Tag Rücksichtnahmepflicht

Arbeitnehmer sollten wissen, dass eine Drohung mit Krankschreibung die fristlose Kündigung rechtfertigen kann

Mit Urteil vom 04.05.2021 – 5 Sa 319/20 – hat die 5. Kammer des Landesarbeitsgerichts (LAG) Mecklenburg-Vorpommern in einem Fall, in dem eine Arbeitnehmerin gedroht hatte, sich, 

  • falls eine Schichteinteilung nicht wie von ihr gewünscht erfolgen sollte, 

krankschreiben zu lassen, entschieden, dass eine 

  • Drohung mit einer Krankschreibung bei objektiv nicht bestehender Erkrankung im Zeitpunkt der Ankündigung 

eine 

  • schwerwiegende Verletzung der arbeitsvertraglichen Rücksichtnahmepflicht (§ 241 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)) 

darstellt, die,

  • ohne vorausgehende Abmahnung, 

eine 

  • außerordentliche Kündigung 

rechtfertigt, es dabei, nachdem der wichtige Grund zur Kündigung in der erklärten Bereitschaft des Arbeitnehmers zu sehen ist, 

  • sich notfalls durch eine in Wahrheit nicht vorliegende Arbeitsunfähigkeit seine Rechte aus dem Entgeltfortzahlungsrecht zu missbrauchen, um sich einen unberechtigten Vorteil zu verschaffen, 

nicht mehr darauf ankommt, ob der Arbeitnehmer 

  • später (zufällig) tatsächlich erkrankt oder nicht

und es, unter Abwägung der wechselseitigen Interessen nur dann, wenn 

  • die Drohung mit der Krankschreibung auf einem innerbetrieblichen Konflikt zwischen Arbeitnehmern beruhte, auf den der Arbeitnehmer bereits mit einer Eigenkündigung reagiert hat, und 
  • das Arbeitsverhältnis deshalb in Kürze endet,

dem Arbeitgeber zumutbar ist, 

  • bis zum Datum der Eigenkündigung des Arbeitnehmers das Arbeitsverhältnis fortzusetzen und 
  • von einer sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses abzusehen. 

(Kinder-)Lärm aus der Wohnung eines Mehrfamilienhauses – Wann ist er von (anderen) betroffenen Mietern hinzunehmen und

…. wann ist dadurch die gegenseitige Rücksichtnahmepflicht verletzt und eine Nachbarmietwohnung in einem nicht unerheblichen Maße in ihrer Tauglichkeit beeinträchtigt?

In einem Mehrfamilienhaus sind gelegentlich auftretende Lärmbeeinträchtigungen

  • als sozial adäquat hinzunehmen und
  • begründen für die betroffenen Mitmieter deshalb noch nicht ohne Weiteres einen Mangel der Mietsache im Sinne von § 536 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB).

Dazu zählt auch

  • üblicher Kinderlärm,

den das Immissionsschutzrecht des Bundes (z.B. § 22 Abs. 1a Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG)

  • als grundsätzlich sozial adäquat und damit zumutbar behandelt,

was – auch wenn diese Maßstäbe für die mietrechtliche Pflichtenlage keine unmittelbare Wirkung entfalten können –

  • gewisse Ausstrahlungswirkungen auf die ohnehin schon längst in diese Richtung tendierende Verkehrsanschauung zur Toleranz gegenüber solchen Geräuschemissionen hat und
  • darüber auf die mietrechtlichen Abwägungsprozesse, die ihrerseits allerdings zugleich durch das Gebot zumutbarer gegenseitiger Rücksichtnahme geprägt sind.

Vor diesem Hintergrund ist in Fällen, in denen es darum geht,

  • ob wiederholter (Kinder)Lärm aus der Wohnung eines Mehrfamilienhauses die Nachbarwohnung eines Mieters in einem nicht unerheblichen Maße in ihrer Tauglichkeit beeinträchtigt oder nicht,

davon auszugehen, dass

  • zwar auf der einen Seite Geräuschemissionen, die ihren Ursprung in einem altersgerecht üblichen kindlichen Verhalten haben, gegebenenfalls auch unter Inkaufnahme erhöhter Grenzwerte für Lärm und entsprechender Begleiterscheinungen kindlichen Verhaltens, grundsätzlich hinzunehmen sind,
  • auf der anderen Seite jedoch die insoweit zu fordernde erhöhte Toleranz auch Grenzen hat, die jeweils im Einzelfall zu bestimmen sind, unter Berücksichtigung namentlich
    • von Art, Qualität, Dauer und Zeit der verursachten Geräuschemissionen,
    • des Alters und des Gesundheitszustands des Kindes sowie
    • der Vermeidbarkeit der Emissionen etwa durch objektiv gebotene erzieherische Einwirkungen oder durch zumutbare oder sogar gebotene bauliche Maßnahmen,

Kinderlärm aus Nachbarwohnungen

  • demzufolge nicht in jeglicher Form, Dauer und Intensität von Mitmietern hinzunehmen ist, nur weil er eben von Kindern stammt,
  • sondern dass grundsätzlich bei jeder Art von Lärm unter Einschluss von Kinderlärm auf die Belange und das Ruhebedürfnis der Nachbarn Rücksicht zu nehmen ist.

