Tag Nachbargrundstück

Wichtig für Wohnungsmieter und -vermieter zu wissen, wenn über die Berechtigung einer Mietminderung wegen

…. vom Nachbargrundstück ausgehenden Lärms gestritten wird.

Mit Urteil vom 29.04.2020 – VIII ZR 31/18 – hat der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) darauf hingewiesen, dass 

  • nach Abschluss des Mietvertrags 

eintretende erhöhte Geräusch- und Schmutzimmissionen, 

  • auch wenn sie von einer auf einem Nachbargrundstück eines Dritten betriebenen Baustelle herrühren,

bei Fehlen anderslautender Beschaffenheitsvereinbarungen einen 

  • gemäß § 536 Abs. 1 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) 

zur Mietminderung berechtigenden Mangel der Mietwohnung 

  • grundsätzlich nicht begründen können, wenn 
    • auch der Vermieter die Immissionen ohne eigene Abwehr- oder Entschädigungsmöglichkeit nach § 906 BGB hinnehmen muss,
  • sondern nur dann, wenn auch 
    • Abwehr- oder Entschädigungsansprüche des Vermieters gegen den Dritten nach § 906 BGB bestehen.

Das bedeutet:
Möchte ein Mieter

  • wegen von nach Mietbeginn von einem Nachbargrundstück über einen längeren Zeitraum ausgehender erhöhter Geräusch- oder/und Schmutzimmissionen 

die Miete nach § 536 Abs. 1 BGB mindern muss er, sofern 

  • weder eine Beschaffenheitsvereinbarung hinsichtlich der Freiheit der Wohnung von solchen Geräusch- oder/und Schmutzimmissionen ausdrücklich oder konkludent getroffen worden, 
  • noch eine solche dem Mietvertrag zu entnehmen ist,

zunächst 

  • darlegen und
  • im Streitfall auch beweisen,

dass 

  • die von ihm angemietete Wohnung Immissionen der vorbezeichneten Art ausgesetzt ist, die die Gebrauchstauglichkeit der Wohnung unmittelbar beeinträchtigen und 
  • es sich hierbei um eine wesentliche Beeinträchtigung im Sinne des § 906 Abs. 1 Satz 1 BGB handelt.

Ist dies vom Mieter durch eine Beschreibung, 

  • aus der sich ergibt, 
    • um welche Art von Beeinträchtigungen es geht, 
    • zu welchen Tageszeiten, 
    • über welche Zeitdauer sowie 
    • in welcher Frequenz diese ungefähr auftreten 
  • und die zudem darauf schließen lässt, 
    • dass es sich bei den geltend gemachten Immissionen um wesentliche Beeinträchtigungen im Sinne des § 906 Abs. 1 Satz 1 BGB handelt,

dargelegt sowie

  • der diesbezügliche Tatsachenvortrag im Bestreitensfall durch den Vermieter vom Mieter auch 

bewiesen worden, kann der Vermieter sich gegenüber dem Mieter darauf berufen,  

  • wegen des festgestellten Sachverhalts weder Abwehr- noch Entschädigungsansprüche nach § 906 BGB gegen den Verursacher der Immissionen zu haben und deswegen

für die Abwendung der festgestellten Immissionen auch nicht einstehen müsse.

Wendet der Vermieter dies ein, hängt die Frage, 

  • ob ein zur Mietminderung berechtigender Wohnungsmangel vorliegt, 

davon ab, ob der Vermieter die entsprechenden Tatsachen dafür, 

darlegen und im Fall des Bestreitens durch den Mieter auch beweisen kann.

Übrigens:
Dazu, wann

  • bei von einer Baustelle ausgehendem Baulärm 

Nachbarn von der 

  • Immissionsschutzbehörde

die Anordnung geeigneter Maßnahmen zur Begrenzung des Baulärms verlangen können, vergleiche den Blogeintrag 

Wegen vom Nachbargrundstück ausgehenden Baulärms die Miete mindern? Geht das oder geht das nicht?

Die bisherige Rechtsprechung dazu, ob bzw. unter welchen Voraussetzungen von einem Nachbargrundstück, nach Mietbeginn, ausgehender erheblicher Baulärm über einen längeren Zeitraum,

  • beispielsweise weil dort ein Haus abgerissen und neu errichtet werden soll,

einen Mietmangel darstellen und zur Mietminderung gegenüber dem Vermieter berechtigen kann, ist bisher uneinheitlich.

