Tag Wechselmodell

OLG Frankfurt entscheidet: Kindeswille alleine ist nicht ausschlaggebend für eine gerichtliche Umgangsregelungsentscheidung

…. nach der Trennung der Eltern.

Mit Beschluss vom 16.10.2018 – 1 UF 74/18 – hat das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main darauf hingewiesen, dass, wenn,

  • nach der Trennung von miteinander verheirateten Eltern,

das Familiengericht

  • den Aufenthalt des Kindes einem Elternteil zugeordnet hat (Residenzmodell) und
  • von dem anderen Elternteil nachfolgend beantragt wird, ein sog. paritätisches Wechselmodell anzuordnen (wöchentlicher Wechsel der Kinder zwischen den getrennten Eltern),

hierfür auch dann,

  • wenn das Kind sich im Rahmen der Anhörung für das Wechselmodell ausspricht,

triftige, das Kindeswohl nachhaltig berührende Gründe i. S. d. § 1696 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) vorliegen müssen,

  • um, in Abänderung der Entscheidung des Familiengerichts, eine Umgangsregelung im Sinne eines paritätischen Wechselmodells anzuordnen und
  • dabei der Kindeswille nur einen von mehreren Gesichtspunkten bei der Ermittlung des Kindeswohls darstellt.

Zwar muss stets die Verträglichkeit der vom Kind gewünschten Lösung mit seinem Wohl geprüft werden, wobei

  • ein nachdrücklicher und beständig geäußerter Kindeswille, sofern er autonom gebildet wurde,
  • in der Regel ein höheres Gewicht hat als ein schwankender, unentschlossener Wille sowie
  • zunehmendes Alter und Einsichtsfähigkeit Bedeutung erlangen können.

Allerdings zählen zu den Kindeswohlkriterien,

  • an denen sich jede Umgangsentscheidung im Einzelfall auszurichten hat,

neben dem Kindeswillen auch

  • die Erziehungseignung der Eltern,
  • die Bindungen des Kindes an die Eltern,
  • die Bindungstoleranz sowie
  • die Prinzipien der Förderung und der Kontinuität (Quelle: Pressemitteilung des OLG Frankfurt).

Hälftige Betreuung des Kindes durch beide Eltern kann nach der Trennung auf Antrag eines Elternteils angeordnet werden

Das und

  • dass eine solche auf ein paritätisches Wechselmodell gerichtete Umgangsregelung vom Familiengericht auch gegen den Willen des anderen Elternteils angeordnet werden kann,

hat der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Beschluss vom 01.02.2017 – XII ZB 601/15 – entschieden.

Der Entscheidung zugrunde lag ein Fall, in dem die Eltern nach der Scheidung gemeinsam sorgeberechtigt waren und der Vater,

  • weil er sich mit der mit seiner geschiedenen Ehefrau getroffenen Umgangsregelung, nach der ihr Sohn sich überwiegend bei ihr aufhält und ihn an den Wochenenden sowie in den Ferien besucht, nicht mehr begnügen wollte,

beim Familiengericht die Anordnung einer Umgangsregelung in Form eines paritätischen Wechselmodells beantragt hatte,

  • wobei er wollte, dass das Kind im wöchentlichen Turnus abwechselnd von Mutter und Vater zu sich genommen wird.

Wie der Senat festgestellt hat, ist eine gleichmäßige Betreuung des Kindes durch beide Eltern im Sinne eines paritätischen Wechselmodells vom Familiengericht anzuordnen, wenn

  • die geteilte Betreuung durch beide Eltern
  • dem Kindeswohl im konkreten Fall am besten entspricht.

Gewichtige, bei dieser Entscheidung zu berücksichtigende Gesichtspunkte des Kindeswohls sind,

  • die Erziehungseignung der Eltern,
  • die Bindungen des Kindes,
  • die Prinzipien der Förderung und der Kontinuität sowie
  • die Beachtung des Kindeswillens.

Auf Seiten des Kindes wird danach ein Wechselmodell nur in Betracht zu ziehen sein,

  • wenn eine auf sicherer Bindung beruhende tragfähige Beziehung zu beiden Elternteilen besteht,
  • wofür gegebenenfalls auch Bedeutung gewinnen kann, in welchem Umfang beide Elternteile schon zur Zeit des Zusammenlebens in die Betreuung des Kindes eingebunden waren.

Wesentlicher Aspekt ist zudem

  • der vom Kind geäußerte Wille,
  • dem mit steigendem Alter zunehmendes Gewicht beizumessen ist.

Da sich bei der praktischen Verwirklichung der geteilten Betreuung zwischen den Eltern ein erhöhter Abstimmungs- und Kooperationsbedarf ergibt, setzt das ferner geeignete äußere Rahmenbedingungen voraus,

  • so etwa eine gewisse Nähe der elterlichen Haushalte und die Erreichbarkeit von Schule und Betreuungseinrichtungen,
  • aber auch eine entsprechende Kooperations- und Kommunikationsfähigkeit der Eltern.

Dementsprechend sollten beide Eltern hinreichende Erziehungskompetenzen aufweisen und sich bewusst sein, dass eine kontinuierliche und verlässliche Kindererziehung der elterlichen Kooperation und eines Grundkonsenses in wesentlichen Erziehungsfragen bedarf.