Tag Haftung

Wer haftet, wenn ein über 10 Jahre altes Kind oder ein noch nicht 18-Jähriger beim Überqueren einer Straße von einem Kraftfahrzeug erfasst wird?

Begehrt in einem solchen Fall wegen der bei dem Unfall erlittenen Verletzungen das über 10 Jahre alte Kind oder der unter 18 Jahre alte Jugendliche von dem Schädiger Schadenersatz und/oder Schmerzensgeld,

  • muss sich das Kind bzw. der Jugendliche nach §§ 828 Abs. 3, 254 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) eine Anspruchskürzung gefallen lassen,
    • wenn das Kind bzw. den Jugendlichen ein unfallursächliches Mitverschulden trifft,
    • es sei denn, das Kind bzw. der Jugendliche hatte bei der Begehung der schädigenden Handlung noch nicht die erforderliche Einsicht.

Nachweisen muss

  • das Mitverschulden der Schädiger, wobei es insoweit auf das Wissen und Können der Altersgruppe ankommt, der das Kind bzw. der Jugendliche angehört (Gruppenfahrlässigkeit) und
  • die fehlende Einsichtsfähigkeit das Kind bzw. der Jugendliche.

Trifft das Kind bzw. den Jugendlichen,

  • beispielsweise weil die Fahrbahn unachtsam unter Verstoß gegen § 25 Abs. 3 S. 1 Straßenverkehrs-Ordnung (StVO), ohne Beachtung des Fahrzeugverkehrs überquert worden ist,

ein unfallursächliches Verschulden, muss,

  • wenn das Kind bzw. der Jugendliche auch die erforderliche Einsichtsfähigkeit im Sinne von § 828 Abs. 3 BGB hatte,

bei der Abwägung, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist, berücksichtigt werden,

  • dass insbesondere bei jüngeren Jugendlichen ein Fehlverhalten im Straßenverkehr weniger schwer wiegt als bei einem Erwachsenen und
  • auf Seiten des Schädigers die Betriebsgefahr des Kraftfahrzeugs durch Verschulden erhöht sein kann, beispielsweise wenn die besonderen Sorgfaltsanforderungen des § 3 Abs. 2 a StVO nicht beachtet worden sind.

Nach § 3 Abs. 2 a StVO hat sich ein Kraftfahrer u.a.

  • gegenüber Kindern,
  • wobei die Grenze bei ca. 14 Jahren liegt und für den Kraftfahrer erkennbar gewesen sein muss, dass der Verletzte dieser Altersgruppe angehört,

durch Verminderung der Fahrgeschwindigkeit und durch Bremsbereitschaft so zu verhalten, dass eine Gefährdung der Kinder ausgeschlossen ist.

Kann allerdings

  • dem Schädiger kein solches und auch kein anderes unfallursächliches Verschulden,
  • sondern nur dem Kind bzw. Jugendlichen ein unfallursächliches Verschulden nachgewiesen werden,

kann hinter dem Verschulden des Kindes bzw. des Jugendlichen unter Umständen auch

  • die einfache Betriebsgefahr des Kraftfahrzeugs des Schädigers zurücktreten, mit der Folge, dass der Kraftfahrzeughalter völlig (auch) von der Gefährdungshaftung aus § 7 Abs. 1 Straßenverkehrsgesetz (StVG) freigestellt wird;
  • in der Regel wird, insbesondere bei jüngeren Jugendlichen, aber die Betriebsgefahr nicht vollständig zurücktreten, also keine vollständige Gefährdungshaftungsfreistellung vorzunehmen sein.

Darauf hat das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart mit Urteil vom 09.03.2017 – 13 U 143/16 – hingewiesen (vgl. hierzu auch Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 18.11.2003 – VI ZR 31/02 –; OLG Karlsruhe, Urteil vom 10.06.2012 – 13 U 42/12 –; OLG Saarbrücken, Urteil vom 24.04.2012 – 4 U 131/11 –; Landgericht (LG) Erfurt, Beschluss vom 25.05.2012 – 2 S 262/11 –; OLG Nürnberg, Urteil vom 14.07.2005 – 13 U 901/05 –; OLG Naumburg, Beschluss vom 09.01.2013 – 10 U 22/12 –; OLG Hamm, Urteil vom 13.07.2009 – 13 U 179/08 –; OLG Celle, Beschluss vom 08.06.2011 – 14 W 13/11 –).

