Tag Bewohner

Behinderte Pflegeheimbewohner sollten wissen, dass sie nicht gegen ihren Willen in eine Einrichtung für Menschen

…. mit Behinderung wechseln müssen.

Darauf hat das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen im Eilverfahren mit Beschluss vom 03.05.2021 – L 8 SO 47/21 B ER – hingewiesen und in einem Fall, in dem von dem Sozialamt, das bisher, die 

  • nicht durch sein Einkommen gedeckten 

Heimkosten

  • für einen in einem Pflegeheim lebenden 52-jährigen schwerbehinderten und pflegebedürftigen Mann 

übernommen, die Unterstützung dann aber eingestellt und dem, 

  • sich in der bisherigen Einrichtung gut versorgt fühlendem und einen Heimwechsel ablehnenden, 

Mann, mitgeteilt hatte, dass 

  • bei seinen Einschränkungen eine Betreuung in einer Einrichtung für Menschen mit Behinderung geeigneter sei und 
  • er einen Antrag bei der für Eingliederungshilfe zuständigen Stelle stellen solle,        

entschieden, dass das Sozialamt vorläufig zur 

  • weiteren Übernahme der Heimkosten 

verpflichtet ist.

Dass behinderte und pflegebedürftige Personen,

  • deren Pflegebedarf in dem von ihnen derzeit bewohnten Heim gedeckt wird,

weiterhin Anspruch auf 

  • Übernahme der ungedeckten Heimkosten 

haben und das Sozialamt nicht 

  • durch die Verweigerung der bisherigen Unterstützung 

Druck auf sie ausüben darf, hat das LSG damit begründet, dass

  • für das Recht auf Eingliederungshilfe die Wahrung von Menschenwürde und Selbstbestimmung von wesentlicher Bedeutung ist, 
  • die freie Entscheidung behinderter Menschen gegen die Inanspruchnahme von Leistungen der Eingliederungshilfe geachtet sowie respektiert werden muss und demzufolge  

Autonomie, Eigenverantwortung und Selbstbestimmung behinderter Menschen vorrangig vor vermeintlich besseren Hilfsangeboten sind (Quelle: Pressemitteilung des LSG Niedersachsen-Bremen).

Corona-Pandemie: Bayerischer VGH setzt die 15-km-Regel für Bewohner von sogenannten Hotspots außer Vollzug

Mit Beschluss vom 26.01.2021 hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (BayVGH) das Verbot 

  • touristischer Tagesausflüge für Bewohner von sogenannten Hotspots über einen Umkreis von 15 km um die Wohnortgemeinde hinaus (§ 25 Abs. 1 Satz 1 der Elften Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (11. BayIfSMV)) 

vorläufig außer Vollzug gesetzt.

Nach Auffassung des BayVGH verstößt § 25 Abs. 1 Satz 1 der 11. BayIfSMV, der bestimmt, dass, 

  • wenn in einem Landkreis oder einer kreisfreien Stadt der nach § 28a Abs. 3 Satz 12 IfSG bestimmte Inzidenzwert von 200 Neuinfektionen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 je 100 000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen überschritten wird, unbeschadet der §§ 2 und 3 touristische Tagesausflüge für Personen, die in dem betreffenden Landkreis oder der betreffenden kreisfreien Stadt wohnen, über einen Umkreis von 15 km um die Wohnortgemeinde hinaus untersagt sind,

 aller Voraussicht nach gegen den Grundsatz der Normenklarheit, da

  • die textliche Festlegung des 15-km-Umkreises auf die sich das Verbot bezieht, nicht deutlich und anschaulich genug und 
  • für die Betroffenen der räumliche Geltungsbereich des Verbots touristischer Tagesausflüge über einen Umkreis von 15 km um die Wohnortgemeinde hinaus nicht hinreichend erkennbar ist (Quelle: Pressemitteilung des BayVGH).

BGH erläutert, wovon es abhängt, ob der Betreiber eines Pflegeheims bei einem Unfall oder einem selbstschädigenden Verhalten

…. eines Heimbewohners

  • wegen Verletzung der Schutzpflichten 

auf Zahlung von Schadensersatz und Schmerzensgeld in Anspruch genommen werden kann.

Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) hat mit Urteil vom 14.01.2021 – III ZR 168/19 – darauf hingewiesen, dass 

  • Betreiber von Pflegeheimen 

die Pflicht haben, die ihnen anvertrauten Bewohner, unter Wahrung 

  • der Würde und 
  • des Selbstbestimmungsrechts 

vor Gefahren zu schützen, 

  • die sie nicht beherrschen, 

dass für den konkreten Inhalt dieser Verpflichtung der Heimbetreiber, 

  • einerseits die Menschenwürde und das Freiheitsrecht eines körperlich oder geistig beeinträchtigten Heimbewohners zu achten und 
  • andererseits sein Leben und seine körperliche Unversehrtheit zu schützen, 

maßgebend in dem jeweiligen Einzelfall ist, ob bei Abwägung sämtlicher Umstände, wegen der 

  • körperlichen und 
  • geistigen

Verfassung des pflegebedürftigen Bewohners ernsthaft damit gerechnet werden muss, 

  • bzw. nachdem ein Bewohner zu Schaden gekommen ist, ob aus ex-ante-Sicht damit gerechnet werden musste,

dass der Bewohner sich 

  • ohne Sicherungsmaßnahmen 

selbst schädigen könnte, dabei allerdings auch bereits eine Gefahr, 

  • deren Verwirklichung nicht sehr wahrscheinlich ist, 
  • aber zu besonders schweren Folgen führen kann, 

Sicherungspflichten des Heimträgers auslösen kann. 

Das bedeutet, wird beispielsweise ein 

  • an schwerer Demenz erkrankter 

Pflegeheimbewohner, bei dem 

  • erkennbar 

Selbstschädigungsgefahr besteht, in einem im Obergeschoss gelegenen Wohnraum mit 

  • leicht zugänglichen und 
  • einfach zu öffnenden 

Fenstern untergebracht, muss ein Verlassen des Zimmers 

  • auch über das Fenster  

in Betracht gezogen werden und begründet diese (mögliche) Gefahr,

  • allein schon deshalb, weil eine Verwirklichung zu besonders schweren Folgen für den Bewohner führen kann, 
    • nämlich einen Absturz mit erheblichen Verletzungen oder tödlichem Ausgang,

die Verpflichtung des Heimbetreibers hiergegen geeignete Vorkehrungen zu treffen (Quelle: Pressemitteilung des BGH).

OLG Oldenburg entscheidet, wann ein Pflegeheim einen Heimvertrag wegen Verhaltens des Bewohners kündigen kann

…. und wann nicht.

Mit Urteil vom 28.05.2020 – 1 U 156/19 – hat der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Oldenburg in einem Fall, in dem der Träger eines Pflegeheims den mit einer Seniorin, 

  • die 2015 in die Demenzabteilung des Heimes gezogen war,

geschlossenen Pflegeheimvertrag, 

  • nachdem die Seniorin sich seit einem Krankenhausaufenthalt und der medikamentösen Neueinstellung dort viel unruhiger als zuvor zeigte,

mit der Begründung gekündigt hatte, dass

  • die Seniorin ständig umherlaufe, in die Zimmer anderer Bewohner gehe, dort Türen und Fenster öffne und bei der Intimpflege zuschaue, dadurch den Heimfrieden erheblich störe und 
  • sie eine Gefahr für sich und andere darstelle, weil sie aggressiv sei, die Pflegekräfte boxe, ihnen und anderen Bewohnern das Bein stelle sowie sie mit dem Rollator anfahre und sie außerdem nicht mehr richtig esse und trinke,

die Räumungsklage des Heimträgers gegen die Seniorin,

  • wegen Unwirksamkeit der Kündigung,

abgewiesen.

Danach war, wie der Senat ausgeführt hat,

  • da ein Heimvertrag von Seiten des Heimes nur aus wichtigem Grund gekündigt werden kann (vgl. § 12 Wohn- und Betreuungsvertragsgesetz (WBVG)), wenn dem Heim ein Festhalten am Vertrag nicht zumutbar ist,

abzuwägen,

  • die Interessen des alten Menschen, einen Umzug und die damit verbundenen Schwierigkeiten zu vermeiden und 
  • die Interessen des Heimes, sich von dem Vertrag zu lösen 

