Tag Zivilrecht

Kein Schmerzensgeld wegen Schockschadens bei Tierverlust durch Verkehrsunfall.

Wer mit ansehen muss, wie sein Hund von einem Auto überfahren wird und dadurch als (psychische) Folge einen Schockschaden mit Krankheitswert erleidet, kann wegen dieser Gesundheitsschädigung kein Schmerzensgeld verlangen.

Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) mit Urteil vom 20.03.2012 – VI ZR 114/11 – entschieden.

Danach gehören derartige Beeinträchtigungen bei der Verletzung oder Tötung von Tieren, mögen sie auch als schwerwiegend empfunden werden und menschlich noch so verständlich erscheinen, zum allgemeinen Lebensrisiko und vermögen damit Schmerzensgeldansprüche nicht zu begründen.
Eine Gleichstellung solcher Fälle mit den von der Rechtsprechung anerkannten Fällen von Schockschäden mit Krankheitswert bei der Verletzung oder Tötung von Angehörigen oder sonst dem Betroffenen nahestehenden Menschen hat der Bundesgerichtshof abgelehnt.

 

Alle Beiträge sind nach bestem Wissen zusammengestellt. Eine Haftung für deren Inhalt kann jedoch nicht übernommen werden.

Überschreitung der Richtgeschwindigkeit erhöht die Betriebsgefahr.

Mit einem Pkw unter Überschreitung der Richtgeschwindigkeit auf Autobahnen schneller als 130 km/h zu fahren ist zwar nicht verboten, kann aber die Betriebsgefahr erhöhen.
Kommt als Unfallursache bei einem Auffahrunfall zwischen zwei Fahrzeugen auf der Autobahn entweder ein unachtsamer Fahrspurwechsel des Vorausfahrenden oder eine Unaufmerksamkeit des Auffahrenden in Betracht, ist, wenn diese beiden Möglichkeiten offen bleiben, beiderseits kein Verschulden nachweiswahr.
Bei der Haftungsverteilung abzuwägen sind dann die beiderseitigen Betriebsgefahren (§ 17 Abs. 1 StVG), was im Regelfall zu einer Haftungsquote von 50 % führt.
Steht in einem solchen Fall allerdings fest, dass der Auffahrende schneller als 130 km/h gefahren ist und bei Einhaltung der Richtgeschwindigkeit der Unfall für ihn vermeidbar gewesen wäre, so erhöht die Überschreitung der Richtgeschwindigkeit die Betriebsgefahr, was sich bei der Haftungsverteilung und demzufolge der Quote zum Nachteil des Auffahrenden auswirkt (so OLG Hamm, Urteil vom 03.03.2012 – 6 U 174/10 –).

 

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Schwiegerelterliche Zuwendungen zur Finanzierung einer Immobilie – Was ist, wenn die Ehe des Kindes scheitert?

Eine Frage, die sich immer wieder einmal stellt:

Wenn von den Eltern ihrem Kind und dem Schwiegerkind nach der Heirat Geld zur Finanzierung eines Eigenheims zur Verfügung gestellt, von Kind und Schwiegerkind unter Verwendung des Geldes ein Haus als Miteigentümer zu je ½ erworben worden ist, in der Folgezeit die Ehe aber geschieden wird und das Haus versteigert werden soll, können die Eltern von dem Schwiegerkind dann die Hälfte ihrer finanziellen Zuwendungen zurückfordern?

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit Urteil vom 20.07.2011 – XII ZR 149/09 – entschieden, dass, wenn keine Zweckabrede im Sinne des § 812 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 BGB vorliegt (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 21.07.2010 – XII ZR 180/09 –), in solchen Fällen Rückforderungsan-sprüche nach den Grundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage in Betracht kommen können und hierzu u. a. ausgeführt:

Schwiegerelterliche Zuwendungen sind, wenn sie um der Ehe des eigenen Kindes erfolgen, als Schenkungen zu werten. Erfolgen diese, für das Schwiegerkind erkennbar in der Erwartung, die eheliche Lebensgemeinschaft des von ihnen beschenkten Schwiegerkindes mit ihrem Kind werde Bestand haben und ihre Schenkung demgemäß dem eigenen Kind dauerhaft zugute kommen, so wird diese Erwartung jedenfalls dann nicht verwirklicht, wenn das eigene Kind nicht angemessen von der Schenkung profitiert. Falls dies Folge der Scheidung der Zuwendungsempfänger ist, ist die Geschäftsgrundlage dementsprechend insoweit entfallen, als die Begünstigung des eigenen Kindes entgegen der Erwartung seiner Eltern vorzeitig endet.
Nachdem das eigene Kind das Haus aber ab dem Erwerb hat nutzen können und sich die Erwartung seiner Eltern dadurch teilweise erfüllt hat, wird eine vollständige Rückgewähr der Schenkung nicht in Betracht kommen.
Ferner wird der Umfang der durch die Zuwendung bedingten, beim Zuwendungsempfänger noch vorhandenen Vermögensmehrung zu berücksichtigen sein, da ein Rückforderungsanspruch grundsätzlich eine beim Wegfall der Geschäftsgrundlage noch vorhandene, messbare Vermögensmehrung voraussetzt, die zugleich den Anspruch nach oben begrenzt.

