Tag Haftung

Was Inhaber eines Internetanschlusses, die wegen einer Urheberrechtsverletzung in Anspruch genommen werden, wissen sollten

Der Inhaber eines Internetanschlusses ist

  • ohne konkrete Anhaltspunkte für eine
  • bereits begangene oder bevorstehende Urheberrechtsverletzung

grundsätzlich nicht verpflichtet,

  • volljährige Mitglieder seiner Wohngemeinschaft oder seine volljährigen Besucher und Gäste,
  • denen er das Passwort für seinen Internetanschluss zur Verfügung stellt,
  • über die Rechtswidrigkeit einer Teilnahme an Tauschbörsen aufzuklären und ihnen die rechtswidrige Nutzung entsprechender Programme zu untersagen,

und kann deshalb in solchen Fällen

  • für eine über seinen Internetanschluss von volljährigen Mitgliedern seiner Wohngemeinschaft oder seinen volljährigen Besuchern und Gästen begangene Urheberrechtsverletzung

von dem Rechteinhaber nicht als Störer in Anspruch genommen werden.

Darauf hat der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Urteil vom 12.05.2016 – I ZR 86/15 – hingewiesen.

Die Entscheidung des BGH vom 12.05.2010 – I ZR 121/08 – (Sommer unseres Lebens),

  • wonach der Inhaber eines ungesicherten WLAN-Anschlusses als Störer auf Unterlassung haftet,
  • wenn außenstehende Dritte diesen Anschluss missbräuchlich zu Urheberrehtsverletzungen nutzen,

ist, so der Senat, auf eine Fallgestaltung nicht übertragbar,

weil

  • die Zumutbarkeit von Sicherungsmaßnahmen im Fall eines ungesicherten WLAN-Anschlusses daraus folgt, dass es regelmäßig im wohlverstandenen eigenen Interesse des Anschlussinhabers liegt, seine Daten vor unberechtigtem Eingriff von außen zu schützen,
  • von einer unkontrollierten Eröffnung eines Zugangs zum Internet regelmäßig eine wesentlich größere Gefahr für Urheberrechtsverletzungen ausgeht, als von der Überlassung des Anschlusses zur Nutzung durch Gäste, Besucher und Mitbewohner und
  • anders als Eltern gegenüber ihren minderjährigen Kindern (vgl. BGH, Urteil vom 15.11.2012 – I ZR 74/12 – Morpheus) Wohnungsinhaber grundsätzlich keine Aufsichtspflicht gegenüber ihren volljährigen Mitbewohnern und Gästen haben, die Grundlage einer Belehrungspflicht über die Gefahren der Nutzung von Internet-Tauschbörsen sein kann.

Was Käufer und Verkäufer wissen sollten, wenn beim Verbrauchsgüterkauf Streit über die Sachmängelhaftung besteht

Legt der Käufer bei einem Verbrauchsgüterkauf dar und weist er im Streitfall nach, dass

  • sich innerhalb von sechs Monaten seit Gefahrübergang ein Mangelzustand gezeigt hat,
  • der – unterstellt er hätte seine Ursache in einem dem Verkäufer zuzurechnenden Umstand – dessen Haftung wegen Abweichung von der geschuldeten Beschaffenheit begründen würde,

wird nach § 476 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) vermutet,

  • dass der binnen sechs Monate nach Gefahrübergang zu Tage getretene mangelhafte Zustand zumindest im Ansatz schon bei Gefahrübergang vorgelegen hat.

Der Käufer hat also in einem solchen Fall lediglich darzulegen und zu beweisen,

  • dass die erworbene Sache nicht den Qualitäts-, Leistungs- und Eignungsstandards einer Sache entspricht, die er zu erhalten nach dem Vertrag vernünftigerweise erwarten konnte und
  • dass diese Vertragswidrigkeit binnen sechs Monaten nach der Lieferung offenbar geworden ist.

