Tag Geschäftsgrundlage

Was Geschwister, die untereinander einen Übertragungsvertrag mit Pflegevereinbarung schließen, wissen sollten

Schließen Geschwister untereinander einen Übertragungsvertrag mit Pflegevereinbarung, d.h. 

  • überträgt beispielsweise der Bruder sein mit einem Wohnhaus bebautes Grundstück auf seine Schwester, 
  • die als Gegenleistung hierfür dem Bruder ein Wohnrecht an bestimmten Räumen des Hauses bestellt und sich verpflichtet, ihn lebenslang zu betreuen und zu pflegen,

ist die 

  • dauerhafte, von gegenseitigem Vertrauen der Parteien getragene Beziehung 

im Zweifel Geschäftsgrundlage des Vertrags, mit der Folge, dass der Übertragende (= im obigen Beispiel der Bruder), wenn das Verhältnis zwischen 

  • ihm und 
  • dem Übernehmenden (= im obigen Beispiel die Schwester) 

heillos zerrüttet und aufgrund dessen die Annahme von Pflegeleistungen nicht länger zumutbar ist – vorbehaltlich vertraglicher Vereinbarungen – 

  • wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage

die Rechte aus § 313 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) geltend machen kann, sofern die Zerrüttung nicht eindeutig ihm 

  • allein (also nicht nur in stärkerem Maße)

anzulasten und er deshalb nicht schutzwürdig ist.

Zu beachten ist hierbei 

Folgendes:

Für die Umstände, auf die die Anwendung der Regeln über den Wegfall der Geschäftsgrundlage gestützt werden soll, trägt die 

  • Darlegungs- und 
  • Beweislast,

derjenige, der sich darauf beruft.

Steht fest, dass das Verhältnis der Beteiligten zerrüttet ist, muss der Übernehmende die für ihn günstige Tatsache 

  • darlegen und 
  • beweisen,

dass 

  • der Übertragende sich ausnahmsweise nicht auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage berufen kann,
  • also ihm das Zerwürfnis allein anzulasten ist.

Sind danach die Voraussetzungen für den Wegfall der Geschäftsgrundlage gegeben, hat im Streitfall das Gericht – auf der Grundlage des Sachvortrags der Parteien – zu prüfen, ob der Übertragende,

  • weil ihm die vorrangige Vertragsanpassung nicht möglich oder ihm bzw. dem Übernehmenden nicht zumutbar ist (§ 313 Abs. 3 Satz 1 BGB)

die Auflösung des Vertrags verlangen kann oder ob als eine solche vorrangige Vertragsanpassung in Betracht kommen könnte, anstelle der Sach- und Dienstleistungen 

  • eine Zahlung in Geld durch den Übernehmenden, 
    • entweder in Form einer Rentenzahlung, wenn sie gesichert ist 
    • oder in Form eines Kapitalbetrags, was die Zahlung eines „nachträglichen Kaufpreises“ bedeuten würde. 

wobei ggf. zu berücksichtigen ist, dass, 

  • wenn es dem Übertragenden wegen der Zerrüttung unzumutbar ist mit dem Übernehmenden weiter unter einem Dach zu wohnen, 

auch das Wohnrecht des Übertragenden durch eine Geldzahlung abgegolten werden muss.

Ist eine Vertragsanpassung in Form von Geldleistungen 

  • nicht möglich bzw. 
  • dem Übertragenden wegen der finanziellen Verhältnisse des Übernehmenden nicht zumutbar, 

kann er die Rückübertragung des zugewendeten Eigentums an dem Hausgrundstück von dem Übernehmende verlangen (§ 313 Abs. 3 BGB), was zur Auflösung des Vertrags 

  • mit Wirkung ex nunc 

führt, d.h. der Übernehmende 

  • hat das Grundstück zurückzuübertragen und 
  • wird von seiner Pflegeverpflichtung befreit.

Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass 

  • nur die Auflösung des Vertrags in Betracht kommt, weil die vorrangige Anpassung nicht möglich ist, 

trägt der Übertragende. 

