Tag Bewerber

LArbG Nürnberg entscheidet: Bietet ein Arbeitgeber in einer Stellenanzeige Mitarbeit in einem jungen, hochmotivierten Team an,

…. lässt dies, 

  • bei Ablehnung eines älteren Stellenbewerbers, 

eine Benachteiligung wegen seines Alters vermuten (vgl. §§ 22, 1, 3 Abs. 1 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG), 

  • mit der Folge, dass der Arbeitgeber nach § 15 AGG schadensersatz- und/oder entschädigungspflichtig sein kann.

Mit Urteil vom 27.05.2020 – 2 Sa 1/20 – hat das Landesarbeitsgericht (LArbG) Nürnberg in einem Fall, in dem es, 

  • im Begleittext einer von einem Arbeitgeber online geschalteten Stellenanzeige, 

unter der Überschrift 

  • „Wir bieten Ihnen“ 

hieß,

  • „zukunftsorientierte, kreative Mitarbeit in einem jungen, hochmotivierten Team ….“ 

eine Diskriminierung wegen des Alters gesehen und einem 61-Jährigen, dessen 18-seitige Bewerbung auf die Stelle von dem Arbeitgeber 

  • mit der Begründung, sich für andere Bewerber entschieden zu haben, die das spezielle Anforderungsprofil noch besser erfüllten,

abgelehnt worden war, nach § 15 Abs. 2 AGG einen Entschädigungsanspruch 

  • in Höhe von zwei Monatsgehältern 

zuerkannt.

Danach bewirkt die Formulierung in einer Stellenausschreibung, wonach dem/der Bewerber/in eine

  • zukunftsorientierte, kreative Mitarbeit in einem jungen, hochmotivierten Team

geboten wird, eine 

  • unmittelbare Diskriminierung wegen des Alters iSv. § 3 Abs. 1 AGG, 

wenn der Arbeitgeber nicht ausreichende Tatsachen 

  • vortragen und ggf. auch beweisen 

kann, aus denen sich ergibt, dass ausschließlich andere Gründe als das 

  • Alter

des 61-Jährigen für seine 

  • Nichteinstellung

ausschlaggebend waren.

Der Hinweis in der Stellenausschreibung, dass eine 

  • zukunftsorientierte Mitarbeit in einem „jungen hochmotivierten Team“ 

geboten wird, vermittle nämlich, so das LArbG, potentiellen Stellenbewerbern/innen die Botschaft, 

  • dass die Mitglieder des Teams jung und deshalb hochmotiviert sind 

und könne aus der Sicht eines objektiven Empfängers zudem regelmäßig nur so verstanden werden, 

  • dass der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer/eine Arbeitnehmerin sucht, der/die in das Team passt, weil er/sie ebenso jung und hochmotiviert ist wie die Mitglieder des vorhandenen Teams. 

Was Arbeitnehmer wissen sollten, wenn sie bei der Einstellung vom Arbeitgeber nach Vorstrafen und Ermittlungsverfahren

…. gefragt werden.

Mit Urteil vom 20.05.2020 – 5 Ca 83/20 – hat das Arbeitsgericht (ArbG) Bonn darauf hingewiesen, dass im Rahmen eines Einstellungsverfahrens kein allgemeines Fragerecht des Arbeitgebers 

  • nach Vorstrafen und Ermittlungsverfahren des Bewerbers jedweder Art 

besteht, sondern Arbeitgeber bei einem Arbeitnehmer 

  • nur Informationen zu solchen Vorstrafen und Ermittlungsverfahren 

einholen dürfen, 

  • die für den zu besetzenden Arbeitsplatz relevant sein, 

bzw. bei einer Bewerbung um ein öffentliches Amt, 

  • die Zweifel an der persönlichen Eignung des Bewerbers für die in Aussicht genommene Tätigkeit begründen könnten.

Nach Auffassung des ArbG ist deswegen,  

  • beispielsweise bei der Bewerbung um eine Ausbildungsstelle als Fachkraft für Lagerlogistik,
  • auch dann, wenn der Bewerber im Rahmen seiner Tätigkeit Zugriff auf verschiedene hochwertige Vermögensgüter des Arbeitgebers haben wird, 

die in einem von dem Stellenbewerber auszufüllenden Personalblatt mit 

  • „ja“ oder „nein“ 

zu beantwortende Frage nach

  • gerichtlichen Verurteilungen / schwebenden Verfahren, 

unzulässig, weil,

  • nachdem nicht jede denkbare Straftat Zweifel an der Eignung eines Bewerbers für die Ausbildung zur Fachkraft für Lagerlogistik zu begründen vermag, 
  • bei einer Abwägung mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Bewerbers,

zu weitgehend, mit der Rechtsfolge, dass

  • der Bewerber zur wahrheitsgemäßen Beantwortung nicht verpflichtet ist und

sollte die Frage von dem Bewerber trotz einer gerichtlichen Verurteilung oder eines ihm bekannten schwebenden Verfahrens wahrheitswidrig mit „nein“ beantwortet worden sein,

  • somit auch keine arglistige Täuschung des Arbeitgebers vorliegt, die ihn zur Anfechtung des Ausbildungsvertrages berechtigt (Quelle: Pressemitteilung des ArbG Bonn).

