Tag Bemessung

V. Zivilsenat des BGH entscheidet: Im Kaufrecht können weiterhin als Schadensersatz fiktive Mängelbeseitigungskosten verlangt werden

Mit Urteil vom 12.03.2021 – V ZR 33/19 – hat der unter anderem für den Immobilienkauf zuständige V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) in einem Fall, in dem ein Käufer eine Eigentumswohnung 

  • unter Ausschluss der Sachmängelhaftung 

erworben, 

  • es im Kaufvertrag geheißen 

hatte, dass 

  • dem Verkäufer bekannt ist, dass es in der Vergangenheit an der Schlafzimmerwand Feuchtigkeit gab und 
  • sich der Verkäufer, sollte es erneut zu einer Feuchtigkeit im Schlafzimmer kommen, verpflichtet, diese auf seine eigenen Kosten zu beheben, 

nach Übergabe der Wohnung 

  • Feuchtigkeit in dem Schlafzimmer aufgetreten, 
  • zur Beseitigung der Verkäufer vom Käufer erfolglos unter Fristsetzung aufgefordert und
  • der Käufer von den Wohnungseigentümern durch Beschluss auch insoweit zur Behebung der Schäden ermächtigt worden war, 
    • als das Gemeinschaftseigentum betroffen ist, 

entschieden, dass der Käufer

  • im Rahmen des kleinen Schadensersatzes 

von dem Verkäufer gemäß §§ 437 Nr. 3, 280, 281 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) 

  • Ersatz der voraussichtlich erforderlichen (fiktiven) Mängelbeseitigungskosten 

verlangen kann, 

  • wobei es unerheblich ist, ob der Mangel tatsächlich beseitigt wird. 

Das bedeutet, im Kaufrecht kann ein Käufer 

  • der die mangelhafte Kaufsache behalten will, 

ggf. im Rahmen des kleinen Schadensersatzes entweder 

  • Ausgleich des mangelbedingten Minderwertes

oder

  • Ersatz der voraussichtlich erforderlichen (fiktiven) Mängelbeseitigungskosten (ohne Umsatzsteuer) verlangen (Quelle: Pressemitteilung des BGH).

Hinweis:
Wie im 

  • Werkvertragsrecht

ein Besteller, 

  • der nach der Abnahme am Bauwerk Mängel festgestellt hat und 
  • das (mangelhafte) Werk behalten will, 

den ersatzfähigen Schaden bemessen kann und ggf. muss, 

  • falls er den Mangel nicht beseitigen lässt,
  • falls er den Mangel beseitigen lassen will und
  • wenn er den Mangel hat beseitigen lassen,

vgl. die 

OLG Frankfurt entscheidet: Wegen zu spät erkannter Krebserkrankung muss Arzt 50.000 € Schmerzensgeld zahlen

Mit Urteil vom 22.12.2020 – 8 U 142/18 – hat das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main in einem Fall, in dem eine 70-jährige Frau an Krebs verstorben war, den Arzt,  

  • in dessen orthopädische Fachpraxis sie wegen undefinierbarer Schmerzen in einem bereits geschwollenen rechten Oberschenkel überweisen worden war,

verurteilt, an den Ehemann der verstorbenen Frau, ein 

  • von ihm für sie geltend gemachtes     

Schmerzensgeld

  • in Höhe von 50.000 € 

zu zahlen.

Begründet hat das OLG dies mit einem 

  • Befunderhebungsfehler des Arztes, 

den es darin gesehen hat, dass er bei der Frau, nach Überweisung in seine Fachpraxis im Oktober, zunächst  

  • lediglich ein Hämatom diagnostiziert und Schmerzmittel verordnet, 

die Erhebung der damals medizinisch gebotenen Befunde aber unterlassen und eine MRT-Untersuchung, 

  • bei der dann der Tumor diagnostiziert worden war,

erst 

  • gut einen Monat später, Ende November,

veranlasst hatte, der Tumor 

  • wegen Metastasenbildung da nicht mehr eingedämmt werden konnte,

bei sofortiger Erhebung der medizinisch gebotenen Befunde aber schon Ende Oktober, 

  • also bereits einen Monat früher, 

hätte erkannt werden können und dann die statistische Prognose der Frau um 10 – 20 % besser gewesen wäre.

