Tag Vollkaskoversicherung

Was, wer ein fabrikneues Auto geleast und für das Fahrzeug eine Vollkaskoversicherung auf Neuwagenbasis abgeschlossen hat, wissen sollte,

…. wenn der Leasingvertrag vorzeitig, 

  • beispielsweise aufgrund Zerstörung oder Diebstahls des Leasingfahrzeugs, 

beendet wird.   

Mit Urteil vom 09.09.2020 – VIII ZR 389/18 – hat der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) in einem Fall, in dem ein fabrikneues Auto geleast, vom Leasingnehmer für das Leasingfahrzeug, 

  • wie vertraglich vorgesehen, 

eine Vollkaskoversicherung

  • auf, wozu keine Verpflichtung bestand, Neuwagenbasis 

abgeschlossen und der Leasingvertrag,   

  • aufgrund Diebstahls des Leasingfahrzeugs, 

vom Leasinggeber gekündigt worden war, entschieden, dass die

  • den Wiederbeschaffungs- und den Ablösewert übersteigende 

sog. Neuwertspitze der Versicherungsleistung 

  • aus der vom Leasingnehmer auf Neupreisbasis abgeschlossenen und finanzierten Vollkaskoversicherung 

dem Leasingnehmer 

  • und nicht dem Leasinggeber 

zusteht.

Begründet hat der Senat dies u.a. mit der bei einem Leasingvertrag bestehenden Interessenlage, nach der das Interesse, 

  • mit Hilfe der Neuwertentschädigung aufgrund einer vom ihm abgeschlossenen und von ihm finanzierten Kaskoversicherung 

beim Leasingnehmer liegt und nicht beim Leasinggeber, 

  • dessen Interesse dadurch schon in vollem Umfang entsprochen ist, dass er dem Leasingnehmer nach der vorzeitigen Kündigung eines Leasingvertrages den zu seiner vollen Amortisation führenden Ablösewert in Rechnung stellen kann,    

dass die  

  • den Wiederbeschaffungs- und den Ablösewert übersteigende 

sog. Neuwertspitze der Versicherungsleistung für den Leasinggeber ein

  • – im Sacherhaltungsinteresse oder im Sachwert des Fahrzeugs nicht begründeter – 

zusätzlicher Gewinn wäre und sich auch aus § 285 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), 

  • wonach, wenn der Schuldner – hier der Leasingnehmer – infolge eines Umstands, auf Grund dessen er die Leistung nach § 275 Abs. 1 bis 3 BGB nicht zu erbringen braucht, für den geschuldeten Gegenstand einen Ersatz oder einen Ersatzanspruch erlangt, der Gläubiger – hier der Leasinggeber – die Herausgabe des als Ersatz Empfangenen oder Abtretung des Ersatzanspruchs auch dann verlangen kann, wenn der Wert des Erlangten den Wert des Gegenstands übersteigt,

anderes nicht ergibt, nachdem 

  • leasingvertraglich die Rückgabe eines neuwertigen Fahrzeugs an den Leasinggeber nicht geschuldet ist, somit also 

der Leasingnehmer 

  • den Neuwertanteil der Vollkaskoversicherung 

nicht für das geschuldete und gestohlene Leasingfahrzeug erlangt hat.   

In dem der Entscheidung zugrunde liegendem Fall, in dem 

  • der Neuwert des Leasingfahrzeugs 70.437,93 €
  • der Wiederbeschaffungswert im Zeitpunkt des Diebstahls des Leasingfahrzeugs 39.800 € betrug,
  • sich der Ablösewert (d.h. der Betrag, der zur vollen Amortisation des Finanzierungsaufwands des Leasinggebers einschließlich seines kalkulierten Gewinns notwendig ist) auf 50.351,52 € belief und 

der Kaskoversicherer den Versicherungsfall (Diebstahl des Leasingfahrzeugs) auf Neuwagenbasis abgerechnet hatte, sind dem Leasingnehmer vom Senat 

  • 20.086,41 € (= 70.437,93 € – 50.351,52 €) 

aus der Versicherungsleistung zugesprochen worden.

Warum Versicherungsnehmer, die für ihr Auto eine Vollkaskoversicherung abgeschlossen haben, nach einem Verkehrsunfall den

…. dabei an ihrem Fahrzeug entstanden Schaden vorsorglich auch dann gleich ihrer Vollkaskoversicherung melden sollten, wenn

  • sie (zunächst) die berechtigte Erwartung haben, der Unfallgegner werde für den Schaden aufkommen.