Wer haftet wenn Linksabbieger im Kreuzungsbereich mit entgegenkommendem Fahrzeug kollidiert

…. und Ampelschaltung mit Grünabbiegerpfeil für Linksabbieger ungeklärt ist?

Kollidiert der Führer eines Pkw,

  • beim Abbiegen nach links im Bereich einer Kreuzung mit Ampelschaltung und Grünabbiegerpfeil für Linksabbieger,
  • mit einem entgegenkommenden Fahrzeug,

sind bei der Haftungsverteilung,

  • wenn die Unfallbeteiligten jeweils behaupten einen Grünpfeil bzw. Grünlicht gehabt zu haben und
  • keiner der Unfallbeteiligten beweisen kann, dass der andere einen Rotlichtverstoß begangen hat,
    • die Ampelschaltung also ungeklärt ist,

gem. § 17 Abs.1, Abs. 2 Straßenverkehrsgesetz (StVG) lediglich die Betriebsgefahren der beteiligten Fahrzeuge gegeneinander abzuwägen,

  • so dass bei Gleichwertigkeit der Fahrzeuge eine hälftige Haftungsverteilung angezeigt ist.

Dem Linksabbieger kann in einem solchen Fall nämlich kein Verstoß gegen § 9 Abs. 3 Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) zur Last gelegt werden.

Denn ist die Vorfahrt an einer Kreuzung mit einer Lichtzeichenanlage geregelt

  • und hat der Linksabbieger einen Grünpfeil,

ist § 9 Abs. 3 StVO durch § 37 Abs. 2 Nr. 1 StVO außer Kraft gesetzt.

Den dem grünen Pfeil folgenden Verkehrsteilnehmer treffen nicht die besonderen Sorgfaltspflichten gegenüber dem Gegenverkehr, die § 9 Abs. 3 StVO dem Linksabbieger im Allgemeinen aufbürdet.
Leuchtet der grüne Pfeil auf,

  • dann wird die den Vorrang des Gegenverkehrs betreffende Regelung des § 9 Abs. 3 StVO
  • durch die Regelung des § 37 Abs. 2 Nr. 1 StVO verdrängt, nach der der Linksabbieger die Kreuzung in Richtung des grünen Pfeils ungehindert befahren und räumen darf.

Der Linksabbieger kann auf Grund des grünen Pfeils darauf vertrauen, dass der Gegenverkehr durch Rotlicht gesperrt ist und dieser das Rotlicht auch beachtet.
Das gilt

  • nicht nur bei einem sog. „Diagonalpfeil“, also einem Grünpfeil hinter der Kreuzung,
  • sondern auch dann, wenn die Lichtzeichenanlage bereits vor Einfahren in die Kreuzung einen Grünabbiegepfeil anzeigt.

Darauf hat das Oberlandesgericht (OLG) Zweibrücken mit Urteil vom 29.06.2016 – 1 U 14/15 – hingewiesen.

OLG Frankfurt am Main entscheidet wann Linksüberholer bei Kollision mit Linksabbieger in ein Grundstück allein haftet

…. und der Linksabbieger in ein Grundstück von der Verpflichtung zur sog. zweiten Rückschau enthoben ist.

Dass einen Linksabbiegenden in ein Grundstück nach § 9 Abs. 5 Straßenverkehrs-Ordnung (StVO)

  • eine erhöhte Sorgfaltspflicht trifft und
  • gerade die zweite Rückschau vor Einleiten der Richtungsänderung beim Abbiegen einen gewichtigen Sorgfaltsmangel darstellen kann,

da hierdurch gerade vermieden werden soll, dass der nachfolgende oder ein etwa überholender Verkehr im letzten Moment übersehen wird,

  • gilt nicht uneingeschränkt.