Bei der Bemessung des Schmerzensgeldes berücksichtigte das OLG den Leidensweg der Frau 

  • seit dem Zeitraum ab Bekanntwerden der Metastasen, 

ihre körperlichen als auch psychischen Lebensbeeinträchtigungen in der Folgezeit, in der 

  • das dem Arzt nicht zurechenbare Grundleiden mit den damit verbundenen Beschwerden und Einschränkungen immer weiter in den Hintergrund trat und 

dass die Frau ihre Chancen auf eine Genesung zunehmend schwinden sah und sie sich auf den immer konkreter bevorstehenden Tod einstellen musste (Quelle: Pressemitteilung des OLG Frankfurt am Main).  

Hinterbliebene eines bei einem Verkehrsunfall tödlich verunglückten Angehörigen sollten wissen, dass sie

…. einen Anspruch auf Hinterbliebenengeld haben können.   

Kommt bei einem Verkehrsunfall ein Angehöriger zu Tode, können Hinterbliebene,

  • wegen des ihnen zugefügten seelischen Leides, 

von dem bzw. den Ersatzpflichtigen, 

  • wie etwa dem Unfallgegner, dem Halter und der Haftpflichtversicherung des unfallbeteiligten Fahrzeugs, 

nach § 844 Abs. 3 Bundesgerichtshof (BGB) Zahlung 

  • einer angemessenen Entschädigung in Geld (Hinterbliebenengeld) 

verlangen,

  • sofern sie zur Zeit der Verletzung zu dem Getöteten in einem besonderen persönlichen Näheverhältnis standen,

wobei ein solches besonderes persönliches Näheverhältnis dann vermutet wird,

  • wenn der Hinterbliebene der Ehegatte, der Lebenspartner, ein Elternteil oder ein Kind des Getöteten war.

Darauf und dass als Ausgangspunkt bei der Bemessung des Hinterbliebenengeldes 

  • ein Betrag in Höhe von 10.000 Euro 

als „Richtschnur“ oder Orientierungshilfe zugrunde gelegt werden kann, hat der 

hingewiesen.

Danach soll das Hinterbliebenengeld, 

  • das gegenüber dem Anspruch auf Schmerzensgeld nachrangig ist, 

die Fälle abdecken, in denen die Trauer und das seelische Leid bei dem Hinterbliebenen nicht zu einer gesundheitlichen Beeinträchtigung 

  • – wie sie Voraussetzung für die Geltendmachung eines Schmerzensgeldes ist – 

geführt haben und 

  • ohne dass eine konkrete gesundheitliche Auswirkung vorliegen muss,

ein (gewisser) Ausgleich sein, für die Trauer und das seelische Leid, die durch den Verlust eines besonders nahestehenden Menschen ausgelöst werden.

Es gibt Meinungsverschiedenheiten am BGH darüber, wie beim Schadensersatz statt der Leistung (kleiner Schadensersatz)

…. nach §§ 280, 281 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB),  

  • bei (noch) nicht erfolgter Mängelbeseitigung, 

der Schaden im Werk- sowie im Kaufvertragsrecht bemessen werden darf.   

Der 

  • für Streitigkeiten aus Bau- und Architektenverträgen zuständige 

VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) hat mit Urteil vom 22.02.2018 – VII ZR 46/17 –, unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung, entschieden 

dass es 

  • im Werkvertragsrecht 

dann nicht (mehr) zulässig ist, den Anspruch auf Schadensersatz  

  • wegen nach der Abnahme am Bauwerk festgestellter Mängel gemäß § 634 Nr. 4, §§ 280, 281 BGB 

nach den fiktiven Mängelbeseitigungskosten zu bemessen, wenn der Besteller 

  • das Werk behält und 
  • den Mangel nicht beseitigen lässt bzw. noch nicht hat beseitigen lassen,

vielmehr ein Besteller, der das (mangelhafte) Werk behält und den Mangel nicht beseitigen lässt, den Schaden bemessen kann und ggf. muss,

