Tag Nachbarn

OLG Karlsruhe entscheidet: Wer von seinem Nachbarn durch Stalking zum Umzug veranlasst wird, kann von dem Stalker die

…. durch den Umzug entstehenden Schäden ersetzt verlangen.

Mit Urteil vom 05.11.2021 – 10 U 6/20 – hat der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Karlsruhe einen 

  • 63 Jahre alter Mann, 

der ein in seiner Nachbarschaft wohnendes Ehepaar, 

  • seit dem Einzug in ihr neu errichtetes Eigenheim, 

beharrlich schikaniert, beleidigt sowie mit der Verletzung ihrer Gesundheit und ihres Lebens bedroht, sich damit wegen

  • Nachstellung (§ 238 Abs. 1 Nr. 4 Strafgesetzbuch (StGB)) und 
  • Bedrohung (§ 241 StGB) 

strafbar gemacht und das Ehepaar durch dieses Verhalten schließlich zum Wegzug

  • – zunächst für einige Monate in eine Mietwohnung und sodann in ein erworbenes neues Eigenheim –

veranlasst hatte, verurteilt, dem ehemaligen Nachbarsehepaar die 

  • die Umzugs- sowie
  • die Nebenkosten im Zusammenhang mit dem Erwerb des neuen Eigenheimes (Grunderwerbsteuer und Notarkosten)

in Höhe von über 44.000 Euro zu erstatten.

Der Senat hat dies damit begründet, dass der stalkende 63-Jährige dadurch, dass er sich wegen

  • Nachstellung (§ 238 Abs. 1 Nr. 4 StGB) und 
  • Bedrohung (§ 241 StGB) 

strafbar gemacht hat, zugleich Schutzgesetze zugunsten des Ehepaars verletzt und sich damit 

  • nach § 823 Abs. 2 BGB 

schadensersatzpflichtig gemacht hat, mit der Rechtsfolge, dass er dem ehemaligen Nachbarsehepaar die vom Schutzzweck der Strafnormen erfassten Schäden,

  • d.h. diejenigen Kosten, die zur Wiederherstellung des persönlichen Sicherheitsgefühls aufgewandt werden mussten,

ersetzen muss (Quelle: Pressemitteilung des OLG Karlsruhe).

Wichtig zu wissen für Grundstückseigentümer wenn auf ihrem Grundstück ein Bombenblindgänger

…. gefunden wird, eine Sprengung vor Ort erforderlich ist und dabei Schäden auf Nachbargrundstücken entstehen.

Mit Urteil vom 02.08.2019 – 6 O 337/19 – hat die 6. Zivilkammer des Landgerichts (LG) Osnabrück entschieden, dass, wenn ein auf einem Grundstück aufgefundener Bombenblindgänger aus dem Zweiten Weltkrieg,

  • weil er von dem Kampfmittelräumdienst nicht erfolgreich entschärft werden kann,

am Fundort kontrolliert gesprengt werden muss,

  • der Grundstückseigentümer nicht für dabei an umliegenden Gebäuden entstandene Schäden haftet.

Begründet hat die Kammer dies damit, dass in Fällen, in denen

  • der Kampfmittelräumdienst entscheidet einen Bombenblindgänger kontrolliert zu sprengen, um eine unkontrollierte Explosion sowie die dadurch drohenden Schäden zu verhindern und
  • aufgrund dessen der Eigentümer des Grundstücks, auf dem der Bombenblindgänger gefunden wurde, die Sprengung lediglich duldet,

die Voraussetzungen für einen Ausgleichsanspruch unter Nachbarn, nämlich dass

  • die von einem Grundstück ausgehende Störung seinem Eigentümer zurechenbar ist, weil
    • entweder er sie selbst jedenfalls mittelbar verursacht hat
    • oder er bei wertender Betrachtung verpflichtet gewesen wäre zu verhindern, dass solche Störungen von seinem Grundstück ausgehen,

nicht vorliegen (Quelle: Pressemitteilung des LG Osnabrück).

Freilaufende Katzen – Dürfen Dritte sie füttern und ihren Aufenthalt dulden oder können die Eigentümer verlangen

…. dass dies unterlassen wird?

