Tag Transparenzgebot

Wer über seine Kreditkarte gegen Reiserücktrittskosten versichert ist, sollte wissen, wann eine den Versicherungsschutz ausschließende

…. Vorerkrankungsklausel unwirksam ist, mit der Folge, dass der Versicherer sich darauf nicht berufen kann und

  • wegen Erkrankung angefallene Reisestornierungskosten erstatten muss.

Mit Urteil vom 13.05.2019 – 3330/18 (24) – hat das Amtsgericht (AG) Frankfurt am Main entschieden, dass eine in den Versicherungsbedingungen einer Versicherung,

  • bei der Kreditkatenbesitzer über ihre Kreditkarte gegen das Risiko abgesichert sind, eine Reise wegen Krankheit stornieren zu müssen,

enthaltene Klausel, die „Kosten infolge von Vorerkrankungen“ vom Versicherungsschutz ausschließt, dann

  • intransparent und deswegen unwirksam ist (§ 307 Abs. 1 Sätze 1 und 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)), wenn

in den Versicherungsbedingungen der Begriff „Vorerkrankung“ definiert ist, als

  • „ein bereits vorher bekannter medizinischer Zustand, der Ihnen bekannt war, als Sie Ihre C… Card und andere Karten auf Ihr Kartenkonto beantragten bzw. vor der Buchung Ihrer Reise, je nachdem, was am kürzesten zurückliegt, und weswegen Sie,
    • während der letzten 12 Monate einen Krankenhausaufenthalt hatten, Testergebnis erwarten oder auf der Warteliste für eine Operation, Konsultation oder Untersuchung stehen,
    • innerhalb der letzten 3 Monate begonnen haben, Medikamente einzunehmen, oder die Einnahme geändert oder sich in Behandlung begeben haben,
    • alle 12 Monate oder häufig eine medizinische, chirurgische oder psychiatrische Untersuchung benötigen,
    • die Prognose „unheilbar“ und/oder „chronisch“ erhalten haben“.

Dass diese Vorerkrankungsklausel,

  • nicht klar und nicht verständlich ist und

den Anforderungen an das Transparenzgebot,

  • welches verlangt, dass, wenn der Versicherungsschutz durch eine Klausel eingeschränkt wird, dem durchschnittlichen Versicherten deutlich vor Augen geführt werden muss, in welchen Umfang Versicherungsschutz trotz der Klausel noch besteht,

nicht genügt, hat das AG damit begründet,

  • dass der Versicherungsschutz für der versicherten Person bekannte „medizinische Zustände“ insgesamt ausgeschlossen wird,
    • ohne dass, im Gegensatz zu den geläufigen Bezeichnungen „Erkrankung“ bzw. „Befund“, für einen durchschnittlichen Versicherten erkennbar sei, was einen „medizinischen Zustand“ ausmache und
    • ob ein entsprechender Zustand pathologisch, behandlungsbedürftig oder risikobehaftet in Bezug auf den Eintritt des Versicherungsfalls ist,
  • dass ebenfalls nicht klar sei, ob die durch Aufzählungszeichen gegliederten Umschreibungen lediglich Regelbeispiele darstellen oder als abgeschlossener Katalog gelten sollen

und

  • ein Versicherter auch die – nach den ersten drei Aufzählungszeichen der Klausel genannten – Ausschlusszeiträume nicht festlegen könne, da es unklar bleibe, ob diese
    • an den Buchungszeitpunkt anknüpfen oder
    • an den Eintritt des Versicherungsfalls, der seinerseits zeitlich gestreckt durch Krankheit, Arztbesuch und Stornierung ist.

Versicherungsnehmer sollten wissen, dass von Versicherungen verwendete Versicherungsbedingungen auch unwirksam sein können

…. und deshalb im Zweifel immer einen Rechtsanwalt, am besten einen Fachanwalt für Versicherungsrecht zu Rate ziehen.

Auch für die von Versicherungen verwendeten Allgemeinen Versicherungsbedingungen gilt nämlich, dass Klauseln nach § 307 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) unwirksam sind,

  • die den Versicherungsnehmer entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen und
  • sich eine solche unangemessene Benachteiligung auch daraus ergeben kann, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist, d.h. gegen das Transparenzgebot verstößt.

Ein solcher Verstoß gegen das Transparenzgebot liegt

  • nicht nur vor, wenn Klauseln nicht nur in ihrer Formulierung für den durchschnittlichen Vertragspartner unverständlich sind,
  • sondern auch, wenn sie die wirtschaftlichen Nachteile und Belastungen nicht so weit erkennen lassen, wie dies nach den Umständen gefordert werden kann,

weil die Rechte und Pflichten des Vertragspartners von dem Verwender Allgemeiner Versicherungsbedingungen möglichst klar und durchschaubar darzustellen sind.

