Ordnungswidrigkeitenverfahren – Begeht ein auf dem Beifahrersitz sitzender Fahrlehrer eine Ordnungswidrigkeit, wenn er während einer Ausbildungsfahrt mit dem Handy telefoniert?

Ordnungswidrigkeitenverfahren – Begeht ein auf dem Beifahrersitz sitzender Fahrlehrer eine Ordnungswidrigkeit, wenn er während einer Ausbildungsfahrt mit dem Handy telefoniert?

Ein auf dem Beifahrersitz sitzender Fahrlehrer darf während einer Ausbildungsfahrt mit einem entsprechend ausgerüsteten Pkw jedenfalls dann mit einem Mobiltelefon telefonieren, wenn der Pkw von einem (schon) fortgeschrittenen Fahrschüler geführt wird.

Das hat der 1. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts (OLG) Düsseldorf mit Beschluss vom 04.07.2013 – IV-1 RBs 80/13 – entschieden.

Danach ist der Tatbestand des § 23 Abs. 1a Straßenverkehrsordnung (StVO) schon deshalb nicht erfüllt, weil der das Mobiltelefon benutzende Fahrlehrer in einem solchen Fall kein Fahrzeug führt.
Zwar gilt gemäß § 2 Abs. 15 S. 2 Straßenverkehrsgesetz (StVG) bei Ausbildungsfahrten der Fahrlehrer „im Sinne dieses Gesetzes als Führer des Kraftfahrzeugs“, wenn er den am Steuer sitzenden und noch nicht im Besitz einer Fahrerlaubnis befindlichen Fahrschüler begleitet.

Diese gesetzliche Fiktion vermag nach Auffassung des 1. Senats für Bußgeldsachen des OLG Düsseldorf jedoch eine Ahndung des Fahrlehrers nach § 23 Abs. 1a StVO nicht zu rechtfertigen.
Soweit in Rechtsprechung und Lehre die Ansicht vertreten wird, dass die Norm eine ordnungswidrigkeitenrechtliche Haftung des die Fahrt nur begleitenden Fahrlehrers gemäß § 23 Abs. 1a S. 1 StVO begründe (so wohl OLG Bamberg, Beschluss vom 24.03.2009 – 2 Ss OWi 127/09 –), folgt der 1. Senats für Bußgeldsachen des OLG Düsseldorf dem nicht.

Dabei kann – wie der Senat ausführt – dahinstehen, ob schon der Wortlaut des § 2 Abs. 15 Satz 2 StVG („im Sinne dieses Gesetzes“) den Geltungsbereich der Norm ausschließlich auf das Straßenverkehrsgesetz beschränkt und damit die – immerhin auf seiner Grundlage erlassene – Straßenverkehrsordnung nicht erfasst.
Denn jedenfalls nach dem Sinn und Zweck der Norm sowie aus systematischen Gründen reicht die in § 2 Abs. 15 S. 2 StVG vorgesehene Fiktionswirkung nicht in den Bereich der ordnungswidrigkeitenrechtlichen Haftung hinein.
Nach ihrem Sinn und Zweck dient die Vorschrift dem Schutz des Fahrschülers, indem sie ihn vor einer Strafbarkeit gemäß § 21 StVG bewahrt und an seiner Stelle den Fahrlehrer der zivilrechtlichen Gefährdungshaftung nach § 18 StVG unterwirft.
Ohne die gesetzliche Fiktion des § 2 Abs. 15 Satz 2 StVG würde der Fahrschüler, der während der Ausbildungsfahrt am Steuer sitzt, als Fahrzeugführer die Tatbestände der §§ 21, 18 StVG verwirklichen, was vom Gesetz nicht gewollt ist, denn er soll die erforderliche Fahrerlaubnis erst noch erwerben und dabei als Lernender – zulasten einer Verantwortlichkeit des ihn begleitenden Fahrlehrers – haftungsrechtlich privilegiert werden.

Dass der Fiktion eine über diese Rechtsfolgen hinausgehende, weiterreichende Wirkung nicht zukommen soll, zeigt schon ihr auf das Straßenverkehrsrecht beschränkter Anwendungsbereich, der insbesondere die §§ 315c, 316 Strafgesetzbuch (StGB ) unstreitig nicht erfasst (vgl. OLG Dresden, Beschluss vom 19.12.2005 – 3 Ss 588/05 –), obwohl diese Vorschriften tatbestandlich an das Führen eines Fahrzeuges anknüpfen.
§ 2 Abs. 15 S. 2 StVG verlagert die Verantwortlichkeit vom Fahrschüler auf den Fahrlehrer mithin lediglich partiell, ohne dass er jenseits seines „spezifischen Zusammenhangs mit dem Straßenverkehrsrecht“ in eine „Vorschrift zur strafrechtlichen Mithaftung des Fahrlehrers“ umgedeutet werden könnte.
Eine dahingehende Umdeutung kommt – schon aus systematischen Erwägungen – auch im Bereich der Ordnungswidrigkeiten nicht in Betracht. Andernfalls ergäben sich kaum zu rechtfertigende Wertungswidersprüche (Täterschaft des als Beifahrer angetrunkenen Fahrlehrers im Sinne des § 24a StVG, nicht aber der §§ 315c, 316 StGB ).

Der Fahrlehrer auf dem Beifahrersitz neben einem Fahrschüler ist auch in Anwendung allgemeiner Grundsätze nicht als Fahrzeugführer im Sinne von § 23 Abs. 1a S. 1 StVO anzusehen.
§ 23 Abs. 1a S. 1 StVO ist – ebenso wie die §§ 315c, 316 StGB – ein eigenhändiges Delikt. Es kann nur durch denjenigen verwirklicht werden, der das Fahrzeug in Bewegung setzt oder unter Handhabung seiner technischen Vorrichtungen während der Fahrbewegung lenkt.
Ein Führen allein „durch Worte“ reicht hierfür nicht aus, so dass nach herrschender Meinung der eine Ausbildungsfahrt nur mündlich anleitende Fahrlehrer kein Fahrzeugführer ist, solange er nicht manuell in die Steuerung des Wagens eingreift.

Offen gelassen hat der 1. Senat für Bußgeldsachen des OLG Düsseldorf, ob dies dann anders zu beurteilen ist, wenn sich der Fahrschüler infolge mangelhafter eigener Fahrkenntnisse „bedingungslos“ oder zumindest „im Wesentlichen“ nach den technischen Anweisungen des Fahrlehrers richtet. Denn in dem von ihm entschiedenen Fall war eine derartige Situation nicht gegeben. Anhaltspunkte dafür, dass der Fahrlehrer während der Ausbildungsfahrt mit seinem – fortgeschrittenen – Fahrschüler dessen Verkehrsverhalten durch mündliche Anweisungen maßgeblich bestimmt hat, lagen nicht vor

 

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