Tag Bußgeld und Ordnungswidrigkeiten

Beifahrer muss nicht auf Verkehrszeichen achten.

Einen bloßen Bei- und Mitfahrer in einem Kraftfahrzeug trifft

  • während der Fahrt grundsätzlich keine Pflicht auf Verkehrszeichen zu achten und
  • auch nach einem Fahrerwechsel im Regelfall keine Erkundigungspflicht hinsichtlich etwaiger geltender durch Beschilderung gesetzter Geschwindigkeitsbeschränkungen oder Überholverbote.

 

Das hat der 1. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm mit Beschluss vom 18.06.2014 – 1 RBs 89/14 – entschieden.

In dem der Entscheidung zugrunde liegendem Fall war ein Betroffener, der als Führer eines Pkw im Bereich eines durch Zeichen 276 der Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) angeordneten Überholverbotes einen Pkw überholt hatte, vom Amtsgericht wegen fahrlässiger Nichtbeachtung des Überholverbots zu einer Geldbuße verurteilt worden.

Das OLG Hamm hat dieses Urteil aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht zurückverwiesen, weil das Fahrzeug zunächst von der Ehefrau des Betroffenen geführt worden war, der Betroffene erst nach Beginn des durch Zeichen 276 der StVO angeordneten Überholverbotes, im Anschluss an einem Halt auf einem Parkplatz das Steuer von seiner Ehefrau übernommen hatte und vor dem späteren „Tatort“ kein erneutes Überholverbotszeichen aufgestellt war.

Nach Auffassung des 1. Senats für Bußgeldsachen des OLG Hamm kann in einem solchen Fall eine Verurteilung nur erfolgen, wenn dem Betroffenen nachgewiesen werden kann, dass

  • er vor dem Fahrerwechsel, als er noch Beifahrer war, die das Überholverbot anordnende Beschilderung (Zeichen 276) tatsächlich zur Kenntnis genommen hatte oder
  • ihm das bestehende Überholverbot, weil er die Strecke aus beruflichen und/oder privaten Gründen schon häufiger zuvor befahren hat oder gar regelmäßig befährt, bekannt war oder er es deshalb hätte kennen müssen oder
  • es möglicherweise die Verkehrsgegebenheiten als solche (beispielsweise eine enge Fahrbahn oder ein unübersichtlicher kurvenreicher Fahrbahnverlauf) nahe legten, dass im fraglichen Streckenabschnitt ein Überholverbot angeordnet ist.

 

Dagegen kann einem Betroffenen in einem solchen Fall nicht vorgeworfen werden, dass er sich, als er das Steuer übernahm, bei dem bisherigen Fahrzeugführer über die geltende Beschilderung hätte informieren müssen. Denn eine derartige Erkundigungspflicht besteht bei der gegebenen Fallkonstellation nicht.

 

Rotlichtverstoß – Zu den Anforderungen an die Urteilsgründe.

Eine Verurteilung wegen eines „einfachen“ Rotlichtverstoßes (§§ 37 Abs. 2, 49 Abs. 3 Nr. 2 Straßenverkehrsordnung (StVO)) kann nur dann erfolgen, wenn es dem Betroffenen möglich war, mit einer Bremsung seinen Pkw noch vor der Haltelinie zum Stehen zu bringen.
Grundsätzlich sind daher nähere Ausführungen

  • zur Dauer der Gelbphase,
  • zur zulässigen Höchstgeschwindigkeit,
  • zur Geschwindigkeit des Betroffenen im Zeitpunkt des Umschaltens der Lichtzeichenanlage von Grün auf Gelb und
  • zur Entfernung des Betroffenen von der Lichtzeichenanlage bei Umschalten von Gelb- auf Rotlicht

erforderlich.
Denn nur bei Kenntnis dieser Umstände lässt sich in der Regel entscheiden, ob der Betroffene bei zulässiger Geschwindigkeit und mittlerer Bremsverzögerung in der Lage gewesen wäre, dem vor dem Gelblicht ausgehenden Haltegebot zu folgen, was Voraussetzung für den Vorwurf ist, das Rotlicht schuldhaft missachtet zu haben (vgl. Oberlandesgericht (OLG) Hamm, Beschluss vom 02.11.2010 – 4 RBs 374/10 –; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 28.11.2008 – 3 Ss 220/08 –).