Vielmehr kann ein Linksabbieger von der Verpflichtung zur sogenannten zweiten Rückschau dann enthoben sein,

  • wenn ein Überholen aus technischen Gründen nicht möglich ist oder
  • wenn ein Linksüberholen im besonderen Maß verkehrswidrig wäre und

aus diesem Grund so fernliegt, dass sich der nach links Abbiegende auch unter Berücksichtigung der ihn treffenden gesteigerten Sorgfaltspflicht auf eine solche Möglichkeit nicht einzustellen braucht.

Beispielsweise muss ein Autofahrer, der nach links in einen Firmenparkplatz abbiegen will, dessen Einfahrt deutlich mit Fahnen markiert ist,

  • wenn er seine Linksabbiegeabsicht rechtzeitig durch Blinken und Verlangsamung der Fahrt auf etwa 20 bis 25 km/h angezeigt hat,
  • hinter ihm noch ein anderer Pkws fährt und
  • im Einmündungsbereich der Parkplatzeinfahrt ein durch Verkehrszeichen 276 der StVO angeordnetes Überholverbot besteht,

nicht damit rechnen, dass ein anderer Fahrzeugführer ihn sowie das hinter ihm fahrende Fahrzeug links überholen will,

  • so dass er auch zu einer zweiten Rückschau vor dem Einleiten der Richtungsänderung nicht (mehr) verpflichtet ist.

Dies und dass, wenn es in einem solchen Fall zu einer Kollision des Fahrzeugs des Linksüberholers mit dem Fahrzeug des Linksabbiegers kommt,

  • die Betriebsgefahr des Fahrzeugs des Linksabbiegers hinter das grobe Verschulden des Linksüberholers vollständig zurücktritt und
  • den Linksüberholer die Alleinhaftung trifft,

hat der 16. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Frankfurt am Main mit Urteil vom 11.01.2017 – 16 U 116/16 – entschieden.

Haften auch noch nicht verantwortliche Kinder oder andere nicht verantwortliche Personen für verursachte Schäden?

In solchen Fällen,

  • wenn also z.B. ein noch nicht sieben Jahre altes Kind eine fremde Sache beschädigt hat,

kommt

  • mangels Verantwortlichkeit des Kindes
  • eine verschuldensunabhängige Ersatzpflicht des Kindes aus Billigkeitsgründen gemäß § 829 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) in Betracht.

Allerdings sind die Hürden hierfür hoch.

Denn ist in einem der in den §§ 823 bis 826 BGB bezeichneten Fälle der Schaden verursacht worden von

  • einem nach § 828 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) nicht verantwortlichem Kind bzw. Minderjährigen oder
  • einer nach § 827 BGB nicht verantwortlichen anderen Person,

hat der nicht verantwortliche Schadensverursacher dem Geschädigten den Schaden nach § 829 BGB nur dann zu ersetzen, wenn

  1. der Ersatz des Schadens nicht von einem aufsichtspflichtigen Dritten (§ 832 BGB) erlangt werden kann,
  2. die gesamten Umstände des Falles, insbesondere die Verhältnisse der Beteiligten, eine Haftung des schuldlosen Schädigers aus Billigkeitsgründen geradezu erfordern (Bundesgerichtshof (BGH), Beschluss vom 16.09.2016 – VGS 1/16 –) und
  3. dem nicht verantwortlichen Schadensverursacher nicht die Mittel entzogen werden, deren er zum angemessenen Unterhalt sowie zur Erfüllung seiner gesetzlichen Unterhaltspflichten bedarf.

Voraussetzung dafür, dass die Billigkeit eine Schadloshaltung des Geschädigten erfordert ist zunächst, dass

  • bei dem stets in solchen Fällen vorzunehmenden Vergleich der Vermögenslagen der Beteiligten,
  • wofür maßgeblicher Zeitpunkt derjenige der letzten mündlichen gerichtlichen Tatsachenverhandlung ist,

ein „wirtschaftliches Gefälle“ zugunsten des Schädigers vorliegt,

Fehlt es an dem wirtschaftlichen Gefälle zugunsten des nicht verantwortlichen Schädigers scheidet dessen Haftung nach § 829 BGB aus.