  • entweder in der Weise, dass er im Wege einer Vermögensbilanz die Differenz ermittelt,
    • zwischen dem hypothetischen Wert der durch das Werk geschaffenen oder bearbeiteten, im Eigentum des Bestellers stehenden Sache ohne Mangel und 
    • dem tatsächlichen Wert der Sache mit Mangel, 
  • oder in Anlehnung an § 634 Nr. 3, § 638 BGB auch in der Weise, dass ausgehend von der für das Werk vereinbarten Vergütung, 
    • der Minderwert des Werks wegen des (nicht beseitigten) Mangels geschätzt wird, 
    • wobei Maßstab ist, die durch den Mangel des Werks erfolgte Störung des Äquivalenzverhältnisses,
  • oder, falls der Besteller die durch das Werk geschaffene oder bearbeitete Sache veräußert haben sollte, ohne dass eine Mängelbeseitigung vorgenommen wurde,
    • nach dem konkreten Mindererlös wegen des Mangels der Sache,

dass ein Besteller, der das Werk behält und den Mangel beseitigen lassen will, 

  • weiterhin gemäß § 634 Nr. 4, §§ 280, 281 BGB grundsätzlich das Recht hat, Vorschuss gemäß § 634 Nr. 2, § 637 BGB zu fordern

und dass ein Besteller, der das Werk behält und den Mangel hat beseitigen lassen,

  • die von ihm aufgewandten Mängelbeseitigungskosten als Schaden gemäß § 634 Nr. 4, §§ 280, 281 BGB ersetzt bzw. 
  • vor Begleichung der Kosten Befreiung von den zur Mängelbeseitigung eingegangenen Verbindlichkeiten 

verlangen kann.

Anderer Auffassung 

  • jedenfalls

für die Bemessung des 

  • kaufvertraglichen Schadensersatzes statt der Leistung gemäß § 437 Nr. 3, §§ 280, 281 Abs. 1 BGB 

ist der für das Kaufrecht zuständige V. Senat des BGH, der, 

daran festhalten will, dass ein Käufer

  • der die (mangelhafte) Kaufsache behält und den Mangel nicht beseitigen lässt, 

entweder

  • Ausgleich des mangelbedingten Minderwerts 

oder 

  • Ersatz der voraussichtlich erforderlichen (fiktiven) Mängelbeseitigungskosten 

verlangen kann.

Hinweis für die Praxis:
Damit kann, wenn 

  • eine mangelhafte Sache behalten, 
  • der Mangel nicht beseitigt und 
  • Schadensersatz nach §§ 281, 280 BGB verlangt wird, 

für die Bemessung des Schadens von Bedeutung sein, ob es sich bei der vom Schuldner übernommenen Pflicht, die nicht wie geschuldet, sondern mangelhaft erbracht wurde, um 

  • eine kauf- oder 
  • eine werkvertragliche 

Pflicht gehandelt hat.  

Ehegatten sollten wissen, dass ein Anspruch auf Trennungsunterhalt auch bestehen kann, wenn sie nicht zusammengelebt oder

…. nicht gemeinsam gewirtschaftet haben.

Leben die Ehegatten getrennt, so kann

  • gemäß § 1361 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)

ein Ehegatte von dem anderen

  • nach den Lebensverhältnissen und den Erwerbs- und Vermögensverhältnissen der Ehegatten

angemessenen Unterhalt verlangen,

  • wobei die Bemessung des Unterhaltsbedarfs entsprechend den auch für den nachehelichen Unterhalt nach § 1578 Abs. 1 BGB geltenden Grundsätzen erfolgt.

Getrennt leben Ehegatten nach § 1567 Abs. 1 BGB, wenn

  • zwischen ihnen keine häusliche Gemeinschaft besteht

und

  • ein Ehegatte sie, weil er die eheliche Lebensgemeinschaft ablehnt, erkennbar nicht herstellen will.