 

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Missbräuchliche Verwendung der PIN – Wann haftet der Kontoinhaber?

Wenn Sie Inhaber einer EC-Karte oder einer Kreditkarte sind, ein Unbekannter unter missbräuchlicher Verwendung Ihrer persönlichen Identifikationsnummer (PIN) an einem Geldautomaten von Ihrem Konto Geld abgehoben hat, die Bank Ihnen eine Verletzung der Geheimhaltungspflicht hinsichtlich der PIN vorwirft und von Ihnen deswegen nach § 280 Abs. 1 BGB als Schadensersatz den Ausgleich des Kontos verlangt, stellt sich die Frage, wer wann bei solchen missbräuchlichen Geldabhebungen haftet.

Als Karteninhaber hatte man früher in einem derartigen Fall schon deshalb schlechte Karten, weil viele Gerichte davon ausgegangen sind, dass in Fällen, in denen an Geldautomaten unter Verwendung der zutreffenden Geheimzahl Geld abgehoben worden ist, der Beweis des ersten Anscheins dafür spricht, dass entweder der Karteninhaber die Abhebung selbst vorgenommen hat oder ein Dritter nach Entwendung der Karte von der Geheimnummer nur wegen ihrer Verwahrung gemeinsam mit der Karte Kenntnis erlangen konnte.

Im Urteil vom 29.11.2011 – XI ZR 370/10 – hat der Bundesgerichtshof (BGH) nun entschieden, dass dies voraussetzt, dass bei der missbräuchlichen Abhebung die Originalkarte eingesetzt worden ist.

Das bedeutet, die Bank hat nun, bevor sie sich auf den Beweis des ersten Anscheins berufen und diese Beweiserleichterung in Anspruch nehmen kann, darzulegen und wenn dies streitig ist, auch zu beweisen, dass bei der Abhebung die Original ec-Karte bzw. Original Kreditkarte und keine Kartendublette bzw. Kartenkopie zum Einsatz gekommen ist.

 

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Unfall und Mietwagen – Was tun?

Nach einem Autounfall hat man vieles um die Ohren. Manchmal ist man auch auf einen Mietwagen angewiesen. Aber seien Sie vorsichtig und nicht zu leichtgläubig. Gerade bei Mietwagen sind die Preisunterschiede enorm. Auch wenn Sie den Unfall nicht verschuldet haben können Sie nicht damit rechnen, dass Ihnen Mietwagenkosten ersetzt werden wenn diese überteuert sind. Möchte Ihnen jemand eine „Unfallersatzanmietung“ verkaufen, so sollten Sie vorsichtig sein.

Probleme vermeiden Sie, wenn Sie sich so verhalten wie wenn Sie „auf eigene Kosten“ anmieten würden. Holen Sie wenn möglich zwei bis drei Vergleichsangebote ein und nehmen Sie das günstigste Angebot wahr. Wenn Ihnen die gegnerische Versicherung einen Mietwagen anbietet, so prüfen Sie das Angebot. Sagt es Ihnen aus bestimmten Gründen nicht zu, so können Sie es noch immer ablehnen. Lassen Sie sich von Mietwagenunternehmen und Anwälten nicht einfach mit der Aussage abspeisen, man werde alles mit der Versicherung klären.

Die Rechtsprechung im Großraum Nürnberg zu Mietwagenkosten ist vielfältig. Im Landgerichtsbezirk Ansbach ist üblicherweise die Fraunhofer-Erhebung Grundlage für die erstattungsfähigen Mietwagenkosten (z.B. LG Ansbach, Urteil vom 05.01.2011, Az.: 4 C 32/10).