Das Landgericht (LG) Berlin hat im Beschluss vom 15.01.2019 – 67 C 309/18 – entschieden, dass in einem solchen Fall

  • eine Mietminderung gemäß § 536 Abs. 1 Satz 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) berechtigt ist

und zwar auch dann, wenn

  • der Vermieter weder Verursacher der Beeinträchtigung ist,
  • noch dem Vermieter gegenüber dem Verursacher Abwehr- oder Entschädigungsansprüche (gemäß § 906 BGB) zustehen.

Ebenso entschieden hat das LG Berlin mit Urteil vom 16.06.2016 – 67 O 76/16 – in einem Fall,

  • in dem nach Mietbeginn auf dem benachbarten Grundstück, auf einer dortigen, ursprünglich mit Bäumen bewachsenen Baulücke, eine Tiefgarage und ein Gebäude errichtet worden waren,

und

  • wegen der durch die Baumaßnahmen auf dem Nachbargrundstück bedingten erheblichen Bauimmissionen (Lärm, Staub und Erschütterungen nicht nur wochentags, sondern zeitweise auch am Wochenende),

für die Dauer der Baumaßnahmen eine Mietminderung um 20 Prozent für berechtigt angesehen.

Auch das Amtsgericht (AG) München hat mit Urteil vom 01.02.2018 – 472 C 18927/16 – in einem Fall, in dem in der Nachbarschaft des Mieters über hundert neue Wohneinheiten erstellt wurden,

  • von dem Mieter ein detailliertes Lärmprotokoll mit eingearbeiteter Fotodokumentation sowie das Ergebnis einer eigenen mehrtägigen Schallmessung vorgelegt und
  • von einem Sachverständigen im letzten Quartal eines Jahres an 19 Tagen sowie im Folgejahr an 160 Tagen Lärmimmissionen gemessen worden waren,
    • die eine Einwirkung von über 63 Dezibel, an mehr als 60 Tagen sogar von mehr als 70 Dezibel an der Wohnung des Mieters ergeben hatten,

dies

  • als wesentliche Beeinträchtigung angesehen und

wegen des erheblichen Baulärms eine Mietminderung für berechtigt erachtet (Quelle: Pressemitteilung des AG München vom 14.12.2018).

Dagegen hat das LG München I mit Urteil vom 27.10.2016 – 31 S 58/16 – entschieden, dass nachträglich erhöhte Geräuschimmissionen,

  • die von einem Nachbargrundstück ausgehen, weil dort gebaut wird und die Baustelle Lärm verursacht,

bei Fehlen anderslautender Beschaffenheitsvereinbarung im Mietvertrag, grundsätzlich dann

  • keinen gemäß § 536 Abs. 1 Satz 1 BGB zur Mietminderung berechtigenden Mangel der Mietwohnung begründen,

wenn

  • auch der Vermieter die Immissionen ohne eigene Abwehr- oder Entschädigungsmöglichkeit nach § 906 BGB als unwesentlich oder ortsüblich hinnehmen muss,
  • sich also auf seine eigene Duldungspflicht gegenüber dem Bauherrn auf dem Nachbargrundstück berufen kann.

Dass Voraussetzung für eine Mietminderung des Wohnungsmieters nicht nur ist,

  • dass der Mietgebrauch durch den Baulärm tatsächlich beeinträchtigt ist,

sondern auch,

  • dass der Vermieter die Immissionen nicht ohne eigene Abwehr- oder Entschädigungsmöglichkeit nach § 906 BGB als unwesentlich oder ortsüblich hinnehmen muss,

hat die Kammer damit begründet, dass Wohnungsmieter insoweit an der jeweiligen Situationsgebundenheit des Mietgrundstücks teilnehmen (vgl. Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 29.04.2015 – VIII ZR 197/14 – Bolzplatzentscheidung).

Übrigens:
Überschreitet der Lärm von einer Baustelle

  • an der Wohnung eines Nachbarn

die in der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Schutz gegen Baulärm (AVV Baulärm) festgelegten „Eingreif-Richtwerte“, muss

  • auf Antrag des Nachbarn

die Immissionsschutzbehörde geeignete Maßnahmen zur Begrenzung des Baulärms anordnen.

Erweisen sich die behördlich angeordneten Maßnahmen als ungeeignet,

  • können von dem Nachbarn

konkrete Einzelmaßnahmen verlangt werden.

