Tag verantwortlich

Wichtig zu wissen, wenn Schäden von Kindern oder Jugendlichen (mit)verursacht worden sind

Für Schäden, die sie anderen zufügen sind 

  • nach § 828 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) 

nicht verantwortlich,

  • Kinder, die das siebte Lebensjahr noch nicht vollendet haben,
  • Kinder, die das zehnte Lebensjahr noch nicht vollendet haben dann, wenn 
    • die Schäden einem anderen bei einem Unfall mit einem Kraftfahrzeug, einer Schienenbahn oder einer Schwebebahn zugefügt worden sind und
    • die Verletzung nicht vorsätzlich herbeigeführt worden ist  

ferner

  • Kinder sowie Jugendliche, die das achtzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet haben, wenn 
    • sie bei der Begehung der schädigenden Handlung nicht die zur Erkenntnis der Verantwortlichkeit erforderliche Einsicht hatten.

Gleichwohl können aber auch Kinder und Jugendliche, die 

  • nach § 828 BGB 

nicht verantwortlich sind, 

  • in den in §§ 823 bis 826 BGB bezeichneten Fällen, 

für von ihnen verursachte Schäden,

  • sofern der Geschädigte Ersatz des Schadens nicht von einem aufsichtspflichtigen Dritten (§ 832 BGB) erlangen kann,

nach § 829 BGB 

  • verschuldensunabhängig aus Billigkeitsgründen 

ersatzpflichtig sein, sofern

  • die gesamten Umstände, insbesondere unter Berücksichtigung der Verhältnisse der Beteiligten, 

eine Haftung des schuldlosen Kindes oder Jugendlichen aus Billigkeitsgründen geradezu erfordern,

Das bedeutet:
Verantwortlich sein für Schäden und (mit)haften 

  • – beispielsweise nach § 823 BGB –  

können nicht nur Jugendliche, sondern auch schon Kinder 

  • ab ihrem zehnten Geburtstag, wenn 
    • die Schäden einem anderen bei einem Unfall mit einem Kraftfahrzeug, einer Schienenbahn oder einer Schwebebahn fahrlässig zugefügt worden sind und
    • die Verletzung fahrlässig herbeigeführt worden ist  

sowie ansonsten bereits

  • ab ihrem siebten Geburtstag, 

sofern die Kinder bzw. Jugendlichen bei der Begehung der schädigenden Handlung 

  • die zur Erkenntnis der Verantwortlichkeit erforderliche Einsicht besaßen,
  • wozu die Fähigkeit genügt, zu erkennen, dass sie in irgendeiner Weise für ihr Verhalten zur Verantwortung gezogen werden können.

Übrigens:
Zur (Mit)Haftung von Kindern für Schäden im Straßenverkehr bzw. zur Haftungsverteilung in solchen Fällen vgl. 

LG Frankfurt entscheidet: 11-Jähriger ist für Urheberrechtsverletzung durch Filesharing wegen fehlender Einsichtsfähigkeit

…. nicht verantwortlich im Sinne des § 828 Abs. 3 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) und haftet deshalb weder auf Schadensersatz noch für Abmahnkosten.

Mit Urteil vom 29.10.2020 – 2-03 O 15/19 – hat die 3. Zivilkammer des Landgerichts (LG) Frankfurt am Main in einem Fall, in dem ein 11-Jähriger, 

  • während eines Wochenendaufenthalts bei seinem Großvater 

über den Internetzugang des Großvaters eine Urheberrechtsverletzung durch die Nutzung eines „Filesharing“- Netzwerkes begangen hatte, indem von ihm 

  • ein Computerspiel unentgeltlich aus dem Internet heruntergeladen und 
  • aufgrund der Funktionsweise des „Filesharing“-Netzwerkes damit zugleich auch vom Internetanschluss seines Großvaters aus zum „Download“ anderen Nutzern angeboten

worden war, die Klage 

  • des Inhabers der ausschließlichen Nutzungs- und Verwertungsrechte an dem Computerspiel 

auf Ersatz des Schadens aus § 97 Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes über Urheberrecht und verwandte Schutzgesetze (UrhG)) sowie der Abmahnkosten 

  • sowohl gegen den 11-jährigen 
  • als auch gegen dessen Großvater 

abgewiesen.

