Tag Zeugnisverweigerungsrecht

Was Zeugen, die aus persönlichen Gründen ein Zeugnisverweigerungsrecht haben, wissen sollten

In einem strafrechtlichen (Ermittlungs-)Verfahren sind nach § 52 Abs. 1 Strafprozessordnung (StPO) zur Verweigerung des Zeugnisses berechtigt,

  • die/der Verlobte der/des Beschuldigten oder die Person, mit der die/der Beschuldigte ein Versprechen eingegangen ist, eine Lebenspartnerschaft zu begründen,
  • der Ehegatte der/des Beschuldigten, auch wenn die Ehe nicht mehr besteht,
  • die Lebenspartnerin der Beschuldigten bzw. der Lebenspartner des Beschuldigten, auch wenn die Lebenspartnerschaft nicht mehr besteht und
  • wer mit der/dem Beschuldigten
    • in gerader Linie verwandt oder verschwägert,
    • in der Seitenlinie bis zum dritten Grad verwandt oder bis zum zweiten Grad verschwägert ist oder war.

Die Vorschrift trägt der besonderen Lage eines Zeugen Rechnung, der als Angehöriger des Beschuldigten der Zwangslage ausgesetzt sein kann, seinen Angehörigen zu belasten oder die Unwahrheit sagen zu müssen. Die Norm soll in erster Linie den Zeugen vor Konflikten schützen, die aus den Besonderheiten der Vernehmungssituation entstehen,

  • insbesondere einerseits durch die Wahrheitspflicht bei der Zeugenvernehmung und
  • andererseits durch die sozialen Pflichten, die aus der persönlichen Bindung gegenüber dem Beschuldigten bzw. Angeklagten erwachsen.

Ein nach § 52 Abs. 1 StPO zeugnisberechtigter Zeuge ist vor jeder Vernehmung über sein Recht zur Verweigerung des Zeugnisses zu belehren (vgl. § 52 Abs. 3 Satz 1 StPO, gegebenenfalls i.V.m. § 163 Abs. 3 Satz 1, wenn die Vernehmung durch die Polizei bzw. i.V.m. § 161a Abs. 1 Satz 2 StPO, wenn die Vernehmung durch die Staatsanwaltschaft erfolgt).

Nach der Belehrung über sein Zeugnisverweigerungsrecht muss der Zeuge entscheiden, ob er von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch macht oder zur Sache aussagt.

Wichtig zu wissen für den nach § 52 Abs. 1 StPO zeugnisberechtigten Zeugen ist, dass, wenn er im Ermittlungsverfahren

  • von der Polizei oder
  • von der Staatsanwaltschaft

vernommen wird und bei dieser Vernehmung von seinem Zeugnisverweigerungsverweigerungsrecht keinen Gebrauch macht, sondern zur Sache aussagt,

  • dass der Inhalt dieser Aussage im Verfahren gegen den Beschuldigten dann nicht verwertbar ist,
  • wenn er in der nachfolgenden Hauptverhandlung von seinem Zeugnisverweigerungsrecht nach § 52 Abs. 1 StPO Gebrauch macht.

Die frühere bei der Polizei oder der Staatsanwaltschaft gemachte Aussage darf dann auch nicht durch eine Vernehmung der Verhörsperson, also des Polizeibeamten bzw. des Staatsanwalts der den Zeugen vernommen hat, in die Hauptverhandlung eingeführt werden.

Anders ist es, wenn der Zeuge

  • von einem Richter

vernommen wird.

Denn Bekundungen, die ein nach § 52 Abs. 1 StPO zeugnisberechtigter Zeuge nach Belehrung über sein Zeugnisverweigerungsrecht

  • vor einem Richter gemacht hat

sind vom Verwertungsverbot ausgenommen,

  • so dass eine frühere bei einer (ermittlungs)richterlichen Vernehmung gemachte Aussage durch Vernehmung des Richters, der den Zeugen vernommen hat, in die Hauptverhandlung eingeführt und bei der Urteilsfindung verwertet werden kann.

Hierauf hingewiesen muss der Zeuge von dem Richter bei der Vernehmung nicht (BGH, Beschluss vom 15.07.2016 – GSSt 1/16 –).

Auch ein Zeuge der kein Zeugnisverweigerungsrecht hat muss im Strafprozess nicht jede Frage beantworten

Ein Zeuge ist,

  • auch wenn er kein Zeugnisverweigerungsrecht nach § 52 Strafprozessordnung (StPO) als Angehöriger des Beschuldigten, nach § 53 StPO als Berufsgeheimnisträger oder nach § 53a als deren Berufshelfer hat,

gemäß § 55 Abs. 1 StPO berechtigt die Auskunft auf Fragen zu verweigern, wenn er

  • bei wahrheitsgemäßer Aussage auch Angaben machen müsste,
  • die geeignet wären, einen Tatverdacht gegen ihn oder einen seiner Angehörigen im Sinne des § 52 Abs. 1 StPO zu begründen oder zu verstärken und aufgrund dessen wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit verfolgt zu werden.

