Tag Einrede

Dieselgate: BGH hat Termin anberaumt zur Verhandlung darüber, ob die dreijährige Verjährungsfrist für Schadensersatzansprüche

…. von Fahrzeugkäufern gegen die VW AG bereits mit Schluss des Jahres 2015 begonnen hat.  

Am 14.12.2020 – VI ZR 739/20 – wird der unter anderem für das Recht der unerlaubten Handlungen zuständige VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) über einen Fall verhandeln, in dem von einem Käufer, der im April 2013 einen 

  • mit einem Dieselmotor vom Typ EA189 und 
  • einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestatteten 

VW Touran erworben und nachfolgend im April 2015 Kenntnis erlangt hatte, 

  • von dem damals aufgedeckten sogenannten Dieselskandal sowie 
  • dass sein Fahrzeug hiervon betroffen war, 

im Jahr 2019 Klage gegen die VW AG

  • auf Schadensersatz aus § 826 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) 
  • wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung  

eingereicht und von der VW AG 

  • die Einrede der Verjährung 

erhoben worden war.

Entscheiden muss der BGH, ob die Einrede der Verjährung nach § 214 Abs. 1 BGB durchgreift, also ob 

  • die dreijährige Verjährungsfrist (§ 195 BGB)   

für den Schadensersatzanspruch des Fahrzeugkäufers gegen die VW AG 

  • bereits mit Schluss des Jahres 2015 begonnen hatte und Verjährung somit mit Ablauf des Jahres 2018 eingetreten ist oder 
  • ob das nicht der Fall war. 

Diese Entscheidung wird,

  • da nach § 199 BGB die dreijährige Verjährungsfrist mit dem Schluss des Jahres beginnt, in dem
    • der Anspruch entstanden ist und
    • der Fahrzeugkäufer von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste,

davon abhängen, ob schon im Jahr 2015 für den Fahrzeugkäufer, 

  • aufgrund der ihm damals bekannten Umstände

eine hinreichend aussichtsreiche Klageerhebung gegen die VW AG zumutbar war (Quelle: Pressemitteilung des BGH).   

Übrigens:
Ob bereits mit Schluss des Jahres 2015 die dreijährige Verjährungsfrist für Schadensersatzansprüche von Fahrzeugkäufern gegen die VW AG begonnen hat, wird von den Gerichten bisher unterschiedlich beurteilt.  

So ist der Schadensersatzanspruch in obiger Sache 

  • in I. Instanz vom Landgericht (LG) Stuttgart für nicht verjährt, 
  • in II. Instanz vom Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart aber für verjährt

erachtet worden und das OLG Oldenburg hat mit Urteil vom 30.01.2020 – 1 U 131/19, 1 U 137/19 – entschieden, dass die dreijährige Verjährungsfrist 

  • für Schadensersatzansprüche von Käufern von vom Abgas-Skandal betroffenen Dieselfahrzeugen gegen die VW AG 

erst mit Ablauf des Jahres 2016 begonnen hat, da die Fahrzeugkäufer Kenntnis erlangt haben 

  • von der Mangelhaftigkeit ihrer Fahrzeuge zwar schon im Jahr 2015, nachdem 
    • von VW im September 2015 mitgeteilt worden war, dass es bei dem Motor EA 189 „eine auffällige Abweichung zwischen Prüfstandswerten und realem Fahrbetrieb“ gebe,
  • von den Umständen, aufgrund derer eine hinreichend aussichtsreiche Klageerhebung wegen vorsätzlicher sittenwidrigen Schädigung zumutbar war, jedoch erst im Jahr 2016, weil
    • der Konzern bestritten habe, dass der VW-Vorstand oder andere Personen in verantwortlicher Stellung davon gewusst hätten und
    • der Umfang des Gesamtkomplexes erst im Laufe des Jahre 2016 durch die Medien, Staatsanwaltschaften und Rechtsanwälte aufgeklärt worden sei,

somit also Schadensersatzansprüche erst mit Ablauf des Jahres 2019 verjährt sind. 

Erben und Nachlassschuldner sollten wissen, dass geltend gemachten Nachlassforderungen auch zu Lebzeiten des Erblassers begründete Einwände

…. entgegengehalten werden können und wer in solchen Fällen was beweisen muss.

Machen Erben eine dem Erblasser zustehende Forderung geltend, kann der auf Erfüllung einer solchen Nachlassforderung (§ 2039 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) in Anspruch genommene Nachlassschuldner

  • sich nicht nur darauf berufen, die Forderung gegenüber dem Erblasser bereits erfüllt zu haben, sondern beispielsweise

auch

  • geltend machen, mit dem Erblasser einen Schuldenerlass vereinbart zu haben oder
  • die Einrede der Verjährung erheben.

Dass

  • die geschuldete Nachlassforderung gegenüber dem Erblasser bereits bewirkt (§ 362 Abs. 1 BGB) oder
  • mit dem Erblasser ein Schuldenerlass vereinbart wurde,

hat der Nachlassschuldner darzulegen und im Streitfall zu beweisen.