Nicht beweisen muss der Käufer dagegen,

  • den Grund für die Vertragswidrigkeit,
  • dass sie dem Verkäufer zuzurechnen ist und
  • auch nicht, dass ein erwiesenermaßen erst nach Gefahrübergang eingetretener akuter Mangel seine Ursache in einem latenten Mangel hat.

Für den Verkäufer hat die Verschiebung der Beweislast nach § 476 BGB beim Verbrauchsgüterkauf zur Folge, dass er den Nachweis zu erbringen hat,

  • dass die aufgrund eines binnen sechs Monaten nach Gefahrübergang eingetretenen mangelhaften Zustands eingreifende gesetzliche Vermutung nicht zutrifft,
  • dass bereits zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs – zumindest ein in der Entstehung begriffener – Sachmangel vorgelegen habe.

Der Verkäufer muss also darzulegen und nachzuweisen, dass ein Sachmangel zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs noch nicht vorhanden war,

  • weil der Sachmangel seinen Ursprung in einem Handeln oder Unterlassen nach diesem Zeitpunkt hat, also auf eine nachträgliche Ursache (Bedienungsfehler) zurückzuführen ist und
  • ihm damit nicht zuzurechnen ist.

Gelingt dem Verkäufer diese Beweisführung – also der volle Beweis des Gegenteils der vermuteten Tatsachen – nicht hinreichend, greift zu Gunsten des Käufers die Vermutung des § 476 BGB auch dann ein,

  • wenn die Ursache für den mangelhaften Zustand oder der Zeitpunkt ihres Auftretens offengeblieben ist,
  • also letztlich ungeklärt geblieben ist, ob überhaupt ein vom Verkäufer zu verantwortender Sachmangel vorlag.

Daneben verbleibt dem Verkäufer noch die Möglichkeit, sich darauf zu berufen und nachzuweisen, dass das Eingreifen der Beweislastumkehr des § 476 BGB ausnahmsweise bereits deswegen ausgeschlossen sei,

  • weil die Vermutung, dass bereits bei Gefahrübergang im Ansatz ein Mangel vorlag,
  • mit der Art der Sache oder eines derartigen Mangels unvereinbar ist.

Auch kann der Käufer im Einzelfall gehalten sein, Vortrag zu seinem Umgang mit der Sache nach Gefahrübergang zu halten.

Das hat der unter anderem für das Kaufrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Urteil vom 12.10.2016 – VIII ZR 103/15 – entschieden und seine Rechtsprechung damit in Einklang gebracht mit den Erwägungen in dem zwischenzeitlich ergangenen Urteils des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 04.06.2015 – C-497/13 – (Quelle: Pressemitteilung des BGH vom 12.10.2016 – Nr. 180/2016 –).

Was Autofahrer die nachts an einer mit Nachtschalter betrieben SB-Tankstelle tanken wissen sollten

Wird eine SB-Tankstelle

  • ab 22:00 Uhr abends, auch aus Sicherheitsgründen, mit einem Nachtschalter so betrieben, dass das Bedienungspersonal um Mitternacht einen Schichtwechsel vollzieht und
  • stürzt ein Kunde, der sein Fahrzeug dort kurz nach Mitternacht betankt hat, auf dem Weg vom Nachtschalter zurück zu seinem PKW über eine auf dem Tankstellengelände herumliegenden Gegenstand,

haftet der Betreiber der Tankstelle dann nicht wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht, wenn

  • er sein Bedienungspersonal angewiesen hat vor dem Schichtwechsel einen Kontrollgang durchzuführen, um Gegenstände, über die Kunden stürzen könnten, vom Boden des Tankstellengeländes zu entfernen und
  • von der für die Nachtschicht zuständigen Bedienung am Unfalltag eine derartige Kontrolle durchgeführt worden ist, ohne etwas auf dem Boden vorzufinden.

Das hat der 7. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm mit Urteil vom 23.08.2016 – 7 U 17/16 – entschieden.