  • Missachtet der Bauherr vollziehbare behördliche Anordnungen wiederholt und hartnäckig, kann der Betrieb der Baustelle vorläufig untersagt werden.

Darauf hat der 10. Senat des Verwaltungsgerichtshofs (VGH) Baden-Württemberg mit Beschluss vom 05.02.2015 – 10 S 2471/14 – hingewiesen und das Landratsamt auf den Eilantrag einer Wohnungsmieterin durch einstweilige Anordnung zu weiteren Maßnahmen zum Lärmschutz in einem Fall verpflichtet,

  • in dem vom Landratsamt zwar bereits Maßnahmen zur Minderung des Lärms von einer Großbaustelle angeordnet worden waren,
  • der Bauherr diese sowie die in der AVV Baulärm für Mischgebiete festgelegten und festgesetzten Immissions-Richtwerte (60 dB (A) tags von 7 bis 20 Uhr, 45 dB (A) nachts von 20 bis 7 Uhr) aber wiederholt und hartnäckig missachtet hatte.

Was Grundstückseigentümer wissen sollten, wenn an der Grenze zum Nachbargrundstück Bäume, Sträucher

…. oder Hecken gepflanzt sind oder werden.

Bäume, Sträucher oder Hecken sollten

  • nicht in einer geringeren Entfernung als 0,50 m oder
  • falls sie über 2 m hoch sind, nicht in einer geringeren Entfernung als 2 m

zur Nachbargrundstücksgrenze gehalten werden.

  • Der Eigentümer des Nachbargrundstücks hat nämlich Anspruch darauf, dass diese Grenzabstände eingehalten werden und
  • kann bei Verletzung der Grenzabstände nach Art. 47 Abs. 1 des Gesetzes zur Ausführung des Bürgerlichen Gesetzbuchs (AGBGB) die Beseitigung des verletzenden Zustands fordern und einen Rückschnitt verlangen.

Gemessen wird

  • der Abstand nach Art. 47 AGBGB (vgl. Art. 49 AGBGB),
    • vonder Mitte des Stammes an der Stelle, an der dieser aus dem Boden hervortritt,
    • bei Sträuchern und Hecken von der Mitte der zunächst an der Grenze befindlichen Triebe,
    • bei Hopfenstöcken von der Hopfenstange oder dem Steigdraht ab (vgl. Art. 49 AGBGB)

und

  • die zulässige Höhe der Bäume und Pflanzen

Beachtet werden muss, dass der Anspruch auf Beseitigung eines den Art. 47 AGBGB verletzenden Zustands verjähren kann.

Verjährung tritt gemäß § 52 AGBGB ein nach fünf Jahren, wobei die Verjährungsfrist zu laufen beginnt

  • mit dem Schluss des Jahres in dem der Anspruch auf Beseitigung entstanden ist,
    • also Baum oder Pflanze erstmals die Höhe von zwei Metern überschreitet bzw. überschritten hat,
    • zuzüglichder Geländestufe bei tiefer liegenden Grundstücken

und

  • der Eigentümer des Grundstücks von den Anspruch begründenden Umständen Kenntnis
    • erlangt hat oder
    • ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen.

Ist allerdings

  • von dem zu einem Baum- bzw. Pflanzenrückschnitt aufgeforderten beseitigungspflichtigen Grundstückseigentümer

vor Ablauf der Verjährungsfrist mitgeteilt worden,

  • dass die erforderlichen Maßnahmen durchgeführt werden,

liegt ein Anerkenntnis vor,

  • das nach § 212 Abs. 1 Nr. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) die noch nicht abgelaufene Verjährungsfrist neu beginnen lässt.

Da der nach Art. 47 AGBGB zu einem Rückschnitt verpflichtete Grundstückseigentümer

  • es in der Hand hat, durch einen stetigen schonenden Rückschnitt die Pflanzen auf einer zulässigen Höhe zu halten,

kann er sich darauf, dass

  • es bei dem verlangten Rückschnitt zu einer Beschädigung der Pflanzen kommt,

nicht berufen.