Besteht das nach § 829 BGB erforderliche wirtschaftliche Gefälle zugunsten des nicht verantwortlichen Schädigers müssen darüber hinaus aber auch

  • die gesamten (übrigen) tat-, täter- und geschädigtenbezogenen Umstände des Falles,
  • etwa die Besonderheiten der die Schadensersatzpflicht auslösenden Handlung,

eine Haftung aus Billigkeitsgründen erfordern.

Darauf hat der VI. Zivilsenat des BGH mit Urteil vom 29.11.2016 – VI ZR 606/15 – hingewiesen.

Wann haften Kraftfahrzeughalter und -führer bei einem berührungslosen Unfall?

Wird bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs oder eines Anhängers, der dazu bestimmt ist, von einem Kraftfahrzeug mitgeführt zu werden,

  • ein Mensch getötet, der Körper oder die Gesundheit eines Menschen verletzt oder eine Sache beschädigt,

haften für den daraus entstandenen Schaden dem Verletzten gegenüber

  • gemäß § 7 Abs. 1 Straßenverkehrsgesetz (StVG) der Kraftfahrzeughalter sowie
  • gemäß § 7 Abs. 1 i.V.m. § 18 StVG aus vermutetem Verschulden der Fahrer.

Bei einem sogenannten „Unfall ohne Berührung“ ist Voraussetzung für die Zurechnung des Betriebs des Kraftfahrzeugs zu dem schädigenden Ereignis,

  • dass über die bloße Anwesenheit eines in Betrieb befindlichen Kraftfahrzeugs an bzw. in der Nähe der Unfallstelle hinaus,
  • das Fahrverhalten seines Fahrers in irgendeiner Art und Weise das Fahrmanöver des Unfallgegners beeinflusst hat,
    • mithin, dass das Kraftfahrzeug durch seine Fahrweise (oder sonstige Verkehrsbeeinflussung) zu der Entstehung des Schadens beigetragen hat.

So geht auf einer Bundesautobahn von einem verhältnismäßig sperrigen und langsam überholenden Fahrzeug oder auch nur einem Fahrverhalten, das als Beginn des Überholvorgangs oder seine Ankündigung aufgefasst werden kann, eine typische Gefahr für auf der Überholfahrbahn nachfolgende schnellere Verkehrsteilnehmer aus, die durch eine misslingende Abwehrreaktion zu Schaden kommen.

Eine typisch mit dem Betrieb eines Sattelschleppers verbundene Gefahr wirkt sich aus, wenn ein von diesem überholter Fahrer eines Motorfahrrades unsicher wird und deshalb stürzt.

In zurechenbarer Weise durch ein Kraftfahrzeug (mit-)veranlasst ist ein Unfall bei seinem Herannahen an entgegenkommenden Fahrradverkehr, wenn der Verkehrsraum zu eng zu werden droht und einer der Fahrradfahrer bei einem Ausweichmanöver stürzt.

Selbst ein Unfall infolge einer voreiligen – also objektiv nicht erforderlichen – Abwehr- und Ausweichreaktion ist dem Betrieb des Kraftfahrzeugs zuzurechnen, das diese Reaktion – beispielsweise durch einen kleinen Schlenker aus seiner Fahrspur hinaus – ausgelöst hat.

  • Dagegen rechtfertigt die bloße Anwesenheit eines anderen im Betrieb befindlichen Fahrzeugs an der Unfallstelle für sich allein noch nicht die Annahme, dass ein in seinem Ablauf ungeklärter Unfall bei dem Betrieb dieses Fahrzeugs entstanden ist.

Darauf hat der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Urteil vom 22.11.2016 – VI ZR 533/15 – hingewiesen.

Was Reisende wissen sollten, wenn ihr Reiseveranstalter im Rahmen einer Pauschalreise die Gelegenheit zum Einkauf in einer Manufaktur schuldet

Ein Reiseveranstalter, der im Rahmen einer gebuchten Pauschalreise (auch) die Organisation und Durchführung des Besuches einer Schmuck-, Leder-, Teppich- oder einer sonstigen Manufaktur schuldet, in der für die Reisenden Gelegenheit zum Einkauf besteht, haftet,

  • wenn Reisende in der besuchten Manufakturen etwas kaufen,

den Reisenden gegenüber

  • nicht für ein Fehlverhalten der Manufaktur bzw. deren Verkäufer.

