OLG Stuttgart entscheidet: Nicht strafbar ist es die Bußgeldbehörde bei der Verfolgung einer Ordnungswidrigkeit bewusst in die Irre zu führen

OLG Stuttgart entscheidet: Nicht strafbar ist es die Bußgeldbehörde bei der Verfolgung einer Ordnungswidrigkeit bewusst in die Irre zu führen

…. um einen anderen oder sich selbst vor einer Ahndung zu bewahren.

Mit Beschluss vom 07.04.2017 – 1 Ws 42/17 – hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Stuttgart entschieden, dass

  • die Bestimmung einer anderen Person zu einer straflosen Selbstbezichtigung bezüglich einer Ordnungswidrigkeit
  • – ohne Hinzutreten weiterer, eine Tatherrschaft begründender Umstände –

mangels teilnahmefähiger Haupttat

  • als straflose Anstiftung und
  • nicht als falsche Verdächtigung gemäß § 164 Abs. 2 Strafgesetzbuch (StGB) in mittelbarer Täterschaft

zu qualifizieren ist.

Anderer Ansicht war noch der 2. Strafsenat des OLG Stuttgart, der mit Urteil vom 23.07.2015 – 2 Ss 94/15 – die Rechtsauffassung vertreten hat, dass, wenn der Täter einer Ordnungswidrigkeit und eine mit ihm zusammenwirkende, an der Tat unbeteiligte Person die Bußgeldbehörde bewusst in die Irre führen, indem sich die weitere Person selbst zu Unrecht der Täterschaft bezichtigt, dies für den Täter zu einer Strafbarkeit wegen falscher Verdächtigung in mittelbarer Täterschaft und für die weitere Person wegen Beihilfe hierzu führen kann.

Nach der Entscheidung des 1. Strafsenats des OLG Stuttgart vom 07.04.2017 ist dagegen aufgrund derzeitiger Gesetzeslage grundsätzlich

  • weder strafbar, wer, um den Täter einer Verkehrsordnungswidrigkeit vor einer Ahndung zu bewahren, sich selbst zu Unrecht der Täterschaft bezichtigt,
  • noch der Täter einer Ordnungswidrigkeit, der, um einer Ahndung zu entgehen, einen anderen veranlasst, sich zu Unrecht der Täterschaft zu bezichtigen.

Denn, so der 1. Strafsenat, eine wahrheitswidrige Selbstbezichtigung gegenüber der Bußgeldbehörde erfüllt,

  • da es an einer Behauptung „über einen anderen“ fehlt,

weder den objektiv Straftatbestand der falschen Verdächtigung nach § 164 Abs. 2 StGB, noch den Tatbestand des Vortäuschens einer Straftat nach § 145d Abs. 2 Nr. 1 StGB,

  • weil vorgetäuscht wird nicht die Begehung einer angeblichen Straftat (rechtswidrige Tat i.S.d. § 11 Abs. 1 Nr. 5 StGB), sondern lediglich einer Ordnungswidrigkeit,

so dass,

  • nachdem demzufolge der sich zu Unrecht Bezichtigende weder Täter des § 145d Abs. 2 StGB noch des § 164 Abs. 2 StGB sein kann,

mangels strafbarer teilnahmefähiger Haupttat schon aus diesem Grund eine Strafbarkeit des wahren Täters der Ordnungswidrigkeit wegen Anstiftung nicht gegeben ist.

Eine Strafbarkeit des sich zu Unrecht Bezichtigenden wegen (versuchter) Strafvereitelung nach § 258 Abs. 1 (Abs. 4) StGB scheidet übrigens ebenfalls aus, da dieser zwar aus der Motivation heraus handelt, letztlich den wirklichen Täter vor einer Ahndung zu bewahren, dies aber in § 258 Abs. 1 StGB im Bereich einer Ordnungswidrigkeit nicht mit Strafe bedroht ist.


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