Tag Einwilligungsunfähigkeit

Infos über die Vorsorgevollmacht und die Patientenverfügung

In einer Vorsorgevollmacht können Volljährige,

  • solange sie geschäftsfähig sind,

regeln, 

  • welche ihrer rechtlichen Angelegenheiten wer besorgen soll, 

wenn sie krankheitsbedingt hierzu nicht mehr selbst in der Lage sind und 

  • dadurch vermeiden, dass im Betreuungsfall, der beispielsweise nach einem Verkehrsunfall oder einem Schlaganfall eintreten kann, vom Gericht ein Betreuer, den sie möglicherweise nicht wollen, bestellt wird.

In einer Patientenverfügung können Volljährige 

  • für den Fall ihrer Einwilligungsunfähigkeit, 

schriftlich bestimmen, ob sie in bestimmte, zum Zeitpunkt der Festlegung noch nicht unmittelbar bevorstehende Untersuchungen ihres Gesundheitszustands, Heilbehandlungen oder ärztliche Eingriffe 

  • einwilligen oder 
  • sie untersagen.

Wichtige weitere Informationen dazu finden Sie u.a. in folgenden unserer Blogs,

Was, wer eine Patientenverfügung erstellen möchte oder schon erstellt hat, wissen sollte

Jeder einwilligungsfähige Volljährige kann,

  • für den Fall seiner Einwilligungsunfähigkeit,

schriftlich festgelegen – ohne dass dazu eine notarielle oder sonstige Beurkundung erforderlich ist -,

  • ob er in bestimmte, zum Zeitpunkt der Festlegung noch nicht unmittelbar bevorstehende Untersuchungen seines Gesundheitszustands, Heilbehandlungen oder ärztliche Eingriffe
  • einwilligt oder sie untersagt,

also auch, wann bei ihm

  • lebenserhaltende Maßnahmen nicht (mehr) ergriffen oder
  • (bereits eingeleitete) lebenserhaltende Maßnahmen abgebrochen werden sollen.

Eine solche Patientenverfügung im Sinne des § 1901 a Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB),

  • die übrigens jederzeit schriftlich geändert und formlos widerrufen werden kann,

entfaltet eine unmittelbare Bindungswirkung (auch) gegenüber dem behandelnden Arzt allerdings nur dann, wenn

  • sie ausreichend bestimmt ist,
  • d.h., sich feststellen lässt, in welchen konkreten Behandlungssituationen welche ärztliche Maßnahmen durchgeführt werden bzw. unterbleiben sollen.

Diesem Bestimmtheitsgrundsatz genügt eine Patientenverfügung, die

  • einerseits konkret die Behandlungssituationen beschreibt, in der die Verfügung gelten soll, und
  • andererseits die ärztlichen Maßnahmen genau bezeichnet, in die der Ersteller einwilligt oder die er untersagt,

etwa durch Angaben zur

  • Schmerz- und Symptombehandlung,
  • künstlichen Ernährung und Flüssigkeitszufuhr,
  • Wiederbelebung,
  • künstlichen Beatmung,
  • Antibiotikagabe oder Dialyse.

Die Anforderungen an die Bestimmtheit einer Patientenverfügung dürfen dabei allerdings nicht überspannt werden.

Der Ersteller muss weder seine eigene Biografie als Patient vorausahnen, noch die zukünftigen Fortschritte in der Medizin vorwegnehmend berücksichtigen.

  • Ausreichend ist, dass der Ersteller umschreibend festlegt, was er in einer bestimmten Lebens- und Behandlungssituation bzw. bei bestimmten spezifizierten Krankheiten will und was nicht.

Nicht ausreichend sind jedoch

  • allgemeine Anweisungen, wie die Aufforderung, „ein würdevolles Sterben zu ermöglichen oder zuzulassen, wenn ein Therapieerfolg nicht mehr zu erwarten ist“ oder
  • lediglich die Äußerung, „keine lebenserhalten- den Maßnahmen“ zu wünschen, da diese Äußerung jedenfalls für sich genommen keine hinreichend konkrete Behandlungsentscheidung enthält.

