Tag Verfolgung

AG München entscheidet, dass polizeiliche Verkehrskontrollen auch erst nach Erreichen eines privaten Parkplatzes

…. durchgeführt und die erforderlichen Maßnahmen zur Verfolgung von dabei entdeckten Ordnungswidrigkeiten oder Straftaten getroffen werden dürfen, sofern nicht

  • für spezielle, besonders eingriffsintensive Ermittlungsmethoden (etwa Telefonüberwachung und dergleichen.) besondere Regelungen über den Umfang der Verwertbarkeit getroffen sind oder
  • besondere gesetzliche Sicherungen, etwa ein Richtervorbehalt, willkürlich umgangen werden sollten.

Mit Urteil vom 07.09.2018 – 953 OWi 421 Js 125161/18 – hat das Amtsgericht (AG) München darauf hingewiesen, dass die Durchführung einer verdachtsunabhängigen allgemeinen Verkehrskontrolle bei einem Autofahrer,

  • auch ohne vorherigen Anhalteversuch,

erst auf einem privaten Parkplatz zulässig ist und dann auch die Ahndung der vorangegangenen Fahrt unter Alkoholeinfluss nicht hindert, wenn

  • die vorausgegangene Fahrt auf öffentlichem Verkehrsgrund stattgefunden hat.

In dem der Entscheidung zugrunde liegendem Fall waren die Polizeibeamten in einem Streifenwagen einem Autofahrer um 01.55 Uhr bis zu seinem Privatparkplatz,

  • der etwas entfernt von der Straße im hinteren Teil eines Grundstücks und über eine längere Einfahrt zu erreichen war,

gefolgt und hatten den Autofahrer,

  • nach einem freiwilligen Vortest mit dem Handalkomaten, der einen Wert von 0,36 mg/l ergab,

zur Polizeiinspektion verbracht, wo mittels geeichtem Dräger Alkotest 9510 DE um 02.22:13 Uhr ein Atemalkoholwert von 0,376 mg/l und um 02.24:48 Uhr ein Atemalkoholwert von 0,393 mg/l festgestellt worden war.

Das AG München hat

  • das Ergebnis dieser Atemalkoholmessung für verwertbar erachtet und

den Autofahrer wegen fahrlässigen Führens eines Kfz mit einer Atemalkoholkonzentration von 0,38 mg/l (ca. 0,75 Promille) zu einer Geldbuße von 500 Euro sowie zu einem einmonatigen Fahrverbot verurteilt.

Danach dürfen,

  • wenn ein Autofahrer zuvor zweifellos am öffentlichen Straßenverkehr teilgenommen hat,

verdachtsunabhängige allgemeine Verkehrskontrollen bei Autofahrern

  • auch erst abseits des öffentlichen Verkehrsgrundes, nachdem die Autofahrer ihr Fahrziel erreicht haben,

durchgeführt werden und besteht für die

  • aufgrund eines dabei gewonnenen Tatverdachts veranlassten Maßnahmen, wie eine Atemalkoholmessung,

grundsätzlich kein Verwertungsverbot (Quelle: Pressemitteilung des AG München vom 10.12.2018).

Was, wer Einsicht in das Grundbuch nehmen möchte, wissen muss

Die Einsicht in das Grundbuch ist nicht schlechthin jedem gestattet.

  • Vielmehr muss gemäß § 12 Abs. 1 Grundbuchordnung (GBO) die Person, die das Grundbuch und die zu ihm gehörenden Grundakten (§ 12 Abs. 3 GBO) einsehen will, ein berechtigtes Interesse an der Einsichtnahme darlegen.

Nur im Umfang des Einsichtsrechts besteht nach § 12 Abs. 2 GBO auch ein Anspruch auf Erteilung von Abschriften.

Ein berechtigtes Interesse im Sinne von § 12 Abs. 1 GBO setzt zwar nicht voraus, dass die Person Inhaberin eines Rechts oder Beteiligte eines konkreten Rechtsverhältnisses ist, aus dem das Interesse an der Einsichtnahme herzuleiten wäre.

  • Vielmehr genügt es, dass die Person ein verständiges, durch die Sachlage gerechtfertigtes Interesse verfolgt.
  • Auch ein rein tatsächliches, insbesondere wirtschaftliches Interesse dieser Person kann genügen.

Notwendig ist, dass die Person sachliche Gründe darlegt, nach denen die Kenntnis vom Grundbuchstand für ihr künftiges Handeln erheblich erscheint.
Dabei kann die Verfolgung unbefugter Zwecke ein Einsichtsrecht ebenso wenig begründen wie Neugier.
Deshalb kommt eine Einsicht auch dann nicht in Betracht, wenn sie von vornherein ungeeignet ist, das vorgetragene Informationsbedürfnis zu befriedigen, weil das Grundbuch schon nach seiner Art und Aufgabe die erwarteten Informationen nicht bereitstellt.

  • Dass die das Einsichtsverlangen stützenden Sachgründe darzulegen sind, bedeutet, dass diese Gründe zu erläutern sind.