Handelt es sich um einen Rotlichtverstoß innerhalb geschlossener Ortschaften sind Ausführungen zur Dauer der Gelbphase, der zulässigen und vom Betroffenen eingehaltenen Geschwindigkeit sowie seines Abstands zur Ampel jedoch regelmäßig entbehrlich, weil grundsätzlich von einer gemäß § 3 Abs. 3 Nr. 1 StVO zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h und von einer Gelbphase von 3 Sekunden ausgegangen werden kann, was eine gefahrlose Bremsung vor der Ampel ermöglicht, bevor diese von Gelb auf Rot umschaltet (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 02.11.2010 – 4 RBs 374/10 –).
Würde der Betroffene schneller als die zulässigen Höchstgeschwindigkeit fahren und deshalb nicht mehr rechtzeitig vor der Kreuzung anhalten können, so würde bereits die Geschwindigkeitsüberschreitung die Vorwerfbarkeit des Rotlichtverstoßes begründen (OLG Bremen a.a.O.).

Darauf und dass

  • auch ein „einfacher“ Rotlichtverstoß aufgrund der Vorahndungslage eines Betroffenen ohne weiteres die mit der Ahndung mit einem bußgeldrechtlichen Fahrverbot verbundene Wertung als beharrlicher Pflichtenverstoß gemäß § 25 Abs. 1 S. 1 2. Alt. Straßenverkehrsgesetz (StVG) außerhalb eines Regelfalls im Sinne von § 4 Abs. 2 Satz 2 Bußgeldkatalog-Verordnung (BKatV) rechtfertigen,

hat der 3. Senat für Bußgeldsachen des OLG Bamberg mit Beschluss vom 06.03.2014 – 3 Ss OWi 228/14 – hingewiesen.

 

Ist ein Fahrlehrer, der als Beifahrer während einer Ausbildungsfahrt neben einem Fahrschüler sitzt, Fahrzeugführer?

Mit Beschluss vom 20.02.2014 – 3 SsRs 607/13; 3 SsRs 607/13 – AK 220/13 – hat das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe, Senat für Bußgeldsachen, dem Bundesgerichtshof (BGH) folgende Rechtsfrage zur Entscheidung vorgelegt:

„Ist ein Fahrlehrer, der als Beifahrer während einer Ausbildungsfahrt neben einem Fahrschüler sitzt, dessen fortgeschrittener Ausbildungsstand zu einem Eingreifen in der konkreten Situation keinen Anlass gibt, Führer des Kraftfahrzeuges im Sinne des § 23 Abs. 1a Satz 1 StVO?“

Anlass für den Vorlagebeschluss war die Rechtsbeschwerde eines Betroffenen gegen ein Urteil eines Amtsgerichts, das den Betroffenen wegen einer Verkehrsordnungswidrigkeit der vorsätzlichen verbotswidrigen Benutzung eines Mobiltelefons „als Fahrzeugführer“ zu der Geldbuße von 40 Euro verurteilt hatte, weil der Betroffene, als er sich als Fahrlehrer und Beifahrer auf einer Ausbildungsfahrt mit einer im Rahmen von mindestens sechs absolvierten Fahrstunden schon erfahrenen und in der Ausbildung fortgeschrittenen, am Steuer sitzenden Fahrschülerin seines Fahrschulfahrzeuges (Pkw) befand, während der Fahrt – beim Einbiegen in eine Straße nach rechts – über sein an das rechte Ohr gehaltenes Mobiltelefon ohne Freisprecheinrichtung telefoniert hatte, wobei kein Anlass bestand, auf die bereits im Fahren geübte Fahrschülerin besondere Aufmerksamkeit zu verwenden.