Wichtig zu wissen für Schwerbehinderte, die sich bei einem öffentlichen Arbeitgeber auf eine Stelle bewerben und

…. nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen werden.

Mit Urteil vom 23.01.2020 – 8 AZR 484/18 – hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) in einem Fall, in dem sich der Kläger,

  • unter deutlichen Hinweis auf seinen Grad der Behinderung von 30 und
  • seine Gleichstellung mit einem schwerbehinderten Menschen,

mit einer E-Mail bei einem öffentlichen Arbeitgeber auf eine ausgeschriebene Stelle beworben hatte, darauf hingewiesen, dass ein öffentlicher Arbeitgeber, dem die Bewerbung

  • einer fachlich nicht offensichtlich ungeeigneten

schwerbehinderten oder dieser gleichgestellten Person zugeht, diesen Bewerber

  • nach § 165 Satz 3 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX)

zu einem Vorstellungsgespräch einladen muss und dass, wenn er

  • die Einladung zu einem Vorstellungsgespräch unterlässt und
  • die dadurch begründete Vermutung nicht zu widerlegen vermag, dass der Bewerber wegen seiner Schwerbehinderung bzw. Gleichstellung nicht eingestellt wurde,

der Bewerber von dem öffentlichen Arbeitgeber eine Entschädigung

  • nach § 15 Abs. 2 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG)
  • in Höhe von bis zu drei (zu erwartenden) Gehältern

verlangen kann.

Öffentliche Arbeitgeber sind danach zwar nicht schon dann, wenn sie es unterlassen, schwerbehinderte Stellenbewerber zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen,

  • aus diesem Grund zur Zahlung einer Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG verpflichtet,

jedoch ist das Unterlassen einer Einladung zu einem Vorstellungsgespräch

  • ein Indiz i.S.v. § 22 AGG,

das die Vermutung begründet, dass der Bewerber wegen seiner Schwerbehinderung bzw. Gleichstellung nicht eingestellt wurde, so dass

Was Wohnungseigentümer wissen müssen, wenn die Wahl des Verwalters ansteht und mehrere Bewerber

…. zur Wahl stehen.

Nach §§ 26 Abs. 1 Satz 1, 25 Wohnungseigentumsgesetz (WEG) beschließen die Wohnungseigentümer über die Bestellung und Abberufung des Verwalters mit Stimmenmehrheit, wobei bei der Bestimmung der Mehrheit

  • allein entscheidend ist, ob die abgegebenen Ja-Stimmen die Nein-Stimmen überwiegen,
  • also Enthaltungen nicht mitzuzählen sind.

Ob die danach erforderliche Mehrheit erreicht worden ist, muss in einem ordnungsgemäßen Verfahren ermittelt werden, dessen Festlegung, sofern

  • durch die Gemeinschaftsordnung oder
  • durch einfachen Geschäftsordnungsbeschluss der Wohnungseigentümer

keine Festlegung erfolgt ist, dem Versammlungsleiter obliegt, der dann nach pflichtgemäßem Ermessen

  • den Abstimmungsmodus,
    • insbesondere die Reihenfolge der Abstimmungsfragen,

festlegen und innerhalb dieses Ermessens auch darüber bestimmen kann,

  • welches Wahlverfahren durchgeführt werden soll,

wenn es mehrere Bewerber um ein Amt gibt.

  • In Betracht kommt insoweit etwa, dass jeder Wohnungseigentümer bei einer nacheinander erfolgenden Abstimmung
    • über die einzelnen Bewerber insgesamt nur eine Ja-Stimme vergeben kann.
  • Möglich ist allerdings auch, dass die Wohnungseigentümer von ihrem Stimmrecht
    • in jedem Wahlgang unabhängig von ihrem vorangegangenen Stimmverhalten Gebrauch machen können.

Abgestimmt werden muss, wenn mehrere Bewerber um das Amt des Verwalters zur Wahl stehen, über jeden Kandidaten, außer,

  • die Wohnungseigentümer konnten – laut dem vom Versammlungsleiter bestimmten Wahlverfahren – nur eine Ja-Stimme abgeben

und

  • ein Bewerber erreichte die absolute Mehrheit.

Von diesem einen Fall abgesehen, muss ausnahmslos über alle zur Wahl stehenden Bewerber abgestimmt werden und darf die Wahl vorher nicht abgebrochen werden.

