Tag Ausgangsbeschränkung

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof lehnt Außervollzugsetzung der nächtlichen Ausgangsbeschränkung

…. in Corona-Hotspots ab

Mit Beschluss vom 14.12.2020 – 20 NE 20.2907 – hat der 20. Senat des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (VGH) 

  • den Eilantrag eines in München lebenden Mannes 

abgelehnt, § 25 der Zehnten Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (10. BayIfSMV),

  • der bestimmt, dass die Wohnung in Städten oder Landkreisen mit einer Sieben-Tage-Inzidenz von über 200 zwischen 21:00 Uhr und 5:00 Uhr nur noch aus wenigen triftigen Gründen verlassen werden darf,  

vorläufig Außervollzug zu setzen.  

Danach handelt es sich

  • bei diesem Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit 

um eine vom Bundesinfektionsschutzgesetz (IfSG) ausdrücklich vorgesehene Maßnahme, die,

  • nachdem andere Strategien („Lockdown light“ und „Hotspotstrategie“) die Zahl der Neuinfektionen nicht reduzieren konnten,

zur Eindämmung der Corona-Pandemie und zur Abwendung von Gefahren für Leib und Leben erforderlich und

  • angesichts des aktuellen Infektionsgeschehens

auch nicht unverhältnismäßig, sondern gerechtfertigt sei (Quelle: Pressemitteilung des BayVGH).

Corona-Pandemie: Verfassungsgerichtshof des Saarlandes kippt die Verfügung, die das Verlassen der eigenen Wohnung nur aus triftigen Gründen erlaubt

Auf die Verfassungsbeschwerde eines Bürgers gegen § 2 Abs. 3 der Rechtsverordnung der Landesregierung Saarland zur Bekämpfung der Corona-Pandemie vom 17.04.2020,

  • der das Verlassen der eigenen Wohnung nur bei Vorliegen triftiger Gründe erlaubt und
  • definiert, was insbesondere triftige Gründe sind,

hat der Verfassungsgerichtshof (VerfGH) des Saarlandes mit Beschluss vom 28.04.2020 – Lv 7/20 –

  • im Wege der einstweiligen Anordnung

entschieden, dass diese verfügten Ausgangsbeschränkungen dahingehend gelockert werden müssen, dass

  • Treffen mit Eheleuten, Lebenspartnerinnen und Lebenspartnern, Verwandten in gerader Linie sowie Geschwistern und Geschwisterkindern oder in häuslicher Gemeinschaft miteinander lebenden Personen im privaten Raum sowie
  • das Verweilen im Freien
    • unter Wahrung der notwendigen Abstände und
    • unter Beachtung der Kontaktreduzierung

ab sofort (wieder) erlaubt sind.

Begründet hat der VerfGH dies damit, dass die mit der Ausgangsbeschränkung verbundenen Grundrechtseingriffe, die

  • im Hinblick auf die Grenzlage des Saarlandes zu dem von der Corona-Pandemie besonders schwer betroffenen Frankreich und
  • angesichts der im Vergleich zu anderen Teilen Deutschlands besonders hohen Infektionszahlen im März 2020

geboten waren,

  • Tag für Tag auf ihre Verhältnismäßigkeit überprüft werden müssen und
  • aktuell keine belastbaren Gründe für die uneingeschränkte Fortdauer der strengen saarländischen Regelung des Verbots des Verlassens der Wohnung mehr bestehen,

da zum einen,

  • sich aus einem Vergleich der Infektions- und Sterberaten in den deutschen Bundesländern mit und ohne Ausgangsbeschränkung kein Rückschluss auf die Wirksamkeit der Ausgangsbeschränkung ziehen lassen,
    • was durch eine aktuelle Studie von Schweizer Wissenschaftlern bestätigt werde, nach der Ausgangbeschränkungen – im Gegensatz zum Verbot von Veranstaltungen oder anderen Zusammenkünften – nur geringe zusätzliche Auswirkungen auf das Infektionsgeschehen haben

und zum anderen

  • die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina dazu geraten habe, sobald irgend möglich eine vorsichtige Lockerung der Freiheitsbeschränkungen einzuleiten, um weitere kollaterale Nachteile zu beschränken und die Akzeptanz in der Bevölkerung zu erhalten (Quelle: juris Das Rechtsportal).

Auch Bundesverfassungsgericht lehnt Außervollzugsetzung der Bayerischen Verordnung über die vorläufige Ausgangsbeschränkung ab

Mit Beschluss vom 07.04.2020 – 1 BvR 755/20 – hat

auch die 3. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) den Antrag eines Bürgers abgelehnt,

  • die Bayerische Verordnung über die vorläufige Ausgangsbeschränkung anlässlich der Corona-Pandemie,

im verfassungsgerichtlichen Eilrechtsschutzverfahren,

  • schon vor der Entscheidung über die von ihm gleichzeitig dagegen erhobene Verfassungsbeschwerde,

außer Vollzug zu setzen.

