Tag Vollkasko

Wer sein Auto vollkaskoversichert hat, sollte wissen, was der Nachweis des Versicherungsfalles

…. „Unfall des Fahrzeugs“ in einem Streitfall mit der Versicherung voraussetzt.

Streitet ein Versicherungsnehmer mit der Versicherung, bei der er sein 

  • Auto vollkaskoversichert 

hat, darüber, ob er, 

  • wegen eines vom ihm behaupteten Unfallereignisses, bei dem sein Auto beschädigt wurde, 

Anspruch auf Leistungen aus der Vollkaskoversicherung hat,

  • also ein Unfallereignis vorliegt, für das die Versicherung einstandspflichtig ist, 

muss der Versicherungsnehmer 

  • darlegen und 
  • beweisen,

dass ein versicherter „Unfall des Fahrzeugs“ im Sinne der Versicherungsbedingungen, 

  • d.h. ein unmittelbar von außen plötzlich mit mechanischer Gewalt auf das Fahrzeug einwirkendes Ereignis,

stattgefunden hat.

Gelingt dem Versicherungsnehmer dieser Beweis und wendet der Versicherer ein, dass 

  • kein Versicherungsschutz bestehe, weil 

der Schaden von              

  • dem Versicherungsnehmer oder einem seiner Repräsentanten 

vorsätzlich herbeigeführt bzw. der Unfall nur vorgetäuscht worden sei, trifft den Versicherer hierfür die 

  • Darlegungs- und 
  • Beweislast

in vollem Umfang.

Für den Nachweis eines Unfallereignisses durch den Versicherungsnehmer reicht es,

  • wenn der Sachverhalt im Einzelnen nicht mehr aufklärbar ist,

aus, dass die Schäden am Fahrzeug 

  • nach Art und Beschaffenheit 

nur beruhen können, auf dem vom Versicherungsnehmer 

  • angegebenen Unfallereignis,
  • zu der angegebenen Zeit und 
  • an dem angegebenen Ort.    

Dies gilt,

  • da nicht stets jedes Detail richtig wahrgenommen und ggf. zuverlässig erinnert werden kann, 

auch dann, wenn der Unfallhergang bzw. -ablauf, 

  • so, wie vom Versicherungsnehmer geschildert, 

zumindest im Detail nicht stattgefunden haben kann.

Dagegen ist der behauptete Unfall, 

  • aus dem ein Versicherungsnehmer Ansprüche gegen den Versicherer herleitet,

dann nicht erwiesen, wenn feststeht, dass das Unfallereignis  

  • an der angegebenen Unfallstelle und unter den angegebenen Bedingungen 

nicht stattgefunden haben kann, 

  • sondern nur anderswo und unter anderen Bedingungen. 

Der von dem Versicherungsnehmer angegebene Schaden muss in der Kaskoversicherung nämlich einem 

  • konkret dargestellten Unfall 

wenigstens in etwa zugeordnet werden können.

Darauf hat das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe mit Urteil vom 06.04.2021 – 12 U 333/20 – hingewiesen (so auch OLG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 07.02.2013 – 4 U 16/12 –).

Wer sein Auto vollkaskoversichert (hat) sollte wissen, wann ein Schaden am Fahrzeug durch Unfall versichert ist und wann

…. ein Schaden am Fahrzeug als nicht versicherter „Betriebsschaden“ anzusehen ist.

Ist in den dem Vollkaskoversicherungsvertrag zugrundeliegenden Versicherungsbedingungen bestimmt, dass 

  • „versichert sind 
    • Schäden am Fahrzeug durch Unfall und 
    • als Unfall ein unmittelbar von außen plötzlich mit mechanischer Gewalt auf das Fahrzeug einwirkendes Ereignis gilt“,

sowie 

  • „dass keine Unfallschäden deshalb insbesondere sind, 
    • Schäden am Fahrzeug, die ihre alleinige Ursache in einem Bremsvorgang haben, z. B. Schäden an der Bremsanlage oder an den Reifen,
    • Schäden am Fahrzeug, die ausschließlich aufgrund eines Betriebsvorgangs eintreten, z. B. durch falsches Bedienen, falsches Betanken oder verrutschende Ladung oder durch eine sich während der Fahrt öffnende Motorhaube,
    • Schäden am Fahrzeug, die ihre alleinige Ursache in einer Materialermüdung, Überbeanspruchung oder Abnutzung haben,
    • Schäden zwischen ziehendem und gezogenem Fahrzeug oder Anhänger ohne Einwirkung von außen, z. B. Rangierschäden am Zugfahrzeug durch den Anhänger,
    • Verwindungsschäden und
  • dass vorhersehbare Beschädigungen des Fahrzeugs, die üblicherweise im Rahmen der bestimmungsgemäßen Verwendung des Fahrzeugs entstehen, nicht als Unfallschaden gelten. Beispiel: Schäden an der Ladeoberfläche eines Lkw durch Beladen durch Kies,“

