Tag Beihilfe

BGH spricht Ehefrau, trotz einer Ursachensetzung auch durch aktives Tun, vom Vorwurf der Tötung auf Verlangen frei und entscheidet, dass 

…. nur straflose Beihilfe zum Suizid des Ehemannes vorgelegen hat.

Mit Beschluss vom 28.06.2022 – 6 StR 68/21 – hat der 6. Strafsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) eine Ehefrau 

  • vom Vorwurf der Tötung auf Verlangen

freigesprochen, die ihrem schwerkranken Ehemann, der den 

  • ernsthaften Wunsch 

hatte, seinem Leben ein Ende zu setzten, 

  • wie von ihm verlangt, 

zunächst zusammen mit einem Wasserglas mit dem hineingeschütteten Inhalt einer noch fast vollen 50-ml-Flasche Prothazin

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Wann liegt eine strafbare Beihilfe zu einer vorsätzlichen Straftat eines anderen vor und wann kann das Dabeisein

…. bei einer vorsätzlichen Straftat eines anderen als strafbare Beihilfe gewertet werden?

Als Gehilfe,

  • also wegen Beihilfe,

wird bestraft, wer 

  • vorsätzlich

einem anderen 

  • zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat Hilfe leistet, 

wobei die Strafe für den Gehilfen 

  • sich richtet nach der Strafandrohung für den Täter und
  • nach § 49 Abs. 1 Strafgesetzbuch (StGB) zu mildern ist (§ 27 Abs. 1 und 2 StGB). 

Als Hilfeleistung ist dabei grundsätzlich 

  • jede Handlung 

anzusehen, welche die 

  • Herbeiführung des Taterfolgs 

des Haupttäters 

  • zwischen Versuchsbeginn und Beendigung 
  • objektiv in irgend einer Weise fördert oder erleichtert, 
  • ohne dass diese Handlung für den Erfolg selbst ursächlich sein muss. 

Dabei setzt die Beihilfe 

  • durch positives Tun (physische Beihilfe) 

einen durch 

  • eine bestimmte Handlung erbrachten Tatbeitrag des Gehilfen 

voraus.

  • Allein das Wissen um die Begehung der Haupttat genügt den Anforderungen an die Beihilfe durch aktives Tun daher nicht.

Ein „Dabeisein“ kann die Tatbegehung im Sinne eines aktiven Tuns jedoch fördern oder erleichtern, wenn 

  • die „Billigung der Tat“ gegenüber dem Täter zum Ausdruck gebracht wird, 
  • dieser dadurch in seinem Tatentschluss bestärkt wird und 
  • der Gehilfe sich dessen bewusst ist (psychische Beihilfe).

Darauf hat der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Beschluss vom 28.07.2020 – 2 StR 64/20 – hingewiesen.

Was Patienten und Ärzte über die Pflicht des Arztes zur Information der Patienten über die voraussichtlichen Behandlungskosten sowie

…. die möglichen Rechtsfolgen einer Verletzung dieser Pflicht wissen sollten.

Weiß der behandelnde Arzt,

  • dass eine vollständige Übernahme der Behandlungskosten durch einen Dritten (insbesondere der gesetzlichen oder privaten Krankenkasse) nicht gesichert ist

oder ergeben sich hierfür

  • nach den Umständen hinreichende Anhaltspunkte,

muss der Arzt nach § 630c Abs. 3 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) den Patienten vor Beginn der Behandlung

  • über die voraussichtlichen Kosten der Behandlung

in Textform informieren,

  • außer der Arzt kann im Streitfall darlegen und ggf. beweisen, dass es dieser Information aufgrund besonderer Umstände – wie etwa der Kenntnis des Patienten von der Unsicherheit der Kostenübernahme – bzw. insbesondere der Unaufschiebbarkeit der Behandlung oder dem ausdrücklichem Verzicht des Patienten, ausnahmsweise nicht bedarf (§ 630c Abs. 4 BGB).

Bei der Beurteilung, ob ein Arzt die Pflicht zur wirtschaftlichen Information der Patientin,

  • die den Zweck hat, den Patienten vor finanziellen Überraschungen zu schützen sowie ihn in die Lage zu versetzen, die wirtschaftliche Tragweite seiner Entscheidung zu überblicken und
  • deren Verletzung einen Schadensersatzanspruch der Patientin aus § 280 Abs. 1 BGB begründen kann,

erfüllt oder nicht erfüllt hat, ist zu differenzieren zwischen

  • gesetzlich und
  • privat

versicherten Patienten,

  • weil ein Vertragsarzt, der die für den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung maßgeblichen Richtlinien des gemeinsamen Bundesausschusses (§ 92 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V)) aus seiner Abrechnungspraxis kennt, regelmäßig wissen wird, ob er für die eigenen Leistungen von der zuständigen Krankenkasse eine Vergütung erhält oder nicht,
  • während bei Patienten mit privater Krankenversicherung bzw. Beihilfeanspruch die Kenntnis vom Umfang des Versicherungsschutzes bzw. der Beihilfe, nachdem sich dieser aus den Bedingungen des konkreten Versicherungsvertrags, der Regulierungspraxis des im Einzelfall zuständigen Versicherers bzw. den Beihilferichtlinien ergibt, grundsätzlich im Verantwortungsbereich des Patienten liegt.

