Tag Sicherung

Kann der Vermieter vom Mieter die Beseitigung eines auf dem Balkon angepflanzten Baumes verlangen?

Das Amtsgericht (AG) München hat mit Urteil vom 01.07.2016 – 461 C 26728/15 – in einem Fall, in dem ein Mieter auf der zur Wohnung gehörenden Loggia einen Ahornbaum gehalten hatte,

  • der von einer Topfpflanze über die Jahre hinweg zum Baum herangewachsen war,
  • eine nach außen deutlich sichtbare Krone gebildet hatte und
  • der, weil sich nach Verrottung des ursprünglichen Holzpflanzgefäßes, Erdreich und Wurzeln nun direkt auf dem Betonboden befanden, vom Mieter mit einer durch Starkdübeln in der Hauswand befestigten Stahlseilkonstruktion gegen Windboen gesichert worden war,

der Klage des Vermieters auf Beseitigung des Baums stattgegeben und den Mieter verurteilt, den Ahornbaum samt Erdreich und Wurzelwerk fachgerecht dauerhaft zu entfernen.

Wie das AG ausgeführt hat, hält sich das Anpflanzen von Bäumen, die mehrere Meter hoch werden und von denen die Gefahr ausgeht, dass sie wegen ungenügender Verwurzelung umstürzen, nicht im Rahmen des vertragsgemäßen Gebrauchs, weil

  • das Halten solcher Bäume in Deutschland auf Balkonen oder Loggien nicht üblich sei und
  • solche Bäume zum Halten auf Balkonen und Loggien auch nicht geeignet seien.

Abgesehen davon, so das AG weiter, stelle eine ohne Erlaubnis des Vermieters angebrachte Stahlsicherung gegen das Umfallen eines Baumes auch einen rechtswidrigen Eingriff in die Sachsubstanz dar.

Hingewiesen hat das AG ferner darauf, dass die Verjährungsfrist für den Beseitigungsanspruch des Vermieters in solchen Fällen erst in dem Zeitpunkt beginnt, in dem der Vermieter von dem unmittelbaren Wachsen des Baumes auf dem Balkon und von der Stahlseilkonstruktion Kenntnis hat oder nur in Folge großer Fahrlässigkeit keine Kenntnis hatte (Quelle: Pressemitteilung des AG München vom 24.02.2017 – 16/17 –).

Was Schiffs- bzw. Yachteigentümer wissen sollten, wenn nach einer Schiffskollision strittig ist, wer für den Schaden haftet

Grundsätzlich trägt auch nach einer Schiffskollision jede Partei für die ihr günstigen Behauptungen die Darlegungs- und Beweislast, so dass, wer Schadensersatzansprüche geltend macht, die von ihm vorgetragenen anspruchsbegründenden Tatsachen hinsichtlich einer Pflichtverletzung des anderen darlegen und ggf. beweisen muss.

Allerdings kann im Bereich der Schifffahrt ein Anscheinsbeweis bestehen

  • für eine fehlende ausreichende Sicherung eines abtreibenden Schiffes und
  • für ein schuldhaftes nautisches Fehlverhalten.

Treibt beispielsweise ein Stilllieger ab,

  • d.h., ein Schiff, das vertäut ist (etwa an Uferanlagen oder Dalben), vor Anker liegt, auf Grund liegt oder im Eis festsitzt,

und richtet dieses Schiff hierbei Schaden an, so besteht zugunsten des Geschädigten ein Anscheinsbeweis dahin, dass es nicht genügend gesichert war.

  • Dies gilt grundsätzlich auch bei stürmischer Wetterlage; Sturmwarnungen sind für eine sichere Befestigung zu berücksichtigen.

Dieser Anscheinsbeweis kann durch Darlegung der ernsthaften, ebenfalls in Betracht kommenden Möglichkeit entkräftet werden,

  • dass das Abtreiben des Stillliegers durch andere Umstände verursacht worden ist.

Dafür reicht indes die bloße Denkmöglichkeit, dass ein Schadensereignis auch durch andere Ursachen ausgelöst worden sein kann, nicht aus, sondern es müssen weitere Umstände hinzukommen und gegebenenfalls bewiesen werden, die einen solchen Geschehensablauf als ernsthafte, ebenfalls in Betracht kommende Möglichkeit nahe legen.
Eine Entkräftung des Anscheinsbeweises ist auch durch den Vollbeweis des Gegenteils, also einer ordnungsgemäßen Befestigung des abgetriebenen Stillliegers, möglich.