An der Verwerfung der Rechtsbeschwerde sieht sich das OLG Karlsruhe gehindert durch die Entscheidung des 1. Bußgeldsenats des OLG Düsseldorf, der im Beschluss vom 04.07.2013 – IV-1 RBs 80/13 –, die Rechtsauffassung vertreten hat, dass der Fahrlehrer, der neben einer fortgeschrittenen Fahrschülerin sitzt und in der konkreten Situation nicht in das Fahrgeschehen eingreifen muss, nicht Führer des Kraftfahrzeuges im Sinne des § 23 Abs. 1a Satz 1 Straßenverkehrsordnung (StVO) sei.
Das OLG Karlsruhe kann aber auch nicht der Rechtsbeschwerde stattgeben und den Betroffenen aus rechtlichen Gründen freisprechen, weil es dann von der Entscheidung des 2. Senats für Bußgeldsachen des OLG Bamberg abweichen müsste, der mit Beschluss vom 24.03.2009 – 2 Ss OWi 127/09 – entschieden hat, dass der für die Verkehrsbeobachtung verantwortliche Fahrlehrer wegen seiner Pflicht, den Fahrschüler ständig zu beobachten, um notfalls sofort eingreifen zu können, Führer des Kraftfahrzeuges im Sinne des § 23 Abs. 1a Satz 1 StVO sei.

Das OLG Karlsruhe neigt dazu, sich der Auffassung des OLG Bamberg und nicht der Auffassung des OLG Düsseldorf anzuschließen (vgl. auch zu der ähnlichen Problematik bei § 24a Straßenverkehrsgesetz (StVG) bzw. § 316 Strafgesetzbuch (StGB ): OLG Dresden, Beschluss vom 19.12.2005 – 3 Ss 588/05 –), weil es für die Beschränkung des Anwendungsbereiches von § 2 Abs. 15 Satz 2 StVG „nur“ bzw. „vor allem“ auf die zivilrechtliche Gefährdungshaftung (§ 18 StVG) bzw. auf die Strafnorm des § 21 StVG es – soweit ersichtlich – keine greifbaren Anhaltspunkte gibt.
Im Übrigen steht der Auffassung, der Fahrzeuglehrer könne erst dann als Kraftfahrzeugführer angesehen werden, wenn er konkret in das Verkehrsgeschehen eingreife (beispielsweise durch Bremsen oder Steuern mittels des Lenkrads) die Erwägung entgegen, dass der (infolge Haltens eines Mobiltelefons) eingeschränkt eingriffsbereite Fahrlehrer oder der (etwa infolge Konsums alkoholischer Getränke) in seiner Wahrnehmungs- und Reaktionsfähigkeit beeinträchtigte Fahrlehrer die Situation, in der ein Eingreifen in das Verkehrsgeschehen geboten ist, möglicherweise nicht erkennt bzw. nicht auf sie reagiert und damit nicht Führer des Kraftfahrzeuges wird.
Die Rechtsprechung zum Führer und zum Führen eines Kraftfahrzeuges im Sinne der §§ 315c, 316 StGB steht zu der Auffassung des OLG Bamberg nicht zwingend in Widerspruch, weil § 2 Abs. 15 Satz 2 StVG für das Straßenverkehrsgesetz eine Sonderregelung trifft, die den Tatbestand des § 24 Abs. 1 StVG i. V. mit § 49 Abs. 1 Nr. 22, § 23 Abs. 1a Satz 1 StVO miterfasst.
Auch vermag das Argument nicht zu überzeugen, dass die Bejahung der Vorlegungsfrage zu dem untragbaren Ergebnis führe, dass der Fahrschüler, der eigenhändig (unter Verstoß gegen das Verbot des § 23 Abs. 1a Satz 1 StVO) mobil telefoniert, nicht wegen einer Ordnungswidrigkeit nach § 24 Abs. 1 StVG, § 49 Abs. 1 Nr. 22 StVO verfolgt werden könnte, weil „ausschließlich“ der Fahrlehrer aufgrund gesetzlicher Fiktion als Führer des Kraftfahrzeugs anzusehen wäre.
Einerseits könnte es als sachgerecht angesehen werden, den Fahrschüler überhaupt nicht als Führer eines Kraftfahrzeuges im Sinne des Strafverkehrsgesetzes (und damit auch der Straßenverkehrsordnung) zu behandeln; diese Ansicht befände sich in Übereinstimmung mit der Auslegung der Kraftfahrzeugführereigenschaft zu der Strafnorm des § 21 StVG, weshalb eine entsprechende Auslegung im Rahmen der Bußgeldvorschriften (§ 24 StVG i.V.m. der StVO, § 24a StVG) an sich folgerichtig wäre.
Andererseits läge es aber auch nicht fern, – unbeschadet der Beschränkung der zivilrechtlichen Haftung auf den Fahrlehrer – sowohl den Fahrschüler als auch den Fahrlehrer während der Ausbildungsfahrt zumindest ordnungswidrigkeitsrechtlich im Sinne des StVG i.V.m. der StVO als Kraftfahrzeugführer zu qualifizieren.