Durch die die Befugnisse von Eigentümern regelnde Vorschrift des § 903 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), die bestimmt, dass

  • Eigentümer von Sachen, soweit nicht das Gesetz oder Rechte Dritter entgegenstehen, mit den Sachen nach Belieben verfahren und andere von jeder Einwirkung ausschließen können,
  • Eigentümer von Tieren bei der Ausübung ihrer Befugnisse jedoch die besonderen Vorschriften zum Schutz der Tiere zu beachten haben,

werden

  • die positiven Befugnissen von Eigentümern von Tieren eingeschränkt – insbesondere die Normen des Tierschutzgesetzes gestatten dem Eigentümer nämlich gerade nicht, mit dem Tier „nach Belieben“ zu verfahren –
  • die negativen (Ausschließungs-)Befugnisse des Eigentümers eines Tieres dagegen nicht angetastet.

Sofern sich dies nicht als tierschutzwidrig darstellt,

  • wie z.B., wenn der selbst nicht für eine bedürfnisgerechte Verpflegung i.S.d. § 2 Nr. 1 Tierschutzgesetz (TierschG) sorgende Eigentümer einer unter Nahrungs- oder Flüssigkeitsentzug leidenden Katze dem mitfühlenden Nachbarn das Füttern/Tränken des Tieres verbieten würde,

sind Eigentümer eines Tieres daher befugt, Dritte von Einwirkungen auf das Tier auszuschließen,

  • d.h. aktive Einwirkungen Dritter auf das Tier, auch auf ihre freilaufende Katze, zu unterbinden,
  • wie beispielsweise das gezielte Anlocken ebenso wie das Füttern gegen ihren Willen,

Allerdings wird, solange der Eigentümer eines Tieres von dieser Eigentümerbefugnis keinen Gebrauch gemacht hat,

  • also die Fütterung oder das aktive Anlocken seines Tieres nicht (ausdrücklich) untersagt hat,

von dessen stillschweigender bzw. mutmaßlicher Gestattung sozialadäquaten Umgangs mit seinem freilaufenden Tier auszugehen sein, so dass, solange sich ein Tiereigentümer nicht anderweitig geäußert hat,

  • ein freundliches Locken, Streicheln etc. praktisch stets und
  • auch das gelegentliche Füttern einer „besuchsweise“ vorbeischauenden Freigängerkatze (zumindest im Normalfall, d.h. insbesondere wenn die Katze „normalgewichtig“ und augenscheinlich gesund – mithin nicht auf Spezialnahrung o.ä. angewiesen – ist) abhängig von Häufigkeit und Menge

keine unzulässige Einwirkung darstellt.

Schon keine Einwirkung i.S.v. § 903 BGB liegt dagegen vor, wenn Dritte

  • lediglich passiv der Aufenthalt eines fremden freilaufenden Tieres dulden oder
  • sie dieses lediglich passiv gewähren lassen,
    • beispielsweise wenn eine freilaufende Katze auf eigene Initiative einen Aufenthalt im Machtbereich eines Dritten gewählt hat,

so dass der Eigentümer des Tieres auch nicht befugt ist, den Dritten zum Vertreiben, Vergrämen oder zu sonstigen aktiven Vorkehrungen „anzuweisen“, die einen Aufenthalt des Tieres beim Dritten verhindern oder beenden sollen.

Darauf hat das Landgericht (LG) München I mit Urteil vom 25.01.2019 – 30 S 7016/18 – hingewiesen.

BGH entscheidet: Spielen eines Instruments zu Hause einschließlich des dazugehörigen Übens muss von Nachbarn,

…. auch dann, wenn es von ihnen als Lärmbelästigung empfunden wird, zeitlich begrenzt hingenommen werden.

Mit Urteil vom 26.10.2018 – V ZR 143/17 – hat der unter anderem für das Nachbarrecht zuständige V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) darauf hingewiesen, dass,

  • weil das häusliche Musizieren einschließlich des dazugehörigen Übens zu den sozialadäquaten und üblichen Formen der Freizeitbeschäftigung in den eigenen vier Wänden gehört,
  • aber auch den Nachbarn die eigene Wohnung die Möglichkeit zur Entspannung und Erholung und zu häuslicher Arbeit eröffnen, mithin auch die dazu jeweils notwendige, von Umweltgeräuschen möglichst ungestörte Ruhe bieten soll

ein Ausgleich der widerstreitenden nachbarlichen Interessen

  • nur durch eine ausgewogene zeitliche Begrenzung des Musizierens herbeigeführt werden kann,

wobei diesbezüglich

  • ein Berufsmusiker, der sein Instrument im häuslichen Bereich spielt, nicht mehr, aber auch nicht weniger Rechte hat als ein Hobbymusiker und umgekehrt.