Demzufolge genügt weder eine schlagwortartige Bezeichnung angeblicher Gründe noch reichen bloße Behauptungen.

  • Vielmehr ist es erforderlich, durch nachvollziehbares Tatsachenvorbringen einen Sachverhalt glaubhaft zu beschreiben, aus dem sich für das Grundbuchamt die Verfolgung eines berechtigten Interesses erschließt.
  • Aus den Ausführungen des Antragstellers muss sich in nachvollziehbarer Weise ergeben, dass die Beteiligte die Kenntnis vom Grundbuchinhalt zur Verfolgung eigener Interessen benötigt (Oberlandesgericht (OLG) München, Beschluss vom 16.03.2018 – 34 Wx 30/18 –).

OLG Stuttgart entscheidet: Nicht strafbar ist es die Bußgeldbehörde bei der Verfolgung einer Ordnungswidrigkeit bewusst in die Irre zu führen

…. um einen anderen oder sich selbst vor einer Ahndung zu bewahren.

Mit Beschluss vom 07.04.2017 – 1 Ws 42/17 – hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Stuttgart entschieden, dass

  • die Bestimmung einer anderen Person zu einer straflosen Selbstbezichtigung bezüglich einer Ordnungswidrigkeit
  • – ohne Hinzutreten weiterer, eine Tatherrschaft begründender Umstände –

mangels teilnahmefähiger Haupttat

  • als straflose Anstiftung und
  • nicht als falsche Verdächtigung gemäß § 164 Abs. 2 Strafgesetzbuch (StGB) in mittelbarer Täterschaft

zu qualifizieren ist.

Anderer Ansicht war noch der 2. Strafsenat des OLG Stuttgart, der mit Urteil vom 23.07.2015 – 2 Ss 94/15 – die Rechtsauffassung vertreten hat, dass, wenn der Täter einer Ordnungswidrigkeit und eine mit ihm zusammenwirkende, an der Tat unbeteiligte Person die Bußgeldbehörde bewusst in die Irre führen, indem sich die weitere Person selbst zu Unrecht der Täterschaft bezichtigt, dies für den Täter zu einer Strafbarkeit wegen falscher Verdächtigung in mittelbarer Täterschaft und für die weitere Person wegen Beihilfe hierzu führen kann.

Nach der Entscheidung des 1. Strafsenats des OLG Stuttgart vom 07.04.2017 ist dagegen aufgrund derzeitiger Gesetzeslage grundsätzlich

  • weder strafbar, wer, um den Täter einer Verkehrsordnungswidrigkeit vor einer Ahndung zu bewahren, sich selbst zu Unrecht der Täterschaft bezichtigt,
  • noch der Täter einer Ordnungswidrigkeit, der, um einer Ahndung zu entgehen, einen anderen veranlasst, sich zu Unrecht der Täterschaft zu bezichtigen.

Denn, so der 1. Strafsenat, eine wahrheitswidrige Selbstbezichtigung gegenüber der Bußgeldbehörde erfüllt,

  • da es an einer Behauptung „über einen anderen“ fehlt,

weder den objektiv Straftatbestand der falschen Verdächtigung nach § 164 Abs. 2 StGB, noch den Tatbestand des Vortäuschens einer Straftat nach § 145d Abs. 2 Nr. 1 StGB,

  • weil vorgetäuscht wird nicht die Begehung einer angeblichen Straftat (rechtswidrige Tat i.S.d. § 11 Abs. 1 Nr. 5 StGB), sondern lediglich einer Ordnungswidrigkeit,

so dass,

  • nachdem demzufolge der sich zu Unrecht Bezichtigende weder Täter des § 145d Abs. 2 StGB noch des § 164 Abs. 2 StGB sein kann,

mangels strafbarer teilnahmefähiger Haupttat schon aus diesem Grund eine Strafbarkeit des wahren Täters der Ordnungswidrigkeit wegen Anstiftung nicht gegeben ist.

Eine Strafbarkeit des sich zu Unrecht Bezichtigenden wegen (versuchter) Strafvereitelung nach § 258 Abs. 1 (Abs. 4) StGB scheidet übrigens ebenfalls aus, da dieser zwar aus der Motivation heraus handelt, letztlich den wirklichen Täter vor einer Ahndung zu bewahren, dies aber in § 258 Abs. 1 StGB im Bereich einer Ordnungswidrigkeit nicht mit Strafe bedroht ist.

Wer einen anderen grundlos in die Flucht schlägt haftet für Verletzungen, die sich der andere bei der Flucht zuzieht

…. weil dann ein sog. „Herausforderungsfall“ vorliegt.

Darauf hat das Amtsgericht (AG) München mit Urteil vom 22.12.2016 – 173 C 15615/16 – hingewiesen und in einem Fall

  • einen Vermieter verurteilt an einen seiner Mieter 800 Euro Schmerzensgeld zu zahlen,

weil der Vermieter, nachdem es zwischen ihm und dem Mieter wegen des Mietverhältnisses zu Streitigkeiten gekommen war,