Tag Arbeiten

OLG Stuttgart verurteilt Bauunternehmen nach Sturz einer Fußgängerin wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht

…. zu Schadensersatz und Schmerzensgeldzahlung.

Mit Urteil vom 26.11.2020 – 2 U 437/19 – hat das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart in einem Fall, in dem ein mit Tiefbauarbeiten 

  • an einem öffentlichen Gehweg 

betrautes Bauunternehmen den Belag 

  • auf der rechten Seite des Weges auf einer Breite von 65 cm 

entfernt, die Trag- und die Deckschicht des Teerbelages aber nicht schon wieder durchgängig eben aufgebracht hatte und bei Dunkelheit eine 72-jährige Fußgängerin an der, 

  • in ihrer Laufrichtung inmitten des Gehweges aufgrund der noch fehlenden Deckschicht vorhandenen, ungesicherten  

3-5 cm hohen Absatzkante gestürzt war, entschieden, dass das Bauunternehmen, 

  • wegen schuldhafter Verletzung der Verkehrssicherungspflicht,

für die Sturzverletzungen der Fußgängerin haftet und ihr 

  • Schadensersatz sowie 
  • Schmerzensgeld

zahlen muss.

Begründet hat das OLG dies damit, dass eine, inmitten eines Gehweges, 

  • wegen des durch die noch fehlende Deckschicht gegebenen unterschiedlichen Höhenniveaus, 

vorhandene Absatzkante von jedenfalls 3 cm eine für Fußgänger, 

  • insbesondere bei Dunkelheit, 

nicht ohne weiteres erkennbare, 

  • eine Sturzgefahr auslösende 

Gefahrenstelle darstellt, mit der Passanten, 

  • die den Gehweg benutzen, 

auch nicht rechnen müssen und die deshalb, 

  • um andere Personen vor Schäden zu bewahren,

von dem Bauunternehmen,

  • das die Gefahrenlage geschaffen hat,

bis zur Fertigstellung der Erneuerungsarbeiten hätte abgesichert werden müssen, was ohne große Mühe und Kostenaufwand durch 

  • eine geeignete Warnung (etwa eine Sicherheitsbake oder Warnleuchte), 
  • eine zusätzliche Beleuchtung oder 
  • eine Absperrung 

auch möglich und zumutbar gewesen wäre.

Supermarktbetreiber muss Kundin, die nach maschinellen Bodenreinigungsarbeiten gestürzt war, Schmerzensgeld zahlen

Mit Urteil vom 16.07.2020 – 24 O 76/18 – hat das Landgericht (LG) Coburg in einem Fall, in dem eine Kundin zwischen dem Kassenbereich und der Ausgangstür eines Supermarktes, 

  • unmittelbar nachdem dort ein Mitarbeiter des Supermarktes den Boden mit einer Reinigungsmaschine gesäubert hatte, 

auf dem Feuchtigkeitsfilm,

  • der bei Verwendung einer Reinigungsmaschine stets für kurze Zeit zurückbleibt,

ausgerutscht sowie gestürzt war und sich dabei verletzt hatte, der Klage der Kundin gegen den Supermarktbetreiber 

  • auf Zahlung von Schmerzensgeld 

stattgegeben.

Schadensersatzpflichtig,

  • wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht,

hat sich der Supermarktbetreiber danach deswegen gemacht, weil die Rutschgefahr an der Sturzstelle,

  • infolge des bei der maschinellen Bodenreinigung für kurze Zeit zurückbleibenden Feuchtigkeitsfilms

erhöht war, damit die Kundin, 

  • selbst wenn sie die Reinigungsarbeiten wahrgenommen hatte, mangels Kenntnis der Funktionsweise einer Reinigungsmaschine, 

nicht rechnen musste, 

  • zum Schutz der Kunden vor dieser erhöhten Rutschgefahr, 

entweder 

  • der betroffene Bereich hätte gesperrt

oder zumindest

  • Warnschilder hätten aufgestellt werden müssen 

und nach Auffassung des LG das Unterlassen dieser Sicherungsmaßnahmen für den Sturz der Kundin 

  • ursächlich

war (Quelle: Pressemitteilung des LG Coburg).

Was man wissen sollte, wenn man Mitarbeitern einer Firma, von denen man zuhause aufgesucht worden ist, einen Auftrag

…. zur Durchführung von Reparatur- oder Instandhaltungsarbeiten erteilt (hat).

Mit Urteil vom 09.08.2018 – 21 O 175/18 – hat das Landgericht (LG) Coburg darauf hingewiesen, dass, wenn

  • Mitarbeiter einer Firma bei Hauseigentümern erscheinen,
  • dem Hauseigentümer anbieten bestimmte Reparaturarbeiten am oder im Haus vorzunehmen und

vom Hauseigentümer ein entsprechender Auftrag dazu erteilt wird,

  • ein in einem solchen Fall zustande gekommener (Werk)Vertrag vom Hauseigentümer ohne Angabe von Gründen widerrufen werden kann.

Ein solches Widerrufsrecht nach §§ 355, 312b Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) besteht bei Verträgen – mit Ausnahme der unter § 312g Abs. 2 und Abs. 3 BGB aufgeführten – (vgl. hierzu auch Brandenburgisches Oberlandesgericht (OLG), Urteil vom 14.11.2017 – 6 U 12/16 –),

  • die bei gleichzeitiger körperlicher Anwesenheit eines Privatperson (Verbraucher) und des Unternehmers an einem Ort geschlossen werden, der kein Geschäftsraum des Unternehmens ist oder
  • für die unter diesen Umständen der Verbraucher ein Angebot angegeben hat.