Danach kommt

  • eine gänzliche Untersagung des Musizierens in den Haupträumen ebenso wenig in Betracht,
  • wie ein nahezu vollständiger Ausschluss für die Abendstunden und das Wochenende,

sondern richtet sich die zeitliche Regelung des Musizierens – unter Orientierung an den üblichen Ruhezeiten – nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere

  • dem Ausmaß der Geräuscheinwirkung,
  • der Art des Musizierens und
  • den örtlichen Gegebenheiten,

wobei als grober Richtwert, jeweils unter Einhaltung der üblichen Ruhezeiten in der Mittags- und Nachtzeit, dienen kann,

  • eine Beschränkung auf zwei bis drei Stunden an Werktagen sowie
  • ein bis zwei Stunden an Sonn- und Feiertagen,

allerdings eine zeitlich stärkere Einschränkung des Musizierens in den Haupträumen insbesondere dann geboten sein kann, wenn

  • auf Seiten des Nachbarn besondere Umstände, wie eine ernsthafte Erkrankung, eine gesteigerte Rücksichtnahme erfordern und
  • die Geräuscheinwirkungen dadurch erheblich verringert werden können, dass in geeigneten Nebenräumen musiziert wird (Quelle: Pressemitteilung des BGH vom 26.10.2018).

Wichtig für Eigentümer benachbarter Grundstücke zu wissen, wenn sich an der Grundstücksgrenze hochgewachsene Bäume befinden

Mit Urteil vom 27.10.2017 – V ZR 8/17 – hat der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) entschieden, dass einem Nachbarn,

gegen den Baumeigentümer ein nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch nach § 906 Abs. 2 Satz 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) analog zustehen kann, wenn

  • infolge des Abfallens von Laub, Nadeln, Blüten und Zapfen von diesen Bäumen ein erhöhter Reinigungsaufwand auf seinem Grundstück entsteht und
  • die Bäume von dem Baumeigentümer unter Verletzung der einschlägigen landesrechtlichen Bestimmungen über den Grenzabstand (weiter) unterhalten werden.

Denn, so der Senat, dass wegen Fristablaufs nicht mehr die Beseitigung oder das Zurückschneiden der Bäume auf die zulässige Höhe verlangt werden kann, hat nicht zur Folge, dass der Bewuchs nunmehr ordnungsgemäßer Bewirtschaftung entspricht.

Voraussetzung für einen nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch analog § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB ist allerdings,

  • dass es sich bei dem Laubabwurf um eine wesentliche Beeinträchtigung i.S.d. § 906 Abs. 1 BGB handelt,
    • die beispielsweise dann vorliegt, wenn das von den Bäumen des abfallende Laub dazu führt, dass die Dachrinnen und die Abläufe am Haus des Nachbarn häufiger als es sonst nötig wäre gereinigt werden müssen,
  • dass der Nachbar durch den Laubabwurf Nachteile erleidet, die das zumutbare Maß einer entschädigungslos hinzunehmenden Beeinträchtigung übersteigen und
  • dass das Naturschutzrecht dem Baumeigentümer nicht die Fällung oder den Rückschnitt der Bäume verbietet.

Mietern die im Haus randalieren und Nachbarn massiv beleidigen und bedrohen kann ohne Abmahnung fristlos gekündigt werden

Darauf hat das Amtsgericht (AG) München mit Urteil vom 10.02.2017 – 474 C 18956/16 – hingewiesen und in einem Fall,

  • in dem ein Mieter in seiner Wohnung zunächst seine Freundin geschlagen und lauthals beschimpft sowie Gegenstände in der Wohnung zertrümmert und
  • nachfolgend im Treppenhaus auch Nachbarn bedroht sowie mit übelsten Worten beschimpft hatte und
  • dem deswegen vom Vermieter fristlos gekündigt worden war,

den Mieter zur sofortigen Räumung der Mietwohnung verurteilt.

Danach haben in solchen Fällen, unabhängig vom konkreten Wohnumfeld oder sonstigen Umständen, Vermieter das Recht, (auch) zum Schutz von bedrohten Mietern, das Mietverhältnis mit einem störenden Mieter durch eine sofortige Kündigung zu beenden (Quelle: Pressemitteilung des AG München vom 15.12.2017).

(Kinder-)Lärm aus der Wohnung eines Mehrfamilienhauses – Wann ist er von (anderen) betroffenen Mietern hinzunehmen und

…. wann ist dadurch die gegenseitige Rücksichtnahmepflicht verletzt und eine Nachbarmietwohnung in einem nicht unerheblichen Maße in ihrer Tauglichkeit beeinträchtigt?