Das hat das Amtsgericht (AG) München mit Urteil vom 10.06.2016 – 271 C 8375/16 – entschieden.

In solchen Fällen, so das AG,

  • komme es durch den Kauf eines Reisenden in einer Manufaktur zu keiner vertraglichen Beziehung zwischen dem Reisenden und dem Reiseveranstalter,
  • sei der Verkäufer nicht Erfüllungsgehilfe des Reiseveranstalters und
  • würden auch freundliche Unterstützungsleistungen (organisatorisch, sprachlich) des Reiseleiters vor Ort nicht zu einer Haftung des Reiseveranstalters führen (Quelle: Pressemitteilung des AG München vom 20.12.2016 – 100/16 –).

Bei einem Flugunfall Geschädigte sollten wissen, wer wann nach dem Luftverkehrsgesetz auch ohne Verschulden haftet

Wird

  • beim Betrieb eines Luftfahrzeugs

durch Unfall jemand getötet, sein Körper oder seine Gesundheit verletzt oder eine Sache beschädigt, so ist nach § 33 Abs. 1 Satz 1 Luftverkehrsgesetz (LuftVG)

  • der Halter des Luftfahrzeugs verpflichtet,

den Schaden zu ersetzen,

  • wobei der Anwendungsbereich dieser Vorschrift ihrem Wortlaut gegenüber allerdings dahingehend eingeschränkt ist, dass die Luftfahrzeughalterhaftung nach § 33 Abs. 1 Satz 1 LuftVG im Allgemeinen nur zugunsten von solchen Geschädigten greift, die am Betrieb des schadensstiftenden Luftfahrzeugs in keiner Weise beteiligt waren.

Deshalb steht beispielsweise einem Flugsicherungsunternehmen, das auf die Landung eines Flugzeugs Einfluss nimmt,

  • wenn das Flugzeug bei der Landung Einrichtungen zerstört, die das Flugsicherungsunternehmen zum Zwecke der Wahrnehmung seiner Flugsicherungsaufgaben hinter der Landebahn installiert hat,

kein Anspruch aus § 33 Abs. 1 Satz 1 LuftVG gegen den Flugzeughalter zu (Bundesgerichtshofs (BGH), Urteil vom 08.11.2016 – VI ZR 694/15 –).

Ebenfalls keine Haftung nach § 33 Abs. 1 Satz 1 LuftVG besteht, wenn es sich bei dem Geschädigten

  • um einen Fluggast gehandelt hat und
  • der Flug in Erfüllung eines rechtsgeschäftlichen Beförderungsvertrags unternommen wurde (vgl. BGH, Urteil vom 15.03.2005 – VI ZR 356/03 – dazu wann ein Beförderungsvertrag vorliegt und wann nicht).

In einem solchen Fall gelten nach § 33 Abs. 1 Satz 2 LuftVG für die Haftung

  • die besonderen Vorschriften der §§ 44 bis 54 LuftVG,

so dass nach § 45 Abs. 1 LuftVG, wenn ein Fluggast geschädigt worden ist, dessen Beförderung

  • nicht nur aus Gefälligkeit erfolgte,
  • sondern aus Vertrag geschuldet wurde (egal ob unentgeltlich, entgeltlich oder gewerblich),

der Luftfrachtführer,

  • d.h., derjenige, der sich durch Vertrag im eigenen Namen verpflichtet, Personen oder Sachen auf dem Luftwege zu befördern,

zum Schadensersatz verpflichtet ist (vgl. auch § 48b LuftVG).

Nach § 45 LuftVG haftet auch ein nicht gewerblich tätiger Pilot mit einer Privatpilotenlizenz als Luftfrachtführer für Schäden, die seine vereinbarungsgemäß beförderten Passagiere beim Absturz des Flugzeuges erleiden (Oberlandesgericht (OLG) Hamm, Beschluss vom 19.11.2015 – 27 U 47/15 –).