Dabei kommt es nicht darauf an,

  • ob der Verbraucher die Firma zu sich bestellt hatte oder
  • ob er im Gespräch „überrumpelt“ wurde.

Die Widerrufsfrist beträgt 14 Tage und wenn der Verbraucher über sein Widerrufsrecht nicht ordnungsgemäß belehrt wurde, sogar 1 Jahr und 14 Tage.

Erklärt werden kann der Widerruf, sofern

  • es sich nicht um dringliche Reparatur- oder Instandhaltungsarbeiten gehandelt hat,
  • die auf ausdrücklichen Wunsch des Verbrauchers durchgeführt wurden,

auch noch nach bereits vom Unternehmer durchgeführten Arbeiten, weil

  • es dann dem Unternehmer zuzumuten ist, zunächst das Ende der Widerrufsfrist abzuwarten und erst dann mit seinen Arbeiten zu beginnen.

Ist ein Vertrag vom Verbraucher wirksam widerrufen worden, schuldet der Verbraucher

  • keinen Lohn und
  • für Arbeiten, die er nicht ausdrücklich vor Ablauf der Widerrufsfrist verlangt hatte, auch keinen Wertersatz.

BGH entscheidet: Grundstückseigentümer haftet, wenn ein von ihm beauftragter Handwerker einen auf das Nachbarhaus übergreifenden Brand verursacht

Mit Urteil vom 09.02.2018 – V ZR 311/16 – hat der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) entschieden, dass, wenn einem Grundstückseigentümer ein Schaden infolge von Arbeiten entsteht,

  • die der Grundstücksnachbar auf seinem Grundstück ausführen lässt,
  • beispielsweise dadurch, dass ein infolge von Arbeiten am Nachbargrundstück entstandener Brand auf sein Grundstück übergreift,

ihm gegen den Grundstücksnachbarn,

  • auch wenn dieser die die Arbeiten ausführenden Handwerker sorgfältig ausgesucht hat,

ein verschuldensunabhängiger nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch in entsprechender Anwendung von § 906 Abs. 2 Satz 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zusteht.

Ein solcher nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch ist, wie der Senat ausgeführt hat, immer dann gegeben, wenn

  • von einem Grundstück im Rahmen privatwirtschaftlicher Benutzung rechtswidrige Einwirkungen auf ein anderes Grundstück ausgehen,
  • die der Eigentümer oder Besitzer des betroffenen Grundstücks nicht dulden muss, aus besonderen Gründen jedoch nicht unterbinden kann,

sofern

  • der Eigentümer oder Besitzer des betroffenen Grundstücks hierdurch Nachteile erleidet, die das zumutbare Maß einer entschädigungslos hinzunehmenden Beeinträchtigung übersteigen und
  • die Störung dem Verantwortungsbereich des Nachbarn zuzurechnen ist (vgl. § 1004 Abs. 1 BGB), wie das etwa auch der Fall ist, wenn
    • ein Haus infolge eines technischen Defekts seiner elektrischen Geräte oder Leitungen in Brand gerät oder
    • Wasser infolge eines Rohrbruchs auf das andere Grundstück gelangt (Quelle: Pressemitteilung des BGH vom 09.02.2018 – Nr. 28/2018 -).

Nicht immer müssen Wohnungsmieter geplante Modernisierungsmaßnahmen dulden

Soll Mieter wegen der vorzunehmenden Arbeiten aus der Wohnung ausziehen kann dieser Umstand der Duldungspflicht entgegenstehen.

Plant ein Vermieter umfassende Modernisierungs- und Instandsetzungsmaßnahmen mit einer Bauzeit von zwölf Monaten muss ein Mieter diese dann nicht dulden, wenn er

  • aufgrund des Umfangs der in Aussicht genommenen Arbeiten
  • monatelang nicht in seiner Wohnung verbleiben kann.

Darauf hat die 65. Zivilkammer des Landgerichts (LG) Berlin mit Urteil vom 17.02.2016 – 65 S 301/15 – in einem Fall hingewiesen, in dem ein Vermieter den Mieter einer großen Wohnung mit ca. 166 m² auf Duldung von umfangreichen Arbeiten in Anspruch nehmen wollte.

Zwar ist, wie die Kammer ausgeführt hat, ein Wohnungsmieter nach §§ 555b, 555c, 555d Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)) grundsätzlich verpflichtet, vom Vermieter rechtzeitig angekündigte Modernisierungsmaßnahmen zu dulden.

Wird vom Mieter allerdings wegen der vorzunehmenden Arbeiten

  • nicht nur die Räumung einzelner Zimmer für einen Zeitraum von einigen wenigen Wochen verlangt,
  • sondern das Verlassen seiner gesamten Wohnung für mehrere Monate,

kann dies für den Mieter eine auch unter Würdigung der in § 555d Abs. 2 BGB genannten Interessen und Belange nicht zu rechtfertigende Härte bedeuten, die, wenn sie vom Mieter innerhalb der Frist des § 555d Abs. 3 BGB geltend gemacht wird, der Duldungspflicht entgegenstehen kann.
Denn das Mietrecht schützt den vertragstreuen Mieter vor einem vollständigen, auch zeitlich beschränkten Entzug der Wohnung, die als privater Rückzugsbereich besondere Bedeutung für ihn hat, weitreichend und erlaubt dies nur im Ausnahmefall (Quelle: Pressemitteilung des Landgerichts Berlin vom 22.04.2016).