In einem Mehrfamilienhaus sind gelegentlich auftretende Lärmbeeinträchtigungen

  • als sozial adäquat hinzunehmen und
  • begründen für die betroffenen Mitmieter deshalb noch nicht ohne Weiteres einen Mangel der Mietsache im Sinne von § 536 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB).

Dazu zählt auch

  • üblicher Kinderlärm,

den das Immissionsschutzrecht des Bundes (z.B. § 22 Abs. 1a Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG)

  • als grundsätzlich sozial adäquat und damit zumutbar behandelt,

was – auch wenn diese Maßstäbe für die mietrechtliche Pflichtenlage keine unmittelbare Wirkung entfalten können –

  • gewisse Ausstrahlungswirkungen auf die ohnehin schon längst in diese Richtung tendierende Verkehrsanschauung zur Toleranz gegenüber solchen Geräuschemissionen hat und
  • darüber auf die mietrechtlichen Abwägungsprozesse, die ihrerseits allerdings zugleich durch das Gebot zumutbarer gegenseitiger Rücksichtnahme geprägt sind.

Vor diesem Hintergrund ist in Fällen, in denen es darum geht,

  • ob wiederholter (Kinder)Lärm aus der Wohnung eines Mehrfamilienhauses die Nachbarwohnung eines Mieters in einem nicht unerheblichen Maße in ihrer Tauglichkeit beeinträchtigt oder nicht,

davon auszugehen, dass

  • zwar auf der einen Seite Geräuschemissionen, die ihren Ursprung in einem altersgerecht üblichen kindlichen Verhalten haben, gegebenenfalls auch unter Inkaufnahme erhöhter Grenzwerte für Lärm und entsprechender Begleiterscheinungen kindlichen Verhaltens, grundsätzlich hinzunehmen sind,
  • auf der anderen Seite jedoch die insoweit zu fordernde erhöhte Toleranz auch Grenzen hat, die jeweils im Einzelfall zu bestimmen sind, unter Berücksichtigung namentlich
    • von Art, Qualität, Dauer und Zeit der verursachten Geräuschemissionen,
    • des Alters und des Gesundheitszustands des Kindes sowie
    • der Vermeidbarkeit der Emissionen etwa durch objektiv gebotene erzieherische Einwirkungen oder durch zumutbare oder sogar gebotene bauliche Maßnahmen,

Kinderlärm aus Nachbarwohnungen

  • demzufolge nicht in jeglicher Form, Dauer und Intensität von Mitmietern hinzunehmen ist, nur weil er eben von Kindern stammt,
  • sondern dass grundsätzlich bei jeder Art von Lärm unter Einschluss von Kinderlärm auf die Belange und das Ruhebedürfnis der Nachbarn Rücksicht zu nehmen ist.

Übrigens:
Zur schlüssigen Darlegung eines zur Mietminderung berechtigenden Mangels durch (Kinder)Lärm bedarf es nicht der Vorlage eines detaillierten Protokolls.
Es genügt vielmehr grundsätzlich eine Beschreibung, aus der sich ergibt,

  • um welche Art von Beeinträchtigungen es geht und
  • zu welchen Tageszeiten,
  • über welche Zeitdauer und
  • in welcher Frequenz diese ungefähr auftreten.

Darauf hat der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Beschluss vom 22.08.2017 – VIII ZR 226/16 – hingewiesen.

Wichtig für Grundstückseigentümer zu wissen: Solardach darf Nachbarn nicht blenden

Mit Urteil vom 21.07.2017 – I-9 U 35/17 – hat der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Düsseldorf entschieden, dass, wenn durch eine auf einem Dach montierte und das Sonnenlicht reflektierende Photovoltaikanlage

  • die Nutzungsmöglichkeiten des Nachbargrundstücks wegen des von dem Solardach stark blendenden Sonnenlichts erheblich beeinträchtigt wird,

der Eigentümer des Nachbargrundstücks dies nicht hinnehmen muss,

  • sondern verlangen kann, dass die Blendungen durch geeignete Maßnahmen reduziert werden.

Danach

  • führt die gesetzgeberische Wertentscheidung zu Gunsten der Förderung von Photovoltaikanlagen, wie sie im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) zum Ausdruck kommt, zu keiner grundsätzlichen Duldungspflicht von Photovoltaikanlagen durch die Nachbarn ohne Rücksicht auf deren Belange und
  • ist eine Blendung der Nachbarschaft durch Photovoltaikanlagen auch nicht als ortsüblich hinzunehmen,