Beschränkt gemäß § 45 Abs. 2 Satz 1 LuftVG ist die Haftung des Luftfrachtführers nur, wenn er den Entlastungsbeweis dafür erbringt, dass die verursachten Schäden nicht durch sein rechtswidriges und schuldhaftes Handeln verursacht worden sind (OLG Düsseldorf, Urteil vom 12.10.2011 – 18 U 216/10 –).

Für die Haftung des Halters militärischer Luftfahrzeuge gelten gemäß § 33 Abs. 1 Satz 2 FlugVG ebenfalls die besonderen Vorschriften der §§ 44 bis 54 FlugVG und wer Personen zu Luftfahrern ausbildet, haftet gemäß § 33 Abs. 1 Satz 3 LuftVG diesen Personen gegenüber nicht nach dem LuftVG sondern nur nach den allgemeinen gesetzlichen Vorschriften.

Was Auftraggeber und Auftragnehmer eines Bauvertrags wissen sollten, wenn die Geltung der VOB/B vereinbart ist

Ist in einem Bauvertrag die Geltung der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen – Teil B (VOB/B) vereinbart,

  • haftet der Auftragnehmer grundsätzlich auch dann für einen Mangel (vgl. § 13 Abs. 1 VOB/B) der von ihm hergestellten Leistung,
  • wenn die Ursache hierfür im Verantwortungsbereich
    • des Auftraggebers oder
    • eines Vorunternehmers liegt.

Ist der Mangel zurückzuführen

  • auf die Leistungsbeschreibung oder
  • auf Anordnungen des Auftraggebers,
  • auf die von diesem gelieferten oder vorgeschriebenen Stoffe oder Bauteile oder
  • die Beschaffenheit der Vorleistung eines anderen Unternehmers,

haftet der Auftragnehmer nach § 13 Abs. 3 VOB/B allerdings dann nicht, wenn er die ihm nach § 4 Abs. 3 VOB/B obliegende Mitteilung gemacht hat, d.h.,

  • dem Auftraggeber Bedenken gegen die vorgesehene Art der Ausführung, gegen die Güte der vom Auftraggeber gelieferten Stoffe oder Bauteile oder gegen die Leistungen anderer Unternehmer
  • unverzüglich (möglichst schon vor Beginn der Arbeiten) schriftlich mitgeteilt hat.

Diese Haftungsbefreiung des Unternehmers tritt nicht nur dann ein,

  • wenn er ordnungsgemäß auf seine Bedenken hingewiesen hat und der Auftraggeber untätig bleibt bzw. darauf nicht reagiert,
  • sondern auch, wenn der Auftragnehmer bei gebotener Prüfung die Fehlerhaftigkeit der Vorleistung nicht erkennen konnte.

Die Grenzen der Prüfungs- und Hinweispflicht für den Auftragnehmer ergeben sich aus dem Grundsatz der Zumutbarkeit, wie sie sich nach den Umständen des Einzelfalles darstellt.
Maßgeblich sind in erster Linie

Übrigens:

  • Die Verletzung der Prüfungs- und Hinweispflicht durch den Unternehmer ist kein Tatbestand, der eine Mängelhaftung begründen könnte (vgl. nur BGH, Urteil vom 25.02.2016 – VII ZR 210/13 –).
  • Vielmehr ist die Erfüllung der Prüfungs- und Hinweispflicht ein Tatbestand, der den Unternehmer von der Sach- oder Rechtsmängelhaftung befreit.

Darauf hat das OLG Stuttgart mit Beschluss vom 21.11.2016 – 10 U 71/16 – hingewiesen.

Was Inhaber eines Internetanschlusses mit WLAN-Funktion wissen sollten

Inhaber eines Internetanschlusses mit WLAN-Funktion sind zur Prüfung verpflichtet,

  • ob der eingesetzte Router
  • über die im Zeitpunkt des Kaufs für den privaten Bereich marktüblichen Sicherungen verfügt,
    • also einen aktuellen Verschlüsselungsstandard sowie
    • ein individuelles, ausreichend langes und sicheres Passwort.

