Tag Verstoß

Was Fahrzeugführer, die wegen starken Drangs zur Verrichtung der Notdurft einen Geschwindigkeitsverstoß

…. begangen haben, wissen sollten.

Mit Beschluss vom 25.02.2019 – (1 B) 53 Ss-OWi 41/19 (45/19) – hat das Brandenburgische Oberlandesgericht (OLG) darauf hingewiesen, dass, wenn ein Autofahrer deswegen,

  • weil er dringend auf die Toilette muss,

die zulässige Höchstgeschwindigkeit überschreitet, ohne weiteres

  • weder davon ausgegangen werden kann,
    • dass die Geschwindigkeitsüberschreitung durch einen Notstand (§ 16 OWiG), der im Ergebnis einen Freispruch zur Folge hätte, gerechtfertigt war,
  • noch davon,
    • dass eine notstandsähnliche Lage vorgelegen hat, die ein Absehen von einem verwirkten Regelfahrverbot rechtfertigt.

Ob in einem solchen Fall

  • ein Notstand oder
  • zumindest eine notstandsähnliche Lage

vorgelegen hat, hängt danach vielmehr ab,

  • zum einen, dass die Angabe des Fahrzeugführers, dass er infolge einer dringenden Notdurft selber zu einer Toilette gelangen wollte, glaubhaft sind

sowie zum anderen auch u.a. davon,

  • wann und wo der Fahrzeugführer die Fahrt angetreten hat, wie lange er bereits unterwegs gewesen war und
  • ob es ihm möglich gewesen wäre,
    • seine Notdurft bereits vor Fahrtantritt oder während der Fahrt zu einem früheren Zeitpunkt zu verrichten bzw.
    • einen Ort zur Verrichtung der Notdurft mit angemessener Geschwindigkeit zu erreichen (vgl. dazu, wannein Absehen von einem verwirkten Regelfahrverbot bei nur noch eingeschränkter Kontinenz oder einer schwache Blase in Betracht kommen kann, auch OLG Hamm, Beschluss vom 10.10.2017 – 4 RBs 326/17 –).

Darf ein elektronischer Taschenrechner ohne Kommunikationsfunktion während der Fahrt vom Kraftfahrzeugführer

…. benutzt werden?

  • Das Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg sagt „ja“, das OLG Hamm sagt „nein“.
  • Jetzt soll der Bundesgerichtshof (BGH) diese Frage entscheiden.

Der 2. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts (OLG) Oldenburg hat mit Beschluss vom 25.06.2018 – 2 Ss (OWi) 175/18 – entschieden, dass, wenn während der Fahrt vom Fahrzeugführer

  • ein Taschenrechner in der Hand gehalten wird,

kein Verstoß gegen § 23 Abs. 1a Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) vorliegt, weil es sich bei einem reinen Taschenrechner nicht um ein der Kommunikation, Information oder Organisation dienendes oder zu dienen bestimmtes elektronisches Gerät handelt, das,

  • wie etwa ein Gerät der Unterhaltungselektronik oder ein Gerät zur Ortsbestimmung, ein Mobil- oder Autotelefon, ein Berührungsbildschirm, ein tragbarer Flachrechner, ein Navigationsgerät, ein Fernseher oder ein Abspielgerät mit Videofunktion oder Audiorecorder,

nach der Neufassung des § 23 StVO derjenige, der ein Fahrzeug führt, nur unter den in Absatz 1a Satz 1 Nummer 1 und 2 genannten Voraussetzungen benutzen darf.

Der 4. Senat für Bußgeldsachen des OLG Hamm ist dagegen der Ansicht, dass

  • ein elektronischer Taschenrechner auch der Information (über das Ergebnis einer durchgeführten Berechnung) dient oder zu dienen bestimmt ist,

und somit ein Autofahrer,

  • der während der Fahrt einen Taschenrechner in der rechten Hand hält und damit eine Berechnung durchführt,

gegen § 23 Abs. 1a StVO verstößt.