War die Verjährungsfrist für die geltend gemachte Nachlassforderung oder einem Teil hiervon bereits vor der gerichtlichen Geltendmachung durch den Erben abgelaufen und ist die Einrede der Verjährung erhoben, muss der Erbe, der sich

  • auf eine die Verjährung hemmende Vereinbarung zwischen dem Nachlassschuldner und dem Erblasser berufen will,
  • beispielsweise eine Stundungsabrede,

die Voraussetzungen hierfür schlüssig darlegen und, wenn diese nicht nach § 138 Zivilprozessordnung (ZPO) als zugestanden gelten, nachweisen.

Darauf hat der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm mit Urteil vom 24.10.2017 – 10 U 14/17 – hingewiesen (Quelle: Pressemitteilung des OLG Hamm vom 15.01.2018).

BGH entscheidet: Bürge kann sich stets auch auf ein zwischen dem Hauptschuldner und dem Gläubiger geschlossenes Stillhalteabkommen berufen

Mit Urteil vom 28.11.2017 – XI ZR 211/16 – hat der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) entschieden, dass ein Bürge sich nach § 768 Abs. 1 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)

  • auf ein Leistungsverweigerungsrecht des Hauptschuldners aus einem zwischen diesem und dem Gläubiger geschlossenen Stillhalteabkommen

auch dann berufen kann, wenn

  • sich der Gläubiger in dem Stillhalteabkommen die Geltendmachung der Ansprüche aus der Bürgschaft ausdrücklich vorbehalten hat.

Begründet hat der Senat dies damit, dass

  • nach § 768 Abs. 1 Satz 1 BGB ein Bürge die Einreden des Hauptschuldners wie eigene geltend machen kann,
  • dieses Recht auch dem selbstschuldnerisch haftenden Bürgen zusteht,
  • der Bürge dabei nicht auf Gegenrechte beschränkt ist, die dem Hauptschuldner gegen die verbürgte Forderung zustehen, sondern dass er, weil die Bürgschaft als akzessorisches Sicherungsmittel dem Gläubiger gegen den Bürgen im Allgemeinen keine besseren Rechte gewähren soll als gegen den Hauptschuldner, auch Einreden des Hauptschuldners gegen die Verwertung der Bürgschaft geltend machen kann,
  • sich der Bürge deshalb nach § 768 Abs. 1 Satz 1 BGB auf sämtliche Einreden des Hauptschuldners berufen kann, soweit der Sicherungszweck der Bürgschaft dem nicht entgegensteht,
  • demzufolge der Bürge nach § 768 Abs. 1 Satz 1 BGB auch ein – vorübergehendes oder dauerhaftes – Leistungsverweigerungsrecht des Hauptschuldners aus einem Stillhalteabkommen mit dem Gläubiger geltend machen kann und

diese Einrede des Bürgen nicht dadurch entfällt, dass sich der Gläubiger in der Stillhaltevereinbarung die Inanspruchnahme des Bürgen vorbehalten hat.

Was Bürgen, die eine Gewährleistungsbürgschaft übernommen haben, wissen sollten

Mit Urteil vom 24.10.2017 – XI ZR 600/16 – hat der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) entschieden, dass eine in einem Vertrag über Bauleistungen formularmäßig vereinbarte Sicherungsabrede

  • den Auftragnehmer entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt und

nach § 307 Abs. 1 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) unwirksam ist, wenn die Sicherungsabrede vorsieht, dass der Auftragnehmer

  • zur Ablösung eines Sicherheitseinbehalts für Gewährleistungseinsprüche

eine Bürgschaft

  • mit einem gegenüber dem Bürgen unzulässigen Regelungsinhalt,
    • beispielsweise einen formularmäßiger Ausschluss der Einrede der Aufrechenbarkeit, der auch unbestrittene oder rechtskräftig festgestellte Forderungen des Hauptschuldners umfasst,

stellen kann bzw. muss.

Hat der Bürge in einem solchen Fall,

  • in dem die Sicherungsabrede zwischen Hauptschuldner (hier: Auftragnehmer) und Gläubiger (hier: Auftraggeber) unwirksam ist,

eine Sicherung gewährt, so kann er sich gegenüber einem Leistungsverlangen des Gläubigers (hier: des Auftraggebers) aus der Gewährleistungsbürgschaft nach § 765 Abs. 1 BGB

  • dauerhaft auf die Unwirksamkeit der Sicherungsabrede und
  • gemäß § 768 Abs. 1 Satz 1 BGB auf die Einrede des Hauptschuldners (hier des Auftragnehmers) berufen, dass der Gläubiger (hier: der Auftraggeber) die Inanspruchnahme des Bürgen zu unterlassen hat.