Allerdings muss ein Arzt

  • auch bei Patienten mit privater Krankenversicherung bzw. Beihilfeanspruch

jedenfalls dann, wenn er

  • ein neue, noch nicht allgemein anerkannte Behandlungsmethode anwendet,

die Möglichkeit in Betracht ziehen, dass der private Krankenversicherer bzw. die Beihilfestelle die dafür erforderlichen Kosten nicht in vollem Umfang erstatten wird.

Verlangt ein Patient

  • wegen Verletzung der Pflicht zur wirtschaftlichen Information

von dem behandelnden Arzt Ersatz der Behandlungskosten, die

  • von ihm selbst zu tragen und
  • nicht von seinem Krankenversicherer übernommen worden sind,

muss der Patient im Streitfall darlegen und beweisen, dass

  • er sich bei ordnungsgemäßer Information über die voraussichtlichen Behandlungskosten gegen die in Rede stehende medizinische Behandlung entschieden hätte.

Eine Beweislastumkehr erfolgt in einem solchen Fall nicht (Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 28.01.2020 – VI ZR 92/19 –).

VG Düsseldorf entscheidet: Keine Beihilfe für Aufwendungen einer künstlichen Befruchtung, wenn Ehemann der Beamtin älter als 50 Jahre ist

Mit Urteil vom 17.02.2020 – 10 K 17003/17 – hat das Verwaltungsgericht (VG) Düsseldorf entschieden, dass, wenn Beihilfenverordnungen der Länder,

  • wie beispielsweise die Beihilfeverordnung NRW in § 8 Abs. 4 Satz 4 oder
  • die Bayerische Beihilfeverordnung in § 43 Abs. 1 Satz 3,

für die Beihilfefähigkeit von Aufwendungen

  • für medizinische Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft (künstliche Befruchtung)

unter anderem voraussetzen, dass

  • der Ehemann noch nicht das 50. Lebensjahr vollendet hat,

dies

  • im Einklang mit der Verfassung steht und
  • insbesondere nicht gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstößt.

Zweck einer solchen oberen Altersgrenze für Männer ist danach vor allem, die Wahrung des Kindeswohls.

Da, wie das VG ausgeführt hat, den Kindeswohlbelangen besser Rechnung getragen werden könne, wenn zu erwarten ist, dass das Kind

  • seine Schul- und Berufsausbildung noch zu Lebzeiten seines Vaters abschließen sowie
  • von Mutter und Vater gemeinsam erzogen, versorgt und unterstützt werden könne,

sei

  • unter Berücksichtigung der gewöhnlichen Lebenserwartung von Männern,

die Festsetzung der Grenze auf die Vollendung des 50. Lebensjahres als typisierende und pauschalierende Regelung plausibel und gerechtfertigt (Quelle: Pressemitteilung des VG Düsseldorf).

Schon erhöhtes Brustkrebsrisiko bei einer Frau kann als Krankheit im beihilferechtlichen Sinn zu werten sein

…. und Anspruch auf Beihilfe beispielsweise für eine vorsorgliche Brustdrüsenentfernung sowie die nachfolgende Implantatrekonstruktion begründen.

Das hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) mit Urteil vom 28.09.2017 – 5 C 10.16 – entschieden.

Danach kann

  • schon das wegen familiärer Vorbelastung und einer Genmutation bestehende erhöhte individuelle Risiko einer Frau,
  • innerhalb eines überschaubaren Zeitraums an Brustkrebs zu erkranken,

als Krankheit im beihilferechtlichen Sinn zu werten sein und

  • demzufolge ein Anspruch auf Gewährung von beamtenrechtlicher Beihilfe für eine vorsorgliche operative Maßnahmen bestehen.

Zwar sei, so das BVerwG, Voraussetzung für eine Krankheit nach dem beihilferechtliche Krankheitsbegriff, der sich im Grundsatz mit dem entsprechenden Begriff im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung deckt,

  • grundsätzlich eine körperliche oder geistige Funktionsbeeinträchtigung,
  • die bei einer noch nicht an Brustkrebs erkrankten Frau fehle.

Allerdings liege, so das BVerwG weiter,

  • wenn die auf Tatsachen gestützte konkrete Gefahr einer schwerwiegenden Gesundheitsschädigung bestehe und
  • die schädigenden Folgen, die im Falle des Ausbruchs der Krankheit einträten, so schwer sind, dass die Behandlungsbedürftigkeit bereits vor Realisierung der Gefahr zu bejahen sei,

auch ohne Funktionsbeeinträchtigung eine Krankheit im beihilferechtlichen Sinn deshalb vor,