Er hat deshalb die Rechtsfrage,

  • ob ein elektronischer Taschenrechner ohne Kommunikationsfunktion unter die elektronischen Geräte i.S.v. § 23 Abs. 1a StVO fällt, die während einer Autofahrt vom Kraftfahrzeugführer nicht benutzt werden dürfen,

mit Beschluss vom 15.08.2019 – III – 4 RBs 191/19 – dem Bundesgerichtshof (BGH) zur Entscheidung vorgelegt.

Wichtig zu wissen für Autofahrer denen vorgeworfen wird, einen Bahnübergang mit Andreaskreuz bei gelben oder

…. roten Lichtzeichen überquert und damit gegen die Wartepflicht nach § 19 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) verstoßen zu haben (= Tatbestandsnummer 119624 der Bußgeldkatalog-Verordnung).

Mit Beschluss vom 31.01.2019 – 3 Ss (OWi) 14/19 – hat der 3. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts (OLG) Celle entschieden, dass

  • ein Verstoß gegen die Wartepflicht an einem Bahnübergang bei gelben oder roten Lichtzeichen nur vorliegt,

wenn der Fahrer

  • bei mittelstarker Bremsung mit einer Bremsverzögerung von 4 m/sec²,
    • also ohne stärkere Abbremsung oder gar Notbremsung,

noch vor dem Andreaskreuz (Zeichen 201 Anlage 2 zu § 41 Abs. 1 StVO)

  • gefahrlos

hätte anhalten können.

Danach gelten bei Ampelanlagen an Bahnübergängen die gleichen Regeln wie an Straßenkreuzungen, so dass

  • Voraussetzung für eine Verurteilung wegen eines Verstoßes gegen das Gebot zum Anhalten ist,

dass einem Autofahrer, nach Feststellung

  • der Entfernung seines Fahrzeugs vom Andreaskreuz zu Beginn des gelben Lichtzeichens,
  • der gefahrenen Geschwindigkeit und
  • im Fall des Vorwurfs eines Rotlichtverstoßes der Dauer des gelben Lichtzeichens

sowie Errechnung hieraus,

  • welchen Weg der Autofahrer innerhalb der Dauer des gelben Lichtzeichens zurückgelegt hat bzw. bei Beachtung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit zurückgelegt haben kann und
  • wie lang sein Anhalteweg gewesen wäre bei Zugrundelegung
    • einer Reaktions- und Bremsansprechzeit von 0,8 Sekunden und
    • der mittleren Bremsverzögerung von 4 m/sec²,

nachgewiesen werden kann, dass er

  • noch vor dem Andreaskreuz zum Stehen hätte kommen können.

Sofern feststeht, dass

  • aufgrund der Entfernung von dem Andreaskreuz zu Beginn des gelben Lichtzeichens

der betroffene Autofahrer

  • bei Einhaltung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit

mit einer mittleren Bremsung vor dem Andreaskreuz hätte zum Stehen kommen können, sind,

  • weil dann bereits die Überschreitung der Höchstgeschwindigkeit die Vorwerfbarkeit des Rot- bzw. Gelblichtverstoßes begründet,

Feststellungen zur tatsächlich gefahren Geschwindigkeit entbehrlich.

Übrigens:
Ein Fahrzeugführer, der bei Beginn des gelben Lichtzeichens

  • bereits den kritischen Punkt überschritten hat,
  • nach dessen Durchfahren sein Anhalteweg über das Andreaskreuz hinausreicht,

darf seine Fahrt über den Bahnübergang hinweg fortsetzen, wobei

  • er diesen zügig zu überqueren hat.

ArbG Gießen entscheidet: Arbeitgeber die zur Entfernung unliebsamer Betriebsratsmitglieder Kündigungsgründe fingieren

…. machen sich entschädigungspflichtig.

