Wer ein Mitglied eines Sportvereins mit seinem Pkw zu einer Sportveranstaltung fährt, selbst nicht Mitglied des Vereins und nicht über den Verein versichert ist, hat, wenn er auf der Strecke einen (unverschuldeten) Unfall erleidet, gegen den Verein
- Anspruch auf Ersatz seines materiellen Schadens,
- aber keinen Anspruch auf Schmerzensgeld.
Das hat der 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Celle mit Urteil vom 16.10.2014 – 5 U 16/14 – entschieden.
In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall hatte die Klägerin von dem beklagten Sportverein, bei dem sie nicht Mitglied war, Schadensersatz sowie Schmerzensgeld verlangt, weil sie, als sie ihre Enkelin, Mitglied in dem Verein, mit ihrem Pkw zu einer Kreishallenmeisterschaft fuhr, an der diese teilnehmen sollte, bei winterlichen Verkehrsbedingungen mit dem Auto (unverschuldet) ins Schleudern geraten und im Straßengraben gelandet war, wo sich das Fahrzeug überschlagen hatte.
Nach der Entscheidung des 5. Zivilsenats des OLG Celle hat die Klägerin gegen den Sportverein
- einen Anspruch auf Erstattungen der ihr entstandenen materiellen Schäden als Aufwendungsersatz gem. § 670 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) analog,
- aber keinen Anspruch auf Zahlung eines Schmerzensgeldes.
Dabei könne, wie der Senat ausgeführt hat, dahinstehen, ob die Klägerin (ausdrücklich) von dem Verein beauftragt war, die Spielerin zu den Hallenkreismeisterschaften zu fahren, da jedenfalls die Übernahme der Geschäftsführung dem Interesse (auch) des Vereins entsprochen habe, § 683 BGB.
Denn, wenn Familienangehörigen der Vereinsmitglieder diese zu Sportveranstaltungen, wie hier zur Kreismeisterschaft fahren, nehmen sie nicht ausschließlich Interessen des Vereinsmitgliedes wahr. Vielmehr liege es gerade auch im Interesse des beklagten Vereins, dass seine Mitglieder an Meisterschaften, sonstigen Turnieren oder sportlichen Veranstaltungen teilnehmen und zu der Teilnahme hatte vorliegend der beklagte Verein über die Trainer die Mannschaftsmitglieder, zu der auch die Enkelin der Klägerin gehörte, eingeladen.
Erleidet der Beauftragte (oder der berechtigte Geschäftsführer, § 683 S. 1 BGB) bei Ausführung des Auftrages Schäden, sind ihm diese gem. § 670 BGB analog grundsätzlich zu ersetzen.
Nimmt der Beauftragte ein mit der Ausführung des Auftrages verbundenes Schadensrisiko freiwillig auf sich, wird der entstandene Schaden einem freiwilligen Vermögensopfer gleichgesetzt.
- Das ist der Fall, wenn mit der Ausführung des Auftrages seiner Natur nach oder aufgrund besonderer Umstände eine beiden Beteiligten erkennbare Gefahr auch für die Beauftragung verbunden ist (tätigkeitsspezifisches Risiko).
- Dagegen scheidet nach allgemeiner Meinung ein Anspruch aus, wenn sich nicht ein geschäftstypisches, sondern lediglich das allgemeine Lebensrisiko verwirklicht hat.
Hier hatte sich nach Auffassung des Senats ein auftragsspezifisches Risiko verwirklicht.
Ein Ausschluss des Ersatzanspruches, weil der Schaden bei der Teilnahme am allgemeinen Straßenverkehr entstanden ist, kam im vorliegenden Fall nicht in Betracht, denn das „auftragsspezifische Risiko“ lag gerade in der (allgemeinen) Teilnahme am Straßenverkehr. Diese war nicht etwa nebensächlicher Bestandteil des Auftrages, sondern sein alleiniger Inhalt.
In diesem Fall kam es nach Auffassung des Senates nicht in Betracht, einen Ersatzanspruch des Beauftragten abzulehnen, wenn der Schaden bei der Teilnahme am allgemeinen Straßenverkehr eingetreten ist.
Da der Verein der Klägerin ein (Mit)schulden nicht nachweisen konnte, war der Anspruch der Klägerin auch nicht um einen Mitverursachungs- oder Mitverschuldensanteil zu reduzieren.
Eine Mithaftung von ihr unter dem Gesichtspunkt der Gefährdungshaftung, § 7 Abs. 1 Straßenverkehrsgesetz (StVG), kam nicht in Betracht, weil die Parteien nicht beide Verkehrsteilnehmer waren und die Klägerin dem Verein nicht aus § 7 StVG haftete.
Einen Anspruch auf Schmerzensgeld (§ 253 Abs. 2 BGB) hat die Klägerin nach Ansicht des Senats dagegen nicht.
Denn der Schmerzensgeldanspruch setze voraus, dass der Schuldner dem Gläubiger zum Schadensersatz verpflichtet sei. Der Aufwendungsersatzanspruch der Klägerin nach § 670 BGB sei jedoch mit einem solchen Schadensersatzanspruch nicht gleichzusetzen.
Auch ein Anspruch der Klägerin gegen den Verein wegen Verletzung einer etwaigen Hinweispflicht auf den fehlenden Versicherungsschutz scheide aus. Eine diesbezügliche Pflichtverletzung sei dem Verein nicht vorzuwerfen. Dieser habe auf den Umstand, dass der Versicherungsvertrag, den er abgeschlossen habe, nur Vereinsmitglieder erfasse, in seinem Vereinshandbuch hingewiesen. Der Pflichtenkreis des Vereins würde zu sehr erweitert, wollte man von einem Verein verlangen, vor jeder Teilnahme an einer Meisterschaft, einem Turnier oder einer sonstigen Sportveranstaltung die Teilnehmer darauf hinzuweisen, dass für die Fahrt dorthin nach dem Versicherungsvertrag nur Vereinsmitglieder und „offizielle Helfer“ Versicherungsschutz genießen.
Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der in diesem Fall aufgeworfenen Rechtsfragen und zur Fortbildung des Rechts (insbesondere Aufwendungsersatzanspruch bei „Fahrdiensten“ für Vereinsmitglieder von Nicht-Mitgliedern, und zwar bei „auftragsspezifischer“ Teilnahme am allgemeinen Straßenverkehr, etwaige Minderung des Anspruches wegen Mitverursachung/Mitverschuldens, Anspruch des „Beauftragten“ auf Zahlung von Schmerzensgeld, Hinweispflichten des Vereins auf nicht bestehenden Versicherungsschutz), hat der Senat die Revision gegen seine Entscheidung zugelassen.