 

Ordnungswidrigkeitenverfahren – Zur Beweiswürdigung im Fall der Identifizierung eines Betroffenen an Hand eines Messfotos.

Im Fall der Täteridentifizierung eines Betroffenen müssen die Urteilsgründe so abgefasst sein, dass dem Rechtsbeschwerdegericht die Prüfung möglich ist, ob ein Messfoto bzw. Radarfoto überhaupt geeignet ist, die Identifizierung einer Person zu ermöglichen. 
Ausreichend ist es hierfür, dass in den Urteilsgründen auf das in der Akte befindliche Foto gemäß § 267 Abs. 1 S. 3 Strafprozessordnung (StPO) i. V. m. § 71 Abs. 1 Ordnungswidrigkeitengesetz (OWiG) Bezug genommen wird, wodurch das Foto zum Bestandteil der Urteilsgründe wird und vom Rechtsbeschwerdegericht dann zur Prüfung der Frage, ob es als Grundlage einer Identifizierung tauglich ist, selbst in Augenschein genommen werden kann.

  • Macht der Tatrichter von dieser Möglichkeit Gebrauch und ist das Foto zur Identifizierung uneingeschränkt geeignet, so sind darüber hinausgehende Ausführungen zur Beschreibung des abgebildeten Fahrzeugführers entbehrlich. 

Die Bezugnahme nach § 267 Abs. 1 S. 3 StPO muss aber deutlich und zweifelsfrei zum Ausdruck gebracht sein. 
Alleine der Hinweis auf die in der Hauptverhandlung erfolgte Inaugenscheinnahme genügt den Anforderungen nicht. Dadurch wird lediglich der Beweiserhebungsvorgang beschrieben wird, nicht aber der Wille zum Ausdruck gebracht wird, das Radarfoto zum Bestandteil der Urteilsurkunde zu machen.

  • Sieht der Tatrichter von einer Verweisung gemäß § 267 Abs. 1 S. 3 StPO ab, muss das Urteil Ausführungen zur Bildqualität enthalten und die abgebildete Person oder jedenfalls mehrere Identifizierungsmerkmale in ihren charakteristischen Eigenschaften so präzise beschreiben, dass dem Rechtsmittelgericht in gleicherweise wie bei Betrachtung des Fotos die Prüfung der Ergiebigkeit des Fotos ermöglicht wird. 

Darauf hat das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf mit Beschluss vom 18.07.2013 – IV-3 RBs 67/13 – hingewiesen.
Vgl. hierzu auch Bernd Rösch, „Das Urteil in Straf- und Bußgeldsachen„, 2. Aufl., S. 356 f.

 

Alle Beiträge sind nach bestem Wissen zusammengestellt. Eine Haftung für deren Inhalt kann jedoch nicht übernommen werden.

Ordnungswidrigkeitenverfahren – Begeht ein auf dem Beifahrersitz sitzender Fahrlehrer eine Ordnungswidrigkeit, wenn er während einer Ausbildungsfahrt mit dem Handy telefoniert?

Ein auf dem Beifahrersitz sitzender Fahrlehrer darf während einer Ausbildungsfahrt mit einem entsprechend ausgerüsteten Pkw jedenfalls dann mit einem Mobiltelefon telefonieren, wenn der Pkw von einem (schon) fortgeschrittenen Fahrschüler geführt wird.

Das hat der 1. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts (OLG) Düsseldorf mit Beschluss vom 04.07.2013 – IV-1 RBs 80/13 – entschieden.

Danach ist der Tatbestand des § 23 Abs. 1a Straßenverkehrsordnung (StVO) schon deshalb nicht erfüllt, weil der das Mobiltelefon benutzende Fahrlehrer in einem solchen Fall kein Fahrzeug führt.
Zwar gilt gemäß § 2 Abs. 15 S. 2 Straßenverkehrsgesetz (StVG) bei Ausbildungsfahrten der Fahrlehrer „im Sinne dieses Gesetzes als Führer des Kraftfahrzeugs“, wenn er den am Steuer sitzenden und noch nicht im Besitz einer Fahrerlaubnis befindlichen Fahrschüler begleitet.