Dabei kommt es weder darauf an,

  • ob die Ehegatten
    • vorher zusammengelebt und
    • die Trennung durch Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft herbeigeführt haben oder
  • ob sie von Anfang an getrennt gelebt haben,

noch darauf an,

  • inwieweit es zur Verwirklichung der Lebensgemeinschaft und zur Verflechtung und Abhängigkeit der Lebensdispositionen beider Ehegatten gekommen ist oder
  • ob die Unterhaltsbedürftigkeit ihre Ursache in dem vorherigen Bestehen einer ehelichen Lebensgemeinschaft hat

und der Anspruch auf Trennungsunterhalt nach § 1361 Abs. 1 Satz 1 BGB ist grundsätzlich auch nicht davon abhängig, in welchem Maß die Ehegatten im Einzelfall

  • ihre beiderseitigen Einkünfte für den Unterhalt des anderen und
  • für eine gemeinsame Lebensführung verwendet haben.

Ein Anspruch auf Trennungsunterhalt kann vielmehr auch dann bestehen, wenn die Ehegatten

  • zu keinem Zeitpunkt ihres Zusammenlebens

eine wirtschaftliche Einheit gebildet, sondern

  • mit getrennten Kassen gewirtschaftet haben.

Als verwirkt

  • gemäß §§ 1361 Abs. 3, 1579 Nr. 8 BGB

angesehen kann ein Anspruch auf Trennungsunterhalt nur ausnahmsweise

  • bei anfänglichem Einvernehmen darüber,

keine eheliche Lebensgemeinschaft zu begründen (Bundesgerichtshofs (BGH), Beschluss vom 19.02.2020 – XII ZB 358/19 –).

OLG Oldenburg entscheidet: 500.000 Euro Schmerzensgeld für Kind, das als Folge einer Sauerstoffunterversorgung

…. vor der Geburt einen schweren Hirnschaden erlitten hat.

Mit Urteil vom 13.11.2019 – 4 U 108/18 – hat der 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Oldenburg in einem Fall, in dem

  • es anlässlich der Geburt eines Kindes in einer Klinik,

bei dem Kind

  • zu einem schweren Hirnschaden infolge einer Sauerstoffunterversorgung vor der Geburt

gekommen war, weil,

  • nachdem ca. 45 min vor der Entbindung die Herzfrequenz des Kindes sehr stark abgefallen war (sog. Bradykardie) und
  • in diesem Zeitraum für ca. 10 min das CTG (sog. Wehenschreiber) weder von dem Kind, noch von der Mutter, einen Herzschlag aufgezeichnet hatte,

bei Wiedererfassung eines Herzschlages mit normgerechter Frequenz im CTG, die Ärzte diesen Herzschlag,

  • bei dem es sich tatsächlich um den der Mutter handelte,

irrtümlicherweise für den des Kindes gehalten hatten, in der Annahme, es habe sich wieder erholt und

  • nachdem später der Irrtum bemerkt worden war,

das Kind durch die Sauerstoffunterversorgung bereits erheblich geschädigt war, das Klinikum und die behandelnden Ärzte verurteilt dem Kind

  • 500.000 Euro Schmerzensgeld zu zahlen und
  • sämtlichen Vermögensschaden zu ersetzen, der dem Kind aus den Kunstfehlern anlässlich seiner Geburt entstanden ist oder zukünftig entstehen wird.

Der Senat erachtete es als groben Behandlungsfehler, dass angesichts

  • des Verdachts auf einen kindlichen Herzfrequenzabfall und
  • der bedrohlichen Situation,

die behandelnden Ärzte

  • sich über einen Zeitraum von 10 min mit einem nicht aussagekräftigen CTG zufrieden gegeben und

es unterlassen hatten, sich auf andere Weise,

  • beispielsweise durch eine sog. Kopfschwartenelektrode,

davon zu überzeugen, dass es dem Kind gut geht.

