

Mit Urteil vom 07.11.2019 – 15 U 113/19 – hat das Oberlandesgericht (OLG) Köln in einem Fall, in dem von einem Fahrgast eines Taxis, 

  • nach dem Halt des Taxifahrers am linken Fahrbahnrand in einer Einbahnstraße, 

die rechte hintere Fahrzeugtür zum Aussteigen geöffnet und es dadurch zur Kollision mit einem anderen Fahrzeug 

  • sowie einem Schaden in Höhe von 10.128,96 Euro 

gekommen war, entschieden, dass der Taxifahrgast für den Schaden 

  • in vollem Umfang 

haftet.  

Begründet hat das OLG dies damit, dass, wer ein- oder aussteigt,

  • sich nach § 14 Abs. 1 Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) so verhalten muss, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist,
  • diese Sorgfaltsanforderung für die gesamte Dauer eines Ein- oder Aussteigevorgangs gilt, also für alle Vorgänge, die in einem unmittelbaren zeitlichen und örtlichen Zusammenhang damit stehen, wobei 
    • der Vorgang des Einsteigens erst mit dem Schließen der Fahrzeugtüre, 
    • der Vorgang des Aussteigens erst mit dem Schließen der Fahrzeugtüre und dem Verlassen der Fahrbahn beendet ist.

und gegenüber der von dem Fahrgast 

  • im Hinblick auf das Verkehrsgeschehen 

an den Tag gelegten schwerwiegenden Unaufmerksamkeit beim Aussteigen, 

  • ohne zunächst die Fahrzeugtür vorsichtig nur einen Spalt zu öffnen und einen Blick nach hinten auf den rückwärtigen Verkehr zu werfen, 

ein zu berücksichtigendes schuldhaftes Verhalten des Taxifahrers nicht ersichtlich ist,

  • zumal § 12 Abs. 4 S. 4 StVO in Einbahnstraßen das Halten am linken Straßenrand erlaubt. 

Ausdrücklich hingewiesen hat das OLG darauf, dass Taxifahrer,

  • sofern im Einzelfall keine besonderen Umstände vorliegen, 

grundsätzlich

  • nicht verpflichtet sind 

erwachsene Fahrgäste vor dem Aussteigen zur Vorsicht zu ermahnen, sondern 

  • Erwachsene in erster Linie allein für ihr Verhalten im Straßenverkehr verantwortlich sind.

Übrigens:
Hingewiesen wird auch auf unseren Blog

OLG Frankfurt entscheidet, wann bei einem Suizid auf Bahngleisen die Erben des Suizidenten gegenüber dem Lokführer nicht haften

Mit Urteil vom 24.06.2020 – 16 U 265/19 – hat das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main in einem Fall, in dem sich ein Mann in Suizidabsicht auf Bahngleise begeben, dort von einem Güterzug,

  • dessen Lokführer dies trotz einer sofort eigeleiteten Schnellbremsung nicht hatte vermeiden können,

erfasst sowie tödlich verletzt worden, 

  • der Lokführer aufgrund dessen danach knapp zwei Jahre arbeitsunfähig krankgeschrieben 

und der Erbe des Suizidenten von dem Arbeitgeber des Lokführers auf Ersatz 

  • der an den Lokführer gezahlten Heilbehandlungskosten sowie der fortgezahlten Dienstbezüge in Höhe von insgesamt gut 90.000 Euro

verklagt worden war, die Klage mit der Begründung abgewiesen, dass nach den überzeugenden Feststellungen des angehörten Sachverständigen 

  • der Suizid von dem Suizidenten in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit begangen worden sei, somit

der Suizident dem Lokführer den Schaden nicht schuldhaft zugefügt habe (§ 827 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)) und eine Ersatzpflicht der Beklagten aus Billigkeitsgründen (§ 829 BGB) deswegen nicht bestehe,

  • nachdem die Vermögensverhältnisse des Suizidenten sich nicht besser darstellen als die des Geschädigten. 