Damit, so der Senat, habe ein Tankstellenbetreiber in einem solchen Fall der ihm insoweit obliegenden Verkehrssicherungspflicht genügt, zumal, wenn eine SB-Tankstelle ab 22:00 Uhr abends mit einem Nachtschalter betrieben werde, ein Kunde auch nicht damit rechnen könne, dass sich durchgängig Personal außerhalb des Verkaufsraums auf dem Tankstellengelände aufhalte (Pressemitteilung des OLG Hamm vom 27.09.2016).

Wann haftet ein Polizeibeamter bei einer Einsatzfahrt mit einem Dienstfahrzeug für Unfallschäden?

Ein Polizeibeamter, der bei einem Einsatz mit dem Dienstfahrzeug (hier: bei einer Verfolgungssituation)

  • ohne Martinshorn und
  • nur mit aktivierter Rundumbeleuchtung („Blaulicht“)

bei in seiner Fahrtrichtung „Rot“ zeigender Ampel in eine Straßenkreuzung einfährt

  • handelt grob fahrlässig und
  • muss deshalb, wenn es im Kreuzungsbereich zur Kollision mit einem anderen Fahrzeug kommt, den dabei an dem Dienstfahrzeug entstandenen Schaden ersetzen.

Das hat das Verwaltungsgericht (VG) Münster mit Urteil vom 05.09.2016 – 4 K 1534/15 – entschieden.

Danach kann ein Polizist in einem solchen Fall auch unter Berücksichtigung des gesetzlich vorgesehenen Haftungsprivilegs für Beamte nach Art. 34 Grundgesetz (GG) zur Haftung herangezogen werden, weil das Unterlassen des Einschaltens des Signalhorns vor dem Einfahren in eine Kreuzung deren Lichtzeichenlage für ihn Rot zeigt, einen schweren Sorgfaltspflichtverstoß darstellt.

Auch eine mögliche Stresssituation rechtfertigt nach Ansicht des VG keine andere Beurteilung, da ein erfahrener Polizeibeamter zur Einschätzung und Bewältigung einer Verfolgungssituation in der Lage sein müsse.
Beachte er in einer solchen Situation die Voraussetzungen für ein Einfahren in die Kreuzung bei Rotlicht nicht, lasse er, so das VG, eine gesteigerte Risikobereitschaft erkennen, die angesichts des Ausmaßes möglicher Schäden den Vorwurf grober Fahrlässigkeit rechtfertige (Quelle: Pressemitteilung des VG Münster vom 15.09.2016).

Geschäftsinhaber die der Öffentlichkeit kostenlos ein WiFi-Netz zur Verfügung stellen haften nicht für illegale Downloads von Nutzern, aber

Geschäftsinhaber, die der Öffentlichkeit kostenlos ein WiFi-Netz zur Verfügung stellen, sind für Urheberrechtsverletzungen eines Nutzers nicht verantwortlich, wenn der den Zugang zu dem WiFi-Netz vermittelnde Geschäftsinhaber

  • die Übermittlung nicht veranlasst,
  • den Adressaten der Übertragung nicht ausgewählt und
  • die übermittelten Informationen auch weder ausgewählt noch verändert hat,

so dass in solchen Fällen der Urheberrechtsinhaber

  • gegen den Geschäftsinhaber keinen Anspruch auf Schadensersatz hat und
  • demzufolge von diesem auch keine Erstattung der für sein Schadensersatzbegehren aufgewendeten Abmahn- oder Gerichtskosten verlangen kann.

Das hat der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) mit Urteil vom 15.09.2016 – C-484/14 – in einem Fall entschieden, in dem

  • ein Geschäftsinhaber kostenlos ein öffentlich zugängliches WiFi-Netz bereitstellt hatte, um die Aufmerksamkeit potenzieller Kunden auf seine Waren und Dienstleistungen zu lenken und
  • von einem unbekannten Nutzer über dieses Netz ein musikalisches Werk, für das Sony die Rechte innehatte, rechtswidrig zum Herunterladen angeboten worden war.