und habe diese Abwägung, unter Berücksichtigung, dass 

  • dem Heim die Demenzerkrankung der alten Dame bereits bei deren Einzug bekannt gewesen sei,
  • gewisse Verhaltensauffälligkeiten daher hinzunehmen seien, 
  • es vorliegend zu Sach- oder gar Körperschäden nicht gekommen und
  • auch Maßnahmen, die Seniorin von dem geschilderten Verhalten abzuhalten, von dem Heim noch nicht ergriffen worden waren,

ergeben, dass sich das behauptete Verhalten der alten Dame 

  • in einem Rahmen bewege, 

der von dem Betreiber eines Pflegeheims 

  • von Bewohnern einer Demenzabteilung 

noch hingenommen werden müsse (Quelle: Pressemitteilung des OLG Oldenburg). 

Übrigens:
Hingewiesen wird auch auf unsere Blogs, 

Bewohner eines Heims sowie Angehörige und Betreuer von Heimbewohnern sollten wissen, wann wegen einer Körperverletzung, die

…. ein Heimbewohner in dem Heim erlitten hat,

  • beispielsweise wegen einer erlittenen Verbrühung infolge zu heißen Wassers in der Badewanne,

Schadensersatz- sowie Schmerzensgeldansprüche gegen den Heimträger in Betracht kommen.

Durch einen Heimvertrag

  • werden Obhutspflichten des Heimträgers gemäß § 241 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zum Schutz der körperlichen Unversehrtheit der ihm anvertrauten Heimbewohner begründet

und aufgrund eines Heimvertrages

  • besteht eine inhaltsgleiche allgemeine Verkehrssicherungspflicht zum Schutz der Bewohner vor Schädigungen, die ihnen wegen Krankheit oder sonstiger körperlicher oder geistiger Einschränkungen durch sie selbst oder durch die Einrichtung und bauliche Gestaltung des Heims drohen.

Danach können Heimbewohner,

  • die einem Heimträger zum Schutz ihrer körperlichen Unversehrtheit anvertraut sind,

erwarten, dass der Heimträger sie vor einer – gegebenfalls in einer DIN-Norm beschriebenen – Gefahrenlage schützt, wenn

  • sie selbst auf Grund körperlicher oder geistiger Einschränkungen nicht in der Lage sind, die Gefahr eigenverantwortlich zu erkennen und angemessen auf sie zu reagieren.

Um die daraus folgende Obhutspflicht zu erfüllen, muss der Heimträger,

  • soweit dies mit einem vernünftigen finanziellen und personellen Aufwand möglich und
  • für die Heimbewohner sowie das Pflege- und Betreuungspersonal zumutbar ist,

nach seinem Ermessen

  • entweder die Empfehlungen der DIN-Norm umsetzen
  • oder aber die erforderliche Sicherheit gegenüber der dieser Norm zugrunde liegenden Gefahr auf andere Weise gewährleisten, um Schäden der Heimbewohner zu vermeiden

Eine schuldhafte Verletzung dieser Verpflichtung ist geeignet Schadensersatzansprüche

  • sowohl wegen vertraglicher Pflichtverletzung (§ 280 Abs. 1, § 278 Satz 1 BGB),
  • als auch aus Delikt gemäß §§ 823, 831 BGB

zu begründen (Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 22.08.2019 – III ZR 113/18 –).

OLG Karlsruhe entscheidet wann Träger eines Pflegeheim beim Sturz eines (demenzkranken) Bewohners

…. wegen Verletzung der Überwachungs- bzw. Aufsichtspflicht haften und wann nicht.

Mit Urteil vom 18.09.2019 – 7 U 21/18 – hat der 7. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Karlsruhe in einem Fall, in dem eine 83jährige an Demenz erkrankten Bewohnerin eines Pflegeheims,

  • bei der bisher keine Anhaltspunkte für ein Sturzrisiko ersichtlich waren,

bei dem Versuch,

  • bei einem Toilettengang

ohne Hilfe aufzustehen, gestürzt war

  • und dabei eine Oberschenkelhalsfraktur erlitten hatte,

entschieden, dass der Träger des Pflegeheims für die Sturzfolgen nicht haftet.

Begründet hat der Senat dies damit, dass den Pflegekräften des Heims keine Verletzung der Sorgfaltsplichten vorgeworfen werden könne.