Behält ein Internetanschlussinhaber ein vom Hersteller voreingestelltes WLAN-Passworts bei, kann dies,

  • wenn es sich nicht um ein für jedes Gerät individuell,
  • sondern für eine Mehrzahl von Geräten verwendetes Passwort handelt,

eine Verletzung der Prüfungspflicht darstellen.

Allerdings muss ein Urheberrechtsinhaber, der den Inhaber eines Internetanschlusses mit WLAN-Funktion wegen Verletzung seiner Prüfungspflichten als Störer in Anspruch nehmen will,

  • weil sein Urheberrecht über den Internetanschluss des Inhabers von einem unbekannten Dritten verletzt worden ist,
  • der sich unberechtigten Zugang zum WLAN des Internetanschlussinhabers verschafft hat,

beweisen, dass das vom Hersteller voreingestellte und beibehaltene WLAN-Passwort für eine Mehrzahl von Geräten vergeben worden ist,

  • wenn der Anschlussinhaber durch Benennung des Routertyps, des Passworts sowie durch die Angabe, es habe sich um ein nur einmal vergebenes Passwort gehandelt,
  • seiner insoweit obliegenden sekundären Darlegungslast genügt hat.

Das hat der unter anderem für das Urheberrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Urteil vom 24.11.2016 – I ZR 220/15 – entschieden (Quelle: Pressemitteilung des BGH vom 24.11.2016 – Nr. 212/2016 –).

Was Unfallbeteiligte bei einer Kollision zwischen einem fahrenden PKW und der geöffneten Tür eines geparkten Fahrzeugs wissen sollten

Nach § 14 Abs. 1 Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) muss, wer aus- oder einsteigt, sich so verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist.
Damit verlangt § 14 Abs. 1 StVO das höchste Maß an Vorsicht für das Ein- oder Aussteigen.

Diese Sorgfaltsanforderung gilt für die gesamte Dauer eines Ein- oder Aussteigevorgangs,

  • also für alle Vorgänge, die in einem unmittelbaren zeitlichen und örtlichen Zusammenhang damit stehen,
  • folglich auch für Situationen, in denen der Insasse eines Kraftfahrzeugs sich im unmittelbaren Zusammenhang mit einem Ein- oder Aussteigevorgang bei geöffneter Tür in das Kraftfahrzeug beugt, um beispielsweise Gegenstände ein- oder auszuladen oder einem Kind beim Ein- oder Aussteigen zu helfen, wobei

Wird bei einem Einsteige – oder Aussteigevorgang ein anderer Verkehrsteilnehmer geschädigt, spricht der Beweis des ersten Anscheins für eine fahrlässige Sorgfaltspflichtverletzung des Ein- oder Aussteigenden.

Steht fest, dass ein anderer Verkehrsteilnehmer bei einem Einsteige – oder Aussteigevorgang geschädigt worden ist, muss somit der, gegen den der Anscheinsbeweis spricht,

  • den Beweises des ersten Anscheins durch den Nachweis einer ernsthaften Möglichkeit eines anderen Geschehensablaufs entweder erschüttern oder
  • den Vollbeweis eines anderen Geschehensablaufs erbringen.

Gelingt ihm dies nicht, fällt ihm im Rahmen der Abwägung der Verursachungs- und Verschuldensbeiträge, von der der Haftungsumfang der Unfallbeteiligten abhängt, ein Verstoß gegen § 14 Abs. 1 StVO zur Last.

Andererseits kann aber auch dem Fahrer eines Fahrzeugs, der beim Vorbeifahren an einem rechts auf dem Parkstreifen geparkten PKW mit der geöffneten Fahrertür dieses PKWs kollidiert ist,

  • wenn er nachweislich keinen ausreichenden Sicherheitsabstand eingehalten hat,

im Rahmen der beim Haftungsumfang vorzunehmenden Abwägung der Verursachungs- und Verschuldensbeiträge ein Verstoß gegen § 1 Abs. 2 StVO zu Last fallen.

Darauf hat das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main mit Urteil vom 25.10.2016 – 16 U 167/15 – hingewiesen.