Darauf hat der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Beschluss vom 08.02.2017 – XII ZB 604/15 – hingewiesen.

Was, wer eine Patientenverfügung errichten und eine Vorsorgevollmacht erteilen will, wissen sollte

Jeder, der volljährig und (noch) einwilligungsfähig ist, kann

  • in einer Patientenverfügung,
  • die er, solange er einwilligungsfähig ist, auch jederzeit formlos wieder widerrufen kann,

für den Fall seiner Einwilligungsunfähigkeit schriftlich festlegen, ob er in bestimmte, zum Zeitpunkt der Festlegung noch nicht unmittelbar bevorstehende Untersuchungen seines Gesundheitszustands, Heilbehandlungen oder ärztliche Eingriffe

  • einwilligt oder
  • sie untersagt (vgl. § 1901a Abs. 1 Satz 1 BGB).

Beachtet werden muss bei der Errichtung einer Patientenverfügung, dass diese unmittelbare Bindungswirkung nur dann entfaltet, wenn ihr konkrete Entscheidungen des Betroffenen

  • über die Einwilligung oder Nichteinwilligung
  • in bestimmte, noch nicht unmittelbar bevorstehende ärztliche Maßnahmen

entnommen werden können.

  • Allgemeine Anweisungen, wie die Aufforderung, ein würdevolles Sterben zu ermöglichen oder zuzulassen, wenn ein Therapieerfolg nicht mehr zu erwarten ist, sind ebensowenig ausreichend,
  • wie die alleinige, keine konkrete Behandlungsentscheidung enhaltende Äußerung, „keine lebenserhaltenden Maßnahmen“ zu wünschen.

Vielmehr muss der Betroffene zumindest umschreibend festlegen, was er in einer bestimmten Lebens- und Behandlungssituation will und was nicht, wobei

  • die insoweit erforderliche Konkretisierung durch die Benennung bestimmter ärztlicher Maßnahmen oder
  • die Bezugnahme auf ausreichend spezifizierte Krankheiten oder Behandlungssituationen erfolgen kann.

Liegt eine wirksame Patientenverfügung vor und tritt nachfolgend ein Fall ein, in dem eine Entscheidung über eine ärztliche Maßnahme getroffen werden muss, die der Betroffene, wegen zwischenzeitlich bei ihm eingetretener Einwilligungsunfähigkeit, nicht mehr unmittelbar selbst treffen kann, prüft

  • entweder ein Betreuer, der vom Gericht bestellt wird oder
  • wenn von dem Betroffenen nicht nur eine Patientenverfügung, sondern zu einem Zeitpunkt als er noch geschäftsfähig war, eine Person mit der Wahrnehmung seiner Angelegenheiten beauftragt worden ist, dieser Bevollmächtigte des Betroffenen (vgl. zur Vorsorgevollmacht § 1901c BGB),

ob die Festlegungen des Betroffenen in seiner Patientenverfügung auf die aktuelle Lebens- und Behandlungssituation zutreffen.

  • Ist dies der Fall hat der Betroffene die Entscheidung (schon) selbst getroffen.
    Dem Bevollmächtigten obliegt es dann gemäß § 1901 a Abs. 1 Satz 2, Abs. 5 BGB dem in der Patientenverfügung niedergelegten Willen des Betroffenen Ausdruck und Geltung zu verschaffen, wobei er gemäß § 1901 b Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 BGB die Maßnahme unter Berücksichtigung des Patientenwillens mit dem behandelnden Arzt zu erörtern hat und nach § 1901 b Abs. 2 und 3 BGB nahen Angehörigen und sonstigen Vertrauenspersonen des Betroffenen Gelegenheit zur Äußerung geben soll, wenn dies ohne erhebliche Verzögerung möglich ist.
  • Anderenfalls hat der Bevollmächtigte gemäß § 1901 a Abs. 2 und 5 BGB die Behandlungswünsche oder den mutmaßlichen Willen des Betroffenen festzustellen und hierbei wiederum §§ 1901 a, 1901 b BGB zu beachten und auf dieser Grundlage zu entscheiden hat.