Mit Urteil vom 16.01.2020 – 11 U 131/19 – hat der 11. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Braunschweig nämlich darauf hingewiesen, dass ein Versicherungsnehmer, der nach einem Verkehrsunfall den Schaden seiner Vollkaskoversicherung nicht innerhalb der

  • in den Versicherungsbedingungen geregelten und
  • mit dem versicherten Ereignis zu laufen beginnenden

Meldefrist angezeigt hat, leer ausgehen kann, wenn

  • entgegen seiner Erwartung für seinen Schaden der Unfallgegner nicht aufkommen muss und
  • deswegen der Versicherungsnehmer nun seine Vollkaskoversicherung in Anspruch nehmen will.

Denn eine (erst) verspätete Schadensanzeige sei, so der Senat,

  • auch dann, wenn die fristgerechte Schadensanzeige in der berechtigten Erwartung, dass der Unfallgegner für den Schaden aufkommen werde, unterlassen worden ist,

ein Verstoß gegen die Obliegenheiten aus dem Versicherungsvertrag.

Ein Versicherungsnehmer kann im Fall einer verspäteten Schadensmeldung danach seine Vollkaskoversicherung beispielsweise dann nicht mehr in Anspruch nehmen, wenn

  • durch eine verspätete Meldung

die Versicherung den von dem Versicherungsnehmer behaupteten Unfallhergang nicht mehr überprüfen kann (Quelle: Pressemitteilung des OLG Braunschweig).

Wichtig zu wissen für Verkehrsunfallbeteiligte, die, wegen der nur quotalen Haftung des Unfallgegners, ihre Vollkaskoversicherung

…. zur Regulierung des von ihnen selbst zu tragenden Fahrzeugsachschadensteils in Anspruch nehmen.

Mit Urteil vom 19.12.2017 – VI ZR 577/16 – hat der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) darauf hingewiesen, dass ein mit seinem PKW an einem Verkehrsunfall Beteiligter, der,

  • weil er den Unfall teilweise selbst mit verursacht hat und
  • deswegen der an seinem Fahrzeug entstandene Schaden vom Unfallgegner nur quotal übernommen werden muss,

Versicherungsleistungen seiner Vollkaskoversicherung wegen des von ihm selbst zu tragenden Fahrzeugsachschadensteils in Anspruch nimmt, den

  • ihm in einem solchen Fall aufgrund der Prämienerhöhung im Versicherungsbeitrag entstandenen und noch entstehenden

Rückstufungsschaden von dem anderen Unfallbeteiligten

  • in Höhe von dessen Haftungsquote

ersetzt verlangen kann.

Wer muss was darlegen und beweisen, wenn streitig ist, ob die Vollkaskoversicherung den während eines Abschleppvorgangs

…. bei einem Auffahrunfall am abgeschleppten Fahrzeug entstanden Schaden regulieren muss.

Mit Urteil vom 24.03.2017 – 10 U 3749/16 – hat der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) München entschieden, dass, wenn es während eines Abschleppvorgangs mittels eines Abschleppseils zu einem Auffahrunfall zwischen

  • dem haftpflicht- sowie vollkaskoversicherten abgeschleppten PKW sowie
  • dem ziehenden Kraftfahrzeug

kommt, bei dem ein Schaden an dem abgeschleppten PKW entsteht und nach den Versicherungsbedingungen der Haftplicht- und Vollkaskoversicherung versichert sind

  • Unfälle aufgrund eines unmittelbar von außen plötzlich mit mechanischer Gewalt auf das Fahrzeug einwirkendes Ereignis,
  • nicht dagegen entstandene Unfallschäden zwischen ziehendem und gezogenem Fahrzeug ohne Einwirkung von außen,

der Versicherer der Fahrzeug-Vollversicherung beweisen muss, dass

  • die Schäden zwischen ziehendem und gezogenem Fahrzeug „ohne Einwirkung von außen“ entstanden sind,
  • der Unfall also andere Ursachen gehabt hat und somit

ein Unfallschaden vorliegt, bei dem der Versicherungsschutz ausgeschlossen ist.