Zwar seien, so der Senat, Pflegeheime verpflichtet Bewohner nach Möglichkeit vor Stürzen zu bewahren, jedoch richte sich der Umfang der zu treffenden Sicherungsmaßnahmen danach,

  • ob und inwieweit sich ein Sturzrisiko absehen lasse

und sei insbesondere vor einer lückenloser Überwachung während des Toilettengangs stets abzuwägen,

  • ob diese Beeinträchtigung der Intimsphäre zum Schutz des Bewohners vor einem Sturz auch tatsächlich notwendig ist,

so dass, solange Anhaltspunkte für eine Sturzgefahr bei einem Bewohner

  • weder bei der allgemeinen Fortbewegung im Heim,
  • noch während des Toilettengangs

ersichtlich sind, eine lückenlose Beaufsichtigung auch von Demenzkranken nicht gewährleistet werden muss (Quelle: Pressemitteilung des OLG Karlsruhe).

Wichtig zu wissen für Senioren, die in Demenz- oder Senioren-Wohngemeinschaften leben und für deren Angehörige

…. bzw. deren Betreuer.

Mit Urteil vom 20.08.2019 – L 5 KR 402/19, L 5 KR 403/19, L 5 KR 404/19 – hat der 5. Senat des Bayerischen Landessozialgerichts (LSG) entschieden, dass Bewohner von Senioren- und Demenzwohngruppen grundsätzlich

  • einen Anspruch auf Leistungen der medizinischen Behandlungspflege gegenüber ihrer Krankenkasse

haben auch für

  • ärztlich verordnete Maßnahmen der sog. einfachsten medizinischen Behandlungspflege, die grundsätzlich auch von medizinischen Laien geleistet werden könnten,

wie beispielsweise

  • das Messen von Blutzucker,
  • das Verabreichen von Medikamenten,
  • das Anziehen von Kompressionsstrümpfen

und dass dieser Anspruch nur entfallen könnte, wenn

  • aufgrund eines Vertrages, z.B. des Betreuungsvertrages der Wohngruppe,

diese Leistungen ausdrücklich im Rahmen der Betreuung zu erbringen sind (Quelle: Pressemitteilung des LSG München).

Was Bewohner von Pflegeheimen (und ihre Betreuer) über die Heimkostenzahlungspflichten wissen sollten, wenn sie

…. den Wohn- und Betreuungsvertrag kündigen und der endgültige Auszug aus dem Heim bereits vor Ablauf der Kündigungsfrist erfolgt.

Mit Urteil vom 04.10.2018 – III ZR 292/17 – hat der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) entschieden, dass, wenn

  • Leistungen der sozialen Pflegeversicherung beziehende

Bewohner eines Pflegeheims den

  • mit einem Heimbetreiber geschlossenen

Wohn- und Betreuungsvertrag kündigen und vor Ablauf der Kündigungsfrist endgültig ausziehen,

  • sowohl die Zahlungspflicht des Kostenträgers,
  • als auch die zivilrechtliche Vergütungspflicht dieser Heimbewohner

mit dem Tag des Auszugs aus dem Pflegeheim endet,

  • danach der Pflegeheimbetreiber also keinen Entgeltanspruch mehr hat und
  • er ggf. zuviel vereinnahmte Heimkosten gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zurückzuerstatten hat.

Begründet hat der Senat dies damit, dass

  • nach § 87a Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI) der Zahlungsanspruch des Heimträgers nur für die Tage besteht, in denen sich der Pflegebedürftige tatsächlich im Heim aufhält (Berechnungstage),
  • in Anwendung des Prinzips der Berechnung auf Tagesbasis § 87a Abs. 1 Satz 2 SGB XI anordnet, dass die Zahlungspflicht der Heimbewohner oder ihrer Kostenträger mit dem Tag endet, an dem der Heimbewohner aus dem Heim entlassen wird oder verstirbt,
  • dies sowohl für die Zahlungspflicht des Kostenträgers, als auch für die zivilrechtliche Vergütungspflicht des Heimbewohners gilt und
  • ein „Entlassen“ auch dann vorliegt, wenn der Heimbewohner – nach einer Kündigung des Heimvertragsverhältnisses – vor Ablauf der Kündigungsfrist des § 11 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes zur Regelung von Verträgen über Wohnraum mit Pflege- oder Betreuungsleistungen (WBVG) endgültig auszieht (Quelle: Pressemitteilung des BGH vom 04.10.2018).