Tag Testierunfähigkeit

Wichtig zu wissen, wenn Streit darüber besteht, ob der Erblasser bei Testamentserrichtung (noch) testierfähig war

…. sein Testament also wirksam oder unwirksam ist.

Testierunfähige können kein wirksames Testament errichten und testierunfähig ist nach § 2229 Abs. 4 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), wer

  • wegen krankhafter Störung der Geistestätigkeit,
  • wegen Geistesschwäche oder
  • wegen Bewusstseinsstörung

bei der Testamentserrichtung

  • nicht in der Lage ist, die Bedeutung einer von ihm abgegebenen Willenserklärung einzusehen und
  • nach dieser Einsicht zu handeln,
    • dessen Erwägungen und Willensentschlüsse also bei Errichtung des Testaments nicht mehr auf einer dem allgemeinen Verkehrsverständnis entsprechenden Würdigung der Außendinge und der Lebensverhältnisse beruhten,
    • sondern durch krankhaftes Empfinden oder krankhafte Vorstellungen und Gedanken derart beeinflusst wurden, dass sie tatsächlich nicht mehr frei waren, sondern vielmehr von diesen krankhaften Einwirkungen beherrscht worden sind.

Diese Unfreiheit der Erwägungen und der Willensbildungen braucht nicht darin zu Tage zu treten, dass der Erblasser sich keine Vorstellung von der Tatsache der Errichtung eines Testaments und von dessen Inhalt oder von der Tragweite seiner letzten Anordnungen, insbesondere von der Auswirkung auf die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Betroffenen zu machen vermag.
Sie kann sich vielmehr darauf beschränken, die Motive für die Errichtung einer letztwilligen Verfügung entscheidend zu beeinflussen.

  • Testierunfähig ist daher auch derjenige, der nicht in der Lage ist, sich über die für und gegen die letztwillige Verfügung sprechenden Gründe ein klares, von krankhaften Einflüssen nicht gestörtes Urteil zu bilden und nach diesem Urteil frei von Einflüssen etwaiger interessierter Dritter zu handeln.

Dabei geht es nicht darum,

  • den Inhalt letztwilliger Verfügungen auf seine Angemessenheit zu beurteilen,
  • sondern nur darum, ob sie frei von krankheitsbedingten Störungen gefasst werden konnten.

Nach der Konzeption des § 2229 BGB,

  • wonach die Störung der Geistestätigkeit die Ausnahme bildet,

gilt allerdings jedermann, der das 16. Lebensjahr (§ 2229 Abs. 1 BGB) vollendet hat,

  • solange als testierfähig,

bis das Gegenteil zur vollen Überzeugung des Gerichts bewiesen ist, d.h. bewiesen ist,

  • dass der Erblasser bei Errichtung des Testaments testierunfähig war
  • und deshalb nach § 2229 Abs. 4 BGB ein Testament nicht errichten konnte.

Damit ist ein Erblasser also

Die Frage, ob die Voraussetzungen der Testierfähigkeit gegeben sind, ist im wesentlichen tatsächlicher Natur. Sie lässt sich nach ständiger Rechtsprechung in der Regel nur mit Hilfe eines psychiatrischen Sachverständigen beantworten.

  • Beantragt ein in einem Testament eingesetzter Erbe die Erteilung eines Erbscheins und behauptet ein anderer Beteiligter, der daraus Rechte für sich herleiten will, das Testament sei wegen Testierunfähigkeit des Erblassers unwirksam, ist die Hinzuziehung eines Sachverständigen durch das Nachlassgericht dann veranlasst, wenn aufgrund konkreter tatsächlicher Anhaltpunkte Anlass besteht, an der Testierfähigkeit des Erblassers im Zeitpunkt der Testamentserrichtung zu zweifeln (OLG Bamberg, Beschluss vom 18.06.2012 – 6 W 20/12 –).

Anlass an der Testierfähigkeit des Erblassers im Zeitpunkt der Testamentserrichtung zu zweifeln und zu prüfen, ob ein Erblasser infolge krankhafter Wahnvorstellungen testierunfähig war, besteht beispielsweise dann, wenn der Erblasser zu Lebzeiten unter Bestehlungsängsten litt, deshalb Detektive beschäftigte und diese Detektive als seine Erben eingesetzt hat.

Wahnhafte Störungen können in Abgrenzung zu alterstypischen „verbohrten“ Meinungen nämlich dann die freie Willensbildung ausschließen, wenn sie krankhaft sind,

  • also eine „Abkoppelung von Erfahrung, Logik und kulturellen Konsens sowie der Verlust der Kritik und Urteilsfähigkeit“ vorliegt

und zur Testierunfähigkeit führen derartige Wahnvorstellungen, wenn

Beachtet werden muss dabei stets,

  • dass die Feststellungslast für die Testierunfähigkeit eines Erblassers grundsätzlich denjenigen trifft,

der sich auf die darauf beruhende Unwirksamkeit des Testaments beruft (Brandenburgisches OLG, Beschluss vom 20.03.2014 – 3 W 62/13 –).