LG München I entscheidet, wer wann die Kosten einer wegen Corona abgesagten Hochzeitsfeier tragen muss

Mit Urteil vom 29.04.2021 – 29 O 8772/20 – hat die 29. Zivilkammer des Landgerichts (LG) München I in einem Fall, in dem von einem Hochzeitspaar für ihre 

  • Hochzeitsfeier Räumlichkeiten 

angemietet worden waren, die geplante Hochzeitsfeier aber,

  • wegen der durch die nachfolgend erlassene Infektionsschutzmaßnahmenverordnung auferlegten Kontaktbeschränkungen, 

nicht hatte stattfinden können, entschieden, dass das Hochzeitspaar die 

  • für die Räumlichkeiten vereinbarte 

Miete jedenfalls dann zahlen muss, wenn 

  • es sich an vom Vermieter angebotenen Ersatzterminen nicht interessiert zeigt.      

Begründet hat das LG dies damit, dass bei einer bloßen Anmietung von Räumlichkeiten für eine Hochzeitfeier der Vermieter 

  • nicht zur Ausrichtung der Hochzeit, sondern

allein zur Überlassung der dafür angemieteten Räumlichkeiten verpflichtet ist, ihm dies, 

  • durch die zur Pandemiebekämpfung angeordneten Kontaktbeschränkungen 

nicht unmöglich geworden ist, das Risiko, die angemieteten Räume nicht 

  • zu dem im Vertrag festgehaltenen Zweck 

nutzen zu können, beim Mieter liegt und 

  • wegen der schwerwiegenden Veränderung der Umstände nach Vertragsschluss durch die Corona-Maßnahmen,

ein Recht der Mieter zum Rücktritt vom Mietvertrag, ausnahmsweise nur dann bestehen könnte, wenn 

  • die primäre Folge einer solchen schwerwiegenden Veränderung der Geschäftsgrundlage, nämlich 

eine Anpassung des Vertrages in gegenseitiger Kooperation, 

  • hier durch die Vereinbarung eines Ersatztermins, wie vom Vermieter angeboten, 

unzumutbar für die Mieter wäre (Quelle: Pressemitteilung des LG München I). 

LG Frankfurt entscheidet, dass eine staatlich angeordnete Corona-bedingte Ladenschließung in der Regel keine Minderung der Ladenmiete rechtfertigt

…. und wann, bei einer staatlich angeordneten Corona-bedingten Ladenschließung, eine Vertragsanpassung und eine Reduzierung der Ladenmiete 

  • wegen einer sog. Störung der Geschäftsgrundlage 

in Betracht kommen kann.

Mit Urteil vom 05.10.2020 – 2-15 O 23/20 – hat das Landgericht (LG) Frankfurt am Main in einem Fall, in dem der Inhaber eines Einzelhandelsgeschäfts sein 

  • in angemieteten Geschäftsräumen betriebenes 

Geschäft 

  • im Zuge der Corona-Pandemie aufgrund Anordnung des Landes Hessen vom 18.03.2020 bis zum 20.04.2020 

hatte schließen müssen, entschieden, dass eine solche staatlich angeordnete Geschäftsschließung keinen 

  • eine Mietminderung nach § 536 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) rechtfertigenden Mietmangel

darstellt 

  • (so auch LG Heidelberg, Urteil vom 30.07.2020 – 5 O 66/20 –; anderer Ansicht ist das LG München (Urteil vom 22.09.2020 – 3 O 4495/20 –), nach dessen Auffassung durch die Corona-bedingte Geschäftsschließung ein eine Mietminderung rechtfertigender Mietmangel i.S.d. § 536 BGB entstanden ist) 

und der Mieter der Geschäftsräume,

  • jedenfalls solange er durch die angeordnete Geschäftsschließung nicht ausnahmsweise in ihrer Existenz bedroht ist, 

von seinem Vermieter auch nicht 

  • wegen einer sog. Störung der Geschäftsgrundlage 

eine Vertragsanpassung und eine Reduzierung der Miete verlangen kann.