Denn bei Unwirksamkeit der Sicherungsabrede und

  • damit der Verpflichtung des Hauptschuldners (hier: des Auftragnehmers) zur Stellung einer Gewährleistungsbürgschaft

steht dem Hauptschuldner (hier: dem Auftragnehmer) gegenüber dem Begehren des Auftraggebers auf Stellung einer solchen Bürgschaft

  • die dauerhafte Einrede aus § 821 BGB zu.

Er (hier: der Auftragnehmer) hat dann nach § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB einen Anspruch auf Rückgewähr der Bürgschaftsurkunde gegen den Auftraggeber.

Der Bürge wiederum kann sich gegenüber dem Auftraggeber bei Inanspruchnahme aus der Bürgschaft gemäß § 768 Abs. 1 Satz 1 BGB ebenfalls nach § 821 BGB darauf berufen, dass diese ohne Rechtsgrund gestellt worden ist.

Übrigens:
Hat ein Bürge,

  • trotz Bestehens einer dauerhaften Einrede nach § 768 Abs. 1 Satz 1 BGB

an den Auftraggeber aus der Bürgschaft geleistet, kann er das von ihm Geleistete nach § 813 Abs. 1 Satz 1 BGB vom Gläubiger zurückverlangen.

Das hat der XI. Zivilsenat des BGH mit Urteil vom 24.10.2017 – XI ZR 362/15 – entschieden.

Wichtig für Arbeitnehmer eines Subunternehmers zu wissen: Wer haftet (auch) für ihren Anspruch auf Mindestlohn

…. wenn sie mit dem Versuch ihre Lohnforderung bei ihrem Arbeitgeber einzutreiben scheitern.

Nach § 13 Mindestlohngesetz (MiLoG) und § 14 Arbeitnehmerentsendegesetz (AEntG) haftet

  • ein vom Bauherrn mit der Errichtung eines Bauvorhabens beauftragter Generalunternehmer wie ein Bürge, der auf die Einrede der Vorausklage verzichtet hat,

dann,

  • wenn ein Subunternehmer die Löhne seiner Arbeiter nicht bezahlt hat.

Kann ein Arbeitnehmer den Mindestlohn

  • weder von seinem Arbeitgeber
  • noch vom Generalunternehmer eintreiben,
    • weil beispielsweise der Generalunternehmer Insolvenz angemeldet hat,

haftet auch der (eigentliche) Bauherr,

  • neben dem Arbeitgeber und dem insolventen Generalunternehmer als Bürge für die nicht gezahlten Löhne dann,

wenn der Bauherr zugleich als Bauträger im Sinne des AEntG anzusehen ist und das ist

  • der, der in eigenen Namen und auf eigene Rechnung ein Gebäude baut, um das errichtete Gebäude während oder nach der Bauphase gewinnbringend zu veräußern,
  • nicht dagegen der, der ein Bauwerk errichtet, um durch den Bau eigenen gewerblichen Zwecken (z.B. Nutzung des Gebäudes als Einkaufszentrum und Vermietung der darin befindlichen Geschäftsräume) zu dienen.

Das hat Arbeitsgericht (ArbG) Berlin mit Urteil vom 03.05.2017 – 14 Ca 14814/16 – entschieden (Quelle: Pressemitteilung des ArbG Berlin vom 03.05.2017 – Nr. 11/17 –).

Was, wer sich durch Bürgschaftsvertrag als Bürge verpflichtet hat oder vorhat es zu tun, wissen sollte

Nach § 768 Abs. 1 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) kann ein Bürge gegenüber dem Gläubiger

  • neben seinen eigenen Einreden aus dem Bürgschaftsverhältnis
  • auch die dem Hauptschuldner zustehenden Einreden geltend machen, also auch die Einrede der Verjährung erheben und
  • er verliert eine dem Hauptschuldner zustehende Einrede nicht dadurch, dass der Hauptschuldner auf sie verzichtet.

Wird allerdings

  • aufgrund eines gegen den Hauptschuldner ergangenen rechtskräftigen Urteils gegen diesen eine neue 30-jährige Verjährungsfrist in Lauf gesetzt und
  • hatte sich der Hauptschuldner in dem Prozess erfolglos auf die Einrede der Verjährung berufen,

verliert der Bürge das Recht nach § 768 Abs. 1 Satz 1 BGB sich gegenüber dem Gläubiger auf den Ablauf der ursprünglichen Regelverjährung der Hauptforderung zu berufen.

Darauf hat der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Urteil vom 14.06.2016 – XI ZR 242/15 – hingewiesen.

Begründet hat der Senat dies u.a. damit, dass

  • ein Bürge die dem Hauptschuldner zustehenden Einreden nur insoweit geltend machen kann, wie diese Einreden dem Hauptschuldner selbst noch zustehen,
  • die rechtskräftige Verurteilung des Hauptschuldners auch zur Folge hat, dass zu dessen Lasten kraft Gesetzes gemäß § 197 Abs. 1 Nr. 3 BGB eine neue, 30-jährige Verjährungsfrist in Gang gesetzt wird und
  • dem Hauptschuldner aus diesem Grund eine Einrede im Sinne von § 768 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht mehr zusteht.