Wann und ggf. wie kann ein Nottestament errichtet werden

…. und welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, damit ein errichtetes Nottestament wirksam ist?

In ordentlicher Form errichtet werden kann ein Testament

  • entweder zur Niederschrift eines Notars, indem
    • der Erblasser dem Notar seinen letzten Willen erklärt oder
    • ihm offen oder verschlossen eine Schrift, die von ihm nicht unterschrieben sein muss, mit der Erklärung übergibt, dass die Schrift seinen letzten Willen enthält (vgl. § 2232 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)
  • oder durch eine Erklärung, die vom Erblasser
    • eigenhändig geschrieben und
    • unterschrieben sein muss (vgl. § 2247 BGB).

Ausnahmsweise ist unter den in §§ 2249 Abs. 1, 2250 Abs. 1 sowie Abs. 2 BGB genannten Voraussetzungen auch zulässig die Errichtung eines Nottestaments

  • § 2249 Abs. 1 Satz 1 BGB zur Niederschrift des Bürgermeisters der Gemeinde, in der sich der Testierende aufhält, wenn
    • zu besorgen ist, dass der Testierende früher sterben wird, als die Errichtung eines Testaments vor einem Notar möglich ist;
  • gemäß § 2250 Abs. 1 BGB in der durch § 2249 BGB bestimmten Form oder durch mündliche Erklärung vor drei Zeugen, wenn
    • der Testierende sich an einem Orte aufhält, der infolge außerordentlicher Umstände dergestalt abgesperrt ist, dass die Errichtung eines Testaments vor einem Notar nicht möglich oder erheblich erschwert ist;
  • gemäß § 2250 Abs. 2 BGB durch mündliche Erklärung vor drei Zeugen, wenn
    • der Testierende sich in so naher Todesgefahr befindet, dass voraussichtlich weder die Errichtung eines Testaments vor einem Notar noch vor einem Bürgermeister nach § 2249 BGB möglich ist.

Wirksamkeitsvoraussetzung für ein errichtetes Nottestament gemäß § 2250 Abs. 2 BGB

  • durch mündliche Erklärung
  • vor drei Zeugen

ist damit,

  • dass der Testierende sich in so naher Todesgefahr befindet,
  • dass voraussichtlich weder
    • die Errichtung eines Testaments vor einem Notar
    • noch vor einem Bürgermeister nach § 2249 BGB möglich ist.

Der Todesgefahr gleich steht eine jederzeit drohende Testierunfähigkeit, wenn sie voraussichtlich durchgängig bis zum Tode fortdauert.

Die derart nahe Gefahr des Todes bzw. der Testierunfähigkeit muss dabei

  • entweder objektiv vorliegen,
    • wobei eine Todesgefahr objektiv noch nicht vorliegt, wenn der Erblasser wegen einer fortgeschrittenen nicht (mehr) heilbaren Erkrankung nur noch kurze Zeit zu leben hat,
    • sondern erst, wenn von einem klinischen Zustand einer unmittelbar bevorstehenden Endphase des Lebens ausgegangen werden kann, wie beispielsweise beginnenden kleinen Organausfällen, also aufgrund konkreter Umstände der Tod des Erblassers vor dem Eintreffen des Notars zu befürchten ist

oder

  • subjektiv nach Überzeugung aller drei Testamentszeugen bestehen.

Ein nach § 2250 Abs. 2 BGB vor drei Zeugen mündlich errichtetes Nottestament wäre demzufolge dann unwirksam, wenn

  • es keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür gibt, dass sich der Erblasser bei der Testamentserrichtung tatsächlich in Todesgefahr oder in einer Gefahr eintretender Testierunfähigkeit befunden hat

und

  • jedenfalls bei einem der drei Testamentszeugen nicht die subjektive Annahme bestanden hat, dass sich der Erblasser in akuter Todesgefahr befindet.

Darauf hat der 15. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm mit Beschluss vom 10.02.2017 – 15 W 587/15 – hingewiesen.

Übrigens:
Zu den zwingenden Erfordernissen für den Errichtungsakt gehört auch

  • die Aufnahme einer Niederschrift (§ 2250 Abs. 3 Satz 1 BGB),
  • die von den Zeugen unterschrieben werden muss (§ 2250 Abs. 3 Satz 2 i. V. m. § 13 Abs. 3 Satz 1 Beurkundungsgesetz (BeurkG) und § 2249 Abs. 1 S. 5 BGB).

Das Mitwirken von drei und nicht nur von zwei Zeugen ist unerlässlich für die Formwirksamkeit eines Testamentes gemäß § 2250 Abs. 2 BGB.

Sie müssen

  • gemeinsam bei der Erklärung zugegen sein und
  • diese anhören.

Darüber hinaus obliegt Ihnen die Verantwortung dafür, dass der erklärte letzte Wille zutreffend im Sinne des Erblassers schriftlich niedergelegt wird (vgl. hierzu Kammergericht (KG) Berlin, Beschluss vom 29.12.2015 – 6 W 93/15 –).