Diese gesetzliche Fiktion vermag nach Auffassung des 1. Senats für Bußgeldsachen des OLG Düsseldorf jedoch eine Ahndung des Fahrlehrers nach § 23 Abs. 1a StVO nicht zu rechtfertigen.
Soweit in Rechtsprechung und Lehre die Ansicht vertreten wird, dass die Norm eine ordnungswidrigkeitenrechtliche Haftung des die Fahrt nur begleitenden Fahrlehrers gemäß § 23 Abs. 1a S. 1 StVO begründe (so wohl OLG Bamberg, Beschluss vom 24.03.2009 – 2 Ss OWi 127/09 –), folgt der 1. Senats für Bußgeldsachen des OLG Düsseldorf dem nicht.

Dabei kann – wie der Senat ausführt – dahinstehen, ob schon der Wortlaut des § 2 Abs. 15 Satz 2 StVG („im Sinne dieses Gesetzes“) den Geltungsbereich der Norm ausschließlich auf das Straßenverkehrsgesetz beschränkt und damit die – immerhin auf seiner Grundlage erlassene – Straßenverkehrsordnung nicht erfasst.
Denn jedenfalls nach dem Sinn und Zweck der Norm sowie aus systematischen Gründen reicht die in § 2 Abs. 15 S. 2 StVG vorgesehene Fiktionswirkung nicht in den Bereich der ordnungswidrigkeitenrechtlichen Haftung hinein.
Nach ihrem Sinn und Zweck dient die Vorschrift dem Schutz des Fahrschülers, indem sie ihn vor einer Strafbarkeit gemäß § 21 StVG bewahrt und an seiner Stelle den Fahrlehrer der zivilrechtlichen Gefährdungshaftung nach § 18 StVG unterwirft.
Ohne die gesetzliche Fiktion des § 2 Abs. 15 Satz 2 StVG würde der Fahrschüler, der während der Ausbildungsfahrt am Steuer sitzt, als Fahrzeugführer die Tatbestände der §§ 21, 18 StVG verwirklichen, was vom Gesetz nicht gewollt ist, denn er soll die erforderliche Fahrerlaubnis erst noch erwerben und dabei als Lernender – zulasten einer Verantwortlichkeit des ihn begleitenden Fahrlehrers – haftungsrechtlich privilegiert werden.

Dass der Fiktion eine über diese Rechtsfolgen hinausgehende, weiterreichende Wirkung nicht zukommen soll, zeigt schon ihr auf das Straßenverkehrsrecht beschränkter Anwendungsbereich, der insbesondere die §§ 315c, 316 Strafgesetzbuch (StGB ) unstreitig nicht erfasst (vgl. OLG Dresden, Beschluss vom 19.12.2005 – 3 Ss 588/05 –), obwohl diese Vorschriften tatbestandlich an das Führen eines Fahrzeuges anknüpfen.
§ 2 Abs. 15 S. 2 StVG verlagert die Verantwortlichkeit vom Fahrschüler auf den Fahrlehrer mithin lediglich partiell, ohne dass er jenseits seines „spezifischen Zusammenhangs mit dem Straßenverkehrsrecht“ in eine „Vorschrift zur strafrechtlichen Mithaftung des Fahrlehrers“ umgedeutet werden könnte.
Eine dahingehende Umdeutung kommt – schon aus systematischen Erwägungen – auch im Bereich der Ordnungswidrigkeiten nicht in Betracht. Andernfalls ergäben sich kaum zu rechtfertigende Wertungswidersprüche (Täterschaft des als Beifahrer angetrunkenen Fahrlehrers im Sinne des § 24a StVG, nicht aber der §§ 315c, 316 StGB ).

Der Fahrlehrer auf dem Beifahrersitz neben einem Fahrschüler ist auch in Anwendung allgemeiner Grundsätze nicht als Fahrzeugführer im Sinne von § 23 Abs. 1a S. 1 StVO anzusehen.
§ 23 Abs. 1a S. 1 StVO ist – ebenso wie die §§ 315c, 316 StGB – ein eigenhändiges Delikt. Es kann nur durch denjenigen verwirklicht werden, der das Fahrzeug in Bewegung setzt oder unter Handhabung seiner technischen Vorrichtungen während der Fahrbewegung lenkt.
Ein Führen allein „durch Worte“ reicht hierfür nicht aus, so dass nach herrschender Meinung der eine Ausbildungsfahrt nur mündlich anleitende Fahrlehrer kein Fahrzeugführer ist, solange er nicht manuell in die Steuerung des Wagens eingreift.

