Tag Bußgeldkatalog

Wichtig für Auto- und Kraftradfahrer zu wissen: Die Fahrverbotsregelungen in der neuen StVO sind wahrscheinlich nichtig

Die verschärften Neuregelungen in der 54. Verordnung zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften 

  • über die Verhängung von Fahrverboten,

die u.a. bereits ein Fahrverbot vorsehen bei einer Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit (mit einem Pkw und anderen Kraftfahrzeugen bis 3,5 zulässigem Gesamtgewicht)  

  • von 21 km/h innerhalb geschlossener Ortschaften und 
  • von 26 km/h außerhalb geschlossener Ortschaften 

sind,

  • wegen eines formellen Fehlers,
  • nämlich des „fehlenden Verweises auf die notwendige Rechtsgrundlage“ in der Präambel,

wahrscheinlich nichtig (vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 18.06.2019 – 1 BvR 587/17 –).

Deshalb sollten Auto- und Kraftradfahrer, gegen die wegen einer 

  • nach dem 27.04.2020 begangenen 

Verkehrsordnungswidrigkeit

  • aufgrund der verschärften Neuregelungen in der geänderten Bußgeldkatalogverordnung (BKatV) 

mit Bußgeldbescheid ein Fahrverbot festgesetzt worden ist, gegen den Bußgeldbescheid 

  • Einspruch 

einlegen.

Denn sind die verschärften Neuregelungen nichtig, gilt weiter der alte Bußgeldkatalog, nach dem u.a. ein Fahrverbot wegen Geschwindigkeitsüberschreitung in der Regel erst droht 

  • ab einer Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit 
    • von 31 km/h innerorts sowie 
    • von 41 km/h außerorts 

oder 

  • wenn innerhalb von 12 Monaten zweimal Geschwindigkeitsverstöße von 26 km/h oder mehr begangen wurden.

Was Auto- und Kraftradfahrer wissen und beachten sollten, nachdem Verkehrsminister Scheuer die neue StVO-Novelle überarbeiten lassen will

Verkehrsminister Scheuer will 

  • die erst am 28.04.2020 in Kraft getretene 54. Verordnung zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften und 
  • die damit geänderten Tatbestände der Bußgeldkatalog-Verordnung (BKatV) 

teilweise überarbeiten lassen. 

Insbesondere, dass nach der mit der StVO-Novelle einhergehenden neuen BKatV bereits bei einer Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit (mit einem Pkw und anderen Kraftfahrzeugen bis 3,5 zulässigem Gesamtgewicht)  

  • von 21 km/h innerhalb geschlossener Ortschaften und 
  • von 26 km/h außerhalb geschlossener Ortschaften

die Verhängung 

  • eines Fahrverbots 

droht, wird als unverhältnismäßig angesehen.

Deshalb sollten Auto- und Kraftradfahrer, denen eine 

  • nach dem 27.04.2020 begangene 

Geschwindigkeitsüberschreitung vorgeworfen wird und gegen die

  • lediglich aufgrund der obigen, verschärften Regelung in der geänderten BKatV 

mit Bußgeldbescheid ein Fahrverbot festgesetzt worden ist, gegen den Bußgeldbescheid 

  • Einspruch 

einlegen.

  • Eine (teilweise) Zurücknahme bzw. Wiederabmilderung der verschärften Neuregelung über die Verhängung eines Fahrverbots bereits bei einer Überschreitung der zulässigen Überschreitung von mehr als 20 km/h innerorts und mehr als 25 km/h außerorts – vor der letzten gerichtliche Entscheidung über den Einspruch – könnte sich nämlich ggf. zugunsten des Betroffenen auswirken.  

Zur Erinnerung:
Nach der bis zum 28.04.2020 geltenden BKatV drohte ein Fahrverbot in der Regel 

  • erst ab einer Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit 
    • von 31 km/h innerorts sowie 
    • von 41 km/h außerorts 

oder 

  • wenn innerhalb von 12 Monaten zweimal Geschwindigkeitsverstöße von 26 km/h oder mehr begangen wurden.

Autofahrer sollten wissen, wann das Gericht von einem bußgeldrechtlich verwirkten Regelfahrverbot absehen kann

Sieht die Bußgeldkatalogverordnung (BKatV) wegen grober Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers in der Regel ein Fahrverbot vor,

  • beispielsweise im Fall der Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit mit einem PKW (ohne Anhänger)
    • innerorts um mehr als 30 km/h oder
    • außerorts um mehr als 40 km/h,

und hat die Bußgeldstelle im Bußgeldbescheid in einem solchen Fall, neben einer Geldbuße, gemäß §§ 24, 25 Abs. 1 Satz 1 Straßenverkehrsgesetz (StVG), § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BKatV i.V.m. lfd. Nr. 11.3. ff Tab. 1 BKatV ein Fahrverbot festgesetzt, kann

  • nach Einspruchseinlegung gegen den Bußgeldbescheid

das Amtsgericht von der Anordnung des an sich verwirkten Regelfahrverbots,

  • gegebenenfalls gegen angemessene Erhöhung des als Regelsatz vorgesehehen Bußgeldes (vgl. § 4 Abs. 4 BKatV),

ausnahmsweise u.a. dann absehen, wenn

  • die Ordnungswidrigkeit, also beispielsweise die Geschwindigkeitsüberschreitung, auf ein Augenblicksversagen zurückzuführen ist

oder

  • ein vermeidbarer (Verbots)Irrtum i.S.v. § 11 Abs. 2 Ordnungswidrigkeitengesetz (OWiG) über den Bedeutungsgehalt verkehrsrechtlicher Anordnungen seine Ursache in einem Augenblicksversagen hat

oder

  • bei einer Vollstreckung des Fahrverbots der Verlust des Arbeitsplatzes droht oder die wirtschaftliche Existenz des Betroffenen bedroht wäre und diese Folge von dem Betroffenen auch durch entsprechende und ihm zumutbare Maßnahmen nicht abgewendet werden kann, wie etwa
    • zumindest teilweise Überbrückung durch Urlaub, Inanspruchnahme von öffentlichen Verkehrsmitteln, Taxis, Fahrdienste von Angehörigen oder notfalls vorübergehender Einstellung eines Fahrer für die Dauer des Fahrverbots.

Ein Augenblicksversagen kann angenommen werden im Falle einer momentanen Unaufmerksamkeit bzw. eines kurzzeitiges Fehlverhaltens, wie es auch dem sorgfältigen und pflichtbewussten Kraftfahrer unterlaufen kann.

  • Es ist dadurch gekennzeichnet, dass der Handelnde für eine kurze Zeit die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt,
  • kommt also von vornherein nur bei einfacher Fahrlässigkeit in Betracht und
  • scheidet deshalb aus, wenn ein Betroffener vorsätzlich gehandelt hat.

Ein solches Augenblicksversagen kann vorgelegen haben, wenn ein Betroffener