Tag Erwerbsminderung

Teilweise erwerbsgeminderte Arbeitnehmer sollten wissen, dass sie Anspruch auf volle Erwerbsminderungsrente haben können, wenn

…. praktisch keine Aussicht auf eine Teilzeitstelle besteht.

Mit Urteil vom 23.08.2019 – L 5 R 226/18 – hat das Hessische Landessozialgericht (LSG) in Darmstadt im Fall eines als Bauzeichner Beschäftigten, der 

  • aufgrund einer psychischen Erkrankung arbeitsunfähig geworden war, zunächst Krankengeld, anschließend Arbeitslosengeld und unter Hinweis darauf, nur noch drei bis sechs Stunden täglich arbeiten zu können, 

eine Rente wegen Erwerbsminderung beantragt hatte, darauf hingewiesen, dass gesetzlich rentenversicherte Arbeitnehmer, die aus

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Wer eine Rente wegen Erwerbsminderung beantragt, sollte beachten, dass, wenn er durch nicht ausreichende Mitwirkung

…. die Aufklärung des Sachverhaltes unmöglich macht, die Gewährung der begehrten Erwerbsminderungsrente versagt werden kann.

Mit Urteil vom 21.06.2019 – S 105 R 57/18 – hat das Sozialgericht (SG) Berlin darauf hingewiesen, dass, wer eine Rente wegen Erwerbsminderung beantragt (im Folgenden: Antragsteller), bei der daraufhin von der Rentenversicherung von Amts wegen vorzunehmenden Ermittlungen,

  • ob die medizinischen Voraussetzungen für die begehrte Rente vorliegen,

ausreichend mitwirken muss und dass,

  • sollte ein Antragsteller seinen Mitwirkungspflichten nicht ausreichend nachkommen und
  • dadurch die Aufklärung des Sachverhaltes unmöglich machen,

die Gewährung der Erwerbsminderungsrente versagt werden kann (§ 66 Abs. 1 Satz 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I).

Ist beispielsweise zur Ermittlung des Vorliegens der Leistungsvoraussetzungen

  • eine Begutachtung des Antragstellers auf psychiatrischem Gebiet erforderlich und angeordnet,

muss der Antragsteller bereit sein, sich,

  • ohne Anwesenheit einer Begleitperson,

der diesbezüglichen Untersuchung zu unterziehen.

Besteht keine Bereitschaft dazu,

  • sondern will ein Antragsteller sich nur bei Anwesenheit einer Begleitperson psychiatrisch untersuchen lassen,

würde,

  • weil dann eine Begutachtung nicht erfolgen kann,

der Antragsteller die Aufklärung des Sachverhalts unmöglich machen.

Denn eine Untersuchung zur Begutachtung auf psychiatrischem Gebiet kann,

  • da die wichtigste Erkenntnisquelle dabei die Befragung der zu untersuchenden Person ist und
  • bei der Teilnahme einer Begleitperson an der Befragung – insbesondere wenn es sich bei ihr um einen Familienangehörigen oder Partner handelt – stets die Gefahr besteht, dass der Proband
    • aus Rücksicht auf die Erwartungen der Begleitperson
    • keine vollständigen oder wahrheitsgemäßen Angaben macht,

grundsätzlich nur ohne Begleitperson stattfinden (Quelle: Pressemitteilung des SG Berlin).

Wichtig zu wissen für Bezieher einer Erwerbsminderungsrente, denen von ihrem früheren Arbeitgeber für

…. frühere Mehrarbeit ein Vergütung (nach)gezahlt wird.

Mit Urteil vom 13.07.2018 – S 2 R 1024/16 – hat das Sozialgericht (SG) Landshut entschieden, dass, wenn Bezieher einer Erwerbsminderungsrente während ihres Rentenbezugs

  • von ihrem früheren Arbeitgeber

eine Vergütung für Mehrarbeit gezahlt wird,

  • die sie vor Eintritt der Erwerbsminderung geleistet haben und
  • die beispielsweise durch Freizeit auszugleichen wegen der Arbeitsunfähigkeit nicht mehr möglich war,

sie sich diese Vergütung nicht als Hinzuverdienst i.S.d. § 96a Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) auf die Erwerbsminderungsrente anrechnen lassen müssen.

Danach ist eine solche Mehrarbeitsvergütung,

  • der eine konkrete Arbeitsleistung zu zeitlich zuordbaren Kalendermonaten vor dem Rentenbezug zugrunde liegt,
  • im Gegensatz zu anderen Einmalzahlungen, bei denen dies nicht problemlos möglich ist,

rechtlich den Monaten zuzuordnen, in denen die Mehrarbeit konkret geleistet wurde und

  • nicht dem Monat ihrer Auszahlung (Quelle: juris Das Rechtsportal).