Offen gelassen hat der 1. Senat für Bußgeldsachen des OLG Düsseldorf, ob dies dann anders zu beurteilen ist, wenn sich der Fahrschüler infolge mangelhafter eigener Fahrkenntnisse „bedingungslos“ oder zumindest „im Wesentlichen“ nach den technischen Anweisungen des Fahrlehrers richtet. Denn in dem von ihm entschiedenen Fall war eine derartige Situation nicht gegeben. Anhaltspunkte dafür, dass der Fahrlehrer während der Ausbildungsfahrt mit seinem – fortgeschrittenen – Fahrschüler dessen Verkehrsverhalten durch mündliche Anweisungen maßgeblich bestimmt hat, lagen nicht vor

 

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Ordnungswidrigkeiten- und Strafverfahren – Mitwirkung an Atemalkoholmessung ist freiwillig.

Mit Beschluss vom 16.04.2013 – (2 B ) 53 Ss-OWi 58/13 – hat das Oberlandesgericht (OLG) Brandenburg darauf hingewiesen, dass die Mitwirkung eines Betroffenen an einer Atemalkoholmessung freiwillig ist und nicht erzwungen werden kann, der Betroffene über die Freiwilligkeit seiner Mitwirkung aber nicht belehrt werden muss.

Eine unterbliebene Belehrung über die Freiwilligkeit des Tests führt demzufolge auch nicht zu einer Unverwertbarkeit der Messung.
Zwar ist, wie das OLG Brandenburg in seiner Entscheidung ausführt, anerkannt, dass niemand gegen seinen Willen zu seiner Überführung beitragen muss. Im Strafverfahren ist ein Beschuldigter grundsätzlich nicht verpflichtet, aktiv die Sachaufklärung zu fördern. Ein Beschuldigter ist nicht gehalten, zu seiner eigenen Überführung tätig zu werden. Deshalb darf er nicht zu Tests, Tatrekonstruktionen, Schriftproben oder zur Schaffung ähnlicher für die Erstattung eines Gutachtens notwendiger Anknüpfungstatsachen gezwungen werden.
So darf ein Beschuldigter, der einer Verkehrsstraftat verdächtig ist, auch nicht zu einem Atemalkoholtest gezwungen werden. Diese Grundsätze haben auch in anderen Verfahren, in denen ähnliche Sanktionen wie im Strafrecht drohen, Geltung, auch im Ordnungswidrigkeitenverfahren.

Davon zu unterscheiden ist aber die Frage, ob über die Freiwilligkeit der Mitwirkung auch belehrt werden muss.

Gesetzlichen Regelungen kann eine solche Pflicht nicht entnommen werden.
Der Gesetzgeber hat Belehrungspflichten nur in besonderen Fällen geregelt. So muss nach § 81 h Abs. 4 Strafprozessordnung (SPOt) der Betroffene im Falle einer DNA-Reihenuntersuchung darüber belehrt werden, dass diese Maßnahme nur mit seiner Einwilligung vorgenommen werden darf.
§ 136 Abs. 1 Satz 2 StPO sieht die Belehrung des Beschuldigten über sein Schweigerecht vor. Letztgenannte Vorschrift gilt ihrem Wortlaut nach allein für Vernehmungen. Eine entsprechende Anwendung auf andere Fälle kommt nicht in Betracht, weil der Gesetzgeber in anderen Fällen eine Belehrungspflicht ausdrücklich geregelt hat, wie etwa in § 81 h Abs. 4 StPO, und deshalb eine Regelungslücke nicht besteht.
Die Rechtslage bei Blutentnahmen nach § 81 a StPO ergibt nichts anderes. Anerkannt ist zwar, dass die Einwilligung des Beschuldigten eine richterliche Anordnung entbehrlich macht. Diese Einwilligung muss ausdrücklich und eindeutig sein. Dabei muss der Beschuldigte in der Regel auch über sein Weigerungsrecht belehrt werden. Dabei geht es in den Fällen, in denen eine förmliche richterliche Anordnung rechtmäßig wäre, nicht um die freiwillige Hingabe eines für die Ermittlungsbehörden sonst nicht zur Verfügung stehenden Beweismittels, sondern nur um einen Verzicht auf die Einhaltung einer verfahrensmäßigen Absicherung der Beschuldigtenrechte, der den Grundsatz der Selbstbelastungsfreiheit nicht unmittelbar betrifft.

