Tag Zeuge

Was Fahrzeughalter wissen sollten, wenn sie, nachdem mit ihrem Fahrzeug eine Ordnungswidrigkeit begangen wurde, die

…. Mitwirkung an der Feststellung des Täters (erkennbar) ablehnen.

Mit Beschluss vom 02.02.2020 – 3 M 16/20 – hat der 3. Senat des Oberverwaltungsgerichts (OVG) des Landes Sachsen-Anhalt in einem Fall, in dem ein Fahrzeug 

  • einer Halterin eines größeren Fuhrparks 

mit 34 Stundenkilometern zu viel innerorts geblitzt, der Halterin deswegen ein Zeugenfragebogen 

  • – mit einem Messfoto des Fahrers versehen – 

übersandt und die Unterlagen nicht ausgefüllt und auch nicht zurückgeschickt worden waren, entschieden, dass die 

  • daraufhin direkt von der zuständigen Behörde 

gegen die Fahrzeughalterin,

  • auf der Grundlage § 31a Abs. 1 Satz 1 Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO), 

angeordnete Führung eines Fahrtenbuchs rechtmäßig war.

Danach 

  • ist bei einer unterbliebenen Rücksendung eines dem Fahrzeughalter übersandten Anhörungs- oder Zeugenfragebogens zur Ermittlung des Fahrzeugführers, die zuständige Behörde regelmäßig nicht gehalten, weitere aufwendige und zeitraubende Ermittlungsmaßnahmen einzuleiten und durchzuführen,
  • steht, weil dies die Mitwirkungspflicht eines Fahrzeughalters an der Aufklärung des Sachverhalts nicht entfallen lässt, ein Aussage- oder Zeugnisverweigerungsrecht des Fahrzeughalters in einem Ordnungswidrigkeiten- oder Strafverfahren der Anordnung zur Führung eines Fahrtenbuchs nicht entgegen und

muss somit ein Fahrzeughalter, 

  • der sich in einem Ordnungswidrigkeiten- oder Strafverfahren nicht zur Sache äußert,

mit einer Fahrtenbuchauflage,

  • auch bei einem erst- oder einmaligen Verkehrsverstoß von erheblichem Gewicht,

rechnen.

Wichtig für Patienten, die in einem Krankenhaus behandelt worden sind, wenn sie

…. Namen und Anschriften der sie behandelnden Ärzte wissen möchten.

Mit Urteil vom 14.07.2017 – 26 U 117/16 – hat der 26. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm entschieden, dass Krankenhäuser einem dort behandelten Patienten

  • zwar – gegen Kostenerstattung – ohne weiteres alle Behandlungsunterlagen überlassen,
  • Namen und Anschriften aller Ärzte und Pfleger, die sie während ihres Krankenhausaufenthaltes betreut haben, dagegen nur dann mitteilen müssen, wenn der Patient ein berechtigtes Interesse an diesen Daten nachweist.

Darlegen zum Nachweis eines solchen berechtigen Interesses an den Namen und Anschriften der behandelnden Ärzte muss der Patient, dass

  • diese als Anspruchsgegner in einem Arzthaftungsprozess wegen eines Behandlungs- oder Aufklärungsfehlers oder
  • als Zeugen einer Falschbehandlung

in Betracht kommen könnten (Quelle: Pressemitteilung des OLG Hamm vom 14.08.2017).

Was Zeugen, die aus persönlichen Gründen ein Zeugnisverweigerungsrecht haben, wissen sollten

In einem strafrechtlichen (Ermittlungs-)Verfahren sind nach § 52 Abs. 1 Strafprozessordnung (StPO) zur Verweigerung des Zeugnisses berechtigt,

  • die/der Verlobte der/des Beschuldigten oder die Person, mit der die/der Beschuldigte ein Versprechen eingegangen ist, eine Lebenspartnerschaft zu begründen,
  • der Ehegatte der/des Beschuldigten, auch wenn die Ehe nicht mehr besteht,
  • die Lebenspartnerin der Beschuldigten bzw. der Lebenspartner des Beschuldigten, auch wenn die Lebenspartnerschaft nicht mehr besteht und
  • wer mit der/dem Beschuldigten
    • in gerader Linie verwandt oder verschwägert,
    • in der Seitenlinie bis zum dritten Grad verwandt oder bis zum zweiten Grad verschwägert ist oder war.

Die Vorschrift trägt der besonderen Lage eines Zeugen Rechnung, der als Angehöriger des Beschuldigten der Zwangslage ausgesetzt sein kann, seinen Angehörigen zu belasten oder die Unwahrheit sagen zu müssen. Die Norm soll in erster Linie den Zeugen vor Konflikten schützen, die aus den Besonderheiten der Vernehmungssituation entstehen,

  • insbesondere einerseits durch die Wahrheitspflicht bei der Zeugenvernehmung und
  • andererseits durch die sozialen Pflichten, die aus der persönlichen Bindung gegenüber dem Beschuldigten bzw. Angeklagten erwachsen.

Ein nach § 52 Abs. 1 StPO zeugnisberechtigter Zeuge ist vor jeder Vernehmung über sein Recht zur Verweigerung des Zeugnisses zu belehren (vgl. § 52 Abs. 3 Satz 1 StPO, gegebenenfalls i.V.m. § 163 Abs. 3 Satz 1, wenn die Vernehmung durch die Polizei bzw. i.V.m. § 161a Abs. 1 Satz 2 StPO, wenn die Vernehmung durch die Staatsanwaltschaft erfolgt).

Nach der Belehrung über sein Zeugnisverweigerungsrecht muss der Zeuge entscheiden, ob er von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch macht oder zur Sache aussagt.

