Tag Mehrbedarf

Was Eltern wissen sollten, wenn nach der Trennung das Kind von dem das Sorgerecht allein ausübenden Elternteil z.B. auf ein Internat

…. geschickt wird und darüber Streit besteht, ob sich der barunterhaltspflichtige Elternteil an den Mehrkosten für die Internatsunterbringung beteiligen muss.

Übt nach einer Trennung oder Scheidung der Eltern ein Elternteil die elterliche Sorge für das gemeinsame Kind hinsichtlich der schulischen Angelegenheiten allein aus,

  • ist er berechtigt,

die Ziele und Wege einer Ausbildung unter Berücksichtigung der Eignung und Neigungen des Kindes eigenverantwortlich festzulegen.

  • Der barunterhaltspflichtige Elternteil muss eine solche Entscheidung grundsätzlich hinnehmen, auch wenn sie ihm nicht sinnvoll erscheint.

Bei den Kosten für eine Internatsunterbringung handelt es sich

  • um (schulischen) Mehrbedarf des Kindes,

der als Teil des Unterhalts

  • gem. §§ 1601, 1602, 1610 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)

geschuldet sein kann.

Ob der barunterhaltspflichtige Elternteil für einen solchen schulischen Mehrbedarf des Kindes (mit) aufkommen muss, hängt,

  • neben seinen Einkommens- und Vermögensverhältnissen,

davon ab, ob der Mehrbedarf unterhaltsrechtlich als berechtigt anerkannt werden kann,

  • da ein Kind, trotz der generellen Bindung an die Entscheidung des insoweit sorgeberechtigten Elternteils, einen Mehrbedarf nicht uneingeschränkt geltend machen kann.

Darauf hat das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe mit Beschluss vom 16.05.2919 – 20 UF 105/18 – hingewiesen und entschieden, dass ein Anspruch des Kindes gegen den Barunterhaltspflichtigen auf Beteiligung an einem schulischen Mehrbedarf,

  • z.B. für eine Internatsunterbringung,

voraussetzt, dass

  • der höhere Aufwand für den Besuch einer teureren Bildungseinrichtung – insbesondere bei erheblichen Mehrkosten – sachlich begründet sowie wirtschaftlich zumutbar ist,
  • aus Sicht eines objektiven Betrachters und unter Berücksichtigung der konkreten Lebensverhältnisse der Eltern gewichtige Gründe, insbesondere in der Person des Kindes, für den Besuch der teureren Bildungseinrichtung vorliegen

und andere für das Kind zumutbare Möglichkeiten zu seiner schulischen Förderung,

  • die bei geringeren Kosten zu vergleichbaren Erfolgen führen würden,

nicht bestehen.

BSG entscheidet wann das Jobcenter Arbeitslosengeld II Beziehern die Kosten für Schulbücher erstatten muss

Mit Urteil vom 08.05.2019 – B 14 AS 6/18 R, B 14 AS 13/18 R – hat der 14. Senat des Bundessozialgerichts entschieden, dass, wenn Harz-IV-Empfänger-Familien Schulbücher für ihre Kinder,

  • mangels Lernmittelfreiheit in einem Bundesland,
    • wie beispielsweise in Niedersachsen in der Oberstufe des Gymnasiums,

selbst kaufen müssen, die Kosten hierfür vom Jobcenter als Härtefall-Mehrbedarf nach § 21 Abs. 6 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) zu übernehmen sind.

Begründet hat der Senat dies damit, dass die Kosten für Schulbücher zwar dem Grunde nach vom Regelbedarf erfasst seien, allerdings,

  • da der Ermittlung des Regelbedarfes eine bundesweite Einkommens- und Verbrauchsstichprobe zugrunde liege,

dann nicht in der richtigen Höhe, wenn

  • in einem Bundesland – im Gegensatz zu den meisten anderen Bundesländern – keine Lernmittelfreiheit besteht

und solchen Sondersituationen,

  • in denen ein höherer, überdurchschnittlicher Bedarf auftrete und
  • sich der Regelbedarf als unzureichend erweise,

durch den Härtefall-Mehrbedarf Rechnung getragen werden solle (Quelle: Pressemitteilung des BSG vom 08.05.2019).

