Tag Krankenversicherung

Wann muss eine private Krankenversicherung für die Kosten einer Heilbehandlung durch Medizinal-Cannabis aufkommen?

Mit Urteil vom 14.11.2023 – I-13 U 222/22 – hat der 13. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Düsseldorf die Klage eines unter einem 

  • schweren, multilokulären generalisierten Schmerzsyndrom bei Glasknochenkrankheit 

leidenden 

  • privat

Krankenversicherten abgewiesen, der verlangt hatte, dass seine Krankenversicherung für die medizinisch notwendige Heilbehandlung durch

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Was gesetzlich krankenversicherte Gehbehinderte, die statt eines Rollstuhles lieber einen E-Roller mit Sattel hätten,

…. wissen sollten.

Mit Beschluss vom 28.08.2020 – L 16 KR 151/20 – hat der 16. Senat des Landessozialgerichts (LSG) Niedersachsen-Bremen im Fall eines 80-jährigen, gehbehinderten Mannes,

  • dem ein Grad der Behinderung (GdB) von 100 % und das Merkzeichen „aG“ zuerkannt war und  

der bei seiner Krankenkasse die Übernahme der Kosten für die Anschaffung 

  • eines klappbaren Elektrorollers mit Sattel, 
  • statt eines Rollstuhles,

mit der Begründung beantragt hatte, dass

  • er, was mit einem Elektrorollstuhl nicht gehe, einen E-Roller zusammengeklappt im Pkw transportieren und auch in den Urlaub und auf Busreisen mitnehmen könne,
  • während ein solch großes und schweres Hilfsmittel wie ein Elektrorollstuhl auch für sein Auto und seinen Carport ungeeignet sei,

entschieden, dass 

  • ein Anspruch auf die Versorgung mit einem E-Roller als Rollstuhlersatz nicht besteht.

Wie der Senat ausgeführt hat, haben gesetzlich Krankenversicherte nach § 33 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V), 

  • allerdings unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots des § 12 Abs. 1 SGB V, 

Anspruch auf Versorgung mit Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um 

  • den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, 
  • einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder 
  • eine Behinderung auszugleichen, 

soweit die Hilfsmittel nicht 

  • als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder 
  • nach § 34 Abs. 4 SGB V ausgeschlossen sind, 

ist für die Auslegung, 

  • was unter Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens zu verstehen ist, 

abzustellen, auf Zweck und Funktion des Gegenstandes, die abhängt davon, ob 

  • ein Gegenstand bereits nach seiner Konzeption dem Zweck des § 33 SGB V dienen soll oder 
  • den Bedürfnissen erkrankter oder behinderter Menschen jedenfalls besonders entgegenkommt und von körperlich nicht beeinträchtigten Menschen praktisch nicht genutzt wird,

und sind E-Roller,

  • die in ihrer Funktion nicht medizinisch geprägt sind und 
  • nach ihrer Konzeption ersichtlich nicht nur den Bedürfnissen von Kranken und Behinderten dienen sollen, sondern auch von Nichtbehinderten regelmäßig genutzt werden,

somit als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens einzustufen,

  • für die eine Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung nicht besteht.

Wer krankheitsbedingt auf einen Alltagsrollstuhl angewiesen und mit einem solchen versorgt ist, sollte wissen, dass Anspruch auch auf Versorgung mit

…. einem Sportrollstuhl als Eingliederungshilfe bestehen kann.

Mit Urteil vom 04.02.2020 – S 9 SO 1824/19 – hat das Sozialgericht (SG) Mannheim im Fall eines 

  • an einer Querschnittlähmung der unteren Extremitäten 

leidenden Erwachsenen,

  • der sich aktuell in einer Ausbildung zum Erzieher befand, 
  • Arbeitslosengeld II bezog und
  • von der Trägerin der gesetzlichen Krankenversicherung mit einem Alltagsrollstuhl versorgt worden war,

entschieden, dass der Sozialhilfeträger ihm,

  • damit er an dem ärztlich verordneten Reha-, Freizeit- und Breitensport teilnehmen kann,

mit 

  • einem Sportrollstuhl 

versorgen muss.