Wichtig zu wissen für den nach § 52 Abs. 1 StPO zeugnisberechtigten Zeugen ist, dass, wenn er im Ermittlungsverfahren

  • von der Polizei oder
  • von der Staatsanwaltschaft

vernommen wird und bei dieser Vernehmung von seinem Zeugnisverweigerungsverweigerungsrecht keinen Gebrauch macht, sondern zur Sache aussagt,

  • dass der Inhalt dieser Aussage im Verfahren gegen den Beschuldigten dann nicht verwertbar ist,
  • wenn er in der nachfolgenden Hauptverhandlung von seinem Zeugnisverweigerungsrecht nach § 52 Abs. 1 StPO Gebrauch macht.

Die frühere bei der Polizei oder der Staatsanwaltschaft gemachte Aussage darf dann auch nicht durch eine Vernehmung der Verhörsperson, also des Polizeibeamten bzw. des Staatsanwalts der den Zeugen vernommen hat, in die Hauptverhandlung eingeführt werden.

Anders ist es, wenn der Zeuge

  • von einem Richter

vernommen wird.

Denn Bekundungen, die ein nach § 52 Abs. 1 StPO zeugnisberechtigter Zeuge nach Belehrung über sein Zeugnisverweigerungsrecht

  • vor einem Richter gemacht hat

sind vom Verwertungsverbot ausgenommen,

  • so dass eine frühere bei einer (ermittlungs)richterlichen Vernehmung gemachte Aussage durch Vernehmung des Richters, der den Zeugen vernommen hat, in die Hauptverhandlung eingeführt und bei der Urteilsfindung verwertet werden kann.

Hierauf hingewiesen muss der Zeuge von dem Richter bei der Vernehmung nicht (BGH, Beschluss vom 15.07.2016 – GSSt 1/16 –).

Wer lediglich Zeuge einer tödlichen Schießerei ist steht nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung

Kraft Gesetzes sind nach § 2 Abs. 1 Nr. 13a Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) Personen versichert,

  • die bei Unglücksfällen oder gemeiner Gefahr oder Not
  • Hilfe leisten oder einen anderen aus erheblicher gegenwärtiger Gefahr für seine Gesundheit retten.

Da unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung somit nur eine Hilfeleistung steht, erhalten Personen,

  • die bei Vorfällen wie den obigen nur anwesend sind, ohne aktive Handlungen zugunsten anderer Personen zu entfalten,

auch dann keine Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung, wenn sie infolge der Beobachtung des Vorfalls einen Gesundheitsschaden erleiden.

Darauf hat der 3. Senat des Landessozialgerichts (LSG) Stuttgart mit Urteil vom 26.10.2016 – L 3 U 2102/14 – hingewiesen und in einem Fall, in dem der Kläger,

  • ohne selbst aktiv zugunsten anderer Personen tätig zu werden,

lediglich Zeuge war,

  • wie ein mit einem Messer bewaffneter Mann, der kurz zuvor zwei Frauen in einem Café angegriffen hatte, beim Versuch der Festnahme von der Polizei erschossen worden und
  • bei dem es aufgrund der Beobachtung dieses dramatischen Vorfalls zu einer posttraumatischen Belastungsstörung gekommen war,

entschieden,

Auch ein Zeuge der kein Zeugnisverweigerungsrecht hat muss im Strafprozess nicht jede Frage beantworten

Ein Zeuge ist,

  • auch wenn er kein Zeugnisverweigerungsrecht nach § 52 Strafprozessordnung (StPO) als Angehöriger des Beschuldigten, nach § 53 StPO als Berufsgeheimnisträger oder nach § 53a als deren Berufshelfer hat,

gemäß § 55 Abs. 1 StPO berechtigt die Auskunft auf Fragen zu verweigern, wenn er

  • bei wahrheitsgemäßer Aussage auch Angaben machen müsste,
  • die geeignet wären, einen Tatverdacht gegen ihn oder einen seiner Angehörigen im Sinne des § 52 Abs. 1 StPO zu begründen oder zu verstärken und aufgrund dessen wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit verfolgt zu werden.

Es genügt, wenn über Fragen eine Auskunft gegeben werden müsste, die den Verdacht als Teilstück in einem mosaikartig zusammengesetzten Beweisgebäude mittelbar begründen.

Eine Verfolgungsgefahr besteht zwar im Allgemeinen nicht mehr, wenn ein rechtskräftiges Urteil gegen den Zeugen in derselben Sache vorliegt.
Das gilt aber nicht, wenn zwischen der abgeurteilten Tat und weiteren Straftaten, deretwegen der Zeuge noch verfolgt werden kann, ein so enger Zusammenhang besteht, dass die Beantwortung von Fragen zu der abgeurteilten Tat die Gefahr der Verfolgung wegen anderer Taten mit sich bringt.
Stets kommt es auf die Umstände des Einzelfalls an (vgl. Bundesgerichtshof (BGH), Urteile vom 19.12.2006 – 1 StR 326/06 – und vom 08.06.2016 – 2 StR 539/15 –).

Über sein Recht zur Verweigerung der Auskunft ist der Zeuge vom Gericht zu belehren (§ 55 Abs. 2 StPO).

Die Tatsache, auf die der Zeuge die Verweigerung des Zeugnisses in den Fällen der §§ 52, 53 und 55 StPO stützt, ist auf Verlangen des Gerichts nach § 56 StPO, ggf. durch eine eidliche Versicherung des Zeugen, glaubhaft zu machen.

Gemäß § 68b Abs. 1 StPO kann sich ein Zeuge eines anwaltlichen Beistands bedienen, dem, sofern kein Ausschlussgrund nach § 68b Abs. 1 Sätze 2 und 3 StPO vorliegt, die Anwesenheit während der Vernehmung des Zeugen gestattet ist.