Danach haften die Erben eines Suizidenten,

  • der sich von einem Zug überfahren lässt, 

dem Zugführer nach §§ 823, 1922 Abs. 1 BGB für den diesem dadurch entstandenen Schaden dann nicht, wenn   

  • der Suizid von dem Suizidenten in einem die freie Willensentschließung ausschließenden Zustand begangen worden ist

und ist in einem solchen Fall bei der Beurteilung, 

  • ob eine Ersatzpflicht der Erben aus Billigkeitsgründen nach § 829 BGB besteht,

bei der Vergleich der Vermögenslagen des Suizidenten und des geschädigten Zugführers eine freiwillige Haftpflichtversicherung des Suizidenten in dessen Vermögen nicht einzubeziehen, weil, so das OLG,

  • das Risiko, dass der Versicherungsnehmer einen Schaden herbeiführt, für den er nicht verantwortlich ist, grundsätzlich nicht versichert ist und 
  • wenn damit kein Versicherungsschutz besteht, dieser auch keinen Vermögenswert darstellen kann.

Beachte:
Nicht jeder Suizid wird automatisch in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit begangen. 

Andererseits spricht, dass eine Suizidhandlung bewusst und akribisch geplant worden ist, nicht für die Schuldfähigkeit eines Suizidenten. 

Somit bedarf es zur Beantwortung der Frage, 

  • ob ein Suizident für einen durch sein Handeln dem Lokführer zugefügten Schaden verantwortlich gewesen ist oder nicht, 

stets der Einholung eines Sachverständigengutachtens (Quelle: Pressemitteilung des OLG Frankfurt).

Wichtig zu wissen, wenn die Abrechnung eines Verkehrsunfallschadens (fiktiv) auf Grundlage eines Privatgutachtens erfolgt

Rechnet ein Geschädigter, 

  • dessen Fahrzeug bei einem Verkehrsunfall beschädigt wurde, 

die Reparaturkosten auf der Grundlage eines eingeholten Privatgutachtens (fiktiv) ab, 

  • unter Zugrundelegung der von dem Gutachter auf dem allgemeinen regionalen Markt ermittelten üblichen Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt,

muss er sich gemäß § 254 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) 

  • vom Schädiger 

auf eine günstigere Reparaturmöglichkeit in einer 

  • mühelos und ohne Weiteres zugänglichen freien Fachwerkstatt 

verweisen lassen, wenn der Schädiger 

  • darlegt sowie ggf. beweist, dass eine Reparatur in dieser Werkstatt vom Qualitätsstandard her der Reparatur in einer markengebundenen Werkstatt entspricht und 
  • gegebenenfalls vom Geschädigten aufgezeigte Umstände widerlegt, die diesem eine Reparatur außerhalb der markengebundenen Werkstatt unzumutbar machen würden (dazu, wann eine Reparatur in einer freien Fachwerkstatt für den Geschädigten unzumutbar sein kann, vgl. Bundesgerichtshofs (BGH), Urteil vom 07.02.2017 – VI ZR 182/16 –).

Für die Bemessung des Schadensersatzanspruchs des Geschädigten in Geld ist – im Rahmen der Grenzen des Verjährungsrechts – maßgeblich, 

  • materiell-rechtlich der Zeitpunkt der vollständigen Erfüllung,
    • d.h. der Zeitpunkt in dem dem Geschädigten das volle wirtschaftliche Äquivalent für das beschädigte Recht zufließt, 
  • verfahrensrechtlich regelmäßig der Zeitpunkt der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung. 

Das bedeutet, dass 

  • zusätzliche Schäden und 
  • eine Verteuerung der Wiederherstellungskosten 

vor vollständiger Erfüllung, 

  • etwa durch eingetretene Preissteigerungen, die für eine fiktive Reparatur in der (Verweisungs)Werkstatt anfallen würden, 

in der Regel zu Lasten des Schuldners (Schädigers) gehen.

  • Preisveränderungen erst nach vollständiger Erfüllung der Ersatzpflicht, auch wenn sie noch während des gerichtlichen Verfahrens eintreten, spielen dagegen grundsätzlich keine Rolle.

