Tag Überqueren

Wer haftet, wenn ein über 10 Jahre altes Kind oder ein noch nicht 18-Jähriger beim Überqueren einer Straße von einem Kraftfahrzeug erfasst wird?

Begehrt in einem solchen Fall wegen der bei dem Unfall erlittenen Verletzungen das über 10 Jahre alte Kind oder der unter 18 Jahre alte Jugendliche von dem Schädiger Schadenersatz und/oder Schmerzensgeld,

  • muss sich das Kind bzw. der Jugendliche nach §§ 828 Abs. 3, 254 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) eine Anspruchskürzung gefallen lassen,
    • wenn das Kind bzw. den Jugendlichen ein unfallursächliches Mitverschulden trifft,
    • es sei denn, das Kind bzw. der Jugendliche hatte bei der Begehung der schädigenden Handlung noch nicht die erforderliche Einsicht.

Nachweisen muss

  • das Mitverschulden der Schädiger, wobei es insoweit auf das Wissen und Können der Altersgruppe ankommt, der das Kind bzw. der Jugendliche angehört (Gruppenfahrlässigkeit) und
  • die fehlende Einsichtsfähigkeit das Kind bzw. der Jugendliche.

Trifft das Kind bzw. den Jugendlichen,

  • beispielsweise weil die Fahrbahn unachtsam unter Verstoß gegen § 25 Abs. 3 S. 1 Straßenverkehrs-Ordnung (StVO), ohne Beachtung des Fahrzeugverkehrs überquert worden ist,

ein unfallursächliches Verschulden, muss,

  • wenn das Kind bzw. der Jugendliche auch die erforderliche Einsichtsfähigkeit im Sinne von § 828 Abs. 3 BGB hatte,

bei der Abwägung, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist, berücksichtigt werden,

  • dass insbesondere bei jüngeren Jugendlichen ein Fehlverhalten im Straßenverkehr weniger schwer wiegt als bei einem Erwachsenen und
  • auf Seiten des Schädigers die Betriebsgefahr des Kraftfahrzeugs durch Verschulden erhöht sein kann, beispielsweise wenn die besonderen Sorgfaltsanforderungen des § 3 Abs. 2 a StVO nicht beachtet worden sind.

Nach § 3 Abs. 2 a StVO hat sich ein Kraftfahrer u.a.

  • gegenüber Kindern,
  • wobei die Grenze bei ca. 14 Jahren liegt und für den Kraftfahrer erkennbar gewesen sein muss, dass der Verletzte dieser Altersgruppe angehört,

durch Verminderung der Fahrgeschwindigkeit und durch Bremsbereitschaft so zu verhalten, dass eine Gefährdung der Kinder ausgeschlossen ist.

Kann allerdings

  • dem Schädiger kein solches und auch kein anderes unfallursächliches Verschulden,
  • sondern nur dem Kind bzw. Jugendlichen ein unfallursächliches Verschulden nachgewiesen werden,

kann hinter dem Verschulden des Kindes bzw. des Jugendlichen unter Umständen auch

  • die einfache Betriebsgefahr des Kraftfahrzeugs des Schädigers zurücktreten, mit der Folge, dass der Kraftfahrzeughalter völlig (auch) von der Gefährdungshaftung aus § 7 Abs. 1 Straßenverkehrsgesetz (StVG) freigestellt wird;
  • in der Regel wird, insbesondere bei jüngeren Jugendlichen, aber die Betriebsgefahr nicht vollständig zurücktreten, also keine vollständige Gefährdungshaftungsfreistellung vorzunehmen sein.

Darauf hat das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart mit Urteil vom 09.03.2017 – 13 U 143/16 – hingewiesen (vgl. hierzu auch Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 18.11.2003 – VI ZR 31/02 –; OLG Karlsruhe, Urteil vom 10.06.2012 – 13 U 42/12 –; OLG Saarbrücken, Urteil vom 24.04.2012 – 4 U 131/11 –; Landgericht (LG) Erfurt, Beschluss vom 25.05.2012 – 2 S 262/11 –; OLG Nürnberg, Urteil vom 14.07.2005 – 13 U 901/05 –; OLG Naumburg, Beschluss vom 09.01.2013 – 10 U 22/12 –; OLG Hamm, Urteil vom 13.07.2009 – 13 U 179/08 –; OLG Celle, Beschluss vom 08.06.2011 – 14 W 13/11 –).

Wer ist schuld wenn nach rechts in andere Straße fahrender PKW mit weiter gerade aus fahrenden Radfahrer kollidiert?

Nach § 9 Abs. 3 Satz 1 und Satz 3 Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) muss, wenn keine Beschilderung vorhanden ist, wer abbiegen will,

  • entgegenkommende Fahrzeuge durchfahren lassen,
  • Schienenfahrzeuge, Fahrräder mit Hilfsmotor und Fahrräder auch dann, wenn sie auf oder neben der Fahrbahn in der gleichen Richtung fahren und
  • auf zu Fuß Gehende besondere Rücksicht nehmen, wenn nötig warten.

Das bedeutet,

  • ist keine Beschilderung vorhanden,

ist ein Fahrzeugführer der eine Fahrbahn verlässt um nach rechts in eine andere Fahrbahn einzubiegen,

  • wartepflichtig gegenüber Radfahrern die dort weiter gerade aus fahren und muss
  • besondere Rücksicht nehmen auf Fußgängern die die Fahrbahn überqueren und wenn nötig warten.

Ist allerdings ein Straßenverlauf so gestaltet, dass bei einer mehrspurigen Straße die rechte Spur erst, ähnlich einer Autobahnausfahrt,

  • in einem Bogen nach rechts weg geführt wird und
  • dann in eine andere im rechten Winkel verlaufende Straße einmündet,

handelt es sich nicht um ein Rechtsabbiegen gemäß § 9 Abs. 3 StVO, so dass Radfahrer,

  • die auf einem einige Meter weiter rechts neben der mehrspurigen Straße verlaufenden Radweg, der an der Einmündung die Straße quert, weiter gerade aus fahren,
  • dort nicht vorfahrtsberechtigt, sondern beim Überqueren der Straße wartepflichtig sind.

Kommt es an einer solchen, nicht beschilderten Örtlichkeit zu einer Kollision zwischen einem PKW und einem Fahrradfahrer, weil dieser die im Verkehr erforderliche Sorgfalt nicht aufgewendet und sich nicht ausreichend davon vergewissert hat, dass die Straße frei ist, trifft den Radfahrer an dem Unfallgeschehen ein Verschulden.

Darauf hat das Amtsgericht (AG) Dortmund mit Urteil vom 06.09.2016 – 425 C 4545/16 – hingewiesen.