Bei einer Kollision eines in Bewegung befindlichen Schiffes

  • mit einem Stilllieger oder
  • mit einem Ankerlieger, d.h. einem Schiff, das vor Anker liegt bzw. einem vor dem Anker schwoienden Schiffes,

spricht ein Anscheinsbeweis dagegen für ein ursächliches Verschulden der Besatzung des in Bewegung befindlichen („anrennenden“) Schiffes.

Dieser Anscheinsbeweis kann durch Darlegung der ernsthaften Möglichkeit entkräftet werden, dass die Kollision durch andere Umstände, etwa das Ankern an unerlaubter Stelle im Fahrwasser oder die nicht rechtzeitige Erkennbarkeit des angefahrenen Schiffes, insbesondere bei Fehlen vorschriftsmäßiger Beleuchtung, verursacht worden ist.

Die vorgenannten Anscheinsbeweise gelten

  • nicht nur für Unfälle auf Binnengewässern,
  • sondern auch für Unfälle auf dem offenen Meer, jedenfalls wenn sich das Abtreiben bzw. die Kollision in Küstennähe ereignet hat.

Darauf hat das Oberlandesgericht (OLG) Nürnberg mit Urteil vom 19.10.2016 – 12 U 2194/14 – hingewiesen.

Wann sind formularmäßige Vertragsklauseln überraschend und werden folglich nicht Vertragsbestandteil?

Eine Regelung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) hat einen überraschenden Inhalt i.S.v. § 305c Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), wenn

  • sie von den Erwartungen des Vertragspartners deutlich abweicht und
  • dieser mit ihr den Umständen nach vernünftigerweise nicht zu rechnen braucht (vgl. Bundesgerichtshof (BGH), Urteile vom 28.05.2014 – VIII ZR 241/13 –; vom 01.10.2014 – VII ZR 344/13 –; vom 09.12.2009 – XII ZR 109/08 –; vom 11.12.2003 – III ZR 118/03 – und vom 26.07.2012 – VII ZR 262/11 –).

Das Wesensmerkmal überraschender Klauseln liegt in dem ihnen innewohnenden Überrumpelungs- oder Übertölpelungseffekt (BGH, Urteile vom 30.09.2009 – IV ZR 47/09 – und vom 18.02.2009 – IV ZR 11/07 –).

  • Generell kommt es dabei nicht auf den Kenntnisstand des einzelnen Vertragspartners, sondern auf die Erkenntnismöglichkeiten des für derartige Verträge in Betracht kommenden Personenkreises an.
  • Beurteilungsmaßstab sind also die Kenntnisse und Erfahrungen des typischerweise an Rechtsgeschäften dieser Art beteiligten Personenkreises.

Darauf hat der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Urteil vom 21.06.2016 – VI ZR 475/15 – hingewiesen und aufgrund dessen eine formularmäßig in einem Vertrag über die Erstellung eines Schadensgutachtens nach einem Verkehrsunfall vereinbarte Abtretungsklausel,

  • wonach der Geschädigte zur Sicherung des Sachverständigenhonorars von seinen Schadensersatzansprüchen aus einem Verkehrsunfall gegen den Fahrer, den Halter und den Haftpflichtversicherer die Ansprüche auf Ersatz der Position Sachverständigenkosten sowie weiter die auf Ersatz von Wertminderung, Nutzungsausfall, Nebenkosten und Reparaturkosten in dieser Reihenfolge und in Höhe des Honoraranspruchs zuzüglich im Vertrag definierter Fremdkosten und Mehrwertsteuer erfüllungshalber an den Sachverständigen abgetreten hatte,
  • wobei der Anspruch auf Ersatz einer nachfolgenden Position nur abgetreten sein sollte, wenn der Anspruch auf Ersatz der zuvor genannten Position nicht ausreicht, um den gesamten Honoraranspruch des Sachverständigen zu decken,

im Sinne von § 305c Abs. 1 BGB als überraschend und demzufolge auch als nicht Vertragsbestandteil geworden erachtet.

Begründet hat der Senat dies damit, dass

  • auf eine formularmäßige Klausel zur Abtretung von Schadensersatzforderungen eines Geschädigen an den Sachverständigen die Regelungen zur Kontrolle Allgemeiner Geschäftsbedingungen in §§ 305 ff. BGB anwendbar sind, weil sich der Geltungsanspruch des Gesetzes auch auf vorformulierte Verträge mit Verfügungscharakter erstreckt und
  • eine so weitgehende Sicherung des Sachverständigenhonorars deutlich von den Erwartungen des Vertragspartners abweicht und von dem rechtlich nicht vorgebildete durchschnittlichen Auftraggeber bei der Beauftragung des Schadensgutachtens auch nicht in Betracht gezogen zu werden braucht.