Bei der Bemessung des Schmerzensgeldes berücksichtigte der Senat insbesondere, dass das Kind

Hinweis:
Wer von einem anderen

  • wegen der Verletzung seines Körpers, seiner Gesundheit, seiner Freiheit oder seiner sexuellen Selbstbestimmung

Schadensersatz verlangen kann, kann nach § 253 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)

  • auch wegen des Schadens, der nicht Vermögensschaden ist,

eine billige Entschädigung in Geld (Schmerzensgeld) fordern.

Dieses einem Geschädigten in einem solchen Fall neben dem Anspruch auf Schadensersatz zustehende Schmerzensgeld hat nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH, Beschluss vom 16.09.2016 – VGS 1/16 –) rechtlich eine doppelte Funktion.

  • Es soll dem Geschädigten einen angemessenen Ausgleich bieten für diejenigen Schäden, für diejenige Lebenshemmung, die nicht vermögensrechtlicher Art sind (Ausgleichsfunktion).
  • Zugleich soll es aber dem Gedanken Rechnung tragen, dass der Schädiger dem Geschädigten für das, was er ihm angetan hat, Genugtuung schuldet (Genugtuungsfunktion).

Der Entschädigungs- oder Ausgleichsgedanke steht dabei im Vordergrund.

Im Hinblick auf diese Zweckbestimmung des Schmerzensgeldes bildet die Rücksicht auf

  • Größe,
  • Heftigkeit und
  • Dauer der Schmerzen,
  • Leiden und
  • Entstellungen

die wesentlichste Grundlage bei der Bemessung.

  • Für bestimmte Gruppen von immateriellen Schäden, insbesondere wenn diese Folge eines vorsätzlichen Handeln sind, hat aber auch die Genugtuungsfunktion, eine besondere Bedeutung.

Ganz im Vordergrund stehen der Bemessung der billigen Entschädigung in Geld,

  • die Höhe und
  • das Maß der Lebensbeeinträchtigung.

Daneben können aber auch alle anderen Umstände (mit) berücksichtigt werden, die dem einzelnen Schadensfall

  • sein besonderes Gepräge geben,

wie etwa

  • der Grad des Verschuldens des Schädigers,
  • im Einzelfall auch die wirtschaftlichen Verhältnisse des Geschädigten und diejenigen des Schädigers,
    • sofern ein außergewöhnliches Gefälle zwischen der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit von Täter und Opfer und damit ein Fall vorliegt, in dem die wirtschaftliche Situation der Sache ein besonderes Gepräge gibt,
    • wie bei der Verletzung einer „armen“ Partei durch einen vermögenden Schädiger (BGH, Beschluss vom 11.05.2017 – 2 StR 550/15 –).

Was Mütter, die Anspruch auf Elterngeld haben, über die Elterngeldberechnung bei vorausgegangenem Arbeitsplatzverlust

…. wissen sollten.

Mit Urteil vom 22.08.2018 – L 2 EG 8/18 – hat das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen darauf hingewiesen, dass bei einer werdenden Mutter, die nach dem Verlust ihres Arbeitsplatzes,

  • wegen einer schwangerschaftsbedingten Erkrankung,
  • beispielsweise eines Beschäftigungsverbots wegen einer Risikoschwangerschaft,

keinen neuen Job gefunden

  • und bei der sich deswegen ihr Erwerbseinkommen in den Monaten vor der Geburt vermindert

hat, sich der Zeitraum für die Berechnung des Elterngeldes,

  • das sich grundsätzlich nach dem Durchschnittseinkommen der letzten zwölf Monate vor dem Mutterschutz berechnet(vgl. § 2b Absatz 1 des Gesetzes zum Elterngeld und zur Elternzeit (BEEG)),

ausnahmsweise verschieben kann.

Denn, so das LSG, bei der Bemessung des Elterngeldes komme es maßgeblich auf den Zusammenhang zwischen

  • einer schwangerschaftsbedingten Erkrankung und
  • einer dadurch bewirkten Minderung des Erwerbseinkommens

an, was

  • danach zu beurteilen sei, ob die Mutter ohne die schwangerschaftsbedingte Erkrankung nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge mit Wahrscheinlichkeit einen höheren Verdienst erzielt hätte.