Es genügt, wenn über Fragen eine Auskunft gegeben werden müsste, die den Verdacht als Teilstück in einem mosaikartig zusammengesetzten Beweisgebäude mittelbar begründen.

Eine Verfolgungsgefahr besteht zwar im Allgemeinen nicht mehr, wenn ein rechtskräftiges Urteil gegen den Zeugen in derselben Sache vorliegt.
Das gilt aber nicht, wenn zwischen der abgeurteilten Tat und weiteren Straftaten, deretwegen der Zeuge noch verfolgt werden kann, ein so enger Zusammenhang besteht, dass die Beantwortung von Fragen zu der abgeurteilten Tat die Gefahr der Verfolgung wegen anderer Taten mit sich bringt.
Stets kommt es auf die Umstände des Einzelfalls an (vgl. Bundesgerichtshof (BGH), Urteile vom 19.12.2006 – 1 StR 326/06 – und vom 08.06.2016 – 2 StR 539/15 –).

Über sein Recht zur Verweigerung der Auskunft ist der Zeuge vom Gericht zu belehren (§ 55 Abs. 2 StPO).

Die Tatsache, auf die der Zeuge die Verweigerung des Zeugnisses in den Fällen der §§ 52, 53 und 55 StPO stützt, ist auf Verlangen des Gerichts nach § 56 StPO, ggf. durch eine eidliche Versicherung des Zeugen, glaubhaft zu machen.

Gemäß § 68b Abs. 1 StPO kann sich ein Zeuge eines anwaltlichen Beistands bedienen, dem, sofern kein Ausschlussgrund nach § 68b Abs. 1 Sätze 2 und 3 StPO vorliegt, die Anwesenheit während der Vernehmung des Zeugen gestattet ist.

Schützt ein Zeugnisverweigerungsrecht den Fahrzeughalter vor einer Fahrtenbuchauflage?

Das Verwaltungsgericht (VG) Neustadt sagt „nein“ und hat mit Beschluss vom 05.07.2016 – 3 L 519/16.NW – entschieden, dass auch dann, wenn der für die begangene Verkehrsordnungswidrigkeit verantwortliche Fahrzeugführer nicht ermittelt werden kann,

  • weil dem Fahrzeughalter im Ordnungswidrigkeitenverfahren ein Aussage- oder Zeugnisverweigerungsrecht zusteht und
  • er hiervon berechtigterweise Gebrauch macht,

eine Fahrtenbuchauflage für das Tatfahrzeug rechtmäßig ist.

Danach soll der Halter eines Fahrzeugs nicht verlangen können, von einer Fahrtenbuchauflage verschont zu bleiben, wenn er in einem Ordnungswidrigkeitsverfahren ein Zeugnis- oder Aussageverweigerungsrecht geltend gemacht hat.
Denn, so das VG, die Anordnung, ein Fahrtenbuch zu führen,

  • diene der Sicherheit und Ordnung des Straßenverkehrs und
  • stelle eine Maßnahme der vorbeugenden Gefahrenabwehr dar.

Sie solle auf die dem Fahrzeughalter mögliche und zumutbare Mitwirkung bei der Feststellung des Führers des Kraftfahrzeuges hinwirken, mit dem ein Verkehrsverstoß begangen wurde und den Fahrzeughalter zur Erfüllung seiner Aufsichtspflichten anhalten, soweit er andere Fahrer sein Fahrzeug benutzen lässt.
Der Antragsteller müsse es sich daher nach der gesetzgeberischen Entscheidung des § 31a Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO) gefallen lassen, dass mit anderen Mitteln – eben der Fahrtenbuchauflage – in Zukunft sichergestellt werde, dass der Täter einer Ordnungswidrigkeit oder einer Straftat im Straßenverkehr zur Rechenschaft gezogen werden kann.
Ein doppeltes „Recht“, nach einem Verkehrsverstoß

  • einerseits im Ordnungswidrigkeitsverfahren die Aussage zu verweigern und
  • trotz fehlender Mitwirkung bei der Feststellung des Fahrzeugführers auch von einer Fahrtenbuchauflage verschont zu bleiben,

bestehe nicht.
Ein solches „Recht“ würde dem Zweck des § 31a StVZO widersprechen.