Allerdings hat der EuGH auch darauf hingewiesen, dass, was der Inhaber des verletzten Urheberrechts bei einer innerstaatlichen Behörde oder einem innerstaatlichen Gericht beantragen kann,

  • dem Anbieter des WiFi-Netzes durch eine Anordnung zur Beendigung oder Vorbeugung von Rechtsverletzungen aufzugeben den Internetanschluss durch ein Passwort zu sichern und
  • damit Nutzer nicht anonym handeln können, ihnen das Passwort nur bei Offenbarung ihrer Identität zu überlassen.

Eine solche Anordnung ist nach Ansicht des EuGH geeignet ein Gleichgewicht herzustellen

  • zwischen den Rechten von Rechtsinhabern an ihrem geistigen Eigentum einerseits und
  • dem Recht der Anbieter von Internetzugangsdiensten auf unternehmerische Freiheit und dem Recht der Internetnutzer auf Informationsfreiheit andererseits (Quelle: Pressemitteilung des EuGH Nr. 99/2016 vom 14.09.2016).

Beim Befahren einer Autobahnabfahrt mit Gabelung – Wer muss sich wann wie verhalten und wer haftet im Falle eines Unfalls?

Gabelt sich eine Straße ohne vorfahrtsregelnde Verkehrszeichen in zwei Schenkel und

  • ist ein Straßenschenkel nach vernünftiger Verkehrsauffassung als Fortsetzung der bisherigen Fahrtrichtung anzusehen,
    • stellt das Befahren dieses Schenkels keine Änderung der Fahrtrichtung dar,
    • so dass nur der Kraftfahrer, der den anderen Schenkel befährt, seine Fahrtrichtung ändert und sich entsprechend zu verhalten hat,
  • während, wenn keiner der Schenkel deutlich als Fortsetzung der bisherigen Straße zu erkennen ist,
    • jeder Fahrzeugführer beim Einfahren in einen der beiden Schenkel seine Fahrtrichtung ändert, er dementsprechend dies als Abbiegen gemäß § 9 Abs. 1 der Straßenverkehrsordnung (StVO) unter Benutzung der Fahrtrichtungsanzeiger und durch ein Sicheinordnen anzukündigen sowie – der StVO entsprechend – auf den nachfolgenden Verkehr zu achten hat.

Darauf sowie dass, wenn sich die Abfahrt einer Bundesautobahn im weiteren Straßenverlauf ohne vorfahrtsregelnde Verkehrszeichen in zwei Schenkel gabelt,

  • von denen keiner deutlich als Fortsetzung der bisherigen Straße zu erkennen ist

und es im Bereich dieser Gabelung zu einer streifenden Kollision zwischen zwei Fahrzeugen kommt, weil

  • der Fahrer des einen Fahrzeugs zum rechtsseitigen Vorbeifahren des vorausfahrenden anderen Fahrzeugs angesetzt hatte,
  • während der Fahrer des vorausfahrenden Fahrzeugs ebenfalls diesen Schenkel der Gabelung ansteuerte,

eine hälftige Haftung beider Beteiligten für den Unfallschaden dann in Betracht kommt, wenn

  • der Vorausfahrer seiner Rückschaupflicht nicht genügt, d.h. beim Abbiegen in den rechten Fahrbahnschenkel nicht ausreichend auf den rückwärtigen Verkehr geachtet und
  • der Nachfahrer verkehrswidrig rechts zu überholen versucht hat, was dann der Fall ist, wenn der Vorausfahrer seine Absicht, nach links abzubiegen, weder angekündigt, noch sich entsprechend eingeordnet hatte (vgl. § 5 Abs. 7 StVO),

hat der 7. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm mit Urteil vom 03.06.2016 – 7 U 14/16 – hingewiesen.

Was Patienten und Ärzte über die Arzthaftung wegen nicht ordnungsgemäßer Aufklärung wissen sollten

Auch wenn kein Behandlungsfehler vorliegt, kann ein Arzt für alle den Gesundheitszustand eines Patienten betreffenden nachteiligen Folgen haften, wenn er den Patienten vor einer Operation nicht ordnungsgemäß aufgeklärt hat. Dann ist nämlich die Einwilligung des Patienten in die erfolgte Operation nicht wirksam erfolgt und der konkrete Eingriff – also die Operation – als rechtswidrige Körperverletzung zu werten.