Übrigens:
Zur schlüssigen Darlegung eines zur Mietminderung berechtigenden Mangels durch (Kinder)Lärm bedarf es nicht der Vorlage eines detaillierten Protokolls.
Es genügt vielmehr grundsätzlich eine Beschreibung, aus der sich ergibt,

  • um welche Art von Beeinträchtigungen es geht und
  • zu welchen Tageszeiten,
  • über welche Zeitdauer und
  • in welcher Frequenz diese ungefähr auftreten.

Darauf hat der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Beschluss vom 22.08.2017 – VIII ZR 226/16 – hingewiesen.

Wer haftet wenn zwei Fahrzeuge auf einer in Form eines Rondells angelegten und nicht beschilderten Kreuzung kollidieren?

Ist eine Kreuzung nicht rechtwinklig, sondern in Form eines Rondells angelegt und

  • gilt dort die Vorfahrtsregel „rechts vor links“

darf ein Fahrzeugführer, der die Kreuzung überqueren will, in diese nur dann einfahren,

  • wenn sichergestellt ist, dass er die Kreuzung auch noch vor einem sich auf einer aus seiner Sicht rechts gelegenen Straße nähernden und damit vorfahrtsberechtigten Fahrzeug räumen kann.

Einem Fahrzeugführer der dies missachtet ist deshalb,

  • wenn es nach seinem Einfahren in die Kreuzung im Vorfahrtsbereich zur Kollision mit einem von rechts in das Rondell einfahrenden Fahrzeug kommt,

eine für den Unfall ursächliche Vorfahrtsverletzung anzulasten.

Dem Vorfahrtsberechtigten wiederum kann allerdings auch ein Mitverschulden an dem Zusammenstoß der beiden Fahrzeuge treffen und zwar dann, wenn er

  • das in das Rondell einfahrende andere (wartepflichtige) Fahrzeug übersehen und
  • daher seine allgemeine Rücksichtnahmepflicht aus § 1 Abs. 2 Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) verletzt hat.

Denn auch wer vorfahrtsbevorrechtigt ist darf sein durch einen anderen verletztes Vorfahrtsrecht nicht ohne Rücksicht auf diesen durchsetzen.

Das hat der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm mit Urteil vom 17.01.2017 – 9 U 22/16 – entschieden.

Was Parkplatz- und Parkhausnutzer wissen sollten

Beim Befahren eines Parkplatzes besteht,

  • weil stets mit ein- und ausparkenden bzw. -fahrenden Fahrzeugen gerechnet werden muss,

eine besondere Rücksichtnahmepflicht für alle Verkehrsteilnehmer,

  • auch für von rechts Kommende und
  • auch für die auf einer (breiten) Fahrspur mit Straßencharakter befindlichen Vorfahrtsberechtigten.

Deshalb kann auch ein Vorfahrtsberechtigter mit 50 Prozent haften,

  • wenn es zur Kollision von zwei Fahrzeugen kommt und
  • die Kollision, wenn beide Beteiligte ihre sich aus dem Parkplatzverhältnis ergebende besondere Rücksichtnahmepflicht erfüllt hätten, hätte vermieden werden können.

Das hat das Amtsgericht (AG) München mit Urteil vom 23.06.2016 – 333 C 16463/13 – entschieden (Quelle: Pressemitteilung des AG München vom 03.02.2017 – 10/17 –).

Was Wohnungsmieter wissen sollten, wenn Vermieterin eine Gesellschaft des bürgerlichen Rechts ist

Eine Gesellschaft des bürgerlichen Rechts (GbR), die ein Mietshaus erworben hat und damit Vermieterin der in dem Anwesen gelegenen Wohnungen geworden ist, kann,

  • sofern dem nicht § 577a Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) entgegensteht,
  • ein Wohnraummietverhältnis mit einem Mieter wegen Eigenbedarfs eines Gesellschafters bzw. eines Familienangehörigen eines Gesellschafters nach § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB kündigen, weil

dieser – seinem Wortlaut nach auf natürliche Personen zugeschnittene – Kündigungstatbestand in den Fällen entsprechend anzuwenden ist, in denen Vermieterin eine teilrechtsfähige (Außen-)Gesellschaft des bürgerlichen Rechts ist.