Darauf und dass auch § 39 Abs. 5 Nr. 2 Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG),

  • nach dem es verboten ist Bäume, Hecken, lebende Zäune, Gebüsche und andere Gehölze in der Zeit vom 1. März bis zum 30. September abzuschneiden, soweit es sich nicht um einen schonen Form- oder Pflegeschnitt handelt,

dem Anspruch nach Art. 47 AGBGB nicht entgegensteht,

  • sondern in den dort genannten Zeiten allenfalls ein vorübergehendes Vollstreckungshindernis besteht,

hat das Amtsgericht (AG) München mit Urteil vom 01.10.2018 – 242 C 24651/17 – hingewiesen (Quelle: Pressemitteilung des AG München vom 07.12.2018).

Was wer auf seinem Grundstück eine Luftwärmepumpe betreibt bzw. betreiben will, wissen sollte

Eine auf einem Grundstück betriebene Luftwärmepumpe muss mindestens drei Meter vom Nachbargrundstück entfernt sein.
Wird diese Abstandsfläche von drei Meter nicht eingehalten, muss die Wärmepumpe auf Verlangen des Nachbarn entfernt werden.

Das hat der 14. Senat des Oberlandesgerichts (OLG) Nürnberg mit Urteil vom 30.01.2017 – 14 U 2612/15 – entschieden.

Begründet hat der Senat dies damit, dass eine Wärmepumpe,

  • da von ihr, wegen der Geräusche die sie generell verursache, eine Wirkung wie von einem Gebäude ausgehe,

eine „andere Anlage“ im Sinne von Art. 6 Abs. 1 Satz 2 der Bayerischen Bauordnung (BayBO) sei, so dass

  • die bauordnungsrechtlich vorgesehene Abstandsfläche von mindestens drei Meter gegenüber Außenwänden von Gebäuden und Grundstücksgrenzen freizuhalten ist und
  • eine Missachtung, ohne dass dies ein Verschulden voraussetzt, zu einem zivilrechtlichen Anspruch des betreffenden Nachbarn auf Beseitigung führt, sofern kein rechtsmissbräuchliches Verhalten vorliegt (Quelle: Pressemitteilung des OLG Nürnberg vom 14.02.2017 – 5/17 –).

Kann Baulärm auf Nachbargrundstück zu Mietminderung berechtigen?

Mit Urteil vom 16.06.2016 – 67 O 76/16 – hat die 67. Zivilkammer des Landgerichts (LG) Berlin in einem Fall,

  • in dem ein Mieter eine Wohnung gemietet hatte und
  • nach Mietbeginn auf dem benachbarten Grundstück, auf einer dortigen, ursprünglich mit Bäumen bewachsenen Baulücke, eine Tiefgarage und ein Gebäude errichtet worden waren,

entschieden, dass der Mieter,

  • wegen der durch die Baumaßnahmen auf dem Nachbargrundstück bedingten erheblichen Bauimmissionen (Lärm, Staub und Erschütterungen nicht nur wochentags, sondern zeitweise auch am Wochenende),
  • für die Dauer der Baumaßnahmen berechtigt ist, die Miete um 20 Prozent zu mindern.

Begründet hat das LG dies damit, dass

  • die Mietvertragsparteien bei Vertragsschluss stillschweigend vereinbart hätten, dass die gemietete Wohnung den üblichen Mindeststandard, der auch ein gesundheitlich unbedenkliches Wohnen gewährleiste, einhalte und,
  • auch wenn gerade in Großstädten Baumaßnahmen nicht unüblich seien, die ganz überwiegende Mehrzahl der Mietwohnungen doch von solchen Beeinträchtigungen nicht betroffen und mithin der konkludent vereinbarte Standard während der Bauphase hier bei weitem unterschritten worden sei.

Dass der Vermieter über keine rechtlichen Möglichkeiten verfüge, die Beeinträchtigungen abzuwehren oder von dem Nachbarn eine Entschädigung zu verlangen, rechtfertige, so das LG weiter, ebenso wenig eine andere Beurteilung wie der Umstand, dass der Mieter bei Mietbeginn fahrlässig nicht an eine spätere Bebauung der benachbarten Baulücke und die damit verbundenen Bauimmissionen gedacht habe.

Die sog. „Bolzplatzentscheidung“ des Bundesgerichtshofs (BGH, Urteil vom 29.04.2015 – VIII ZR 197/14 –), nach der unter bestimmten Voraussetzungen zu Lasten des Mieters nach Vertragsschluss auftretende Immissionen nicht zu berücksichtigen sind, hat das LG vorliegend nicht für einschlägig erachtet (Quelle Pressemitteilung des LG Berlin 32/2016 vom 17.06.2016).