  • Um unter Wahrung seiner Entscheidungsfreiheit wirksam in einen Eingriff einwilligen zu können, ist der Patient vor Durchführung des Eingriffs über die mit dem Eingriff verbundenen Risiken aufzuklären.

Die Aufklärung hat dem Patienten einen zutreffenden allgemeinen Eindruck von der Schwere des Eingriffs und der Art der Belastung zu vermitteln, die sich für seine körperliche Integrität und seine Lebensführung aus dem Eingriff ergeben können.

  • Im Rahmen der Aufklärung ist auch das Risiko zu erörtern, inwieweit trotz fehlerfreier medizinischer Behandlung Schadensrisiken bestehen, seien es mögliche Komplikationen während des Eingriffs oder sonstige schädliche Nebenfolgen.
  • Nicht erforderlich ist die exakte medizinische Beschreibung der in Betracht kommenden Risiken, es genügt eine Aufklärung „im Großen und Ganzen“ über Chancen und Risiken der Behandlung (Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 19.10.2010 – VI ZR 241/09 –).

Zur Behandlungsaufklärung gehört es ferner,

  • dass der Arzt dem Patienten Kenntnis von Behandlungsalternativen verschafft,
  • wenn gleichermaßen indizierte und übliche Behandlungsmethoden mit wesentlich unterschiedlichen Risiken und Erfolgschancen eine echte Wahlmöglichkeit für den Patienten begründen.

Zwar ist die Wahl der Behandlungsmethode primär Sache des Arztes.
Er muss dem Patienten daher im Allgemeinen nicht ungefragt erläutern, welche Behandlungsmethoden theoretisch in Betracht kommen, solange er eine Therapie anwendet, die dem medizinischen Standard genügt.

  • Die Wahrung des Selbstbestimmungsrechts des Patienten erfordert aber eine Unterrichtung über eine alternative Behandlungsmöglichkeit, wenn für eine medizinisch sinnvolle und indizierte Therapie mehrere gleichwertige Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen, die zu jeweils unterschiedlichen Belastungen des Patienten führen oder unterschiedliche Risiken und Erfolgschancen bieten.
  • Dem Patienten muss in diesem Fall nach entsprechend vollständiger ärztlicher Aufklärung die Entscheidung überlassen bleiben, auf welchem Wege die Behandlung erfolgen soll und auf welches Risiko er sich einlassen will.

Darlegungs- und beweispflichtig für eine richtige und vollständige Aufklärung ist der behandelnde Arzt (vgl. hierzu BGH, Urteile vom 28.01.2014 – VI ZR 143/13 – und vom 30.09.2014 – VI ZR 443/13 –).

Macht ein Patient mit der Begründung, vor einer Operation nicht ordnungsgemäß aufgeklärt worden zu sein, Schadensersatzansprüche gegen den Arzt geltend und kann der Arzt eine richtige und vollständige Aufklärung nicht beweisen, kann der Arzt sich noch damit verteidigen, dass der Patient auch bei ordnungsgemäßer Aufklärung seine Einwilligung in die Operation erteilt hätte (Einwand der hypothetischen Einwilligung; vgl. hierzu BGH, Urteile vom 15.03.2005 – VI ZR 313/03 –; vom 10.10.2006 – VI ZR 74/05 – und vom 18.11.2008 – VI ZR 198/07 –).

  • Beruft sich der Arzt auf den Einwand der hypothetischen Einwilligung hat der Patient glaubhaft zu machen, er hätte sich bei ordnungsgemäßer Aufklärung in einem echten Entscheidungskonflikt befunden, wobei die Darlegung des Konfliktes plausibel, also nachvollziehbar sein muss, es hingegen nicht darauf ankommt, wie sich der Patient entschieden haben würde.

An die Substantiierungspflicht des Patienten sind dabei keine allzu hohen Anforderungen zu stellen, es genügt, wenn er einsichtig macht, dass ihn die ordnungsgemäße Aufklärung über das Für und Wider des ärztlichen Eingriffs ernsthaft vor die Frage gestellt hätte, ob er diesem zustimmen sollte.