Die genannten Grundsätze finden Anwendung 

  • auch auf die Abrechnung fiktiver Wiederbeschaffungskosten, 

während im Fall der konkreten Schadensabrechnung 

Post muss Kundin wegen verspäteter Zustellung eines von ihr aufgegebenen Briefes 18.000 Euro Schadensersatz zahlen

Weil der Brief einer in Bayern lebenden Frau, den sie an einem Freitag, 

  • damit die Zustellung am Tag darauf (Samstag) erfolgt,  

unter Wahl der Versandmethode 

  • „Expresszustellung mit dem Zusatzservice Samstagszustellung“, für ein erhöhtes Porto von 23,80 Euro,

zur Zustellung an ihren ehemaligen Arbeitgeber in Baden-Württemberg gegeben hatte, 

  • nicht am nächsten Tag (Samstag), sondern 

erst in der Woche darauf, zugestellt worden und 

  • aufgrund dieser verspäteten Zustellung  

die Frau 

  • wegen Fristversäumung 

mit der Geltendmachung von mit dem Brief geforderten Urlaubsabgeltungsansprüchen in Höhe von 18.000 Euro,

  • die ihr gegen ihren ehemaligen Arbeitgeber noch zustanden, 

ausgeschlossen war, muss die Deutsche Post AG der Frau diesen ihr entstandenen Schaden ersetzen.

Das hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Köln mit Beschluss vom 16.04.2020 – 3 U 225/19 – entschieden.

Danach haftet in solchen Fällen,

  • in denen sich aus der vereinbarten „Samstagszustellung“ und dem erhöhten Porto ergibt, 
  • dass es sich bei der Sendung um eine solche handelt, bei der die Einhaltung der Lieferfrist für den Absender von besonderer Bedeutung und Wichtigkeit ist,

 die Deutsche Post AG als Frachtführerin 

  • aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Frachtvertrag 

nach §§ 425, 428 Handelsgesetzbuch (HGB) für den Schaden, der 

  • durch Überschreitung der Lieferfrist 

entsteht (Quelle: Pressemitteilung des OLG Köln).

Was bei einem Unfall zwischen Auto und Elektrokleinstfahrzeug (E-Scooter) Führer und Halter der Fahrzeuge wissen sollten

Bei einem E-Scooter,

  • der über eine Zulassung nach der Elektrokleinstfahrzeuge-Verordnung (eKFV) verfügt,

handelt es sich um ein Elektrokleinstfahrzeug im Sinne von § 1 eKFV,

  • d.h. um ein Kraftfahrzeug mit elektrischem Antrieb und 
  • einer bauartbedingten Höchstgeschwindigkeit von nicht weniger als 6 km/h und nicht mehr als 20 km/h, 

so dass gemäß § 8 Nr. 1 Straßenverkehrsgesetz (StVG) die Vorschrift des § 7 Abs. 1 StVG, 

  • nach der, wenn bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeuges ein Mensch getötet, der Körper oder die Gesundheit eines Menschen verletzt oder eine Sache beschädigt wird, 
  • der Kraftfahrzeughalter, unabhängig von einem Verschulden, dem Verletzten den entstandenen Schaden zu ersetzen hat,

nicht gilt.

Darauf hat die 8. Zivilkammer des Landgerichts (LG) Münster vom 09.03.2020 – 8 O 272/19 – hingewiesen.

Das bedeutet, will nach einem streitigen Unfallhergang 

  • zwischen einem Auto und einem E-Scooter, 

der Eigentümer des Autos den ihm entstandenen Schaden ganz oder zumindest teilweise ersetzt haben, muss er,

  • nachdem für einen bei dem Betrieb eines E-Scooters entstandenen Unfallschaden 
    • weder der Halter des E-Scooters verschuldensunabhängig aus § 7 Abs. 1 StVG,
    • noch der E-Scooter-Fahrer aus § 18 StVG haftet,

gem. § 823 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) nachweisen, dass das Unfallereignis 

  • (zumindest teilweise) auf ein mindestens für den Unfall (mit)ursächliches fahrlässiges Verhalten des E-Scooter-Fahrers 

zurückzuführen ist,

Anders ist dies, wenn der E-Scooter-Fahrer seinen Schaden ersetzt haben möchte. 

Für den 

  • dem E-Scooter-Fahrer

entstandenen Schaden haften

  • der Halter des Autos verschuldensunabhängig aus § 7 Abs. 1 StVG sowie
  • der Fahrer des Autos aus vermutetem Verschulden gemäß § 18 StVG.  

Hinweis:

Dazu, wer wann haftet, wenn es 

  • auf einem gemeinsamen Geh- und Radweg 

zu einer Kollision zwischen 

  • einem Fußgänger und einem Elektrokleinstfahrzeug (Segway) 

kommt, vgl. Oberlandesgericht (OLG) Koblenz, Beschluss vom 16.04.2019 – 12 U 692/18 –.