In dem der Entscheidung zugrunde liegendem Fall einer Hotelfachfrau,

  • der nach langer Mobbingsituation gekündigt worden war,
  • die sich danach um eine neue Anstellung bemüht und
  • bei zwei Arbeitgebern probegearbeitet hatte,

bei der es aber nicht zu einer Einstellung gekommen war,

  • weil sie mit Zwillingen schwanger wurde und
  • ihre Frauenärztin ein Beschäftigungsverbot wegen Risikoschwangerschaft ausgesprochen hatte,

die aber ohne die Risikoschwangerschaft nach Auffassung des LSG wahrscheinlich eine neue Arbeit gefunden hätte, erhöhte sich,

  • wegen der vorzunehmenden Verschiebung des Zeitraums für die Elterngeldberechnung,

ihr für die Bemessung des Elterngeldes maßgebliches rechnerisches Durchschnittseinkommen um rund 1.000 Euro (Quelle: Pressemitteilung des LSG Niedersachsen-Bremen vom 24.09.2018).

Wichtig zu wissen für Arbeitnehmer die Anspruch auf Insolvenzgeld und von ihrem Arbeitgeber

…. ein sittenwidrig niedriges Arbeitsentgelt erhalten haben.

Mit Urteil vom 07.09.2018 – S 15 AL 101/14 – hat das Sozialgericht (SG) Mainz entschieden, dass Arbeitnehmer, denen ihr Arbeitgeber ein sittenwidriges niedriges Arbeitsentgelt gezahlt hat,

  • was dann der Fall ist, wenn die Arbeitsvergütung nicht einmal 2/3 des in der betreffenden Branche und Wirtschaftsregion üblicherweise gezahlten Tariflohnes erreicht hat,

nach einer Insolvenz ihres Arbeitgebers Insolvenzgeld von der Bundesagentur für Arbeit (BA)

  • auf Grundlage des tariflichen Lohnes

verlangen können.

Begründet hat das SG dies damit, dass eine sittenwidrige niedrige Vergütungsabrede nicht Grundlage für die Bemessung der Höhe des Insolvenzgeldes sein kann, das für die letzten drei Monate des Arbeitsverhältnisses vor dem Insolvenzereignis normalerweise dann in Höhe des seitens des Arbeitsgebers geschuldeten Nettoarbeitsentgelts zu zahlen ist, wenn der Arbeitgeber seinen Zahlungspflichten aufgrund seiner Insolvenz nicht mehr (vollständig) nachkommen konnte (Quelle: Pressemitteilung des SG Mainz vom 18.09.2018).

Wichtig zu wissen für Arbeitnehmer, die vor der Beendigung des Arbeitsverhältnisses vom Arbeitgeber freigestellt

…. worden sind bzw. werden und nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses Arbeitslosengeld bezogen haben bzw. beziehen.

Mit Urteil vom 30.08.2018 – B 11 AL 15/17 R – hat der 11. Senat des Bundessozialgerichts entschieden, dass

  • die während der Freistellung bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses gezahlte und abgerechnete Vergütung,
  • auch im Falle einer unwiderruflichen Freistellung,

bei der Bemessung des Arbeitslosengeldes als Arbeitsentgelt einzubeziehen ist.

Begründet hat der Senat dies damit, dass maßgebend für die Arbeitslosengeld-Bemessung im Sinne des § 150 Absatz 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) der Begriff der Beschäftigung im versicherungsrechtlichen Sinn ist.

Danach muss also, wenn beispielsweise zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber durch Aufhebungsvertrag die Beendigung des Arbeitsverhältnisse zu einem bestimmten Termin vereinbart,

  • der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber aber schon vor dem vereinbarten Beendigungstermin unter Weiterzahlung des Arbeitslohns unwiderruflich von der Arbeitsleistung freigestellt

wird, die in der Freistellungsphase gezahlte Vergütung

  • bei der Bemessung des Arbeitslosengeldes

mit berücksichtigt werden (Quelle: Pressemitteilung des BSG vom 30.08.2018).