Mit Urteil vom 10.05.2019 – 3 Ca 433/17 – hat die 3. Kammer des Arbeitsgerichts (ArbG) Gießen entschieden, dass Betriebsratsmitglieder,

  • wenn Arbeitgeber, um sie loszuwerden, Kündigungsgründe fingieren,

Anspruch auf Entschädigung haben und in einem Fall,

  • in dem ein Arbeitgeber gemeinsam mit seinem Rechtsvertreter ein Strategiekonzept zur Entfernung eines unliebsamen Betriebsratsmitglieds entwickelt hatte,
  • nach dem eingeschleuste Lockspitzel das Betriebsratsmitglied in Verruf bringen sowie Kündigungsgründe provozieren oder erfinden sollte,

den Arbeitgeber und seinen Rechtsvertreter

  • wegen schwerer Persönlichkeitsverletzung(§§ 823 Abs. 1, 830 Abs. 1, 840 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) i.V. m. Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz (GG))

gesamtschuldnerisch zur Zahlung von 20.000 Euro an das Betriebsratsmitglied verurteilt.

In dem der Entscheidung zugrunde liegendem Fall war dem Betriebsratsmitgliedzur Rechtfertigung einer fristlosen Kündigung

  • nicht nur ein Verstoß gegen das betriebliche Alkoholverbot,
  • sondern auch ein Tätlichkeit unterschoben werden, indem
    • das Betriebsratsmitglied von zwei als Lockspitzel eingeschleusten Detektiven durch Beschimpfen und Bespucken zu Tätlichkeiten provoziert werden sollte und
    • als das Betriebsratsmitglied nicht zuschlug, einer der Detektive den anderen verletzte und das Betriebsratsmitglied dieser Tat bezichtigte (Quelle: Pressemitteilung des ArbG Gießen).

OLG Celle entscheidet: Bei einem bloßen Aufnehmen oder in der Hand halten eines elektronischen Geräts

…. während der Fahrt liegt – auch nach der Änderung des § 23 Abs. 1a Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) – noch keine verbotswidrige Nutzung vor.

Mit Beschluss vom 07.02.2019 – 3 Ss (OWi) 8/19 – hat der 3. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts (OLG) Celle darauf hingewiesen, dass Führer eines Fahrzeuges

  • allein durch das Aufnehmen oder Halten eines der Kommunikation, Information oder Organisation dienenden oder zu dienen bestimmten elektronischen Gerätes während der Fahrt,
    • also beispielsweise dadurch, dass sie ein Mobiltelefon lediglich aufnehmen, um es andernorts wieder abzulegen,

noch keine Ordnungswidrigkeit nach §§ 49 Abs. 1 Nr. 22, 23 Abs. 1a Satz 1 StVO begehen, sondern der Bußgeldtatbestand des § 23 Abs. 1a StVO nur bzw. erst erfüllt ist, wenn

  • über das bloße Aufnehmen oder Halten hinaus
  • eine Benutzung des elektronischen Geräts hinzukommt (a.A. OLG Oldenburg, Beschluss vom 25.07.2018 – 2 Ss (OWi) 201/18 – das einen Verstoß bereits dann annimmt, wenn das elektronische Gerät in der Hand gehalten wird).

Dass

  • über das bloße Aufnehmen oder Halten des elektronischen Geräts hinaus

ein Zusammenhang mit der Verwendung einer Bedienfunktion des Geräts bestehen muss, hat der Senat damit begründet, dass nach dem Wortlaut des § 23 Abs. 1a StVO

  • Führer eines Fahrzeugs ein elektronisches Gerät, das der Kommunikation, Information oder Organisation dient oder zu dienen bestimmt ist, „nur benutzen dürfen, wenn (…) hierfür das Gerät weder aufgenommen noch gehalten wird (…)“,

die Vorschrift

  • also regelt, unter welchen Bedingungen die Benutzung eines elektronischen Geräts während der Fahrt erlaubt ist,

und

  • das Aufnehmen oder Halten des Geräts zu diesem Zweck („hierfür“) verbietet.