Gelingt es dem Patienten nicht einen Entscheidungskonflikt betreffend die Durchführung der Operation bei genauer Kenntnis von den möglichen Folgen der Operation und vom Risiko einer Nichtoperation plausibel zu machen, ist von der hypothetischen Einwilligung des Patienten auszugehen.

Kann der Patient seinen Entscheidungskonflikt betreffend die Durchführung der Operation dagegen plausibel machen, ist es Sache des Arztes, zu beweisen, dass gleichwohl eine Einwilligung zu der vorgenommenen Behandlung erteilt worden wäre.

Darauf hat der 12. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts (OLG) mit Urteil vom 18.08.2016 – 12 U 176/14 – hingewiesen.

Was, wer einen Supermarkt besucht, über die Sorgfaltspflichten die ihn dort treffen, wissen sollte

Macht ein Kunde in einem Verkaufsgang eines Supermarktes, um eine Verkäuferin mit einer sog. Ameise nebst einer Palette vorbeizulassen,

  • ohne sich zuvor umzusehen, einen Schritt rückwärts und
  • bringt er hierbei einen anderen Kunden zu Fall, der hinter ihm vorbeigehen will,

kann es gerechtfertigt sein,

  • beide Kunden hälftig für den bei der Kollision entstandenen Schaden, also (auch) die Verletzungen haften zu lassen, die sich der zu Fall gebrachte Kunde bei dem Sturz zugezogen hat.

Darauf hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm mit Urteil vom 06.06.2016 – 6 U 203/15 – hingewiesen.

Nach Ansicht des Senats treffen Kunden beim Besuch eines Supermarktes,

  • wegen der stets bestehenden Kollisionsgefahr mit anderen Kunden oder von diesen benutzten Einkaufswagen,

nämlich besondere Sorgfaltspflichten,

  • gegen die nicht nur ein Kunde verstößt, der sich, ohne zuvor umzuschauen, rückwärts bewegt,
  • sondern auch ein Kunde, der nicht auf die Bewegungen der sich in seiner Nähe bewegenden anderen Kunden achtet (Quelle: Pressemitteilung des OLG Hamm vom 22.08.2016).

Was ein Internetanschlussinhaber wissen sollte wenn er wegen Urheberrechtsverletzung in Anspruch genommen wird

Wer als Inhaber eines Internetanschlusses von einem Rechteinhaber wegen einer Urheberrechtsverletzung nach § 97a Urheberrechtsgesetz (UrhG) abgemahnt und/oder nach § 97 UrhG auf Unterlassung und/oder auf Schadensersatz in Anspruch genommen wird, beispielsweise weil über die, seinem Internetanschluss zugeordnete IP-Adresse, widerrechtlich ein Musikalbum zum Download für Dritte zur Verfügung gestellt worden ist, muss wissen,

Wird ein geschütztes Werk von einer IP-Adresse aus öffentlich zugänglich gemacht, die zum fraglichen Zeitpunkt einer bestimmten Person zugeteilt ist,

Daraus wiederum folgt, da die betreffenden Vorgänge allein in seiner Sphäre liegen, eine sekundäre Darlegungslast des Anschlussinhabers,

  • der, wenn er die Rechtsverletzung nicht begangen hat, geltend machen muss,
  • dass nicht er, sondern eine andere Person die Rechtsverletzung begangen haben müsse.

Eine Umkehr der Beweislast ist damit aber ebenso wenig verbunden wie eine über seine prozessuale Wahrheitspflicht und Erklärungslast (§ 138 Abs. 1 und 2 Zivilprozessordnung (ZPO)) hinausgehende Verpflichtung des Anschlussinhabers, dem Gegner alle für seinen Prozesserfolg benötigten Informationen zu verschaffen.