Begründet hat das LG Franfurt das damit, dass öffentlich-rechtliche Einschränkungen oder Verbote bei der Vermietung von Gewerberäumen nur dann, 

  • wenn die Ursache der staatlichen Nutzungsuntersagung in dem Mietobjekt selbst oder seiner Beziehung zur Umwelt begründet ist, 

einen Mietmangel darstellen können, dies jedoch bei Betriebsschließungen aufgrund der Corona-Pandemie,

  • die zum Schutz der Bevölkerung vor allgemeinen gesundheitlichen Gefahren erfolgen und 
  • nicht unmittelbar an die Beschaffenheit der Mietsache anknüpfen, sondern allgemein an deren Nutzungsart sowie dem Umstand, dass in den Flächen Publikumsverkehr stattfindet und dadurch Infektionen begünstigt werden,

nicht der Fall sei und bei unvorhersehbaren Ereignissen eine Mietpartei zwar 

  • wegen einer sog. Störung der Geschäftsgrundlage

grundsätzlich eine Änderung der vereinbarten Mietzahlungen dann einfordern könne, wenn 

  • dies zur Vermeidung eines untragbaren, mit Recht und Gerechtigkeit nicht zu vereinbarenden Ergebnisses unabweislich erscheint, 

jedoch ein solcher extremer Ausnahmefall nur bei existenziell bedeutsamen Folgen gegeben ist und hierfür Liquiditätsengpässe (insbesondere dann) nicht ausreichen, wenn Mieter 

  • durch eine kurzfristige Gesetzesänderung vor einer Kündigung wegen Corona-bedingter Zahlungsschwierigkeiten geschützt worden sind (vgl. Art. 240 § 2 Abs. 1 EGBGB) und
  • durch die Nutzung von Kurzarbeit beträchtliche Einsparungen bei ihren Personalausgaben verbuchen können (Quelle: Pressemitteilung des LG Frankfurt am Main).

Wichtig zu wissen für Eltern, die ihrem Kind und dem Lebensgefährten ihres Kindes Geld zur Finanzierung des Erwerbs

…. einer zum gemeinsamen Wohnen vorgesehenen Immobilie schenken möchten bzw. bereits geschenkt haben.

Scheitert die Lebensgemeinschaft nachfolgend können die Eltern von dem ehemaligen Lebensgefährten ihres Kindes,

  • da einem Beschenkten, sofern die Schenkung nicht unter einem Vorbehalt oder einer Bedingung oder mit einer Auflage erfolgt, das Geschenkte zur freien Verfügung überlassen wird,
  • der Beschenkte somit allenfalls Dank, aber keine Gegenleistung schuldet und
  • die Schenker mit einem Scheitern der Beziehung rechnen müssen,

das Geschenkte nicht stets zurückfordern, sondern nur dann, wenn die Geldschenkungen (nachweisbar) in der Erwartung erfolgt sind, dass

  • die Beziehung zwischen ihrem Kind und seinem Lebenspartner andauern werde,
  • diese Lebensgemeinschaft nicht nur für kurze Zeit fortgesetzt wird

und

  • wider Erwarten sich die Partner nach kurzer Zeit, beispielsweise weniger als zwei Jahren nach der Schenkung, trennen.

In einem solchen Fall ist,

  • weil sich ihr Kind und dessen Lebenspartner schon weniger als zwei Jahre nach der Schenkung getrennt haben und sich die für die Schenkung konstitutive Annahme damit als unzutreffend erwiesen hat, die Partner würden die Lebensgemeinschaft nicht lediglich für kurze Zeit fortsetzen,

die Geschäftsgrundlage der Schenkung weggefallen und

  • kann dem Schenker regelmäßig nicht zugemutet werden, sich an der Zuwendung festhalten lassen zu müssen, und
  • ist dem Beschenkten, wenn nicht besondere Umstände vorliegen, seinerseits zuzumuten, das Geschenk (vollständig) zurückzugeben.

Das hat der für das Schenkungsrecht zuständige X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Urteil vom 18.06.2019 – X ZR 107/16 – entschieden (Quelle: Pressemitteilung des BGH vom 18.06.2019).

Was Kunden eines Fitnessstudios wissen sollten

Allein der Umstand, dass der Kunde eines Fitnessstudios berufsbedingt seinen Wohnort wechselt, vermag eine außerordentliche Kündigung eines für einen bestimmten Zeitraumes geschlossenen Vertrags nicht zu rechtfertigen.