Allerdings trifft den Versicherungsnehmer für das Vorliegen „einer Einwirkung von außen“ eine sekundäre Darlegungslast,

  • der der Versicherungsnehmer nicht schon dadurch genügt,

dass er beispielsweise (pauschal) behauptet,

  • der Fahrer eines das versicherte Fahrzeug abschleppenden Pkw habe wegen eines auf der eigenen Fahrspur entgegenkommenden Fahrzeugs eine Vollbremsung durchführen müssen,
  • infolge derer es zu einem Auffahren des versicherten Fahrzeugs auf das abschleppende Fahrzeug gekommen sei.

Vielmehr bedarf es in einem derartigen Fall regelmäßig über die eigene Unfalldarstellung des Geschädigten

  • hinausgehender objektiver Anhaltspunkte,
  • die auf die Beteiligung eines fremden Fahrzeugs schließen lassen.

Wichtig zu wissen für die, die mit ihrem Auto eine sog. Touristenfahrt auf dem Nürburgring absolvieren

Verunfallt ein Versicherungsnehmer mit seinem vollkaskoversicherten PKW während eines so genannten „Freien Fahrens“ auf einem abgeschlossenen Kurs,

  • der in Zeiten organisierter Veranstaltungen als „offizielle Rennstrecke“ für ein Rennen dient und
  • auch außerhalb dieser Zeiten nicht für den öffentlichen Verkehr frei zugänglich ist, sondern von dem Betreiber lediglich gemäß der Fahrordnung und den Sicherheitsregeln für Touristenfahren zur Verfügung gestellt wird,

hat der Versicherungsnehmer dann keinen Leistungsanspruch gegen seinen Vollkaskoversicherer, wenn es in den Versicherungsbedingungen unter der Überschrift „Touristenfahrten“ heißt, dass

  • „kein Versicherungsschutz besteht für Touristenfahrten auf offiziellen Rennstrecken.“

Darauf hat der 20. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm mit Beschluss vom 08.03.2017 – 20 U 213/16 – hingewiesen.

Danach ist eine solche Klausel,

  • deren für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer ohne Weiteres erkennbarer Sinn und Zweck es ist,
  • das erhöhte Risiko von Unfällen im Rahmen „freier Fahrten“ auf Rennstrecken auch außerhalb von offiziellen Rennveranstaltungen und ohne dass diese zeitgleich / kumulativ stattfinden müssen, vom Versicherungsschutz auszuschließen,

AGB-rechtlich nicht zu beanstanden.

Auch die eigene in Anspruch genommene Vollkaskoversicherung muss nicht immer zahlen

Will ein Versicherter nach einem Verkehrsunfall die eigene Vollkaskoversicherung in Anspruch nehmen, muss diese nicht zahlen, wenn der Versicherte

  • bei seiner Schadensanzeige objektiv unrichtige Angaben zum Unfallgeschehen gemacht und
  • hierdurch arglistig seine vertraglich vereinbarte Aufklärungsobliegenheit verletzt hat.

Den Versicherungsnehmer treffen im Verhältnis zum Versicherer nämlich verschiedene vertraglich vereinbarte Pflichten, sog. Obliegenheiten.

  • Schon die grob fahrlässige Verletzung dieser Pflichten kann zur Kürzung der Versicherungsleistung führen und
  • im Fall einer vorsätzlichen Verletzung der vertraglichen Pflichten ist der Versicherer vollständig von seiner Leistungsfreiheit befreit.

Darauf hat das Landgericht (LG) Coburg mit Urteil vom 18.11.205 – 12 O 578/14 – hingewiesen und die Klage eines Klägers, der nach einem Verkehrsunfall gegen den Vollkaskoversicherer seines Pkws Ansprüche im fünfstelligen Bereich geltend gemacht hatte, abgewiesen, weil der Kläger

  • um eine für sich günstige Regulierungsentscheidung herbeizuführen
  • in der Schadensmeldung die Frage der beklagten Versicherung nach der Schuld an dem Verkehrsunfall objektiv falsch beantwortet und obwohl an dem Unfall ein Fußgänger überhaupt nicht beteiligt, sondern er aus ungeklärter Ursache von der Mittelspur auf die rechte Fahrspur gewechselt war, angegeben hatte, ein Fußgänger sei in hohem Tempo über die Straße gelaufen und er habe zur Vermeidung einer Kollision sein Fahrzeug reflexartig nach rechts gezogen (Quelle: Pressemitteilung des LG Coburg vom 27.05.2016 – Nr. 14/2016 –).