Dass dem Rechteinhaber weder ein Anspruch auf Schadensersatz gegen den 11- Jährigen, noch gegen dessen Großvater zusteht, hat das LG wie folgt begründet:

Der 11-jährige Täter der Urheberrechtsverletzung sei für diese, weil   

  • einem Kind in seinem Alter – auch einem überdurchschnittlich intelligenten, dem von den Eltern die Nutzung einer Internet-Tauschbörse untersagt worden ist – wegen der Komplexität einer Urheberrechtsverletzung im Wege des Filesharing regelmäßig noch das Verständnis für die Rechtswidrigkeit des „Hochladens“ eines Computerspiels in das Netz fehle, 

mangels entsprechender Einsichtsfähigkeit nicht verantwortlich im Sinne des § 828 Abs. 3 BGB und der Großvater, 

  • der nicht Täter der Urheberrechtsverletzung war,

haftet 

  • weder gemäß § 832 Abs. 1 BGB wegen Verletzung der gesetzlichen 
  • noch nach § 832 Abs. 2 BGB wegen Verletzung der vertraglich übernommenen Aufsichtspflicht

auf Schadensersatz, weil 

  • die gesetzliche Aufsichtspflicht nicht ihn, sondern die Eltern des 11-Jährigen trifft

und 

  • allein ein Wochenendaufenthalt eines 11-Jährigen bei seinem Großvater noch keine stillschweigende vertragliche Übernahme der Aufsichtspflicht begründet.

OLG Frankfurt entscheidet, wann bei einem Suizid auf Bahngleisen die Erben des Suizidenten gegenüber dem Lokführer nicht haften

Mit Urteil vom 24.06.2020 – 16 U 265/19 – hat das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main in einem Fall, in dem sich ein Mann in Suizidabsicht auf Bahngleise begeben, dort von einem Güterzug,

  • dessen Lokführer dies trotz einer sofort eigeleiteten Schnellbremsung nicht hatte vermeiden können,

erfasst sowie tödlich verletzt worden, 

  • der Lokführer aufgrund dessen danach knapp zwei Jahre arbeitsunfähig krankgeschrieben 

und der Erbe des Suizidenten von dem Arbeitgeber des Lokführers auf Ersatz 

  • der an den Lokführer gezahlten Heilbehandlungskosten sowie der fortgezahlten Dienstbezüge in Höhe von insgesamt gut 90.000 Euro

verklagt worden war, die Klage mit der Begründung abgewiesen, dass nach den überzeugenden Feststellungen des angehörten Sachverständigen 

  • der Suizid von dem Suizidenten in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit begangen worden sei, somit

der Suizident dem Lokführer den Schaden nicht schuldhaft zugefügt habe (§ 827 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)) und eine Ersatzpflicht der Beklagten aus Billigkeitsgründen (§ 829 BGB) deswegen nicht bestehe,

  • nachdem die Vermögensverhältnisse des Suizidenten sich nicht besser darstellen als die des Geschädigten. 

Danach haften die Erben eines Suizidenten,

  • der sich von einem Zug überfahren lässt, 

dem Zugführer nach §§ 823, 1922 Abs. 1 BGB für den diesem dadurch entstandenen Schaden dann nicht, wenn   

  • der Suizid von dem Suizidenten in einem die freie Willensentschließung ausschließenden Zustand begangen worden ist

und ist in einem solchen Fall bei der Beurteilung, 

  • ob eine Ersatzpflicht der Erben aus Billigkeitsgründen nach § 829 BGB besteht,

bei der Vergleich der Vermögenslagen des Suizidenten und des geschädigten Zugführers eine freiwillige Haftpflichtversicherung des Suizidenten in dessen Vermögen nicht einzubeziehen, weil, so das OLG,

  • das Risiko, dass der Versicherungsnehmer einen Schaden herbeiführt, für den er nicht verantwortlich ist, grundsätzlich nicht versichert ist und 
  • wenn damit kein Versicherungsschutz besteht, dieser auch keinen Vermögenswert darstellen kann.