  • Ansonsten ist die Wahl ungültig.

Darauf hat der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Urteil vom 18.01.2019 – V ZR 324/17 – hingewiesen.

LArbG Berlin-Brandenburg entscheidet, wann schwerbehinderte Personen, die sich auf die Stellenausschreibung eines

…. öffentlichen Arbeitgebers bewerben, zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen werden müssen und wann sie,

  • wenn sie nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen worden sind,

bei Nichtberücksichtigung ihrer Bewerbung Entschädigungsansprüche nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) geltend machen können.

Mit Urteil vom 01.11.2018 – 21 Sa 1643/17 – hat das Landesarbeitsgericht (LArbG) Berlin-Brandenburg entschieden, dass öffentliche Arbeitgeber,

  • die nach einer Stellenausschreibung Auswahlgespräche durchführen,

schwerbehinderte Stellenbewerber nach § 165 Satz 3 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) auch dann zu einem Bewerbungsgespräch einzuladen haben, wenn

  • die Stelle nur intern ausgeschrieben wird,

dass, wenn schwerbehinderte Stellenbewerber, sich auf mehrere ausgeschriebene Stellen mit identischem Anforderungsprofil bewerben,

  • mit ihnen grundsätzlich für jede Bewerbung ein gesondertes Vorstellungsgespräch zu führen ist

und dass die Einladung zu nur einem Gespräch nur dann ausreichend ist, wenn

  • das Auswahlverfahren identisch ist,
  • die Auswahlkommissionen sich aus denselben Personen zusammensetzt und
  • zwischen den jeweiligen Auswahlentscheidungen nur wenige Wochen liegen.

In dem der Entscheidung zugrunde liegendem Fall, in dem sich ein schwerbehinderter Bewerber erfolglos um zwei

  • von einem öffentlichen Arbeitgeber intern ausgeschriebene

Stellen mit identischem Anforderungsprofil in Berlin und Cottbus beworben hatte und nur wegen der in Berlin zu besetzenden Stelle,

  • nicht dagegen wegen der Stelle in Cottbus,

zu einem Auswahlgespräch eingeladen worden war, hat das LArbG den öffentlichen Arbeitgeber,

  • wegen Benachteiligung des Bewerbers aufgrund seiner Behinderung,

zur Zahlung einer Entschädigung an den schwerbehinderten Stellenbewerber verurteilt (Quelle: Pressemitteilung des LArbG vom 12.02.2019).

Wichtig zu wissen für – wegen mangels entsprechender Konfession – abgelehnte Bewerber auf eine von einem kirchlichen Arbeitgeber

…. ausgeschriebene Stelle.

Mit Urteil vom 25.10.2018 – 8 AZR 501/14 – hat der Achte Senat des Bundesarbeitsgerichts (BAG) entschieden, dass bei von kirchlichen Arbeitgebern ausgeschriebenen Stellen,

  • gemäß § 9 Abs. 1 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) – in unionsrechtskonformer Auslegung –

eine unterschiedliche Behandlung der Stellenbewerber wegen der Religion nur dann ausnahmsweise zulässig ist, wenn die Religion

  • nach der Art der Tätigkeiten oder
  • den Umständen ihrer Ausübung

eine wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung angesichts des Ethos der Religionsgemeinschaft bzw. Einrichtung darstellt und dass, wenn dies nach (der Stellenausschreibung) nicht der Fall ist,

  • beispielsweise weil bei Ausübung der ausgeschriebenen Stelle keine wahrscheinliche und erhebliche Gefahr besteht, dass das Ethos des kirchlichen Arbeitgebers beeinträchtigt wird,

Stellenbewerber aber trotzdem nach der Religionszugehörigkeit gefragt und danach abgelehnt werden, eine ungerechtfertigte Benachteiligung

  • wegen der Religion

vorliegen kann, die einen Anspruch auf eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG begründet.

In dem der Entscheidung zugrunde liegendem Fall ist einer konfessionslosen Frau,

  • nachdem deren Bewerbung auf eine von einem kirchlichen Arbeitgeber ausgeschriebene Referentenstelle abgelehnt und
  • die Stelle mit einem Kirchenmitglied besetzt worden war,

eine Entschädigung i.H.v. 3.915,46 Euro nach § 15 Abs. 2 AGG zuerkannt worden, weil

  • bei der Ausübung der ausgeschriebenen Stelle der jeweilige Stelleninhaber in den das Ethos des Arbeitgebers betreffenden Fragen nicht unabhängig handeln konnte und

aufgrund dessen eine unterschiedliche Behandlung wegen der Religion nicht zulässig war (Quelle: Pressemitteilung des BAG vom 25.10.2018).