Im Landgerichtsbezirk Nürnberg wird (noch) die Schwacke-Erhebung teils mit 17 % Abschlag herangezogen (z.B. LG Nürnberg, Urteil vom 10.08.2011, Az.: 8 S 4302/11). Gleichzeitig müssen aber günstigere Mietwagenangebote der Versicherung berücksichtigt werden (z.B. LG Nürnberg, Urteil vom 20.07.2011, Az.: 8 S 8758/10). Bamberg stützt sich teils (noch) auf die Schwacke-Liste.

Gerade weil Sie mit all diesen Listen in der Regel selbst nichts anfangen können ist ein vernünftiger Anwalt nötig. Dieser wird Sie umfassend und neutral beraten, also nicht nur auf Sonderfälle abstellen. Er wird in der Regel auch versuchen unnötige Probleme zu vermeiden. Seien Sie vorsichtig, wenn die Werkstatt oder das Mietwagenunternehmen „automatisch“ an Anwälte verweisen. Hier besteht die Gefahr, dass vorrangig „die Interessen der Vermieter/Werkstätten“ und nicht etwa Ihre Interessen vertreten werden. Dies ist berufsrechtlich zwar nicht zulässig, kommt in der Praxis aber bedauerlicherweise immer wieder vor.

Unsere Kanzlei vertritt gerade auch Versicherer bei Mietwagenstreitigkeiten. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass es meist dann Probleme gibt, wenn die geschädigten Parteien von bestimmten Kanzleien vertreten werden, welche direkt durch Mietwagenunternehmen oder Werkstätten genannt werden. Gehen Sie im Zweifel zum (Fach-)Anwalt Ihres Vertrauens, verlangen Sie einen Besprechungstermin, lassen Sie sich über alle Schriftstücke informieren und vertrauen Sie nicht einfach irgendeiner, von unbekannten Dritten empfohlener Person.

 

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BGH: Umzug kein Grund für DSL-Kündigung?

DSL-Verträge haben meist eine lange Laufzeit. Müssen Sie während der Laufzeit umziehen, so können Sie nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes den Vertrag mit dem Telefonanbieter aber selbst dann nicht kündigen, wenn DSL an ihrem neuen Wohnort gar nicht verfügbar ist (BGH, Urteil vom 11.11.2010, Az.: III ZR 57/10).

Leitsatz des Bundesgerichtshofs (BGH):
„Der Inhaber eines DSL-Anschlusses hat kein Recht zur Kündigung des mit dem Telekommunikationsunternehmen geschlossenen Vertrags vor Ablauf der vereinbarten Laufzeit, wenn er an einen Ort umzieht, an dem keine Leitungen verlegt sind, die die Nutzung der DSL-Technik zulassen.“

Ein Umzug stellt nach Meinung des Bundesgerichtshofes keinen wichtigen Grund dar, der ein Sonderkündigungsrecht begründet. Das wirtschaftliche Risiko, dass der Anschluss nach dem Umzug nicht mehr zur Verfügung gestellt werden kann trägt grundsätzlich der Kunde.

In Einzelfällen mag der Sachverhalt anders zu bewerten sein. So hätte im Fall des BGH die Möglichkeit bestanden, einen Vertrag mit kürzerer Laufzeit zu höheren Koten zu wählen. Die Begründung des Bundesgerichtshofes lässt jedoch nur eingeschränkten Spielraum für eine andere Beurteilung.

 

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BGH: Wie kauft man eigentlich Benzin?

Rechtsprobleme beim Tanken. Benzinkauf ist rechtlich komplizierter als man im ersten Moment vielleicht denkt. Bisher war nicht eindeutig geklärt, wann und wie es überhaupt zu einem Vertragsschluss mit der Tankstelle kommt. Was passiert eigentlich wenn man aus versehen ohne zu zahlen losfährt (vorsätzliches Losfahren ist eine Straftat). Der Bundesgerichtshof hat sich jetzt geäußert und folgendes entschieden:

„Ein Kunde, der an einer Selbstbedienungstankstelle Kraftstoff in seinen Tank füllt, schließt bereits zu diesem Zeitpunkt mit dem Tankstellenbetreiber oder – je nach der Ausgestaltung des Vertragsverhältnisses zwischen Tankstellenbetreiber und Mineralölunternehmen – durch Vermittlung des Tankstellenbetreibers mit dem Mineralölunternehmen einen Kaufvertrag über die entnommene Menge Kraftstoff.“

Das bedeutet, dass der Vertrag bereits mit dem Einfüllen des Benzins abgeschlossen wird. Im Ergebnis ist damit der Zahlungsanspruch der Tankstelle auch mit dem Befüllen abgeschlossen. Fährt man nun versehentlich los und engagiert der Tankstellenbetreiber einen Anwalt und/oder eine Detektei, so kann der die Kosten als Verzugsschaden verlangen:

„Beim Tanken an einer Selbstbedienungstankstelle handelt es sich um ein anonymes Massengeschäft. Deshalb ist dem Tankstellenbetreiber eine Mahnung des Kunden, sobald dieser das Tankstellengelände verlassen hat, ohne erheblichen Aufwand nicht mehr möglich, da die Personalien des Kunden und dessen Anschrift dem Tankstellenbetreiber in aller Regel unbekannt sind. Damit ist auf Seiten des Tankstellenbetreibers ein gewichtiges Interesse gegeben, dass der Verzug ohne Mahnung eintritt „ (vgl. BGH, Urteil vom 04.05.2011, Az.: VIII ZR 171/10)

 

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LG Ingolstadt und Mietwagenkosten

Auch wenn man keine Schuld an einem Verkehrsunfall hat, so werden Mietwagenkosten nicht grenzenlos erstattet. Genau wie in dem Fall, in dem man den Mietwagen selbst zahlen müsste sollte man sich wirtschaftlich vernünftig verhalten.

Wer in Nürnberg nach einem Unfall einen Mietwagen benötigt, der kann momentan die eine oder andere Überraschungen erleben, da Amtsgericht (AG) und Landgericht (LG) unterschiedlich entscheiden was die zu erstattenden Kosten betrifft. Für den LG-Bezirk Ingolstadt scheint die Sache nunmehr (genau wie für den LG-Bezirk Ansbach) jedoch nachhaltiger geregelt zu sein.

Das AG Ingolstadt weist aktuell darauf hin, dass sich die Rechtsprechung des LG Ingolstadt zu den erstattungsfähigen MIetwagenkosten geändert hat. Das LG Ingolstadt schätzt nun, wie auch das LG Ansbach, nicht mehr nach der Schwacke-Liste sondern zieht die Fraunhofer Erhebung zur Schätzung heran (LG Ingolstadt, Urteil vom 23.08.2011, Az.: 22 S 2009/10 und Az.: 22 S 143/11). Schwacke ist nach der Rechtsprechung des LG Ingolstadt als Schätzgrundlage nicht (mehr) geeignet.

Für eine geschädigte Partei, die einen anwaltschaftlichen Vertreter hat, welcher sie

  • vernünftig und umfassend aufklärt,
  • erläutert, dass man auch als geschädigte Partei nicht einfach irgendeinen x-beliebig teuren Mietwagen nehmen darf und
  • sich wirtschaftlich vernünftig verhalten muss

ergeben sich im Ergebnis jedoch keine Nachteile. Eine vernünftig beratene Partei wird in der Regel ohne weiteres ganz erheblich günstiger anmieten als nach Schwacke.

Im Ergebnis kommt die Rechtsprechung des LG Ingolstadt letztendlich allen Versicherten zugute. Werden von den Gerichten sehr hohe Mietwagenkosten zugesprochen, so werden diese schließlich nicht von „der Versicherung“ sondern von der Versicherungsgemeinschaft, also allen Versicherungsnehmern getragen. Eine vernünftige Begrenzung der Mietwagenkosten stellt daher letztendlich auch eine Form von Verbraucherschutz dar.

 

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Wenn der Postmann zweimal klingelt – Die Ersatzzustellung

Manchmal werden zuzustellende Schriftstücke nicht angenommen oder der Empfänger ist nicht da. In diesem Fall ist eine so genannte Ersatzzustellung möglich. Das Schreiben kann an Dritte übergeben oder in den Briefkasten eingeworfen werden. Dabei kann es interessante Fälle geben. Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte nun zu entscheiden, ob die Zustellung eines Schriftstückes im Wege der Ersatzzustellung nach §§ 178 bis 181 ZPO wirksam ist, wenn in dem Haus in dem die Ersatzzustellung erfolgt,

  • außer dem Zustellungsadressaten noch zwei weitere Parteien eine Wohnung bzw. Geschäftsräume haben,
  • das zuzustellende Schriftstück wie die übrige Post für alle drei Parteien in einen an der Außentür des Hauses befindlichen Briefschlitz geworfen wird,
  • es mangels Briefkasten hinter der Tür auf den Boden des Hausflurs fällt und
  • der Zustellungsadressat seine Geschäftsräume einige Tage vorher in dem Haus aufgegeben, seinen Sitz an einen neuen Standort verlegt, es aber unabsichtlich versäumt hatte, die Schilder an der alten Haustüre abzumontieren.