ist für das Vorliegen eines 

  • versicherten Schadens am Fahrzeug durch „Unfall“ 

notwendig, 

  • eine Einwirkung „von außen“, 
  • wobei der Gegenstand, von dem die auf das versicherte Fahrzeug „wirkende mechanische Gewalt“ ausgehen muss, nicht Teil des Fahrzeugs selbst sein darf,

während von einem 

  • vom Versicherungsschutz ausgeschlossen Betriebsschaden am Fahrzeug 

dann auszugehen ist, wenn der Schaden

  • durch Ereignisse und Umstände hervorgerufen worden ist, in denen sich Gefahren verwirklichen, denen das Fahrzeug im Rahmen seiner vorgesehenen konkreten Verwendung üblicherweise ausgesetzt ist, 
  • die also nur eine Auswirkung des normalen Betriebsrisikos sind, das in Kauf genommen wird.

Der Versicherungsnehmer, 

  • der für einen Fahrzeugschaden aus einer abgeschlossenen Vollkaskoversicherung Leistungen begehrt, 

trägt für das Vorliegen eines Unfallschadens im Sinne der Versicherungsbedingungen 

  • die Darlegungs- und 
  • im Streitfall die Beweislast.

Darauf hat der 7. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Stuttgart mit Urteil vom 30.07.2020 – 7 U 57/20 – hingewiesen und in einem Fall, in dem ein vollkaskoversicherter PKW beim Überfahren einer 

  • absichtlich an einem Ortsanfang, quer zu einer asphaltierten Straße, 

angelegten, 

  • für den Fahrzeugführer – nach seiner Behauptung – wetter- und dunkelheitsbedingt nicht erkennbaren,

Fahrbahnschwelle 

  • mit einer Geschwindigkeit von 30 bis 40 km/h, bei einer dort zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h, 

beschädigt worden war, entschieden, dass es sich um einen von der Vollkaskoversicherung 

  • nicht abgedeckten Betriebsschaden, 
    • mithin von einem Schaden, der durch normale Abnutzung, durch Material- oder Bedienungsfehler an dem Fahrzeug oder seinen Teilen entsteht, 

gehandelt hat.

Begründet ist dies vom Senat damit worden, dass es entscheidend von 

  • der konkreten Verwendung des Fahrzeugs 

abhängt, ob ein Ereignis, 

  • das die wesentlichen Merkmale eines Unfalls aufweist, 

als Betriebsschaden oder als Unfallschaden anzusehen ist und somit, wenn 

  • ein Fahrzeug bei einem Überfahren einer angelegten Fahrbahnschwelle einen Schaden erleidet und
  • ein Nachweis für das Vorliegen eines Unfalls nicht erbracht werden kann, 

davon auszugehen ist, dass sich lediglich ein Risiko verwirkt hat, dem das Fahrzeug nach seiner Verwendung im gewöhnlichen Fahrbetrieb ausgesetzt ist.

Da bei der versicherungsvertraglichen Abgrenzung zwischen 

  • versichertem „Unfallschaden“ und 
  • nicht versichertem „Betriebsschaden“ 

nach der Auffassung des Senats ein etwaiges Verschulden des Fahrzeugführers nicht zu berücksichtigen ist, war es somit auch ohne Relevanz, 

  • ob dieser wetter- und tageszeitenbedingt die Fahrbahnschwelle erkennen konnte oder
  • ob er zu schnell gefahren ist.

Hinweis:
Diesbezüglich anderer Ansicht ist das Landgericht (LG) München II, das mit Urteil vom 13.01.2017 – 10 O 3458/16 – entschieden hat, dass, sofern eine Bodenschwelle 

  • aufgrund ihrer mangelnden Erkennbarkeit 

mit einem Kraftfahrzeug zu schnell überfahren und dadurch ein Schaden am Fahrzeug entsteht, 

  • ein versicherter Unfallschaden vorliegt und 
  • nicht lediglich ein vom Vollkaskoversicherungsschutz nicht umfasster Betriebsschaden. 

Wer einen Versicherungsvertrag kündigt, muss wissen, dass die Kündigung den Vertrag auch dann wirksam beendet, wenn

…. die Versicherungsgesellschaft die Kündigung nicht bestätigt.