Begründet hat das SG dies damit, dass, weil

  • sportliche Betätigung in der Gemeinschaft eines Vereins in der Bundesrepublik Deutschland zum normalen gesellschaftlichen Leben gehöre, 
  • somit dem Leben in der Gemeinschaft diene und 
  • es sich daher um eine sozialadäquate Form der Freizeitgestaltung handele, die in besonderer Weise geeignet sei, die Inklusion zu fördern und Menschen mit Behinderung eine gleichberechtigte Teilhabe zu ermöglichen, 

es auch Aufgabe der Eingliederungshilfe sei, Behinderte in die Lage zu versetzen, am Vereinssport teilnehmen zu können und dem der Nachrang der Eingliederungshilfe deswegen nicht entgegenstehe, da

  • die Hilfsmittelversorgung im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung sich nur auf die Grundbedürfnisse des täglichen Lebens erstrecke,
  • insoweit anerkannt sei, dass dies bei Hilfsmitteln zum Ausgleich von Mobilitätsdefiziten bei Erwachsenen nur Wege oder Distanzen miteinschließe, welche üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegt werden und 
  • lediglich bei Kindern und Jugendlichen die krankenversicherungsrechtliche Hilfsmittelversorgung auch weitergehende sportliche oder gesellschaftliche Aktivitäten umfasse (Quelle: Pressemitteilung des SG Mannheim).

Was gesetzlich Versicherte mit einer schwerwiegenden Erkrankung über den Anspruch auf Versorgung mit

…. medizinischem Cannabis zur Linderung ihrer Beschwerden wissen sollten.

Mit Urteil vom 15.04.2019 – 46 KR 455/18 – hat das Sozialgericht (SG) Osnabrück darauf hingewiesen, dass

  • nach § 31 Abs. 6 Satz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) ein Anspruch auf die Versorgung mit medizinischem Cannabis

nur dann besteht, wenn

  • es keine (ebenso geeignete) Alternativtherapie gibt.

Da in dem der Entscheidung zugrunde liegendem Fall,

  • in dem von einem an chronischer, schubweiser verlaufender Multiplen Sklerose Erkrankten zur Behandlung seiner Erkrankung
  • die Versorgung mit Cannabis in Form von getrockneten Blüten zulasten seiner gesetzlichen Krankenversicherung beantragt worden war,

ein gerichtlich bestellter Sachverständiger aber

  • für die unterschiedlichen Beschwerden

verschiedene anerkannte,

  • von dem Erkrankten bisher noch nicht ausprobierte,

medikamentöse Therapien hatte benennen können, ist,

  • wegen der noch nicht erprobten Wirksamkeit dieser bei dem Erkrankten auch zur Anwendung kommenden Alternativtherapien,

der Antrag des Erkrankten vom SG (als derzeit noch nicht in Betracht kommend) abgelehnt worden (Quelle: Pressemitteilung des SG Osnabrück vom 22.05.2019).

An spastischer Spinalparalyse (HSP) Erkrankte sollten wissen, dass sie Anspruch auf die Versorgung mit

…. einem Rollstuhl mit Rollstuhlzuggerät mit Motorunterstützung haben können.

Mit Urteil vom 13.11.2018 – S 42 KR 516/16 – hat das Sozialgericht (SG) Osnabrück im Fall eines an einer hereditären spastischen HSP leidenden, gesetzlich Krankenversicherten entschieden, dass dessen Krankenversicherung nach § 33 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) verpflichtet ist, ihn,

  • zum Ausgleich seiner, durch eine spastische Gangstörung charakterisierten Behinderung,

mit einem Rollstuhl mit Rollstuhlzuggerät mit Motorunterstützung (Kosten knapp 10.000 €) zu versorgen und dass seine von der Krankenkasse stattdessen gewollte, wirtschaftlich günstigere Versorgung,

  • entweder mit einem elektrisch unterstützten Greifreifenantrieb (Restkraftverstärker)
  • oder mit einem Elektrorollstuhl,

nicht ausreicht.