Ob ein Beweisverwertungsverbot dann besteht, wenn die Ermittlungsbehörden einem Betroffenen eine Mitwirkungspflicht vorgespiegelt oder einen Irrtum über eine solche Pflicht bewusst ausgenutzt haben, hat das OLG Brandenburg offen gelassen und nicht entschieden.

 

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Ordnungswidrigkeitenverfahren – Warum ein Einspruch gegen einen Bußgeldbescheid mitunter wohl überlegt sein sollte.

Verschuldet ein Autofahrer einen harmlosen Unfall, bei dem ein anderer lediglich leicht verletzt wird, kann, wenn die Staatsanwaltschaft das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung wegen der fahrlässiger Körperverletzung nach § 229 Strafgesetzbuch (StGB ) verneint (vgl. §§ 230, 376, 374 Abs. 1 Nr. 4 Strafprozessordnung (StPO ) und sie gegen den Autofahrer keine Anklage wegen fahrlässiger Körperverletzung erhebt, sondern gegen den Autofahrer nur ein Bußgeldbescheid wegen fahrlässig begangenen Verstoßes gegen Vorschriften der Straßenverkehrsordnung erlassen wird, der Autofahrer letztlich doch schnell zum Angeklagten werden.

Hat der bei dem Unfall Verletzte nämlich form- und fristgerecht Strafantrag wegen fahrlässiger Körperverletzung gestellt, wird, wenn der Autofahrer Einspruch gegen den Bußgeldbescheid einlegt und diesen nicht rechtzeitig wieder zurücknimmt, das Bußgeldverfahren in ein Strafverfahren übergeleitet.

Dies erfolgt durch den gerichtlichen Hinweis nach § 81 Abs. 2 S. 1 i. V. m. Abs. 1 S. 2 Ordnungswidrigkeitengesetz (OWiG), dass auch eine Verurteilung „auf Grund eines Strafgesetzes“ in Betracht komme. Mit diesem gerichtlichen Hinweis wird das Bußgeldverfahren endgültig, d.h. unanfechtbar und unwiderruflich in das Strafverfahren übergleitet; zugleich erhält der (bislang) „Betroffene“ gemäß § 81 Abs. 2 Satz 2 OWiG „die Rechtsstellung des Angeklagten“.

Darauf hat das Oberlandesgericht (OLG) Bamberg mit Beschluss vom 24.06.2013 – 3 Ss OWi 824/13 – hingewiesen.

Die Überleitung in das Strafverfahren hat für den Autofahrer die nachteiligen Folgen, dass er seinen Einspruch gegen den Bußgeldbescheid nicht mehr zurücknehmen kann (Bundesgerichtshof (BGH), Beschluss vom 08.07.1980 – 5 StR 686/79 –) und er, im Falle eines Schuldspruchs mit der Verhängung einer Strafe wegen fahrlässiger Körperverletzung rechnen muss.

 

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Ordnungswidrigkeitenrecht – Überholen nur bei ausreichender Sichtweite.

Nach § 5 Abs. 2 S. 1 Straßenverkehrsordnung (StVO) darf nur überholen, wer übersehen kann, dass während des ganzen Überholvorgangs jede Behinderung des Gegenverkehrs ausgeschlossen ist. 
Das ist nur dann der Fall, wenn der Überholende einen Abschnitt der Gegenfahrbahn einsehen kann, der zumindest so lang ist,

  • wie die für den Überholvorgang benötigte Strecke,
  • zuzüglich des Weges, den ein entgegenkommendes, mit zulässiger Höchstgeschwindigkeit fahrendes Fahrzeug während des Überholens zurücklegt,
  • es sei denn, die Breite der Straße lässt ein gefahrloses Überholen auch bei Gegenverkehr zu.

Verstößt ein Betroffener vorsätzlich oder fahrlässig gegen § 5 Abs. 2 S. 1 StVO, handelt er gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 5 StVO ordnungswidrig.