Mit Beschluss vom 02.09.2019 – 11 U 103/18 – hat der 11. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Braunschweig in einem Fall, in dem eine Versicherungsnehmerin

  • den von ihr abgeschlossenen Kfz-Haftpflicht- und Vollkaskoversicherungsvertrag gekündigt sowie
  • in der Folgezeit keine weiteren Beiträge mehr bezahlt hatte und

von der Versicherung,

  • nachdem ihr Fahrzeug ca. eineinhalb Jahre später bei einem Verkehrsunfall beschädigt worden war,

den Fahrzeugschaden ersetzt haben wollte, darauf hingewiesen, dass ihr,

  • wegen der wirksamen Beendigung des Versicherungsvertrages vor dem Schadensereignis aufgrund ihrer Kündigung,

den Versicherungsschutz verloren hat und ihr deswegen kein Entschädigungsanspruch zusteht.

Denn, so der Senat, die Versicherungsgesellschaft habe gegenüber der Versicherungsnehmerin

  • weder bestätigen müssen, dass sie die Kündigung erhalten habe,
  • noch dass sie diese als wirksam anerkenne

und

  • da die Versicherungsnehmerin den Vertrag gekündigt habe, sei die Versicherungsgesellschaft auch nicht verpflichtet gewesen, die Versicherungsnehmerin auf den fehlenden Versicherungsschutz hinzuweisen.

Vielmehr hätte die Versicherungsnehmerin, so der Senat weiter, bei Zweifeln daran, ob noch Versicherungsschutz besteht oder nicht, selbst bei der Versicherung nachfragen müssen (Quelle: Pressemitteilung des OLG Braunschweig).

Übrigens:
In dem der Entscheidung zugrunde liegendem Fall hat sich die Fahrzeughalterin wegen Fahrens ohne Haftpflichtversicherung strafbar gemacht.

Behauptet der Vollkaskoversicherer, ein Unfall sei von dem Versicherungsnehmer vorsätzlich herbeigeführt worden, um

…. in den Genuss der Versicherungsleistung zu kommen

  • trägt er hierfür die Beweislast,

wobei der Versicherer dieser Beweislast allerdings auch dadurch genügen kann, dass er viele Indizien vorträgt,

  • für die es bei einem echten Unfall keine Erklärung gibt oder
  • die bei einem fingierten Unfall deutlich häufiger auftreten und
  • die bei einer Gesamtwürdigung und der sonstigen Umstände für eine vorsätzliche Herbeiführung des Versicherungsfalles sprechen.

Gelingt dem Vollkaskoversicherer der Beweis,

  • wird er von seiner Leistungspflicht frei,

gelingt der Beweis nicht,

  • bleibt der Vollkaskoversicherer leistungspflichtig.

Darauf hat das Landgericht (LG) Coburg mit Urteil vom 05.06.2018 – 24 O 360/16 – hingewiesen (Quelle: Pressemitteilung des LG Coburg).

Wichtig zu wissen für Autofahrer deren Fahrzeug vollkaskoversichert ist

Wann zahlt die Vollkaskoversicherung wenn beim Überfahren einer Bodenwelle ein Schaden am Fahrzeug entsteht und wann zahlt sie nicht?

Sehen die Versicherungsbedingungen eines vollkaskoversicherten Kraftfahrzeugs vor, dass versichert sind Unfälle des Fahrzeugs und

  • als Unfall ein unmittelbar von außen plötzlich mit mechanischer Gewalt auf das Fahrzeug einwirkendes Ereignis gilt sowie
  • nicht als Unfallschäden insbesondere Schäden aufgrund eines Brems- oder Betriebsvorgangs oder reine Bruchschäden gelten, wozu z. B. Schäden am Fahrzeug durch rutschende Ladung zählen oder durch Abnutzung, Verwindungsschäden, Schäden aufgrund Bedienungsfehler oder Überbeanspruchung des Fahrzeugs,

und entsteht am Fahrzeug dadurch eine Schaden,

  • dass eine quer zur Fahrbahn vorhandene Bodenwelle deshalb zu schnell überfahren wird,
  • weil sie bei der Annäherung aufgrund der örtlichen Verhältnisse sowie der Sichtverhältnisse nicht erkennbar war und mit einer derartigen Bodenschwelle auch nicht gerechnet werden konnte und musste,

handelt es sich

  • um einen Unfallschaden und
  • nicht um einen – nach den Versicherungsbedingungen vom (Vollkasko-)Versicherungsschutz nicht umfassten – Betriebsschaden.

Das hat das Landgericht (LG) München II mit Urteil vom 13.01.2017 – 10 O 3458/16 – entschieden.

Danach liegt in einem solchen Fall ein Unfall im Sinne der Versicherungsbedingungen vor, weil

  • das Überfahren der Bodenwelle ein von außen auf das Fahrzeug einwirkendes Ereignis mit mechanischer Gewalt darstellt und
  • dieses Ereignis für den Fahrer plötzlich (überraschend) ist,

wenn die Bodenwelle nicht erkennbar war und mit einer derartigen Gefahrenquelle nicht gerechnet werden musste (so auch LG Bochum, Urteil vom 29.06.2012 – 4 O 477/11 –).