Schickt ein Ehepartner nach der Trennung das gemeinsame Kind auf eine Privatschule besteht kein Anspruch auf zusätzlichen Unterhalt

Mit Beschluss vom 26.07.2018 – 4 UF 92/18 – hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Oldenburg in einem Fall,

  • in dem nach der Trennung der eine Ehepartner mit dem gemeinsamen Kind in eine andere Stadt gezogen war und
  • das gemeinsame Kind dort eine Privatschule besucht hatte,

darauf hingewiesen, dass,

  • insbesondere dann, wenn beide Eltern in beengten finanziellen Verhältnissen leben,

der durch den Besuch der Privatschule entstehende Kostenmehrbedarf keine zusätzliche Verpflichtung auf Kindesunterhalt auslöst.

Denn, so der Senat,

  • wenn, wovon auszugehen sei, die Integration des Kindes im neuen Lebensumfeld auch auf einer kostenfreien staatlichen Schule gefördert werden könne, gebe es keinen sachlichen Grund für den Besuch einer Privatschule und
  • dass das Kind bei Versagung des Unterhalts jetzt erneut einen Schulwechsel verkraften müsse, rechtfertige die getroffene Schulwahl nachträglich nicht.

Im Übrigen würde, so der Senat weiter, auch dann nichts anderes gelten, wenn

  • die Eltern sich während der Zeit des Zusammenlebens dafür entschieden hätten,
  • dass das Kind eine Privatschule besuchen solle,

weil

  • hieraus keine dauerhafte Zustimmung abgeleitet werden könne und
  • mit der Trennung und insbesondere mit dem Umzug eine ganz neue Situation entstanden sei (Quelle: Pressemitteilung des OLG Oldenburg).

Wird nach der Scheidung der Eltern eine Fremdbetreuung des Kindes allein infolge der Berufstätigkeit des betreuenden Elternteils erforderlich

…. stellen die Betreuungskosten keinen Mehrbedarf des Kindes dar, für den die Eltern nach § 1606 Abs. 3 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) anteilig nach ihren Einkommens- und Vermögensverhältnissen aufzukommen haben.

Da nach § 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB der Elternteil,

  • der ein minderjähriges Kind betreut,

durch die Pflege und die Erziehung des Kindes seine Verpflichtung, zum Unterhalt des Kindes beizutragen erfüllt und im sogenannten Residenzmodell

  • ein Elternteil den Barunterhalt der Kinder schuldet,
  • während der andere deren Betreuung übernimmt,

liegt ein über die dem einen Elternteil obliegende Betreuung hinausgehender Mehrbedarf des Kindes,

  • für den die Eltern nach § 1606 Abs. 3 Satz 1 BGB anteilig nach ihren Einkommens- und Vermögensverhältnissen aufzukommen haben,

nur ausnahmsweise vor.

Um einen solchen, über die dem einen Elternteil obliegende Betreuung hinausgehenden Mehrbedarf des Kindes handelt es sich zwar bei der üblichen pädagogisch veranlassten Betreuung

  • in staatlichen Einrichtungen, wie etwa Kindergärten, Schulen und Horten

und auch

  • eine Förderung des Kindes in vergleichbaren privaten Einrichtungen

kann über den allgemeinen Betreuungsbedarf hinausgehen und damit einen Mehrbedarf des Kindes auslösen.

Dagegen stellen Betreuungskosten dann, wenn die Betreuung des Kindes durch Dritte

  • allein infolge der Berufstätigkeit des betreuenden Elternteils erforderlich wird,

keinen Mehrbedarf des Kindes dar.

  • Dafür entstehende Betreuungskosten können in diesen Fällen lediglich als berufsbedingte Aufwendungen des betreuenden Elternteils Berücksichtigung finden.

Darauf hat der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Beschluss vom 04.10.2017 – XII ZB 55/17 – hingewiesen.