Die 3. Kammer des BVerfG hat diese Entscheidung anhand einer Folgenabwägung getroffen, dabei berücksichtigt, einerseits,

  • dass die Maßnahmen in der angegriffenen Verordnung zur Bekämpfung der Corona-Pandemie die grundrechtlich geschützten Freiheiten des Beschwerdeführers sowie die Grundrechte der Menschen, die sich in Bayern aufhalten, weitgehend verkürzen, indem sie u.a. vorgeben,
    • den unmittelbaren körperlichen Kontakt und weithin auch die reale Begegnung zu beschränken oder ganz zu unterlassen,
    • Einrichtungen, an denen sich Menschen treffen, den Betrieb untersagen und
    • es verbieten, die eigene Wohnung ohne bestimmte Gründe zu verlassen und

dass, erginge die beantragte einstweilige Anordnung nicht und hätte die Verfassungsbeschwerde Erfolg,

  • all diese Einschränkungen mit ihren erheblichen und voraussichtlich teilweise auch irreversiblen sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Folgen zu Unrecht verfügt und
  • etwaige Verstöße gegen sie auch zu Unrecht geahndet worden wären,

andererseits, dass, wenn die beantragte einstweilige Anordnung erginge und die Verfassungsbeschwerde keinen Erfolg hätte,

  • sich voraussichtlich sehr viele Menschen so verhalten würden, wie es mit den angegriffenen, mit der Verfassung vereinbaren Verhaltensbeschränkungen unterbunden werden soll,
    • dann insbesondere Einrichtungen, deren wirtschaftliche Existenz durch die Schließungen beeinträchtigt wird, wieder öffnen dürften,
    • viele Menschen ihre Wohnung häufiger verlassen und auch der unmittelbare Kontakt zwischen Menschen häufiger stattfinden,
  • sich damit die Gefahr der Ansteckung mit dem Virus, der Erkrankung vieler Personen, der Überlastung der gesundheitlichen Einrichtungen bei der Behandlung schwerwiegender Fälle und schlimmstenfalls des Todes von Menschen nach derzeitigen Erkenntnissen erheblich erhöhen würde

und gegenüber diesen Gefahren für Leib und Leben die Einschränkungen der persönlichen Freiheit weniger schwer wiegen, zumal

  • die angegriffenen Regelungen von vornherein befristet sind,
  • im Hinblick auf die Ausgangsbeschränkungen zahlreiche Ausnahmen vorsehen und
  • bei der Ahndung von Verstößen im Einzelfall im Rahmen des Ermessens individuellen Belangen von besonderem Gewicht Rechnung zu tragen ist.

Bayerische Verordnung über vorläufige Ausgangsbeschränkung bleibt in Kraft, wird aber vom Bayerischen VerfGH

…. noch auf ihre Verfassungsgemäßheit überprüft werden.

Gegen die vom Bayerischen Staatsministerium für Gesundheit und Pflege erlassene Verordnung über eine vorläufige Ausgangsbeschränkung anlässlich der Corona-Pandemie, nach der u.a.

  • Jeder angehalten wird physische und soziale Kontakte zu anderen Menschen außerhalb der Angehörigen des eigenen Hausstandes zu reduzieren und ein räumlicher Abstand einzuhalten ist (§ 1 Abs. 1) sowie
  • Gastronomiebetriebe jeder Art (§ 1 Abs. 2),
  • Besuche bestimmter Einrichtungen (§ 1 Abs. 3) und
  • – beim Fehlen triftiger Gründe – das Verlassen der eigenen Wohnung (§ 1 Abs. 4 und 5) untersagt sind,

hat ein Bürger Popularklage erhoben

  • mit dem Ziel, dass die Verordnung für verfassungswidrig und nichtig erklärt wird

und zugleich beantragt, die angegriffene Verordnung

  • durch Erlass einer einstweiligen Anordnung

sofort außer Vollzug zu setzen.

Mit Beschluss vom 26.03.2020 – Vf. 6-VII-20 – hat der Präsident des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs (VerfGH),

  • der in besonderen Eilfällen selbst zur Entscheidung berufen ist,

den Erlass einer solchen einstweiligen Anordnung abgelehnt.

Der Präsident des VerfGH hat diese Entscheidung, nachdem seiner Auffassung nach,

  • im gegenwärtigen Stadium des Verfahrens,

bei der aufgrund der Eilbedürftigkeit nur möglichen überschlägigen Prüfung

  • nicht von offensichtlichen Erfolgsaussichten,
  • aber auch nicht von einer offensichtlichen Aussichtslosigkeit

der Popularklage ausgegangen werden kann, anhand einer Folgenabwägung getroffen, dabei berücksichtigt,

  • einerseits, dass, wenn die Popularklage im Hauptsacheverfahren Erfolg hätte,
    • nicht nur Gastronomiebetriebe mit entsprechenden wirtschaftlichen Folgen zu Unrecht untersagt und Personen zu Unrecht von den genannten Verhaltensweisen abgehalten sowie etwaige Verstöße letztlich zu Unrecht geahndet worden,
    • sondern auch weitere tiefgreifende Eingriffe in die Grundrechte einer Vielzahl von Personen irreversibel oder partiell irreversibel wären,
  • andererseits, dass, wenn die Popularklage im Hauptsacheverfahren keinen Erfolg hätte,
    • es mit großer Wahrscheinlichkeit, so die Einschätzung des Robert-Koch-Instituts, zu einer Vielzahl von sozialen Kontakten kommen, die die Verordnung unterbinden wolle sowie
    • hierdurch die Gefahr der Ansteckung mit dem Virus, der Erkrankung vieler Personen, einer Überlastung des Gesundheitssystems und schlimmstenfalls des Todes von Menschen erhöht werden

und angesichts der überragenden Bedeutung von Leben und Gesundheit der möglicherweise Gefährdeten die

  • gegen eine Außerkraftsetzen der angegriffenen Verordnung sprechenden Gründe

für überwiegend erachtet (Quelle: Pressemitteilung des VerfGH München).