Tag Gefahrenquelle

LG Nürnberg-Fürth entscheidet wozu Vermieter zum Schutz ihrer Mieter vor Schäden verpflichtet sind

…. und wozu nicht. 

Mit Beschluss vom 22.01.2020 – 7 S 693/19 – hat das Landgericht (LG) Nürnberg-Fürth darauf hingewiesen, dass ein Vermieter zum Schutz seiner Mieter, deren Angehörigen und Lebensgefährten vor Schäden diejenigen Sicherheitsvorkehrungen treffen muss, 

  • die ein verständiger und umsichtiger Vermieter für ausreichend halten darf und 
  • die ihm den Umständen nach zumutbar sind,

demzufolge eine vollständige Gefahrlosigkeit und Mängelfreiheit des Mietobjekts nicht verlangt werden kann, sondern ein Vermieter nur die Gefahren ausräumen muss, vor denen 

  • ein sorgfältiger Benutzer 

sich nicht selbst schützen kann, weil die Gefahrenlage 

  • entweder völlig überraschend eintritt 
  • oder nicht ohne weiteres erkennbar ist.

Danach haftet, wenn beispielsweise, wie in dem der Entscheidung zugrunde liegendem Fall, im Hofbereich des Anwesens eines Vermieters 

  • für einen aufmerksamen Benutzer nicht zu übersehen war, dass dort 

Bodenpflastersteine aufgesprungen sowie hochgedrückt sind, bei einem darauf zurückzuführenden Sturz

  • der minderjährigen Tochter von Wohnungsmietern mit ihrem Fahrrad 

der Vermieter deswegen nicht für die Folgen des Sturzes, 

Was Kite-Surfer wissen und insbesondere beim Startvorgang beachten sollten

Mit Urteil vom 05.08.2019 – 19 O 49/18 – hat das Landgericht (LG) Köln entschieden, dass Kite-Surfer durch ihren Lenkdrachen (Kite),

  • da sie beim Bedienen dieses Sportgeräts in besonderem Maße den naturgemäß nicht beeinflussbaren Kräften des Windes ausgesetzt sind,

eine Gefahrenquelle schaffen, sie daher

  • eine gesteigerte Verantwortung dafür trifft, die aus dieser Gefahr resultierenden Folgen zu vermeiden und

insbesondere auch durch

  • kontinuierliche Beobachtung ihrer Umgebung sowie
  • Vergewisserung, dass sich keine Personen im näheren Umfeld befinden,

dafür Sorge tragen müssen, dass

  • ihnen beim Startvorgang genügend Platz zur Verfügung steht und
  • eine Gefährdung von anderen Personen, die sich eventuell in der Nähe befinden, ausgeschlossen ist.

In dem der Entscheidung zugrunde liegendem Fall hat das LG eine Kite-Surferin, die während des Startvorgangs,

  • auf einer durch eine entsprechende Beschilderung als Start- und Landezone für Kite-Surfer ausgewiesen Wiese an einem Lenkdrachen (Kite) hängend,

durch eine Böe seitlich weggezogen worden und

  • bei dem Versuch dies mit einem Ausfallschritt auszugleichen,

mit einem ihr im Weg stehenden Spaziergänger kollidiert war,

  • der dabei eine Unterschenkelfraktur erlitten hatte und zwei Mal operiert werden musste,

zur Zahlung von Schadensersatz und Schmerzensgeld an den verletzten Fußgänger verurteilt.

Ein Mitverschulden des Spaziergängers ist vom LG mit der Begründung verneint worden, dass

  • der Bereich, in dem sich der Unfall ereignet hatte, zwar als Kite-Zone ausgewiesen,
  • aber die Nutzung der Wiese dort durch Nicht-Kiter nicht verboten bzw. für diese nicht gesperrt, sondern öffentlich zugänglich war und
  • die Gefahren des Kitesurfens für einen mit der Sportart nicht vertrauten Spaziergänger nicht ohne weiteres erkennbar seien (Quelle: juris Das Rechtsportal).

OLG Hamm spricht Kundin, die in einem Geschäft Opfer einer überraschenden Gefahrenquelle wurde, 100 % Schadenersatz zu

Mit Urteil vom 19.01.2018 – 9 U 86/17 – hat der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm in einem Fall, in dem eine Kundin in einem Bekleidungsgeschäft während der Geschäftszeiten übersehen hatte,

  • dass im Gang zur Kasse die Abdeckung eines in den Keller führenden Schachtes offen stand und
  • durch die 2,11 m x 0,8 m offene Luke in den Schacht gestürzt war,

den Inhaber des Bekleidungsgeschäfts,

  • wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht,

dazu verurteilt,

  • der Kundin 100 % des bei dem Sturz erlittenen Schadens zu ersetzen.

Denn, so der Senat,

  • in einem Bekleidungsgeschäft werde die Aufmerksamkeit der Kunden zielgerichtet durch die auf den Kleiderständern angebotenen Waren, Preisschilder und sonstige Hinweisschilder in Anspruch genommen und auch von anderen Dingen abgelenkt,

so dass

  • eine während des Publikumsverkehrs geöffnete Bodenluke für Kunden eine überraschende Gefahrenquelle darstelle,
  • mit der sie nicht rechnen müssen

und bei dieser Sachlage einem Kunden in der Regel somit,

  • insbesondere wenn seine exakten Sichtverhältnisse bei der Annäherung nicht mehr genau zu rekonstruieren seien,

auch kein Mitverschulden vorgeworfen werden könne bzw. im Fall eines Mitschuldens, dieses jedenfalls hinter die gravierende Verkehrssicherungspflichtverletzung vollständig zurücktrete.