Für das Bestehen eines Zusammenhangs mit einer Bedienfunktion eines elektronischen Geräts über das Halten hinaus,

  • also für ein Benutzen,

reicht es,

  • worauf der Senat ebenfalls hingewiesen hat,

allerdings schon aus, dass beispielsweise

  • auf das Display eines in der Hand gehaltenen Mobiltelefons geschaut wird,

ohne dass es weiterer Feststellungen bedarf, welche Bedienfunktion (Ablesen der Uhrzeit, Prüfen des Ladezustands u.ä.) der Fahrzeugführer

  • konkret verwendete oder
  • dabei war zu verwenden.

Auch können nach Ansicht des Senats aus der Art und Weise,

  • wie beispielsweise ein Mobiltelefon gehalten wird,

Rückschlüsse auf die Nutzung einer Bedienfunktion und damit auch auf die Verwirklichung des Bußgeldtatbestandes der verbotenen Nutzung elektronischer Geräte gezogen werden.

Autofahrer sollten wissen, dass zum Nachweis eines Geschwindigkeitsverstoßes eine bloße polizeiliche Schätzung

…. ohne weitere tatsächliche Feststellungen,

  • insbesondere zu einem besonderen Fahrverhalten oder
  • dessen Auswirkung auf andere Verkehrsteilnehmer,

in der Regel nicht reicht.

Darauf hat das Amtsgericht (AG) Dortmund mit Urteil vom 06.02.2018 – 729 OWi 379/17 – hingewiesen und im Fall eines Autofahrer,

  • dem vorgeworfen worden war, in einer 30-Zone zu schnell gefahren zu sein und
  • der sich vor Ort gegenüber der Polizei auf Vorhalt dahingehend geäußert hatte, dass es stimme, dass er zu schnell gewesen sei,

entschieden, dass es für

  • den Nachweis einer Geschwindigkeitsüberschreitung und damit

eine Verurteilung wegen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit nicht ausreicht, wenn

  • die von einem Autofahrer gefahrene Geschwindigkeit
    • nicht durch eine Messung festgestellt worden ist,
    • sondern lediglich auf der Schätzung eines Polizeibeamten beruht,
  • der Polizeibeamte weder sagen kann, aus welchen Umständen er auf die gefahrene Geschwindigkeit geschlossen hat, noch Anhaltspunkte wiedergeben kann, die irgend einen Schluss auf die gefahrene Geschwindigkeit erlauben und
  • der Autofahrer sein Geständnis, zu schnell gefahren zu sein, widerruft.

Vielmehr sei, so das AG, falls eine konkrete Geschwindigkeitsfeststellung fehle,

  • auch bei einem Geständnis zunächst vor Ort,

notwendig,

  • entweder ein besonders Fahrverhalten oder
  • ein hierdurch bedingtes Fahrverhalten anderer Verkehrsteilnehmer,

aus dem sich schließen lasse, dass der betroffene Autofahrer zu schnell gewesen ist.

AG Dortmund entscheidet: Nach dem Anfahren an einer Ampel wegen einer Taube auf der Straße stark abzubremsen

…. ist erlaubt und stellt keinen Verstoß gegen § 4 Abs. 1 Satz 2 Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) dar.

Mit Urteil vom 10.07.2018 – 425 C 2383/18 – hat das Amtsgericht (AG) Dortmund entschieden, dass ein Kraftfahrer, der auf ein anderes,

  • vor ihm, nach einer Rotlichtphase an einer Ampel angefahrenes

Fahrzeug auffährt, auch dann allein für den Schaden aufzukommen hat, wenn der Fahrer des vor ihm,

  • nach dem Umschalten von Rot- auf Grünlicht

angefahrenen anderen Fahrzeugs,

  • wenige Meter nach dem Anfahren plötzlich wegen einer Taube auf der Straße stark gebremst hat.

