Tag Äußerung

Was bei der Beurteilung einer Äußerung als Schmähkritik oder Meinungsäußerung zu beachten ist

…. und warum die zutreffende Einordnung so wichtig ist.

Unter den Schutz der Meinungsfreiheit fallen Werturteile und Tatsachenbehauptungen,

  • wenn und
  • soweit

sie zur Bildung von Meinungen beitragen.

  • Allerdings wird das Grundrecht auf Meinungsfreiheit nicht vorbehaltlos gewährt, sondern findet seine Schranken in den allgemeinen Gesetzen.

Dies verlangt deshalb grundsätzlich eine Abwägung zwischen

  • der Schwere der Persönlichkeitsbeeinträchtigung durch die Äußerung einerseits und
  • der Einbuße an Meinungsfreiheit durch ihr Verbot andererseits,

dessen Ergebnis von den Umständen des Einzelfalls abhängt.

Zu beachten ist hierbei indes, dass Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Grundgesetz (GG)

  • nicht nur sachlich-differenzierte Äußerungen schützt,
  • sondern gerade Kritik auch pointiert, polemisch und überspitzt erfolgen darf;
    insoweit liegt die Grenze zulässiger Meinungsäußerungen nicht schon da, wo eine polemische Zuspitzung für die Äußerung sachlicher Kritik nicht erforderlich ist.

Einen Sonderfall bilden hingegen

  • herabsetzende Äußerungen,

die sich als

  • Formalbeleidigung oder
  • Schmähung

darstellen.

  • Dann ist ausnahmsweise keine Abwägung zwischen der Meinungsfreiheit und dem Persönlichkeitsrecht notwendig, weil die Meinungsfreiheit regelmäßig hinter den Ehrenschutz zurücktreten wird.

Diese für die Meinungsfreiheit einschneidende Folge gebietet es aber, hinsichtlich des Vorliegens von Formalbeleidigungen und Schmähkritik strenge Maßstäbe anzuwenden.

  • Wegen seines die Meinungsfreiheit verdrängenden Effekts ist der Begriff der Schmähkritik von Verfassungs wegen eng zu verstehen.

Auch eine überzogene oder gar ausfällige Kritik macht eine Äußerung für sich genommen noch nicht zur Schmähung.

  • Eine Äußerung nimmt diesen Charakter erst dann an, wenn nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern – jenseits auch polemischer und überspitzter Kritik – die Diffamierung der Person im Vordergrund steht.

Sie liegt bei einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage nur ausnahmsweise vor und ist eher auf die Privatfehde beschränkt.
Die Annahme einer Schmähung hat wegen des mit ihr typischerweise verbundenen Unterbleibens einer Abwägung gerade in Bezug auf Äußerungen, die als Beleidigung und damit als strafwürdig beurteilt werden, ein eng zu handhabender Sonderfall zu bleiben.

Darauf hat die 3. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) mit Beschluss vom 08.02.2017 – 1 BvR 2973/14 – hingewiesen.

Bei der Einordnung einer Äußerung ist deswegen stets zu fragen, was damit gewollt war und ob es dem Äußernden ausschließlich um die persönliche Herabsetzung des anderen oder (auch) um etwas anderes ging.

BGH entscheidet wann Betreiber eines Bewertungsportals sich Bewertungsäußerung zu eigen macht

Der unter anderem für den Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zuständige VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) hat mit Urteil vom 04.04.2017 – VI ZR 123/16 – in einem Fall, in dem von dem Betreiber eines Internetportals, in das Patienten ihre Bewertung von Kliniken einstellen konnten, nach dem Verlangen einer Klinik einen sie betreffenden negativen Bewertungsbeitrag zu entfernen,

  • der beanstandete Textbeitrag des Patienten inhaltlich überprüft, anschließend ohne Rücksprache mit dem Patienten eigenmächtig durch selbständige Einfügungen sowie Streichungen geändert und die Klinik darüber in Kenntnis gesetzt worden war,

entschieden, dass der Portalbetreiber damit

  • die inhaltliche Verantwortung für die angegriffenen Äußerungen übernommen sowie
  • sich diese zu eigen gemacht hat und

von der Klinik aufgrund dessen als unmittelbarer Störer auf Unterlassung der Äußerungen in dem Bewertungsportal in Anspruch genommen werden kann, wenn es sich dabei

  • um unwahre Tatsachenbehauptungen und/oder
  • um Meinungsäußerungen auf unwahrer Tatsachengrundlage und mit unwahrem Tatsachenkern handelt (Quelle: Pressemitteilung des BGH vom 04.04.2017 – Nr. 49/2017 –).

BGH entscheidet wie der Aussagegehalt von Äußerungen in einer Satiresendung ermittelt werden muss

Zur korrekten Ermittlung des Sinn- und Aussagegehalts einer Äußerung, die ein Kabarettist in einer Satiresendung getätigt hat,

  • h. zur Feststellung, welche Aussage einem Satirebeitrag zu entnehmen ist bzw. ob es sich dabei um die Tatsachenbehauptung handelt, deren Unterlassung ein Betroffener begehrt,

muss

  • die Äußerung stets in dem Gesamtzusammenhang beurteilt werden, in dem sie gefallen ist,
  • von ihrer satirischen Einkleidung, der die Verfremdung wesenseigen ist, entkleidet und
  • sofern es sich um einen Fernsehbeitrag handelt, auch berücksichtigt werden, welche Botschaft bei einem unvoreingenommenen und verständigen Zuschauer angesichts der Vielzahl der auf einen Moment konzentrierten Eindrücke ankommt.

Darauf hat der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Urteilen vom 10.01.2017 – VI ZR 561/15 und VI ZR 562/15 – hingewiesen.
In den beiden Verfahren hatten die Kläger jeweils Ansprüche auf Unterlassung von Äußerungen geltend gemacht, weil sie der Auffassung waren, dass in der ausgestrahlten Fernsehsatiresendung „Die Anstalt“ von den Kabarettisten im Rahmen eines Dialogs über sie bestimmte unzutreffende Tatsachenbehauptung aufgestellt worden waren.
Der Senat hat die Klagen abgewiesen und dies damit begründet, dass bei korrekter Ermittlung des Aussagegehalts ihrer Äußerungen die Kabarettisten die von den Klägern behaupteten Aussagen so nicht getätigt haben (Quelle: Pressemitteilung des BGH vom 10.01.2017 – Nr. 4/2017 –).