Was Unterhaltsberechtigte und Unterhaltsverpflichtete (die Erwerbsminderungsrente beziehen) wissen sollten

Was Unterhaltsberechtigte und Unterhaltsverpflichtete (die Erwerbsminderungsrente beziehen) wissen sollten

Unterhaltspflichtig gegenüber einem gemäß § 1602 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) bedürftigen Verwandten in gerader Linie (vgl. § 1601 BGB) ist nach § 1603 Abs. 1 BGB nur nicht, wer

  • bei Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen außerstande ist,
  • den Unterhalt ohne Gefährdung seines eigenen angemessenen Unterhalts zu gewähren.

Ob ein Unterhaltspflichtiger leistungsfähig ist bestimmt sich in erster Linie nach dem von ihm erzielten bzw. nach dem ihm möglichen und in zumutbarer Weise erzielbaren Einkommen (vgl. Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 09.07.2003 – XII ZR 83/00 –).

Die Darlegungs- und Beweislast für eine mangelnde oder eingeschränkte Leistungsfähigkeit trägt der Unterhaltspflichtige.

Dies gilt ebenfalls für ein von ihm geltend gemachtes Fehlen einer realen Beschäftigungschance (BGH, Beschlüsse vom 22.012014 – XII ZB 185/12 – und vom 19.06.2013 – XII ZB 39/11 –).

  • Zugerechnet werden darf einem Unterhaltspflichtigen allerdings auch bei einem Verstoß gegen seine Erwerbsobliegenheit nur ein Einkommen, welches von ihm realistischerweise zu erzielen ist (BGH, Beschluss vom 19.06.2013 – XII ZB 39/11 –).
  • Für den Unterhalt einsetzbar sind sodann im Rahmen von § 1603 Abs. 1 BGB die erzielten bzw. erzielbaren Beträge, die den angemessenen eigenen Unterhalt des Unterhaltspflichtigen (angemessener Selbstbehalt) übersteigen.

Wer sich gegenüber seiner Erwerbsobliegenheit auf eine krankheitsbedingte Einschränkung seiner Erwerbsfähigkeit berufen will,

Bezieht ein Unterhaltspflichtiger eine Rente wegen voller Erwerbsminderung gemäß § 43 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI), so setzt dies grundsätzlich voraus, dass er wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI).

Das zeitliche Leistungsvermögen von täglich drei Stunden entspricht der Grenze für eine Vermittlung durch die Agentur für Arbeit (§ 138 Abs. 5 Nr. 1 SGB III: 15 Stunden wöchentlich; vgl. auch § 138 Abs. 3 Satz 1 SGB III).
Nach demselben Maßstab erfolgt auch die Abgrenzung zwischen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Sozialgesetzbuch II und der Grundsicherung für Erwerbsgeminderte nach dem Sozialgesetzbuch XII (§ 8 Abs. 1 SGB II, § 41 Abs. 3 SGB XII).

  • Erfüllt ein Unterhaltspflichtiger die Voraussetzungen einer Rente wegen voller Erwerbsminderung, so ergibt sich daraus mithin, dass er nicht drei Stunden oder mehr arbeitstäglich erwerbstätig sein kann und dass er einer Vermittlung durch die Agentur für Arbeit nicht zur Verfügung steht.
  • Eine vollständige Unfähigkeit für sämtliche Tätigkeiten, etwa im Geringverdienerbereich, ergibt sich daraus indessen noch nicht.

Das stimmt mit der vom Gesetz für Renten wegen voller Erwerbsminderung in voller Höhe vorgesehenen Hinzuverdienstgrenze nach § 96 a Abs. 2 Nr. 2 SGB VI (entsprechend der Geringverdienertätigkeit nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV; derzeit 450 €) überein.

Dementsprechend trägt der Unterhaltspflichtige nicht nur die Darlegungs- und Beweislast dafür,

  • dass er keine Vollzeitstelle zu erlangen vermag,
  • sondern auch dafür, dass dies in gleicher Weise für eine geringfügige Beschäftigung (sog. Mini-Job) gilt (vgl. BGH, Beschluss vom 18.01.2012 – XII ZR 178/09 – zur Erwerbsobliegenheit des unterhaltsberechtigten Ehegatten).

Das gilt bereits im Rahmen der Leistungsfähigkeit nach § 1603 Abs. 1 BGB.
Denn dem Unterhaltspflichtigen obliegt die Ausschöpfung seiner Leistungsfähigkeit auch außerhalb der gesteigerten Unterhaltspflicht nach § 1603 Abs. 2 BGB bereits im Rahmen seiner allgemeinen Verpflichtung nach § 1603 Abs. 1 BGB.

Darauf hat der XII. Zivilsenat des BGH mit Beschluss vom 09.11.2016 – XII ZB 227/15 – hingewiesen.


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