Der Anschlussinhaber genügt vielmehr der von der Rechtsprechung entwickelten sekundären Darlegungslast dadurch, dass er vorträgt,

  • ob andere Personen und
  • wenn ja, welche Personen im relevanten Zeitraum selbstständigen Zugang zu ihrem Internetanschluss hatten und daher als Täter der Rechtsverletzung in Betracht kommen;
  • in diesem Umfang kann der Anschlussinhaber im Rahmen des Zumutbaren auch zu Nachforschungen verpflichtet sein (vgl. BGH, Urteil vom 08.01.2014 – I ZR 169/12 – BearShare).

Hat der Anschlussinhaber seiner sekundären Darlegungslast genügt und

  • durch schlüssigen Gegenvortrag die von der Rechtsprechung entwickelte Vermutung dafür erschüttert, dass er für die Rechtsverletzung verantwortlich ist – wofür schlüssiger Gegenvortrag ausreicht -,
  • ist es – wenn also keine tatsächliche Vermutung (mehr) für eine Täterschaft des Anschlussinhabers spricht – wiederum Sache des Anspruchstellers, die für eine Haftung des Anschlussinhabers als Täter oder Teilnehmer einer Urheberrechtsverletzung sprechenden Umstände darzulegen und nachzuweisen.

Aus den neueren Urteilen des BGH vom 11.06.2015 – I ZR 19/14 –, – I ZR 7/14 – und – I ZR 75/14 – folgt nichts anderes.

Übrigens:
Als sog. Störer auf Aufwendungsersatz in Anspruch genommen werden kann ein Anschlussinhaber, der nicht als Täter oder Teilnehmer der Urheberrechtsverletzung haftet, nur, wenn er Prüfpflichten verletzt hat, deren Umfang sich danach bestimmt, ob und in wieweit ihm als Störer nach den Umständen eine Prüfung zuzumuten ist (BGH, Urteil vom 15.11.2012 – I ZR 74/12 – Morpheus und Pressemitteilung zum Urteil des BGH vom 12.05.2016 – I ZR 86/15 – wonach den Inhaber eines Internetanschlusses, der volljährigen Mitgliedern seiner Wohngemeinschaft, seinen volljährigen Besuchern oder Gästen einen Zugang zu seinem Internetanschluss ermöglicht, keine anlasslose Belehrungs- und Überwachungspflicht trifft).

Darauf hat das Amtsgericht (AG) Charlottenburg mit Urteil vom 08.06.2016 – 231 C 65/16 – hingewiesen.

Bei Behandlungsfehlern von Tierärzten gelten dieselben Beweislastverteilungsgrundsätze wie bei Humanmedizinern

Bei einer veterinärmedizinischen Behandlung finden bei einem groben Behandlungsfehler, insbesondere auch bei einem Befunderhebungsfehler, die für die humanmedizinische Behandlung entwickelten Grundsätze zur Beweislastumkehr Anwendung.

Das heißt, bei der Behandlung eines Tieres durch einen Tierarzt führt ein grober Behandlungsfehler,

  • der geeignet ist, einen Schaden der tatsächlich eingetretenen Art herbeizuführen,

ebenso wie in der Humanmedizin, regelmäßig zur Umkehr der objektiven Beweislast

  • für den ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Behandlungsfehler und dem Schaden.

Das hat der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Urteil vom 10.05.2016 – VI ZR 247/15 – entschieden.

Begründet hat der Senat dies damit, dass der Vergleich der Funktionen von Humanmedizin und veterinärmedizinischer Behandlung es rechtfertigt, die im Bereich der Humanmedizin entwickelten Grundsätze zur Beweislastverteilung auch im Bereich der Veterinärmedizin anzuwenden.

Danach muss ein Tierarzt, dem bei der Behandlung eines Tieres

  • ein grober Behandlungsfehler unterlaufen ist,
  • der geeignet war, einen Schaden der tatsächlich eingetretenen Art herbeizuführen,

beweisen,

  • dass der Behandlungsfehler nicht ursächlich für den Schaden gewesen ist,

wenn er von dem Eigentümer des Tieres auf Schadensersatz gemäß § 280 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) wegen Verletzung von Pflichten aus dem tierärztlichen Behandlungsvertrag in Anspruch genommen wird.