Ob ein von dem Betroffenen Bevollmächtigter dem Willen des Betroffen Ausdruck und Geltung verschaffen kann, hängt allerdings ab vom Umfang der ihm erteilten Vorsorgevollmacht.

Hat der Betroffene dem Bevollmächtigten

  • lediglich die Vertretung in Fragen der medizinischen Versorgung und Behandlung übertragen,

ist der Bevollmächtigte zwar ermächtigt

  • zu entscheiden, dass lebensverlängernde ärztliche Maßnahmen nicht beendet werden.

Nicht ermächtigt ist der Bevollmächtigte in einem solchen Fall aber

  • zur Einwilligung in eine ärztliche Maßnahme, wenn die begründete Gefahr besteht, dass der Betroffene auf Grund der Maßnahme stirbt oder einen schweren und länger dauernden gesundheitlichen Schaden erleidet (vgl. § 1904 Abs. 1 Satz 1 BGB) und
  • auch nicht zur Entscheidung, dass lebenserhaltende Maßnahmen unterbleiben oder beendigt werden (vgl. § 1904 Abs. 2 BGB).

Will ein Betroffener seinem Bevollmächtigten auch das Recht einräumen in eine Untersuchung des Gesundheitszustands, in eine Heilbehandlung oder in einen ärztlichen Eingriff bei Vorliegen der in § 1904 Abs. 1 und 2 BGB genannten besonderen Gefahrensituation einzuwilligen, nicht einzuwilligen oder die Einwilligung zu widerrufen,

  • muss er im Vollmachttext hinreichend klar umschreiben, dass sich die Entscheidungskompetenz des Bevollmächtigten auf die im Gesetz genannten ärztlichen Maßnahmen sowie darauf bezieht, sie zu unterlassen oder am Betroffenen vornehmen zu lassen,
  • wobei aus der Vollmacht auch deutlich werden muss, dass die jeweilige Entscheidung mit der begründeten Gefahr des Todes oder eines schweren und länger dauernden gesundheitlichen Schadens verbunden sein kann (vgl. § 1904 Abs. 5 Satz 2 BGB).

Übrigens:
Zwar bedarf eine Maßnahme im Sinne des § 1904 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BGB keiner gerichtlichen Genehmigung (§ 1904 Abs. 4 und Abs. 5 Satz 1 BGB), wenn zwischen einem entscheidungsbefugten Bevollmächtigten und dem behandelnden Arzt Einvernehmen darüber besteht, welche Vorgehensweise dem Willen des Betroffenen nach § 1901 a Abs. 1 und 2 BGB entspricht, so dass beispielsweise das Betreuungsgericht in einem solchen Fall einen Antrag auf betreuungsgerichtliche Genehmigung der Einwilligung in den Abbruch etwa einer künstlichen Ernährung als lebensverlängernder Maßnahme ohne weitere gerichtliche Ermittlungen ablehnen und ein sogenanntes Negativattest erteilen müsste, aus dem sich ergibt, dass eine gerichtliche Genehmigung nicht erforderlich ist.
Andererseits wird dadurch, dass eine wechselseitige Kontrolle zwischen Arzt und Bevollmächtigten bei der Entscheidungsfindung stattfindet, auch dem Schutz eines Betroffenen vor einem etwaigen Missbrauch der Befugnisse des Bevollmächtigten Rechnung getragen.

Darauf hat der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Beschluss vom 06.07.2016 – XII ZB 61/16 – hingewiesen.