Danach darf

  • in einer Situation, in der, wie nach einem Anfahren, (noch) mit sehr geringer Geschwindigkeit gefahren wird und
  • deswegen keine Personenschäden, sondern lediglich Sachschäden an dem eigenen wie an dem fremden Kraftfahrzeug im Falle eines Auffahrunfalls zu erwarten sind,

zum Schutze auch eines kleines Wirbeltieres stark gebremst werden und kann nicht

  • allein deshalb, weil es bei einer Taube um ein Kleintier handelt,

verlangt werden, das Tier zu überfahren.

Ein nach Begründung eines Scheinwohnsitzes in einem Mitgliedsstaat der EU ausgestellter Führerschein

…. berechtigt auch nach Umtausch in einem anderen Mitgliedsstaat nicht zum Führen von Kraftfahrzeugen im Bundesgebiet.

Mit Urteil vom 05.07.2018 – 3 C 9.17 – hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) entschieden, dass, wenn einem deutschen Staatsangehörigen mit Wohnsitz in Deutschland,

  • nach Begründung eines Scheinwohnsitzes

in einem Mitgliedsstaat der EU (beispielsweise in Tschechien) ein Führerschein ausgestellt worden ist, ein solcher

  • aufgrund ausweislich unbestreitbarer Informationen vom Ausstellungsmitglied herrührender

(Wohnsitz)Mangel auf einen danach in einem anderen Mitgliedsstaat umgetauschten Führerschein fortwirkt, so dass

  • weder der mit dem Wohnsitzmangel behaftete Führerschein zum Führen von Kraftfahrzeugen im Bundesgebiet berechtigt,
  • noch nach einer tatsächlichen Verlegung des Wohnsitzes in einen anderen Mitgliedsstaat (beispielsweise nach Österreich) ein dort erfolgter Umtausch des Führerscheins zu einer Berechtigung zum Führen von Kraftfahrzeugen im Bundesgebiet führt.

Begründet hat das BVerwG dies damit, dass § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr (FeV),

  • der eine Anerkennung von Führerscheinen, die unter Verstoß gegen die zwingende Zuständigkeitsvoraussetzung eines ordentlichen Wohnsitzes ausgestellt worden sind, verhindern soll,

auf die Fälle nachträglich umgetauschter Führerscheine entsprechend anwendbar ist,

  • da andernfalls ein unter offensichtlichem Verstoß gegen die Wohnsitzvoraussetzung von einem Mitgliedsstaat der EU ausgestellter Führerschein über die „Verlängerung“ eines Umtauschs in einem anderen Mitgliedstaat für das Bundesgebiet im Ergebnis doch verbindlich wäre (Quelle: Pressemitteilung des BVerfG vom 05.07.2018).

Verfassungsgerichtshof des Saarlandes stärkt die Verteidigungsrechte von Betroffenen im Bußgeldverfahren

…. gibt der Verfassungsbeschwerde eines wegen eines Rotlichtverstoßes verurteilten Betroffenen statt und verweist die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht zurück.

Mit Beschluss vom 27.04.2018 – Lv 1/18 – hat der Verfassungsgerichtshof (VerfGH) des Saarlandes entschieden, dass ein Betroffener,

  • dem vorgeworfen wird, einen mittels eines automatisch arbeitenden Überwachungs- oder Messgeräts festgestellten Geschwindigkeits- oder Rotlichtverstoß begangen zu haben,

von der Bußgeldbehörde verlangen kann, dass ihm, oder einem von ihm beauftragten Sachverständen in dessen Büro, zur Überprüfung der Plausibilität des Messergebnisses, rechtzeitig vor der gerichtlichen Verhandlung,