Für die Entscheidung maßgebend war, dass bei einem Rollstuhl mit Rollstuhlzuggerät mit Motorunterstützung der Versicherte die Möglichkeit hat,

  • sowohl den Elektroantrieb zu nutzen,
  • als auch selbst noch Kraft zur Fortbewegung aufzuwenden,

wodurch dem, ihm von der gesetzlichen Krankenversicherung zu gewährenden, Behindertenausgleich Rechnung getragen werden kann,

  • nämlich dem Versicherten einen Bewegungsradius zu eröffnen, den ein nicht behinderter Mensch üblicherweise noch zu Fuß erreicht,

während diese, einem Grundbedürfnis des täglichen Lebens entsprechende Bewegungsmöglichkeit,

  • für den Versicherten bei der Versorgung mit einem elektrisch unterstützten Greifreifenantrieb (Restkraftverstärker) wegen seiner deutlichen Kraftreduzierung in den Händen sowie der bei ihm bestehenden gesundheitlichen Problematik des Schulter-Arm-Syndroms nicht bestanden

und

Wichtig zu wissen für unverheiratete privat krankenversicherte Frauen, die Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung erwägen

Mit Urteil vom 13.10.2017 – 12 U 107/17 – hat der 12. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Karlsruhe entschieden, dass

  • private Krankenversicherungen eine Kostenerstattung für künstliche Befruchtung nicht auf verheiratete Paare beschränken dürfen und
  • eine solche Begrenzung der Leistung auf Verheiratete in allgemeinen Versicherungsbedingungen unwirksam ist.

Begründet worden ist dies vom Senat damit, dass

  • private Krankenversicherer ausschließlich wirtschaftliche Interessen verfolgen und
  • die Unterscheidung zwischen verheirateten und unverheirateten Versicherten mit Kinderwunsch demzufolge willkürlich sei.

In dem der Entscheidung zugrunde liegendem Fall hat der Senat deswegen auch der Klage einer privat Krankenversicherten stattgegeben,

  • die vor ihrer Heirat einen Versuch zur künstlichen Befruchtung mit In-vitro-Fertilisation hatte durchführen lassen und

die durch diesen Behandlungsversuch verursachten Kosten von ihrer Krankenversicherung erstattet haben wollte,

  • obwohl nach den Versicherungsbedingungen der beklagten privaten Krankenversicherung ein Anspruch auf Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung nur dann bestehen sollte,
  • wenn die versicherte Person verheiratet ist und ausschließlich Ei- und Samenzellen der Ehegatten verwendet werden (Quelle: Pressemitteilung des OLG Karlsruhe vom 13.10.2017).

Wichtig für gesetzlich Krankenversicherte zu wissen: Wann muss die Krankenkasse für eine kosmetische Operation zahlen

…. und worauf kommt es dabei an?

Mit Beschluss vom 10.07.2017 – L 16 KR 13/17 – hat das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen in einem Fall, in dem es bei einem gesetzlich Krankenversicherten nach einer Schlauchmagenoperation

  • zu einem massiven Gewichtsverlust und
  • zu einem erschlafften Hautüberschuss im Bereich des Bauches, einer sogenannten Fettschürze, gekommen war,

darauf hingewiesen, dass ein Anspruch auf Zahlung einer Operation zur Bauchdeckenstraffung gegen die gesetzliche Krankenkasse

  • nicht schon dann besteht, wenn der Versicherte aufgrund der bestehenden Fettschürze unter seinem Aussehen psychisch leidet, er sich nirgends mit freiem Oberkörper zeigen möchte und sich den Blicken anderer Menschen ausgesetzt fühlt,
  • sondern nur dann, wenn eine entstellende Wirkung vorliegt, was im Streitfall das Gericht durch Inaugenscheinnahme festzustellen und wobei es abzustellen hat, auf das äußere Erscheinungsbild des Versicherten in üblicher Alltagskleidung und nicht auf den unbekleideten Zustand.

Um eine Entstellung

  • und damit eine Krankheit im Sinne der gesetzlichen Krankenversicherung

annehmen zu können,

  • die einen operativen Eingriff in intakte, nicht in ihrer Funktion beeinträchtige Organsysteme rechtfertigt,

reicht nicht jede körperliche Anomalität aus.

Es muss sich dabei vielmehr, so das LSG, objektiv um eine so erhebliche Auffälligkeit handeln,

  • die naheliegende Reaktionen der Mitmenschen wie Neugier oder Betroffenheit auslöst und

die damit zugleich erwarten lässt,

  • dass der Betroffene ständig viele Blicke auf sich zieht,
  • zum Objekt besonderer Beachtung anderer wird und
  • sich deshalb aus dem Leben in der Gemeinschaft zurückzieht und zu vereinsamen droht, sodass die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft gefährdet ist (siehe auch Pressemitteilung des LSG Niedersachsen-Bremen vom 31.07.2017 – Nr. 11/2017 –).