Beachte:
Nicht jeder Suizid wird automatisch in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit begangen. 

Andererseits spricht, dass eine Suizidhandlung bewusst und akribisch geplant worden ist, nicht für die Schuldfähigkeit eines Suizidenten. 

Somit bedarf es zur Beantwortung der Frage, 

  • ob ein Suizident für einen durch sein Handeln dem Lokführer zugefügten Schaden verantwortlich gewesen ist oder nicht, 

stets der Einholung eines Sachverständigengutachtens (Quelle: Pressemitteilung des OLG Frankfurt).

BGH entscheidet: Wer bei Anpflanzungen auf seinem Grundstück den Grenzabstand einhält ist für natürliche Immissionen

…. auf dem Nachbargrundstück, wie auf dieses herüberwehende Pollen, Blätter usw., jedenfalls dann nicht verantwortlich, wenn kein Überhang vorliegt.

Mit Urteil vom 20.09.2019 – V ZR 218/18 – hat der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) entschieden, dass ein Grundstückseigentümer von seinem Nachbarn in aller Regel weder die Beseitigung von Bäumen

  • wegen der von ihnen ausgehenden natürlichen Immissionen auf sein Grundstück,
    • wie etwa auf sein Grundstück herübergewehte Samen, Früchte, leere Zapfen, Blätter usw.,

noch hierfür eine Entschädigung verlangen kann, wenn

  • auf dem Grundstück des Nachbarn die für die Anpflanzung bestehenden landesrechtlichen Abstandsregelungen eingehalten worden sind und
  • kein Überhang nach § 910 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) vorliegt.

Begründet hat der Senat dies damit, dass, wenn sich die Nutzung des Grundstücks,

  • von dem die Beeinträchtigungen ausgehen,

im Rahmen ordnungsgemäßer Bewirtschaftung hält,

  • wovon auszugehen ist, wenn die für die Anpflanzung bestehenden landesrechtlichen Abstandsregelungen eingehalten sind,

der Eigentümer des Grundstücks für natürliche Immissionen auf dem Nachbargrundstück und Beeinträchtigungen dadurch,

  • zu denen es trotz Einhaltung der Abstandsgrenzen kommt,

regelmäßig nicht verantwortlich ist und damit auch

  • weder auf Beseitigung nach § 1004 Abs. 1 BGB,
  • noch auf Zahlung eines angemessenen Ausgleichs gemäß § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB in unmittelbarer oder in entsprechender Anwendung

in Anspruch genommen werden kann (Quelle: Pressemitteilung des BGH).

Reiseveranstalter sind (normalerweise) nicht verantwortlich, wenn Reisende, die eine Auslandsreise gebucht haben

…. bei Reiseantritt nicht über ausreichende Ausweisdokumente hierfür verfügen.

Darauf hat das Amtsgericht (AG) München mit Urteil vom 08.02.2017 – 271 C 12313/16 – hingewiesen.

Danach kann, wer eine Auslands(flug)reise gebucht hat,

  • diese aber wegen unzureichender (beispielsweise bald ablaufender bzw. nur vorläufiger) Ausweisdokumente nicht antreten oder durchführen kann,

Ansprüche auf Erstattung des Reisepreises und/oder Entschädigung wegen entgangener Urlaubsfreuden gegen den Reiseveranstalter erfolgreich nur dann geltend machen, wenn er beweisen kann, dass der Reiseveranstalter