Allerdings hat, um die Folgen einer auf Eigenbedarf gestützten Kündigung für den Mieter so gering wie möglich zu halten, der Vermieter dem betroffenen Mieter eine andere, ihm während der Kündigungsfrist zur Verfügung stehende Wohnung zur Anmietung anzubieten, sofern diese sich im selben Haus oder derselben Wohnanlage befindet.

  • Wird eine solche bestehende Anbietpflicht vom Vermieter verletzt, hat dies aber nicht die Unwirksamkeit der Eigenbedarfskündigung zur Folge.
  • Vielmehr macht sich der Vermieter durch eine solche Verletzung der mietvertraglichen Rücksichtnahmepflichten (§ 241 Abs. 2 BGB) lediglich schadensersatzpflichtig, so dass dem Mieter allenfalls Ersatzansprüche in Geld für hierdurch entstandene Schäden (etwa Umzugs- und Maklerkosten) zustehen.

Das hat der unter anderem für das Wohnraummietrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Urteil vom 14.12.2016 – VIII ZR 232/15 – entschieden (Quelle: Pressemitteilung des BGH vom 14.12.2016 – Nr. 225/2016 –).

An wen muss sich ein Wohnungseigentümer bei Beschädigung seines Sondereigentums halten?

Will ein Wohnungseigentümer einen Schaden an seinem Sondereigentum ersetzt haben,

  • der von einem Dritten, beispielsweise einem Handwerker, bei Ausführung der ihm von der Wohnungseigentümergemeinschaft in Auftrag gegebenen Arbeiten am Gemeinschaftseigentum verursacht worden ist,

ist der geschädigte Wohnungseigentümer verpflichtet,

  • vorrangig den von der Wohnungseigentümergemeinschaft beauftragten Handwerker auf Schadensersatz in Anspruch zu nehmen,
  • wenn nicht besondere Umstände vorliegen, die ausnahmsweise eine Inanspruchnahme der Wohnungseigentümergemeinschaft als Verband rechtfertigen.

Das hat das Landgericht (LG) Stuttgart mit Urteil vom 11.05.2016 – 10 S 2/16 – entschieden.

Begründet hat das LG diese Entscheidung damit,

  • dass die zwischen den Mitgliedern einer Wohnungseigentümergemeinschaft bestehende Treue- und Rücksichtnahmepflicht auch eine Rücksichtnahmepflicht des einzelnen Wohnungseigentümers gegenüber der Gemeinschaft begründet,
  • aufgrund derer es einem Wohnungseigentümer verwehrt ist, die Wohnungseigentümergemeinschaft als Verband in Anspruch zu nehmen, wenn für den geltend gemachten Schaden ein Dritter – hier der Handwerker – in Anspruch genommen werden kann.

So,

  • wie bei bestehendem Versicherungsschutz durch eine Gebäudeversicherung aufgrund der zwischen Wohnungseigentümern bestehenden Treue- und Rücksichtnahmepflichten ein geschädigter Miteigentümer verpflichtet ist, nicht den schädigenden Miteigentümer auf Schadensausgleich in Anspruch zu nehmen, wenn der geltend gemachte Schaden Bestandteil des versicherten Interesses ist, der Gebäudeversicherer nicht Regress nehmen könnte und nicht besondere Umstände vorliegen, die ausnahmsweise eine Inanspruchnahme des Schädigers durch den Geschädigten rechtfertigen (vgl. Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 10.11.2006 – V ZR 62/06 –),

könne ein geschädigter Wohnungseigentümer auch in einem Fall wie dem obigen, aufgrund der bestehenden Rücksichtnahmepflicht des einzelnen Wohnungseigentümers gegenüber der Gemeinschaft grundsätzlich nicht statt des Handwerkers die Wohnungseigentümergemeinschaft als Verband in Anspruch nehmen.

Gegen den Handwerker steht dem geschädigten Wohnungseigentümer, so das LG weiter, abgesehen von dem deliktischem Anspruch auch ein vertraglicher Schadensersatzanspruch zu, weil das Vertragsverhältnis zwischen der Wohnungseigentümergemeinschaft und dem Handwerker als Vertrag mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter anzusehen ist und Schutzwirkung für die Wohnungseigentümer entfaltet.

Wen der Auftrag durch die Wohnungseigentümergemeinschaft erteilt wurde muss dem geschädigten Wohnungseigentümer bekannt sein, da der Auftragserteilung eine Beschlussfassung der Wohnungseigentümergemeinschaft vorausgeht.
Soweit ihm Namen und Anschrift des Handwerkers nicht von vornherein bekannt sein sollten, kann er dies durch einfache Nachfrage bei der Hausverwaltung klären.