Das hat der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Urteil vom 04.05.2016 – XII ZR 62/15 – entschieden.

Zwar steht, so der Senat, wie sich aus den Vorschriften der §§ 626 Abs. 1, 543 Abs. 1 und 314 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) ergibt, dem Kunden eines Fitnessstudios, der einen Vertrag für einen bestimmten Zeitraum geschlossen hat, weil es sich dabei um ein Dauerschuldverhältnis handelt, unabhängig von der rechtlichen Einordnung eines solchen Fitnessstudiovertrags als Miet-, Dienst- oder typengemischter Vertrag, stets ein Recht zur außerordentlichen Kündigung aus wichtigem Grund zu (BGH, Urteil vom 08.02.2012 – XII ZR 42/10 –).

  • Ein wichtiger Grund zur Kündigung eines Dauerschuldverhältnisses liegt vor, wenn dem kündigenden Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zur vereinbarten Beendigung oder bis zum Ablauf einer Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann (so etwa § 314 Abs. 1 Satz 1 BGB).

Dabei trägt allerdings der Kunde, der einen längerfristigen Vertrag über die Erbringung einer Leistung abschließt, grundsätzlich das Risiko, diese aufgrund einer Veränderung seiner persönlichen Verhältnisse nicht mehr nutzen zu können (BGH Urteil vom 11. November 2010 – III ZR 57/10 – NJW-RR 2011, 916 Rn. 12; vgl. auch § 537 Abs. 1 BGB).
Etwas anderes gilt nur, wenn ihm aus Gründen, die er nicht beeinflussen kann, eine weitere Inanspruchnahme der Leistungen des anderen Vertragspartners nicht mehr zumutbar ist (vgl. BGH, Urteile vom 08.02.2012 – XII ZR 42/10 – und vom 23.10.1996 – XII ZR 55/95 –).

  • Bei einem Vertrag über die Nutzung eines Fitnessstudios kann ein solcher – nicht in seinen Verantwortungsbereich fallender – Umstand etwa in einer Erkrankung des Kunden gesehen werden.
  • Ebenso kann eine Schwangerschaft die weitere Nutzung bis zum Ende der vereinbarten Vertragslaufzeit unzumutbar machen;
    der besondere Schutz des Art. 6 Abs. 4 GG und dessen wertsetzende Bedeutung wirken sich insoweit auch auf die Frage der Zurechenbarkeit des Kündigungsgrundes aus (vgl. BGH, Urteil vom 08.02.2012 – XII ZR 42/10 –).

Ein Wohnortwechsel stellt danach grundsätzlich keinen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung eines Fitnessstudiovertrags dar (ebenso Landgericht (LG) Bonn Urteil vom 05.08.2014 – 8 S 103/14 –; LG Gießen Urteil vom 15.02.2012 – 1 S 338/11 –; Amtsgericht (AG) Bremen, Urteil vom 16.10.2014 – 10 C 47/14 –; aA AG München, Urteil vom 17.12.2008 – 212 C 15699/08 –).
Die Gründe für einen Wohnortwechsel – sei er auch berufsbedingt – liegen nämlich in aller Regel allein in der Sphäre des Kunden und sind von ihm – anders als von dem Anbieter der Leistungen – beeinflussbar (vgl. BGH Urteil vom 11.11.2010 – III ZR 57/10 –).

Auch kommt, so der Senat weiter, bei einem Wohnortwechsel eines Fitnessstudiokunden

  • weder eine analoge Anwendung des § 46 Abs. 8 Satz 3 Telekommunikationsgesetz (TKG) in Betracht,
  • noch eine Kündigung des Studiovertrages nach § 313 Abs. 3 Satz 2 BGB wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage.

Bei Anwendung des § 313 BGB ist nämlich ebenfalls zu beachten, dass grundsätzlich jede Partei ihre aus dem Vertrag ersichtlichen Risiken selbst zu tragen hat. Grundsätzlich kann daher derjenige, der die entscheidende Änderung der Verhältnisse, wie hier den Umzug, selbst bewirkt hat, aufgrund dieser Änderung keine Rechte herleiten (BGH, Urteil vom 11.11.2010 – III ZR 57/10 –).