Der Abschnitt, den der Überholende einsehen können muss, ist dabei von der Stelle aus zu messen, an der der Überholvorgang noch gefahrlos abgebrochen werden kann. Dies kann auch möglich sein, wenn der Überholende bereits vollständig auf der Gegenfahrbahn fährt, aber noch auf die rechte Spur zurückwechseln kann, ohne andere Verkehrsteilnehmer zu behindern. Denn solange die Möglichkeit des Abbrechens des Überholvorganges besteht, also insbesondere durch ein aufschließendes nachfolgendes Fahrzeug ein Wiedereinscheren hinter das zu überholende Fahrzeug nicht verhindert wird, bringt dessen Einleitung auch dann keine Gefahr mit sich, wenn anfangs noch nicht gewährleistet ist, den Überholvorgang bei Auftreten von Gegenverkehr sicher zu Ende führen zu können (vgl. Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg, Beschluss vom 27.01.2009 – 300 Ss 1/09 –).

Um dem Rechtsbeschwerdegericht die Beurteilung zu ermöglichen, ob ein Überholvorgang vorschriftsgemäß war oder nicht, sind im tatrichtlichen Urteil neben der Mitteilung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit und Straßenbreite, Feststellungen dazu erforderlich, an welcher Stelle der Überholvorgang noch gefahrlos abgebrochen werden konnte, wie weit der Überholende von dort aus die Gegenfahrbahn einsehen konnte und wie lang die Strecke war, die er noch zum Überholen benötigte. Wenn diese Strecke nicht abgemessen worden ist, ist die Kenntnis der Geschwindigkeiten des Überholenden und des Überholten sowie die Längen beider Fahrzeuge erforderlich, um die Überholstrecke errechnen zu können.

Darauf hat das Oberlandesgericht (OLG) Hamm mit Beschluss vom 12.02.2013 – III-1 RBs 8/13 – hingewiesen.

 

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Strafrecht – Verkehrsunfall eines alkoholbedingt fahruntüchtigen Kraftfahrers.

Bei der Prüfung der Frage, ob ein Verkehrsunfall für einen alkoholbedingt fahruntüchtigen Kraftfahrer auf ein pflichtwidriges Verhalten zurückzuführen und vermeidbar war, ist nicht darauf abzustellen, ob der Fahrer in nüchternem Zustand den Unfall und die dabei eingetretenen Folgen bei Einhaltung derselben Geschwindigkeit hätte vermeiden können; vielmehr ist zu prüfen,

  • bei welcher geringeren Geschwindigkeit er – abgesehen davon, dass er als Fahruntüchtiger überhaupt nicht am Verkehr teilnehmen durfte – noch seiner durch den Alkoholeinfluss herabgesetzten Wahrnehmungs- und Reaktionsfähigkeit bei Eintritt der kritischen Verkehrslage hätte Rechnung tragen können, und
  • ob es auch bei dieser Geschwindigkeit zu dem Unfall und den (diesen) dabei eingetretenen Folgen (Verletzungen) gekommen wäre.

Darauf hat der Bundesgerichtshof (BGH) mit Urteil vom 06.12.2012 – 4 StR 369/12 – hingewiesen.

 

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Ordnungswidrigkeitenverfahren – Teilnahme an einem nicht genehmigten Rennen mit Kraftfahrzeugen.

Gegen einen Teilnehmer an einem nicht genehmigten Rennen mit Kraftfahrzeugen kann nach §§ 29 Abs. 1, 49 Abs. 2 Nr. 5 Straßenverkehrsordnung (StVO), § 24 Straßenverkehrsgesetz (StVG) eine Geldbuße und ein Fahrverbot verhängt werden.
Ein Rennen im Sinne des § 29 Abs. 1 StVO ist ein Wettbewerb oder Wettbewerbsteil zur Erzielung von Höchstgeschwindigkeiten mit Kraftfahrzeugen auf öffentlichen Straßen, bei dem es darum geht, zwischen mindestens zwei Teilnehmern einen Sieger durch Erzielung einer möglichst hohen Geschwindigkeit zu ermitteln. Eine vorherige Absprache aller Beteiligten bedarf es dabei nicht.

Darauf hat das Oberlandesgericht (OLG) Hamm mit Beschluss vom 05.03.2013 – III-1 RBs 24/13 – hingewiesen.

 

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