  • die, auch die nicht bei den Akten befindlichen Messdaten, in lesbarer Form, zur Verfügung gestellt werden,
  • also der Falldatensatz, die Token-Datei und das Passwort des verwendeten Messgeräts, mittels derer die Falldatei geöffnet/entschlüsselt werden kann, sowie
  • die Statistikdatei, sofern das verwendete Messgerät eine solche automatisch anfertigt,

dass, falls die Verwaltungsbehörde einem solchen Begehren nicht nachkommen und die Daten im amtsgerichtlichen Verfahren noch nicht vorliegen sollten,

  • von dem Betroffenen oder seinem Verteidiger beantragt werden kann, die Hauptverhandlung bis zum Erhalt der Messdaten auszusetzen und für den Fall einer Ablehnung des Aussetzungsantrags gemäß § 238 Abs. 2 Strafprozessordnung (StPO) hierüber einen Beschluss zu fassen,

dass in einem solchen Fall das Amtsgericht

  • dem Aussetzungsantrag stattgeben sowie
  • sicherstellen muss, dass, bevor es ein Urteil spricht, der Betroffene die gewünschten Daten zur Auswertung der Messung erhält

und dass andernfalls der Anspruch des Betroffenen auf

  • ein faires Verfahren und
  • rechtliches Gehör

verletzt ist.

Begründet hat der VerfGH dies u.a. damit,

  • dass ein Betroffener die Richtigkeitsvermutung bei einem sog. standardisierten Messverfahren nur angreifen kann, wenn er konkrete Anhaltspunkte für einen Fehler im Rahmen der Messung vorträgt und
  • es Betroffenen, ohne, dass ihnen von der Bußgeldbehörde die Messdaten, die Grundlage der Messung sind, auch die, die sich nicht bei der gerichtlichen Akte befinden, in lesbarer Form für eine sachverständige Untersuchung zur Verfügung gestellt werden, unmöglich gemacht wird, diese Punkte vorzutragen und eine effektive Verteidigung mit Vortrag von Messfehlern – wenn diese aufgetreten sein sollten – vorzubereiten.

Hinweis:
Bevor Verfassungsbeschwerde erhoben werden kann, muss der Rechtsweg erschöpft sein, d.h. der vorrangig zu stellende Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde bzw. die Rechtsbeschwerde eines verurteilten Betroffenen gegen das amtsgerichtliche Urteil vom Oberlandesgericht als unbegründet sowie die Anhörungsrüge gemäß § 356a StPO zurückgewiesen worden sein.

Ehegatten die einen Ehevertrag geschlossen und darin Gütertrennung vereinbart haben sollten wissen

  • …. dass der Ehevertrag wegen Verstoßes gegen die guten Sitten nichtig sein kann, wenn die Gesamtbetrachtung ergibt, dass eine unangemessene Benachteiligung eines Ehegatten vorliegt und
  • der Ehevertrag dann keine Rechtswirkung entfaltet, (auch) mit der Folge, dass die Ehegatten im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft leben bzw. gelebt haben.

Darauf hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Oldenburg mit Beschluss vom 10.05.2017 – 3 W 21/17 (NL) – hingewiesen und in einem Fall,

  • in dem ein Mann mit seiner 20 Jahre jüngeren künftigen Ehefrau, die damals Auszubildende in seinem Betrieb und hochschwanger war,
  • vor der Hochzeit in einem notariellen Ehevertrag Gütertrennung vereinbart hatte,

den geschlossenen Ehevertrag deswegen für nichtig erachtet, weil

  • aufgrund der Gütertrennung die Ehefrau nicht nur weder Anspruch auf den Zugewinnausgleich noch auf Teilhabe an den Rentenansprüche ihres Mannes gehabt hätte,
  • sondern durch die Regelungen im Vertrag auch der Unterhaltsanspruch der Ehefrau weitgehend eingeschränkt worden wäre

und darüber hinaus sich die Ehefrau bei Abschluss des Vertrages nach Auffassung des Senats in einer Zwangslage befunden hatte,