Was Unterhaltsberechtigte und Unterhaltsverpflichtete (die Erwerbsminderungsrente beziehen) wissen sollten

Unterhaltspflichtig gegenüber einem gemäß § 1602 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) bedürftigen Verwandten in gerader Linie (vgl. § 1601 BGB) ist nach § 1603 Abs. 1 BGB nur nicht, wer

  • bei Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen außerstande ist,
  • den Unterhalt ohne Gefährdung seines eigenen angemessenen Unterhalts zu gewähren.

Ob ein Unterhaltspflichtiger leistungsfähig ist bestimmt sich in erster Linie nach dem von ihm erzielten bzw. nach dem ihm möglichen und in zumutbarer Weise erzielbaren Einkommen (vgl. Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 09.07.2003 – XII ZR 83/00 –).

Die Darlegungs- und Beweislast für eine mangelnde oder eingeschränkte Leistungsfähigkeit trägt der Unterhaltspflichtige.

Dies gilt ebenfalls für ein von ihm geltend gemachtes Fehlen einer realen Beschäftigungschance (BGH, Beschlüsse vom 22.012014 – XII ZB 185/12 – und vom 19.06.2013 – XII ZB 39/11 –).

  • Zugerechnet werden darf einem Unterhaltspflichtigen allerdings auch bei einem Verstoß gegen seine Erwerbsobliegenheit nur ein Einkommen, welches von ihm realistischerweise zu erzielen ist (BGH, Beschluss vom 19.06.2013 – XII ZB 39/11 –).
  • Für den Unterhalt einsetzbar sind sodann im Rahmen von § 1603 Abs. 1 BGB die erzielten bzw. erzielbaren Beträge, die den angemessenen eigenen Unterhalt des Unterhaltspflichtigen (angemessener Selbstbehalt) übersteigen.

Wer sich gegenüber seiner Erwerbsobliegenheit auf eine krankheitsbedingte Einschränkung seiner Erwerbsfähigkeit berufen will,

Bezieht ein Unterhaltspflichtiger eine Rente wegen voller Erwerbsminderung gemäß § 43 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI), so setzt dies grundsätzlich voraus, dass er wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI).

Das zeitliche Leistungsvermögen von täglich drei Stunden entspricht der Grenze für eine Vermittlung durch die Agentur für Arbeit (§ 138 Abs. 5 Nr. 1 SGB III: 15 Stunden wöchentlich; vgl. auch § 138 Abs. 3 Satz 1 SGB III).
Nach demselben Maßstab erfolgt auch die Abgrenzung zwischen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Sozialgesetzbuch II und der Grundsicherung für Erwerbsgeminderte nach dem Sozialgesetzbuch XII (§ 8 Abs. 1 SGB II, § 41 Abs. 3 SGB XII).

  • Erfüllt ein Unterhaltspflichtiger die Voraussetzungen einer Rente wegen voller Erwerbsminderung, so ergibt sich daraus mithin, dass er nicht drei Stunden oder mehr arbeitstäglich erwerbstätig sein kann und dass er einer Vermittlung durch die Agentur für Arbeit nicht zur Verfügung steht.
  • Eine vollständige Unfähigkeit für sämtliche Tätigkeiten, etwa im Geringverdienerbereich, ergibt sich daraus indessen noch nicht.

Das stimmt mit der vom Gesetz für Renten wegen voller Erwerbsminderung in voller Höhe vorgesehenen Hinzuverdienstgrenze nach § 96 a Abs. 2 Nr. 2 SGB VI (entsprechend der Geringverdienertätigkeit nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV; derzeit 450 €) überein.

Dementsprechend trägt der Unterhaltspflichtige nicht nur die Darlegungs- und Beweislast dafür,

  • dass er keine Vollzeitstelle zu erlangen vermag,
  • sondern auch dafür, dass dies in gleicher Weise für eine geringfügige Beschäftigung (sog. Mini-Job) gilt (vgl. BGH, Beschluss vom 18.01.2012 – XII ZR 178/09 – zur Erwerbsobliegenheit des unterhaltsberechtigten Ehegatten).

Das gilt bereits im Rahmen der Leistungsfähigkeit nach § 1603 Abs. 1 BGB.
Denn dem Unterhaltspflichtigen obliegt die Ausschöpfung seiner Leistungsfähigkeit auch außerhalb der gesteigerten Unterhaltspflicht nach § 1603 Abs. 2 BGB bereits im Rahmen seiner allgemeinen Verpflichtung nach § 1603 Abs. 1 BGB.

Darauf hat der XII. Zivilsenat des BGH mit Beschluss vom 09.11.2016 – XII ZB 227/15 – hingewiesen.