Das Transparenzgebot verlangt ferner, dass Allgemeine Versicherungsbedingungen dem Versicherungsnehmer bereits im Zeitpunkt des Vertragsschlusses vor Augen führen,

  • in welchem Umfang er Versicherungsschutz erlangt und
  • welche Umstände seinen Versicherungsschutz gefährden,

weil ein potentieller Versicherungsnehmer nur dann die Entscheidung treffen kann,

  • ob er den angebotenen Versicherungsschutz nimmt oder nicht.

Ohne dass eine Klausel ihm dies hinreichend verdeutlicht, braucht der durchschnittliche Versicherungsnehmer nicht mit Lücken im Versicherungsschutz zu rechnen.

  • Bei der Beurteilung, ob Allgemeine Versicherungsbedingungen dem Transparenzgebot entsprechen oder nicht, sind diese so auszulegen, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs versteht.

Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit auch auf seine Interessen an, wobei

  • in erster Linie vom Wortlaut der jeweiligen Klausel auszugehen ist und
  • der mit dem Bedingungswerk verfolgte Zweck und der Sinnzusammenhang der Klauseln zusätzlich zu berücksichtigen sind, soweit sie für den Versicherungsnehmer erkennbar sind.

Darauf hat der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Urteil vom 13.09.2017 – IV ZR 302/16 – hingewiesen und im Fall eines Versicherungsnehmers,

  • der eine, um eine Forderungsausfalldeckung ergänzte private Haftpflichtversicherung abgeschlossen und
  • mit der Versicherung die Geltung der „Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Haftpflichtversicherung“ sowie die „Besonderen Bedingungen und Risikobeschreibungen zur Privathaftpflicht KLASSIK“ vereinbart hatte,

entschieden, dass

  • in der Forderungsausfallversicherung die Klausel „Inhalt und Umfang der versicherten Schadensersatzansprüche richten sich nach dem Deckungsumfang der Privathaftpflichtversicherung dieses Vertrages“ gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB verstößt,
  • soweit durch eine berufliche Tätigkeit des Schädigers verursachte Schäden nicht versichert sein sollen.

Was, wer eine Berufsunfähigkeitsversicherung abgeschlossen hat, wissen sollte

Mit Urteil vom 15.02.2017 – IV ZR 91/16 – hat der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) entschieden, dass die in Verträgen über eine Berufsunfähigkeitsversicherung verwendete Klausel

  • „Als versicherter Beruf im Sinne der Bedingungen gilt die vor Eintritt des Versicherungsfalls zuletzt konkret ausgeübte Tätigkeit mit der Maßgabe, dass sie zu mindestens 90 Prozent als Schreibtischtätigkeit in Büro, Praxis oder Kanzlei ausgeübt wird und im Falle einer BU-Leistungsprüfung die Bemessung der Berufsunfähigkeit ausschließlich auf dieser Basis erfolgt.“

wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) unwirksam ist.

Begründet hat der Senat dies u.a. damit, dass die Berufsunfähigkeitsversicherung für einen Versicherungsnehmer erkennbar das Risiko abdecken soll, das für ihn infolge eines Einnahmeverlusts entsteht, wenn er seinem tatsächlich zuletzt in gesunden Tagen ausgeübten Beruf nicht mehr nachgehen kann (vgl. BGH, Urteil vom 07.12.2016 – IV ZR 434/15 –),

  • im zweiten Halbsatz der obigen Klausel jedoch nicht mehr auf den tatsächlich zuletzt ausgeübten Beruf abgestellt wird, so wie er ohne gesundheitliche Beeinträchtigung ausgestaltet ist,
  • sondern dies dahin eingeschränkt wird, dass das lediglich mit der Maßgabe gilt, dass die Tätigkeit zu mindestens 90 % als Schreibtischtätigkeit in Büro, Praxis oder Kanzlei ausgeübt wird,

damit auf einen fingierten Beruf abgestellt wird, der mit der tatsächlichen Berufstätigkeit des Versicherungsnehmers nichts zu tun haben muss und

  • diese Abweichung vom allgemeinen Verständnis des versicherten Berufs sich einem durchschnittlichen Versicherungsinteressenten nicht hinreichend erschließt,
  • ihm insbesondere nicht mit der erforderlichen Klarheit die Gefahr einer Versicherungslücke verdeutlicht wird, die entsteht, wenn
    • er eine nicht sitzende oder zu weniger als 90 % sitzende Tätigkeit nicht mehr,
    • eine zu mindestens 90 % sitzende Tätigkeit indessen weiter ausüben könnte.