 

Der BGH hat ausgeführt, dass eine wirksame Ersatzzustellung nach §§ 178 bis 181 ZPO voraussetzt,

  • dass eine Wohnung oder ein Geschäftsraum des Adressaten an dem Ort, an dem zugestellt werden soll, tatsächlich von dem Adressaten genutzt wird,
  • dass ein Geschäftslokals vorhanden ist, wenn ein dafür bestimmter Raum – und sei es nur zeitweilig besetzt – geschäftlicher Tätigkeit dient und der Empfänger dort erreichbar ist,
  • dass eine Zustellung dort nicht mehr möglich ist, wenn der Adressat die Nutzung der Räume aufgegeben hat.

 

Die Aufgabe der Räume setzt voraus, dass für einen objektiven Beobachter erkennbar sein muss, dass die Wohn- bzw. Geschäftsadresse nicht weitergenutzt werden soll. Der bloße Anschein unter der jeweiligen Anschrift würden eine Wohnung oder Geschäftsräume betrieben genügt daher für eine Ersatzzustellung grundsätzlich nicht. In einen gemeinsamen Briefschlitz in der Haustür eines Mehrparteienhauses ist eine Zustellung aber grundsätzlich möglich, wenn in dem betreffenden Gebäude eine überschaubare Anzahl von Personen wohn/Geschäftsräume unterhält, der Zustellungsadressat gewöhnlich seine Post durch diesen Einwurf erhält und eine eindeutige Zuordnung des Einwurfs zum Adressaten möglich ist.

Der Empfänger kann sich auf eine fehlerhafte Ersatzzustellung mangels Nutzung des Briefkastens durch ihn aber nicht berufen, wenn er einen Irrtum über seinen tatsächlichen Lebensmittelpunkt bewusst und zielgerichtet herbeigeführt hat.

BGH, Urteil vom 16.06.2011 – Az.: III ZR 342/09 –.

 

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Wenn der (Zivil-)Richter ruft muss man kommen, oder?

Manchmal ordnet das Gericht das persönliche Erscheinen einer Partei zur Sachverhaltsaufklärung an. Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte zu entscheiden wann bei Ausbleiben im Termin ein Ordnungsgeld nach § 141 Abs. 3 Satz 1 ZPO verhängt werden kann. Im Beschluss vom 22.06.2011 – Az.: I ZB 77/10 – hat der BGH ausgeführt:

„Will das Gericht gegen eine Partei, deren persönliches Erscheinen zur Aufklärung des Sachverhalts nach § 141 Abs. 1 ZPO angeordnet war und die zum Termin nicht erschienen ist, ein Ordnungsgeld verhängen, muss das Gericht zunächst Feststellungen dazu treffen, dass die Partei bzw. der gesetzliche Vertreter der Partei (vgl. § 170 Abs. 1 und 2 ZPO) zum Termin gemäß § 141 Abs. 2 Satz 2 ZPO, unter Hinweis auf die Folgen ihres Ausbleibens geladen worden sind, wofür eine Ladung mit einfachen Brief ausreicht.“

Hat die Partei ihr Ausbleiben genügend entschuldigt oder konnte sie berechtigterweise davon ausgehen, im Termin ordnungsgemäß nach § 141 Abs. 3 Satz 2 ZPO vertreten zu sein, darf Ordnungsgeld nicht verhängt werden (§ 141 Abs. 3 Satz 1, 381 ZPO). Ein etwaiges Verschulden Dritter muss sich die Partei nicht zurechnen lassen und § 85 Abs. 2 ZPO kommt im Rahmen von § 141 Abs. 3 ZPO nicht zur Anwendung.

Da die Anordnung des persönlichen Erscheinens einer Partei und die Verhängung eines Ordnungsgeldes stehen im Ermessen des Gerichts. Sinn und Zweck der Vorschrift des § 141 Abs. 3 Satz 1 ZPO ist nicht, eine vermeintliche Missachtung des Gerichts zu ahnden. Ziel ist die Aufklärung des Sachverhalts zu fördern. Die Verhängung eines Ordnungsgeldes setzt daher voraus, dass das unentschuldigte Ausbleiben der Partei die Sachaufklärung erschwert und dadurch den Prozess verzögert.

Dies ist nicht der Fall, wenn

  • sich die Partei von einem Rechtsanwalt vertreten lässt, der durch schriftliche Vollmacht (auch) zu einem Vergleichsabschluss ermächtigt ist (§ 141 Abs. 3 Satz 2 ZPO) und
  • noch Zeugen vernommen werden müssen, die im Termin nicht anwesend sind, bevor der Rechtsstreit zur Entscheidung reif ist.

 

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